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In den Kämpfen vom Juni/Juli 1960 in Genua war der Dissens zur klassenversöhnlerischen und abwiegelnden Haltung der Italienischen Kommunistischen Partei (PCI) deutlich zu Tage getreten. Dabei waren Jugendliche als besonders militant aufgefallen. Die Medien nannten sie die "Jugendlichen mit den gestreiften Trikots". Die Bezeichnung machte deutlich, daß sie keine Arbeiter waren, zeugte aber auch von der Unfähigkeit, sie einzuordnen. Diese Generation von Jugendlichen war geprägt von einer Unzufriedenheit mit den rigiden Normender italienischen Nachkriegsgesellschaft. Die PCI war zwar auch für sie, in Ermangelung von Alternativen, der einzige Bezugspunkt. Doch ihre Vorstellungen standen im krassen Widerspruch zu der von der PCI propagierten Arbeitsmoral. Sie fanden sich ehr in der Haltung der aus Süditalien stammenden Arbeiter wieder. Allein von Ende der fünfziger bis Mitte der sechziger Jahre waren es nahezu anderthalb Millionen, die aus dem bäuerlichen Süden in den Norden auswanderten und ihren Platz am Band einnahmen. Für diese Massenarbeiter stellte sich Arbeit nicht wie von der PCI propagiert als "Befreiung" dar, sondern als Plackerei. ...
Marco Revelli, eine der zentralen Figuren der Unibesetzung in Turin 1967, lehrt heute an der Fakultät für politische Wissenschaften der selben Uni. Revelli forschte und publizierte verschiedene Bücher zu Faschismus sowie zum Postfordismus, unter anderem auch einen Beitrag über Fordismus und Toyotismus für das Buch "Verabredungen zum Jahrhundertende" von Rossana Rossanda und Pietro Ingrao. In der deutschen Ausgabe wurde der Beitrag Revellis allerdings nicht veröffentlicht, er erschien im April ‘97 als Beilage zu der Zeitschrift "Sozialismus".
Grundlage des Artikels ist der Berliner Teil der zweijährigen Studie "Moriana", in der – im ersten Jahr – Wandel der Produktion und Wirtschaftsstruktur, der Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse, der Sozialstruktur und die Rezeption dieser Veränderungen durch Politik, Gewerkschaften, Arbeitgeber, Forschung und Dritter Sektor untersucht wurden. Im zweiten Jahr wurden die Situation und die Bedürfnisse von selbstständig Beschäftigten genauer betrachtet. Das Forschungsprojekt wurde von dem Institut A.A.STER in Mailand unter der Leitung von Aldo Bonomi koordiniert und in den Städten Berlin (D), Paris (F), Valencia (ES), Mailand (I), Turin (I), Genua (I) und Neapel (I) durchgeführt. Das Projekt arbeitete – vor allem im zweiten Teil – mit dem Ansatz der "aktiven Untersuchung", im Rahmen derer die Betroffenen selbst ihre Situation und Bedürfnisse beschreiben und ihre subjektive Wahrnehmung im Mittelpunkt steht. In Berlin wurden dafür im Jahr 2000 u.a. ausführliche Interviews mit 30 Selbstständigen verschiedener Einkommensstufen sowie unterschiedlichen Qualifikationsgrades geführt, und diesen ein zusätzlich ein Fragebogen mit 100 Fragen vorgelegt. Die Ergebnisse können zwar nicht als repräsentativ bezeichnet werden, zeigen aber eine Tendenz auf.
Im ersten Teil des Interviews mit dem italienischen Politologen Marco Revelli (Arranca! Nr. 12) ging es um die Funktionsweise der fordistischen und postfordistischen Fabrik, um die neuentstehenden und in die Gesellschaft verlagerten Konflikte sowie um die tendenziell überflüssige Rolle der Gewerkschaften. Im vorliegenden zweiten Teil nimmt Revelli zu der Frage nach Widerstandsmöglichkeiten Stellung.
