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Sowohl der Kommunismus als auch der Nationalsozialismus - bisweilen auch als "politische Religionen" bezeichnet - boten eine Weltanschauung, die letztendlich mit anderen Konzeptionen, selbst mit den existierenden religiösen Traditionen, unvereinbar war und beanspruchten den Platz, den die überlieferte Religion in der Vergangenheit eingenommen hatte. Neben der Übernahme "religiöser Inhalte" (Dogma, Apokalypse und Eschatologie, Messianismus und die Konstruktion eines "Neuen Menschen") erfüllten beide Bewegungen sowohl für die Gesellschaft und als auch für das Individuum bestimmte, von traditionellen Religionen übernommene Funktionen. [...] "Politische Religionen" wie der Nationalsozialismus und der Sowjetkommunismus mit ihren apokalyptischen, eschatologischen und messianischen Zügen knüpften in ihren Vorstellungen vom "Neuen Menschen" an die christlichen Traditionen an und transformierten diese um. [...] In welchem Zusammenhang stehen die seit der Antike immer wiederkehrenden Ideen des "Neuen Menschen" und die jeweiligen Habitus? Dem Anspruch nach überwindet der "Neue Mensch" den Habitus, aus dem er hervorgegangen ist. Der "Neue Mensch" bricht einerseits also mit dem Althergebrachten, ist andererseits jedoch gleichzeitig als Transformation und Amalgamierung traditioneller Ideen interpretierbar. In diesem Kontext stellt sich also zum einen die Frage nach den Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Konzeption des "Neuen Menschen". Zum anderen ist zu klären, welche Auswirkungen die immer wieder diagnostizierte "Trägheit des Habitus" auf Konzeptionen des "Neuen Menschen" und vor allem auf deren Durchsetzung hat. [...] Zweifellos formten Politik, Ökonomie und Kultur die Habitus der im Zarenreich lebenden Menschen. Diese verschwanden nicht mit der Revolution, sondern lebten weiter, veränderten soziale Wirklichkeit und wurden ihrerseits wieder verändert. Im Folgenden sollen einige ausgewählte Habitus zwischen 1917 und 1938: der Habitus des Revolutionärs, der Habitus des Massenmenschen und der Habitus des Stalinisten, näher analysiert werden.
Innerhalb der Soziologie nimmt die Thematisierung von Makrogewalt, von kollektiven Gewaltphänomenen und Krieg sowie den darin involvierten Akteuren einen marginalen Stellenwert ein. Doch stellen nicht nur detaillierte soziologische Untersuchungen von Makrogewalt sowohl auf der System- als auch auf der Akteursebene ein Forschungsdesiderat dar. Ebenso gibt es im Hinblick auf die neuere Emotionssoziologie – neben einigen gut erforschten Bereichen – verblüffende Leerstellen, wie die Thematisierung von Erfahrungen in militärischen Verbänden sowohl im Krieg als auch im Frieden. In soziologischer Perspektive ist das Militär eine "Organisation zur kontrollierten und effizienten Anwendung von Gewalt", wobei die "militärische Gehorsamsproduktion […] in letzter Instanz darauf ausgerichtet [ist], diese Gewaltanwendung im Krieg, und hier vor allem in der Schlacht, zu gewährleisten". Der stark hierarchisch gegliederten Organisation liegen "zwei unterschiedliche Strukturprinzipien zugrunde: das vertikale Prinzip von Befehl und Gehorsam und das horizontale der Kameradschaft" .
In der Medien- und Filmwissenschaft, von deren semiologischen Ansätzen sich Pierre Bourdieu scharf abgrenzt, wird sein Konzept der symbolischen Herrschaft vergleichsweise wenig rezipiert. Darin selbst sind einige blinde Flecken, die von Bourdieu nicht reflektiert wurden. Zu den blinden Flecken gehören zum einen die Nichtberücksichtigung der darstellerischen, ästhetischen wie narrativen Eigenlogiken des Films, zum anderen die Nichtberücksichtigung der Eigensinnigkeit der ZuschauerInnen in der Rezeption und Aneignung filmischer Inhalte, zwei Aspekte, die die symbolische Herrschaft des oder im Film unterlaufen können. Da Bourdieu weder Filme inhaltlich analysiert noch Rezeptionsstudien durchführte, wird fälschlicherweise von der Form auf die Schichten der ZuschauerInnen geschlossen. Im Anschluss an die zentrale Thematik der symbolischen Herrschaft (symbolischen Gewalt, symbolischen Macht) lassen sich diese Konzepte allerdings gewinnbringend auf die verschiedensten Dimensionen und Instanzen der medialen Analyse an der Schnittstelle zwischen Medien- und Filmwissenschaft sowie der Filmsoziologie, im Folgenden insbesondere die Soziologie des Films respektive die Soziologie durch Film, anwenden.
