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Marie-Luise Angerer fragt in ihrem Beitrag "Die 'biomediale Schwelle'. Medientechnologien und Affekt" nach den Konsequenzen, die es hat, wenn die Medientechnologien sich nicht mehr als Objekt oder als Gegenüber zur Erscheinung bringen, sondern sich - wie im Fall der "fehlenden Zeitspanne", den sie von Helmholtz bis Brian Massumi nachvollzieht - in den Prozess selbst einschreiben, mit dem die Wahrnehmung wissenschaftlich beschrieben wird. Mit Canguilhem auf der einen und Haraway auf der anderen Seite lotet sie die neue Situation aus, die sie als post-biological condition beschreibt.
"Ich mache die Orte zu meinen Sehnsuchtsorten, an die es mich zufällig verschlägt. Und ich lade diese Orte mit dem auf, was ich mitbringe – ganz ohne Erwartungen. So erstaunt es mich auch immer wieder, wie viel man aus einem Ort "herausholen" kann." So beschreibt Felicitas Hoppe im Interview mit dem Journalisten und Geografen Jens Nommel ihr Vorgehen bei der Konstituierung von Räumen in der diegetischen Welt. Diese Aussage ließe sich paradigmatisch auf das Gesamtwerk der Autorin übertragen, so sind es weniger Beschreibungen von realen Orten und Topografien, die sich hier finden, als vielmehr im Schreibprozess entstehende Imaginationsorte, die durch das Zusammentreffen eines den Orten Bedeutung zuweisenden Bewusstseins und der äußeren Beschreibung derselben entstehen. Dies geschieht, so die These dieses Beitrags, mithilfe einer Destabilisierung der strukturbildenden Elemente von Raum, Zeit und Kausalität, die in der Folge einen Vorstellungsraum öffnen, in dem physikalische Grenzen überwunden und im Modus der Gleichzeitigkeit alternative Seinsweisen erprobt werden können. Hoppe schließt dabei an die Darstellungstechniken der Literarischen Moderne an, greift die Diskussionen der Postmoderne vom Ende der großen Metaerzählungen, dem Tod des Subjekts und allgemeiner Geschichtslosigkeit auf und entwirft im Sinne einer Transmoderne alternative Darstellungsformen. […] Ziel des vorliegenden Beitrags ist demnach zunächst das Aufzeigen der Destabilisierungsprozesse in Bezug auf die genannten Elemente mithilfe einer textimmanenten Analyse der zeitlichen und räumlichen Struktur. Dabei werden, erstens, die verschiedenen Spielarten des Zeitbegriffs sowie Raumsemantiken auf der intradiegetischen Ebene in den Blick genommen, zweitens, Möglichkeiten der Zeit- und Raumgestaltung auf der Ebene des discours untersucht und schließlich der Prozess der Refiguration beleuchtet. Im Anschluss wird der Frage nach dem Funktionspotenzial der erarbeiteten Destabilisierungsprozesse sowie der Entwicklung derselben als ästhetisches Programm nachgegangen. Da die angeführten Destabilisierungsprozesse je nach thematischer Schwerpunktsetzung unterschiedliche Funktionen einnehmen, werden Hoppes Romane 'Pigafetta', 'Paradiese, Übersee', 'Johanna' und 'Der beste Platz der Welt' chronologisch analysiert und im Anschluss einem synthetisierenden Vergleich unterzogen.
The aim of this introductory article [to the volume of the same title], firstly, is to recapitulate the basic principles of Bakhtin’s initial theory as formulated in “Forms of Time and of the Chronotope in the Novel: Notes toward a Historical Poetics” (henceforth FTC) and “The Bildungsroman and its Significance in the History of Realism (Toward a Historic Typology of the Novel)” (henceforth BSHR). Subsequently, we present some relevant elaborations of Bakhtin’s initial concept and a number of applications of chronotopic analysis, closing our state of the art by outlining two perspectives for further investigation. Some of the issues which we touch upon receive more detailed treatment in other contributions to this volume. Others may offer perspectives for future Bakhtin scholarship.
This article shows that 'tension' cannot be conceived as a specific object of an analysis for which one could determine a precise field of enquiry. Instead, it establishes tension as a specific mode or angle of approach with which any given contingent object or set of objects can be explored. The wideness of its applicability and the specificity of its angle suggest that research on tension can help to unfold a better understanding of a classical ontological question concerning the essential value of actions and relations in the definition of what a thing is. The text follows this line of argumentation by pairing contemporary philosophical sources and specific aesthetic and political examples. Suggesting the possibility of an open classification of different modes of tension, it clarifies the extent to which the essential definition of a thing is bound to the contingent analysis of its transformations.