Selbstständig Beschäftigten wird in der Öffentlichkeit ein erhöhter Individualismus und Egoismus nachgesagt. Gleich, ob die ihnen zugeordneten Eigenschaften positiv oder negativ bewertet werden, scheint Einigkeit zu bestehen, dass sie kein Interesse an einer organisierten Interessensvertretung haben. Sei es weil sie in Gewerkschaftsform als anachronistisch und fortschrittshemmend angesehen wird oder weil die vermeintlich privilegierte Situation der Selbstständigen eine Interessensvertretung überflüssig oder unerwünscht macht. Im folgenden Beitrag sollen einerseits die Relevanz der Frage der Organisierung und Interessensvertretung im Bereich der selbstständig Beschäftigten dargelegt werden und andererseits ihr Verhältnis zu traditionellen Interessensvertretungen (Gewerkschaften, Kammern usw.) sowie ihre Vorstellungen von einer Interessensvertretung dargestellt werden. Grundlage für den zweiten Teil sind die Ergebnisse einer Untersuchung in Berlin im Rahmen der zweijährigen Studie "Moriana" (1999/2000) des Mailänder Instituts A.A.Ster in sieben europäischen Städten. Diese hatte die Erforschung der neuen sozialen Zusammensetzung und der sich ausbreitenden neuen Arbeitsformen in metropolitanen Zentren zum Ziel, die während des Fordismus durch das Modell des urbanen Industriekapitalismus gekennzeichnet waren, in der heutigen Transitionsphase durch Formen informeller Ökonomie, gesellschaftlicher Ökonomie und Dienstleistungsökonomie. ...
Dass Arbeit und Produktion seit einigen Jahrzehnten einem rasanten Wandel in Form und Inhalt unterliegen, ist mittlerweile schon ein Allgemeinplatz. Doch die Reaktionen der Linken auf diese Veränderungen sind nach wie vor erschreckend. Die alte staatsfixierte Linke, also alle Kinder der Sozialdemokratie, von den Gewerkschaften bis hin zu den Parteikommunisten jeglicher Couleur, hat sich im Groben auf zwei Positionen verteilt: auf der einen Seite die "besseren Modernisierer", die Sozialdemokraten, mit denen wir es in fast allen Staaten der EU zu tun haben und deren "Neoliberalismus" sich vom us-amerikanischen Modell nur darin unterscheidet, dass diese den Sozialstaat (noch stärker als bisher) in eine Zwangsgemeinschaft verwandeln, um so das wegfallende Disziplinierungsmoment "Lohnarbeit" durch andere zu ersetzen und gleichzeitig Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse zu deregulieren. So wird das Bild des "aktivierenden Staates" propagiert, d.h. eine Abkehr vom früheren Wohlfahrtsstaat im Rahmen dessen - mal ganz abgesehen von seiner Disziplinierungs- und Kontrollfunktion - die Unterstützung ein Recht darstellte und die EmpfängerInnen in erster Linie alimentiert wurden. Das führt zu einem Modell staatlicher Förderung, in dem für Unterstützung eine Gegenleistung erwartet wird und die EmpfängerInnen von Unterstützung "animiert" (besser gesagt: gezwungen) werden sollen, die Leistungen nicht mehr in Anspruch zu nehmen und sich "Arbeit zu suchen". Da dies auf dem regulären Arbeitsmarkt kaum noch möglich ist, wird die "Selbstständigkeit" als Allheilmittel und Chance propagiert. So zahlt etwa das Arbeitsamt an "Arbeitslose", die eine selbstständige Aktivität in die Wege leiten, die Unterstützung sechs Monate weiter - danach erlöschen aber jegliche Ansprüche. Dass es sich hierbei um die Durchsetzung von Maßnahmen handelt, die darauf abzielen, Arbeitsverhältnissse weiter zu deregulieren und die in einen ideolgogischen Rahmen eingebettet sind, ist offensichtlich. Die hierin propagierten Anforderungen stehen aber im Widerspruch zur Selbstwahrnehmung vieler selbstständig Beschäftigter. ...
Vortrag in Linz im KunstRaum Goethestrasse am 25.09.2002 im Rahmen der Reihe ESTABLISH CULTURAL WORKER - Ist die KulturArbeit (oder) Kunst?: Zuerst möchte ich kurz zu dem Moriana Projekt etwas sagen. Es wurde in 7 Städten durchgeführt, und war ein europäisches Forschungsprojekt von einem italienischen Forschungsinstitut. Es ging um die Situation von Kleinstselbstständigen, FreiberuflerInnen etc. Dies mit einem erneuerten Ansatz dessen, was früher einmal Arbeitermituntersuchung hiess, nämlich militante Untersuchung. Das heisst, die Leute die in den Verhältnissen stecken, analysieren selbst ihre Arbeitssituation, versuchen selbst ihre Bedürfnisse zu beschreiben, versuchen selbst diesen Arbeitsprozess zu beschreiben, und werden, durch einen Intervention des/der ForscherIn, versucht in eine bestimmte Richtung zu drängen. Nämlich in die Richtung, für ihre Interessen zumindest zu einer Selbstformulierung zu kommen, wenn nicht gar zu einer Selbstorganisierung. Letzteres hat bei dem Projekt nicht geklappt, oder nur zu ganz kleinen Teilen. ...