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Athanasios Anastasiadis wirft einen Blick nach Österreich, auf das Werk Franz Grillparzers, und beschreibt dessen Rezeption der griechischen Antike und - damit verbunden - philhellenischer Gedanken. Franz Grillparzer war ein vorzüglicher Kenner der antiken Literatur, die er im Original intensiv studiert und exzerpiert hat. Seine klassisch-humanistische Bildung hat ihn aber keineswegs dazu bewogen, zum Anhänger der philhellenischen Bewegung zu werden, sich publizistisch zum griechischen Unabhängigkeitskrieg von 1821 zu äußern oder gar aktiv daran teilzunehmen. Keineswegs lässt sich sein Werk dem literarischen Philhellenismus zuordnen. Aber Franz Grillparzer und seine Dramen weisen in dreierlei Hinsicht Bezugspunkte zu Griechenland, und zwar zum antiken wie zum modernen auf, die im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen: 1) Zwischen 1817 und 1831 verarbeitete er in seinen 'Griechendramen' Stoffe der klassischen Antike. 2) Im Jahr 1843 unternahm er eine Reise in den Orient und hielt sich auch im jungen griechischen Staat auf, wovon er in seinem Tagebuch auf der Reise nach Konstantinopel und Griechenland desillusioniert Zeugnis ablegte. 3) Die Griechendramen wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Griechenland rezipiert. Sie blieben bis in die 1930er Jahre auf Athener Bühnen präsent und wurden in der Presse kontrovers diskutiert.
Im folgenden soll das neue Geschichts- und Zeitbewußtsein im Drama des frühen 19. Jahrhunderts näher untersucht und die sich daraus ergebenden dramaturgischen Konsequenzen aufgezeigt werden. Der exemplarischen Analyse sind folgende Dramen zugrunde gelegt: Byrons 'Sardanapalus' (1821), Grillparzers 'Ein Bruderzwist in Habsburg' (1824/1848), Hugos 'Cromwell' (1827), Duque de Rivas' 'Don Alvaro o la fuerza del sino' ('Don Alvaro oder die Macht des Schicksals' (1835), das als Vorlage für das Libretto von Verdis Oper 'Die Macht des Schicksals' diente, und Büchners 'Dantons Tod' (1835).
Was den Tragödien zwischen Lessing und Hebbel an Tragik fehlen mag, muß der tragische Verlauf der (Literatur-)Geschichte wettmachen. Als Nietzsche im Jahr der Veröffentlichung von Grillparzers "Jüdin von Toledo" mit seiner "Geburt der Tragödie" den literarischen Gattungsbegriff um das Phänomen 'tragischer Erkenntnis' erweiterte, stellte er jenen frei flottierenden Tragikbegriff zur Verfügung, der seitdem sein Unwesen bis zu Benno von Wiese getrieben hat. Dessen Buch zur deutschen Tragödie entstand im historischpolitischen Umfeld jener Jahre, die vor allem unmittelbar nach 1945 und gelegentlich auch heute noch als 'deutsche Tragödie' euphemistisch umschrieben werden. Die in beiden Fällen fatalen Implikationen der notorischen Vermischung von literarischen Begriffen bzw. literarischen Verfahren mit politischen Semantiken oder historischen Verläufen ist Grund genug, zunächst einmal auf ihrem Unterschied zu beharren, auch und gerade im Falle von Tragödien - so es denn solche gibt. Aber auch wer im Vertrauen darauf, daß gegangene Wege der Nietzsche-Rezeption tragischer Konsequenz entbehren, Askese üben und der Differenz zwischen literarischen und historischen Verläufen Rechnung tragen möchte, wird an der lange vor Nietzsches Tragödienbuch, nämlich schon um 1848 verfaßten, aber erst 1872 kurz nach Grillparzers Tod veröffentlichten "Jüdin von Toledo" scheitern. Zu kraß ist dieses Stück, als daß man ästhetische Strukturen und politische Implikate hier sauber trennen könnte. Genauso unmöglich ist es aber, ihren Zusammenhang im Zeichen der Tragik zu stiften.