Vor dem Hintergrund sich wandelnder Zeitwahrnehmungen um 1800 nimmt der Beitrag spezifische Temporalitäten des Tragischen bei Heinrich von Kleist in den Blick. Die Lektüre von "Die Familie Schroffenstein" geht der Frage nach, inwiefern auch in einer Tragödie der Moderne Zukunftsdeterminanten zum Tragen kommen, und wie diese, hier in Gestalt des schriftlich-juristischen Mediums des Erbvertrags, trotz ihrer genuin neuzeitlichen Verfasstheit vergleichbare dramaturgische Funktionen übernehmen wie etwa ein antiker Orakelspruch. Es wird untersucht, wie der Erbvertrag die tragische Verwicklung verfügt und dabei auch zur Ausbildung von intrikaten Zeitdimensionen im Drama beiträgt. Gezeigt werden soll damit, dass diese Zeitdimensionen nicht nur im Kontext eines Paradigmenwechsels der Sattelzeit zu betrachten sind, sondern dass es gerade das gattungspoetische und womöglich transhistorische Strukturmerkmal der Vorbestimmung der Zukunft ist - die Vorwegnahme des tragischen Ausgangs -, welche die Ausformung der komplexen Zeitlichkeiten in der Tragödie bewirkt.
In der Schrift Der Verfasser teilt die Geschichte seiner botanischen Studien mit (1817) erinnert Goethe, wie er 1786 in Padua angesichts einer Fächerpalme die Idee zur "Metamorphose der Pflanze" faßte. Er ließ deswegen einen Gärtner die "Stufenfolge dieser Veränderungen" abschneiden und führte diese botanischen Dokumente zwischen großen Pappen mit sich. 1817 weiß er, wie dieses Verhalten zu bezeichnen ist: "Sie liegen wie ich sie damals mitgenommen, noch wohlbehalten vor mir und ich verehre sie als Fetische, die meine Aufmerksamkeit zu erregen und zu fesseln völlig geeignet, mir eine gedeihliche Folge meiner Bemühungen zuzusagen scheinen." (WA II, 6, 119-121) ...
Gegen das tödliche Schweigen und die Einsamkeit setzt Robin Campillo in seinem Film "120 BPM" das gemeinsame Sprechen, die Versammlung. Basierend auf Campillos Erinnerungen an die politische Arbeit mit ACT UP Paris in den frühen 1990er Jahren rückt der Film die wöchentlichen Versammlungen der Gruppe in den Fokus. Ausgehend von diesen werden die queeren Zeitpolitiken des Films herausgearbeitet und gezeigt, dass der Film die Kämpfe nicht einfach als vergangene zeigt; vielmehr etabliert er eine Ästhetik des Präsentischen, die die Verbindungen von Gegenwart und Vergangenheit als performative Vergegenwärtigungen und potentielle Aktivierungen betont.
Einleitung
(2014)
Die folgenden Beiträge sind im Rahmen einer Vortragsreihe des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung entstanden, die die Ausstellung am Museum für Kommunikation begleitete. Dabei fokussieren die Beiträge aber weniger Alltagsgegenstände, die Produkte und Bestandteile der Beschleunigungslogik sind, sondern widmen sich Beispielen aus den Künsten. An diesen Beispielen wird deutlich, dass die Künste ebenfalls in die Beschleunigung eingebunden sind, diese aber zugleich immer auch reflektieren. In ihrer Summe zeigen die Beiträge, die sich ganz unterschiedlichen Bereichen der Kulturgeschichte widmen, dass in der künstlerischen Reflexion der Beschleunigung das Verhältnis von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft verhandelt wird. Die Auseinandersetzung mit den sich verändernden Zeitstrukturen wird damit zum Ausgangspunkt für die Verortung der Gegenwart in der Geschichte.
Recherche II : anamnesis
(2019)
The temporal loop of Proust's "Recherche" complicates the unidirectional understanding of anamnesis in psychoanalysis, which, in turn, allows for a renewed reading of the temporality of the "Recherche", highlighting the intrinsic link between artistic 'research' and unconscious affect - at the same time origin, motif, and destination.
Recherche I
(2019)
Recherche, (re-)search: do I research to find something not yet found or do I re-search back to find something that has been lost? These two directionalities structure Proust's "À la recherche du temps perdu" and are reflected in its reception. But what if they only seem mutually exclusive, yet really are one and the same thing?