Bourdieu sah sich vor die Aufgabe gestellt, die Vorstellung einer totalen Freiheit des Individuums, die ihm als eine Projektion der privilegierten Situation der Intellektuellen erschien, zu überwinden, ohne ins Gegenteil zu verfallen, in die Vorstellung einer völligen Determination des Menschen, die freilich nicht mehr biologisch bestimmt wurde wie zu Zeiten des Positivismus im 19. Jahrhundert, sondern eher kulturell als Determination durch Diskurssysteme, ökonomisch durch wirtschaftliche Verhältnisse, sozial durch Klassenstrukturen. Es ging ihm darum, die Erfahrungen der Akteure in ein Erklärungsmodell ihres Handelns zu integrieren. [...] Bourdieu gelangte zu der Erkenntnis, dass Handeln nicht bloß Vollzug einer Regel ist. Auf der Basis seiner Dispositionen kann ein Akteur „Spielzüge“ durchziehen, die nicht vorhergesagt werden können. Es galt, das Paradox zu beschreiben, dass ein Verhalten auf Ziele gerichtet sein kann, ohne bewusst durch sie geleitet zu sein. Der Rekurs auf das Bewusstsein des Akteurs kann hier nicht weiterhelfen, das Prinzip der Regel ebenso wenig. In seinen frühen Arbeiten griff Bourdieu auf Max Weber zurück, der auch die Beziehung zwischen den objektiven Chancen und den subjektiven Erwartungen thematisierte. Er bezog sich zunächst auf den Weberschen Begriff des Ethos, um die Verinnerlichung objektiver Beziehungen zu bezeichnen. [...] Dann aber wird der Begriff des Habitus für ihn zu einer zentralen Kategorie. [...] Bezog Bourdieu den Begriff des Habitus zuerst auf Körpertechniken, so weitete er dieses Konzept später auch auf intellektuelle Wahrnehmungsweisen (in ihrer kollektiven Form) aus.
Aus historischen Analysen geht hervor, dass das Offizierskorps der österreichischen Armee nach der März-Revolution 1848 gesellschaftlich abgekapselt und isoliert war und dabei einen militärisch-aristokratischen Habitus entwickelte, der zu dem bürgerlichen in scharfem Gegensatz stand. Der Korpsgeist orientierte sich am Adel, obwohl gerade der Hochadel sich eher mit den Großbürgern zu arrangieren begann und Heiraten zwischen dem niedrigeren Militäradel und Angehörigen des Hochadels kaum vorkamen. Die Masse der Offiziere wurde bürgerlich und bitterarm, auch zu arm, um heiraten zu können; aber feudale Denkungsart gab den Ton an, ausgenommen in den technischen Waffengattungen der Artillerie und des Pionierwesens, in denen bürgerlicher Wissensdurst vorherrschte. Es entsteht ein in mancher Hinsicht recht paradoxes Bild vom österreichischen Offiziershabitus: das eines Mannes der "Praxis", der eher "grob" ist, für den Exerzieren und Reglement, somit "Disziplin" im engsten Sinne, am wichtigsten sind, der aber trotz aller Tapferkeit auf dem Schlachtfeld zu strategischer Entschlossenheit und schnellem Entscheiden nicht in der Lage ist. Warum das so ist, ist nicht ohne weiteres zu klären. Neben sogenannten "Ego-Dokumenten" ist es vor allem belletristische Literatur, von der man sich einigen Aufschluss erhofft. Insbesondere kann die Literatur helfen, jene Gefühle darstellbar zu machen, die zur Disposition männlicher Todesbereitschaft auch schon im Frieden beitragen, wobei dem Paradoxon des Nebeneinanders von tollkühner "Schneid" und Entscheidungsschwäche wie Passivität im habsburgischen Habitus nachgespürt werden soll.