Am Beginn der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts schrieb Ferdinand Kürnberger zwei Feuilletons zu Franz Grillparzer. Diese Feuilletons aus der 'Gründerzeit' verdrängen die entscheidenden Fragen, die Grillparzer mit Heinrich Heine und Rahel Varnhagen verbunden haben: die Frage der Marginalisierung der Poesie in einer von Naturverwertung und instrumenteller Vernunft bestimmten Welt, die Frage einer gleichberechtigten Beziehung der Geschlechter zueinander und das Schicksal der Liebe in einer Zeit umfassender Rationalisierung und Verwertung.
Franz Grillparzer
(1992)
Bei Depressiven ist es, wie oben gezeigt, das private Selbst, das narzißtisch besetzt ist. Dies bedeutet aber nicht, daß sie sich darin geborgen fühlen. Vielmehr ist ihr Rückzug von der Welt mit Schuldgefühlen verbunden, die durch eine extreme Außenanpassung kompensiert werden. Grillparzer ist hierfür ein prägnantes Beispiel, wobei wir uns insbesondere auf das biographische Material von Scheit (1989) stützen, sowie auf Kürnberger (1872), Nadler (1948), Kleinschmidt (1967) und Frederiksen (1977). ...
In den Geisteswissenschaften hat neben Walter Burkert mit seinem Buch über den homo necans (1972) der in den USA lehrende Franzose René Girard einige der interessantesten Hypothesen zur Frage nach dem Entstehen und Funktionieren von Gewalt aufgestellt. Sie erweisen sich gerade für einen kulturanalytischen Blick auf literarische Texte als höchst fruchtbar. Girard ist, wie Burkert, schon seit über dreißig Jahren den Mechanismen von Gewalt auf der Spur, maßgeblich in seinem Buch „La violence et le sacré“ von 1972 (dt. „Das Heilige und die Gewalt“ 1987). Und bis heute sind für Girard weder die modernen philosophisch-politischen Theorien der Gewalt (mit dem Tenor: der Mensch ist im Wesentlichen gut, erst seine Unterdrückung lässt ihn gewalttätig werden) noch die psychologisch-biologischen Theorien eines mit Todestrieb oder womöglich Aggressivitätsgenen ausgestatteten Menschen überzeugend. Er selbst geht von der zunächst scheinbar einfachen Annahme aus, dass Gewalt ein soziales Phänomen ist, das in der Interaktion von Menschen entsteht. Wie das genauer begründet wird und was ein literarischer Text zu diesem Befund beitragen bzw. was dieser Befund für das Verständnis von literarischen Texten leisten kann, möchte ich am Beispiel von Franz Grillparzers „Die Jüdin von Toledo“ zeigen.
Die Arbeit behandelt die Aspekte des „habsburgischen Mythos" in den Grillparzerschen Dramen „König Ottokars Glück und Ende" (1823) und „Ein Bruderzwist in Habsburg" (1848). Hierbei liegt ein dreigliedriger Aufbau zu Grunde. Im ersten Teil werden Entstehung und allgemeine Merkmale des „habsburgischen Mythos" erläutert, wobei als Ausgangspunkt das Konzept von Claudio Magris, entwickelt in dessen Schrift „Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur" (dt. 1966), dient. Es wird außerdem auf die spezifischen, von Magris angeführten Merkmale des „habsburgischen Mythos" in Franz Grillparzers Werk eingegangen. Als Abschluss erfolgt ein kurzer Überblick über die Grillparzer-Forschung und ihre Auseinandersetzung mit dem „habsburgischen Mythos“ nach 1966 sowie über Grillparzers Verhältnis zur Habsburgermonarchie. Der Hauptteil der Arbeit besteht aus zwei je einzeln durchgeführten Analysen der beiden oben erwähnten Dramen. Anhand von vier Fragestellungen und den im Einführungsteil vorgestellten Kategorien werden die beiden Werke Grillparzers gedeutet, um diese gleichzeitig mit Magris’ eigener Interpretation abzugleichen sowie mit weiteren Ergebnissen der Forschung in Verbindung zu setzen. Die vier Fragestellungen, denen in der Arbeit nachgegangen wird, sind folgende: 1. Wurde und wird der „habsburgische Mythos“ als relevantes Interpretationskriterium für beide Dramen in der Forschung der letzten vierzig Jahre angesehen und benutzt? 2. Sind die Thesen und Interpretationen, die bezüglich der Verbindung beider Werke mit dem Konzept des „habsburgischen Mythos“ aufgestellt werden, plausibel? 3. Wieso werden beide Werke weitestgehend zum Phänomen des „habsburgischen Mythos“ gezählt, obwohl sie das Haus Habsburg und die relevanten „Mythos“- Aspekte unterschiedlich darstellen? Kann das negative Ende des „Bruderzwist“ mit der verherrlichenden Funktion des „habsburgischen Mythos“ übereinstimmen? 4. Welche Rolle spielen beide Werke für die Begründung des „habsburgischen Mythos“ in der Literatur des 19. Jahrhunderts?
