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Heinrich von Kleist veröffentlichte in den von ihm 1810/11 herausgegebenen Berliner Abendblättern eine Reihe von Anekdoten. Zu ihnen zählt auch [...] "Der Griffel Gottes" [...]. Die Geschichte von der polnischen Gräfin, die Kleist, Karl August Varnhagen zufolge, dem Fürsten Anton Heinrich von Radziwill verdankt, wurde von ihm in einigen Punkten abgeändert. Aus einer Dame mit lockerem Lebenswandel wurde eine, "die ein sehr bösartiges Leben führte". Aus einem von ihr selbst gestifteten Grabstein wurde ein von jenem Kloster errichteter, dem sie nach der Absolution ihr Vermögen vermachte. Und statt dem polnischen Wort "potępiona" ("verdammt") findet sich die deutsche Formulierung "sie ist gerichtet". Der Text [...] lässt im Rahmen der Theodizeediskussion seit Rousseau und Voltaire auf ein sogenanntes 'Gottesurteil', also auf die in der Aufklärung beliebte physikotheologische Argumentation schließen. Diesem 'Urteil' kommt aber auch, als sekundäre Bearbeitung eines von Menschen verantworteten 'Originals', die Funktion einer ent-stellenden réécriture zu.
In the present article we argue that all communication is medial in the sense that every human sign-based interaction is shaped by medial aspects from the outset. We propose a dynamic, semiotic concept of media that focuses on the process-related aspect of mediality, and we test the applicability of this concept using as an example the second presidential debate between Clinton and Trump in 2016. The analysis shows in detail how the sign processing during the debate is continuously shaped by structural aspects of television and specific traits of political communication in television. This includes how the camerawork creates meaning and how the protagonists both use the affordances of this special mediality. Therefore, it is not adequate in our view to separate the technical aspects of the medium, the ‘hardware’, from the processual aspects and the structural conditions of communication. While some aspects of the interaction are directly constituted by the medium, others are more indirectly shaped and influenced by it, especially by its institutional dimension – we understand them as second-order media effects. The whole medial procedure with its specific mediality is a necessary, but not a sufficient condition of meaning-making. We distinguish the medial procedure from the semiotic modes employed, the language games played and the competence of the players involved.
Das öffentliche Reden über den Holocaust wird […] durch bestimmte Regeln geprägt, die festlegen, wer in welcher Form, mit welchen Begründungen und Argumenten, in welchen Medien und an welches Publikum gerichtet über den Holocaust sprechen darf. Erst die Existenz solcher Regeln macht es sinnvoll, von einem eigenständigen öffentlichen Holocaust-,Diskurs' zu sprechen. […] Auch im ästhetischen Feld läßt sich die Beschäftigung mit der Ermordung der europäischen Juden als ein eigenständiger Diskurs beschreiben. […] Ebenso wie das Reden über den Holocaust insgesamt ist der ästhetische Holocaust-Diskurs zunächst, scheinbar neutral, durch seinen Gegenstand definiert. Aber auch hier sind Regeln wirksam, die festlegen, wie man mit diesem Gegenstand künstlerisch umzugehen habe. Während in der zeitgenössischen Literatur, Kunst und Ästhetik im Namen der Postmoderne Konzepte der Simulation, Ambiguität, Entreferentialisierung und der Tod des Autors propagiert werden, bestimmten und bestimmen Postulate wie Authentizität, Wahrhaftigkeit, moralische Integrität und Beglaubigung durch Autorschaft die Produktion, die Gestaltung, die Rezeption und die Bewertung von Kunst über den Holocaust. Diese Postulate gelten, in der Literatur, quer durch die Gattungen für Erzähltexte, Drama und Lyrik; sie gelten für Avantgardewerke ebenso wie für populäre Kunst, für verschiedene Medien und Künste wie Text, Malerei, Photographie, Film, Denkmal, Performance und Musik.