In den Jahren 1931 und 1932 erschien das dreibändige sexualwissenschaftliche Werk "Die Erotik in der Photographie" im Verlag für Kulturforschung. Nur wenige Jahre vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten gelang einer Gruppe von Wissenschaftern die Publikation eines Werks, das heute als einzigartig gelten muss. Zwar hatten Sexualwissenschaftler bereits zuvor Fotografien veröffentlicht, allerdings nur, wenn diese der Bebilderung eines beschriebenen Sachverhalts dienten. Nie zuvor war das erotische Lichtbild Gegenstand sexualwissenschaftlicher Betrachtungen gewesen. Dies hatte auch pragmatische Gründe: Fotografien boten neues Forschungsmaterial in einer Zeit, in der "die Zahl der Personen, die um irgendwelcher sie persönlich bedrängender Triebabsonderlichkeiten willen den Arzt aufsuchen, sich im Laufe der Jahre außerordentlich vermindert [hat]". Mit anderen Worten, die Klientenbasis der Sexualwissenschaft war geschrumpft. Der Fokus auf das erotische Lichtbild war jedoch ein relativ gewagtes Unterfangen, weil in der Zwischenkriegszeit sowohl die kulturwissenschaftlich orientierte Sexualwissenschaft vonseiten der Zensur kritisch beäugt als auch der handelsmäßige Vertrieb erotischer Lichtbilder regelmäßig gerichtlich belangt wurde. Der vorliegende Beitrag untersucht, wie sich die Gefährdung durch die Zensur auf den Habitus von Autoren und Verlag auswirkte, von welchem Standpunkt aus die Autoren der Erotik in der Photographie die Objektivierung des relativ neuen Mediums Fotografie vollzogen, wie also der Habitus des "Homo academicus sexologicus" in unserem Werk sichtbar wird.
Im Folgenden wird die Hypothese vorgestellt, dass Johann Nestroy (1801–1862) - der populäre Wiener Volksdramatiker, Volksschauspieler und Theaterdirektor - in seinem Unterhaltungstheater das bürgerliche Subjekt und seine Kultur dekonstruiert. Damit einher geht die Entlarvung der ideologisch aufgeladenen bürgerlichen Geschlechterordnung als soziale Konstruktion. Diese Annahmen werden anhand dreier Possen erläutert: 'Eine Wohnung ist zu vermiethen …' (Uraufführung 1837), 'Liebesgeschichten und Heurathssachen' (UA 1843) und 'Das Gewürzkrämer-Kleeblatt' (UA 1845).
How is it possible to write about "American" habitus in general, when the United States is socially, geographically, ethically and politically so diverse? "The USA", it has been observed, "is not a country, it is a continent". The social forces and social processes shaping the habitus of Americans are multifarious. There has not, for example, ever been a single elite in the USA as a whole that has succeeded in monopolising the social "model-setting" function to the extent that was common in the history of many Western European countries. For the development of American habitus, Stephen Mennell advances a central proposition: His thesis is that the central historic experience shaping the social habitus of Americans is that of their country constantly becoming more powerful relative to its neighbours. This has had long-term and all-pervasive effects on the way Americans see themselves, on how they perceive the rest of the world, and how others see them.
Das Erkenntnisziel der nachstehenden Ausführungen ist es, durch eine genaue Analyse von zwei Beispielen, einem literarischen (aus Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften") und einem politischen (Wahlwerbung), zu neuen Einsichten über die darin beschriebenen Phänomene zu gelangen (die insofern also nicht ganz willkürlich gewählt wurden), damit zugleich aber auch die Möglichkeiten einer hermeneutisch verfeinerten Habitusanalyse anzudeuten und plausibel zu machen. Ein solches Unterfangen sieht sich im gegebenen Rahmen freilich mit der nicht geringen Schwierigkeit konfrontiert, auf eine ausführliche Befassung mit diversen Spielarten oder Konzepten von Hermeneutik und Habitus und daher auf eine klare Verortung des eigenen Zugangs in einem doch sehr breiten Forschungsfeld verzichten zu müssen. Einleitend sollen, gleichsam als schwacher Ersatz, zumindest ein paar Überlegungen zur Relevanz der Hermeneutik für die Soziologie und das Konzept des Habitus angestellt werden, die für die Auseinandersetzung mit dem hier gewählten Zugang vielleicht hilfreich sein können.
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würden die DH eine Nische besetzen. Tatsächlich jedoch dürfen sich die traditionellen Geisteswissenschaften in Bedrängnis fühlen. Nicht nur ist es für digitale Forschungsprojekte offenbar einfacher, an öffentliche Gelder zu kommen, die den tradi-tionellen Geisteswissenschaften dann fehlen. Die DH machen durch ihre wohl noch lange nicht ausgeschöpfte Fülle theoretischer Einsatzmöglichkeiten zudem ein Versprechen auf die Zukunft, das mit Erwartungen verbunden ist, die so vielleicht nicht erfüllt werden können. Untermauert wird dieses Versprechen mit einer rasant wachsenden Anzahl von Veröffentlichungen in diesem Bereich. Und möglicherweise ist es in den DH einfacher, in hoher Frequenz zu publizieren. Daher ist es nicht erstaunlich, dass seit einigen Jahren eine Debatte geführt wird, in der es um Kritik an der jeweils opponierenden Disziplin sowie um Zuschreibungen geht.