Die jugendlichen Protagonisten in Karl Immermanns "Die Papierfenster eines Eremiten", Adalbert Stifters "Kalkstein" und Franz Grillparzers "Der arme Spielmann", die Gegenstand der nachfolgenden Betrachtungen sind, stehen in einem ebenso auffälligen wie interessanten Widerspruch zu der programmatischen Bedeutung der Jugend in den literaturästhetischen Positionsbestimmungen zwischen 1819 und 1848. Indem ihr Leben nicht von der Revolte gegen tradierte Normen und Konventionen geprägt ist, sondern vom Rückzug in das Private, nur Individuelle, erlauben sie Einblicke in die Befindlichkeit der jungen Generation in einer Epoche, deren geistesgeschichtliche Disposition Karl Immermann als das "Gewühle disparater Vorstellungen" charakterisiert. Die Antithesen des "heranreifenden Geschlechtes", die der Zeitschriftsteller in seinen Erinnerungen beschreibt, dokumentieren eine dialektische Seinserfahrung des Menschen, die für den Diskurs der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestimmend war.
In den Jahrzehnten zwischen dem Wiener Kongress 1815 und der Mitte des 19. Jahrhunderts etablierte sich eine neue Staatenordnung auf dem europäischen Kontinent, wie es die Kongress-Akte vorgesehen hatte. Gleichzeitig bildete sich in der Jurisprudenz ein neues Paradigma des Völkerrechts heraus. Es hieß das 'Völkerrecht der zivilisierten Staaten'. Die Entstehung der historischen Rechtsschule und des Rechtspositivismus im frühen 19. Jahrhundert entzog dem umkämpften Völkerrecht seine naturrechtliche Begründung. Auf der Suche nach einem neuen Begründungszusammenhang nahm das Völkerrecht einen Begriff auf, der im späten 18. Jahrhundert entstanden war, und dessen Bedeutung sich zur Zeit des Wiener Kongresses stabilisiert hatte. Es handelte sich um den Begriff der Zivilisation. Mithilfe dieses Begriffs wurde eine überstaatliche Gemeinschaft postuliert, nämlich die sogenannte Gemeinschaft zivilisierter Staaten, die die Legalität zwischenstaatlichen Verkehrs gewährleistet, ohne ein internationaler Staat oder gar Weltstaat zu sein. Das Völkerrecht des 19. Jahrhunderts war somit im Wesentlichen ein Völkerrecht der zivilisierten Staaten. 'Zivilisation' aber ist ein diskriminierender Begriff, zu dessen Bedeutungsgehalt die Definition und der Ausschluss seines Gegenteils, nämlich des Unzivilisierten, des Barbarischen, gehören. [...] Die Entstehung des Völkerrechts zivilisierter Staaten nach dem Wiener Kongress leitete eine neue Figuration der Weltordnung ein. Dieser Vorgang brachte ein Wechselspiel mehrerer Wissens- und Repräsentationsformen, nämlich Jurisprudenz, Theater und Ethnologie, in Gang. Im Folgenden werden diese miteinander verschränkten Wissens- und Repräsentationsformen näher untersucht.