Ausdruck kann in seiner Gegebenheitsweise als äußere Erscheinung, als Performanz nicht ohne die Beziehung auf ein mögliches Subjekt gedacht werden, dem der Ausdruck als Ausdruck erscheint, und zwar vermittels des Eindrucks, den er auf es macht. Doch nicht nur auf seinen Adressaten bzw. Rezipienten wird der Ausdruck bezogen, sondern auch auf seine Herkunft, seine verursachende Instanz, sei es ein individuelles Subjekt oder eine komplexe Situation. Dabei ist es für die Analyse der Erscheinung von Ausdruck entscheidend, dass der Konstituierung des Ausgedrückten nicht nur subjektive und objektive, sondern auch intersubjektive, vermittelnde, mediale Bedingungen zugrunde liegen, wie sich in der historischen Bestimmtheit von Ausdrucksphänomenen, in ihrer epochen-, kultur- und medienspezifischen Ausprägung zeigt. Besonders deutlich wird dies in geschichtlichen Umbruchphasen, wenn die Rahmenvorgaben sozialer, sprachlicher, technologischer Art sich wandeln und neue Standards des Wissens und Handelns setzen. Deshalb stellen sich mit dem Ausdrucksverstehen nicht nur Deutungsfragen, die sich um das Verständnis einzelner gegebener Ausdrücke bemühen; vielmehr müssen die sich wandelnden Bedingungen von Ausdruckskonstitution und –rezeption eigens in den Blick genommen werden, um das veränderte Verständnis von Ausdrucksphänomenen und das mit ihnen entsprechend sich ändernde gesellschaftliche und individuelle Verhalten zu analysieren.
Anhand von fünf Schritten sei dieser Zusammenhang [...] entfaltet. Zunächst werden medien- und begriffsgeschichtliche Umbrüche in Bezug auf das Verständnis von 'Ausdruck' skizziert, um dann in wissenssoziologischer Perspektive 'Ausdruck' als stillschweigend vorausgesetztes Konstituens des Sozialen zu erläutern. In welcher Weise 'Ausdruck' als immer auch medial bestimmte Kategorie der Geistesgeschichte (mit Blumenberg über Leibniz) konzipiert wurde, führt schließlich zur wissensgeschichtlichen Verortung des Lessingschen Ausdrucksbegriffs sowie zur Diskussion der Ausdrucksmöglichkeiten von Kunstgattungen, wie Lessings Laokoon sie in ihrer Medienspezifik begreifbar macht.
Tagungsbericht "Medium - Medialität - Intermedialität." Tagung der Franz Werfel-StipendiatInnen in der Nachbetreuung in Wien, 27. - 28. März 2015
Am 27. und 28. März 2015 veranstaltete die Wiener Germanistik in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Austauschdienst-Gesellschaft in Wien die Tagung der Franz Werfel-StipendiatInnen in der Nachbetreuung zum Thema 'Medium - Medialität - Intermedialität. Beiträge zur österreichischen Kulturgeschichte'.
»Medium«, so lesen wir im Vorwort des ‚Kursbuchs Medienkultur’, »heißt Mitte und Mittler, Vermittlung und Vermittler und appelliert an die Frage, wie die Rolle, die Tätigkeit und das Material dieses Dazwischen genauer beschaffen sei«. Damit ist die Frage »Was istein Medium?« offensichtlich an die Frage »Wie ist ein Medium?« gekoppelt. Was macht ein Medium in diesem Dazwischen? Wenn man der Ansicht zustimmt, dass es Medien in einem »substantiell und historisch stabilen Sinn« nicht gibt, da »[w]eder materielle Träger noch Symbolsysteme oder Techniken der Distribution« hinreichen, um den Begriff des Mediums zu explizieren, dann tritt an die Stelle einer substantiellen Antwort auf die Was-ist-ein-Medium-Frage eine Das-macht-das-Medium-These: die These nämlich, dass Medien das, was sie vermitteln, verarbeiten oder speichern, »unter Bedingungen stellen, die sie selbst schaffen und sind«. Medien sind, mit anderen Worten, Rahmenbedingungen, die konstitutiv auf das, was sie vermitteln, einwirken. Diese eigentümliche Dynamik der medialen Rahmung fasst die Mediologie im Ausgang von Regis Debrayals System Dispositiv – Träger – Prozeß: ein System, das die Verfahren der Übertragung determiniert; in die gleiche Richtung zielt Sybille Krämer, wenn sie feststellt, dass Medien »im Akt der Übertragung dasjenige, was sie übertragen, zugleich mitbedingen und prägen«.