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Das Symposion »Poststrukturalismus: Herausforderung an die Literaturwissenschaft« scheint mit Verspätung stattzufinden. Vermehrt werden Stimmen laut, die das Ende des Poststrukturalismus verkünden. Allenthalben läßt sich ein neuer Essentialismus vernehmen, der gegen die "flottierenden Signifikanten" ewig gestriger Poststrukturalisten das Recht auf "reale Gegenwart" geltend macht. Man fragt wieder nach dem "Sitz der Literatur im Leben" und nach der "Relevanz" der Literaturwissenschaft. In diesem Kontext sind auch das in den 80er Jahren neu erwachte Interesse an der Anthropologie und die Bemühungen um die disziplinäre Etablierung einer dezidiert "Literarischen Anthropologie" zu sehen. Doch gibt es kein Zurück hinter den im Zuge des poststrukturalistischen Perspektivenwechsels möglich gewordenen kritischen Blick auf bislang unhinterfragte Sinn- und Bedeutungseinheiten, vielmehr ist sein analytisches Potential in neue Gebiete der Literaturwissenschaft einzubringen.
Rezension zu Joachim Jacob u. Pascal Nicklas (Hg.): Palimpseste. Zur Erinnerung an Norbert Altenhofer, Heidelberg (Winter) 2004 (= Frankfurter Beiträge zur Germanistik; Bd. 41). 240 Seiten.
Die Herausgeber haben den Band der Erinnerung an Norbert Altenhofer gewidmet. Altenhofer selbst hatte sich einen Namen als ausgewiesener Heine-Spezialist gemacht, und so nimmt es nicht wunder, dass sich immerhin vier der insgesamt 12 Beiträge mit Heine beschäftigen. Die restlichen sind zumeist im Bereich der klassischen Moderne angesiedelt und spiegeln damit die komparatistischen Interessen Altenhofers wider. Schließlich folgen noch zwei Texte, die sich mit W. G. Sebald bzw. Günter Eich auseinandersetzen.
Norbert Voorwinden erörtert die These, Ovids "Metamorphosen" seien die wichtigste Stoffquelle für den Dichter des Nibelungenliedes gewesen. Er kommt zwar zum Schluss, dass diese These unhaltbar ist, zeigt jedoch an einigen Beispielen, daß Kenntnis der antiken Dichtung die Interpretation mancher dunklen Stellen im Nibelungenlied erleichtert.
Anlama ve Yorumlama Ekseninde Edebiyat. Metin Toprak’ın Hermeneutik ve Edebiyat isimli Çalışması
(2017)
Rezension zu: Metin Toprak: Hermeneutik ve Edebiyat (2016). Dergâh Yayınları: İstanbul. 312 S. ISBN: 9789759957070
Mit dem Aufkommen schriftlicher volkssprachiger Literatur wurde im Mittelalter ästhetische Erfahrung im Medium der Lektüre möglich, einer Lektüre, die nicht mehr im religiösen Rahmen praktiziert wurde. Das bis zu dem Zeitpunkt vom Klerus – der den Genuß des Textes um seiner selbst willen verbot – kontrollierte Medium wurde von einer Literatur in Anspruch genommen, die sich nicht mehr primär als religiöse verstand. In der neuen volkssprachigen Literatur wurden die ihr spezifischen Leseformen im Modus des Literarischen reflektiert. Ästhetische Erfahrung läßt sich dabei aus den Texten erahnen und in der Interpretation herausarbeiten. Die Analyse von Chrétiens Lektüreanweisung und von Wolframs Titurel, dessen Handlung ab dem Erscheinen der beschrifteten Unterlage Lektüre und ästhetische Erfahrung ins Zentrum stellt, bekräftigt das, wovon die jüngere Forschung, trotz gelegentlicher Einwände, überwiegend ausgeht: dass bezüglich der Reichweite des Konzepts der ästhetischen Erfahrung auch das Mittelalter unbedingt zu berücksichtigen ist. Ästhetische Erfahrung in der profanen Lektüre, ohne dem Vorwurf der Sünde direkt ausgesetzt zu sein, ist kein rein neuzeitliches Phänomen.
Paul Scheerbarts astrale Hermeneutik : Vorschlag zu einer Bestimmung des Begriffs "Neoromantik"
(2010)
Im Februar 1904 erscheint in der Zeitschrift "Kunst" eine Reihe von Zeichnungen Paul Scheerbarts unter dem Titel "Der magnetische Spiegel". Eingebettet in einen pseudodokumentarischen Rahmentext illustrieren Kopffüßler und andere groteske Kreaturen den Erfahrungsbericht eines optisch-physikalischen Versuchs. Mit Hilfe einer in Schottland entdeckten Bauanleitung konstruiert der namenlose Berichterstatter einen magnetischen Spiegel, der ihm den Blick auf eine neue Kunst ermöglicht:
Rein äußerlich betrachtet, sind die geheimnisvollen Spiegel ganz einfache, spiegelnde Metallplatten. Wird nun die nach der Vorschrift hergestellte Metallplatte zur Erdbebenzeit in die richtige Lage gebracht, so zeigt sich bei Beobachtung der Platte mit eigens präparierter Lupe ein Bild von besonderer Anziehungskraft. Und wer diese Bilder in den Hauptzügen richtig zu kopieren vermag, der hat die "neue Kunst" entdeckt.
Magnetismus und 'neue Kunst' verweisen auf eine romantische Poetik und deren Projekt einer wissenschaftlichen Erforschung des Paranormalen; ein solches Amalgam von Technologie und esoterischem Wissen zielt auf eine naturwissenschaftliche Metaphysik und die Sichtbarmachung des Unsichtbaren.
Die Hermeneutik des sozialen Selbst : Bausteine einer Kritik des partikularistischen Individualismus
(2005)
Im Zentrum des Textes steht eine Diskussion der Bedeutung, die die Artikulation der Perspektive der ersten Person Singular, d. h. der expressive Anteil sprachlicher Verständigung, in kommunikativen Prozessen hat. Dabei geht es zum einen um Aspekte der kommunikativ-intersubjektiven Prägung binnenperspektivischer Wahrnehmung, zum anderen wird die Frage diskutiert, welche Rolle die Äußerung innerer Wahrnehmungen grundsätzlich, vor allem aber in praktischen Diskursen spielt. Neben diesem systematisch-sozialphilosophischen Erkenntnisinteresse, das darauf abzielt, die Kriterien zu bestimmen, unter denen individuelle Bindung an intersubjektive Kommunikation erzielt werden kann und die Bedingungen zu benennen unter denen erwartet werden kann, daß diskursiv gewonnene Einsichten handlungswirksame Kraft entfalten können, verfolgt die Untersuchung eine zweite Absicht: Vor dem Hintergrund der oben angedeuteten Überlegungen soll gezeigt werden, daß in der Entstehungsgeschichte des modernen Individualismus Formen der Artikulation erstpersonaler Wahrnehmungen etabliert wurden, die die spezifischen Funktionen und Potentionale öffentlicher (politischer) Diskurse beeinträchtigen bzw. reduzieren. Im Rahmen einer historisch-rekonstruktiven Argumentation soll diese Entwicklung als ein zentraler Indikator des gesellschaftlichen Strukturwandels in Europa seit Beginn der frühen Neuzeit interpretiert und als Erklärung für zeitgenössische Sozialpathologien in Anschlag gebracht werden. Diese beiden Argumentationslinien werden in der Auseinandersetzung mit Texten von Jürgen Habermas und Richard Sennett entwickelt. Im ersten Teil der Arbeit werden die zentralen Charakteristika öffentlicher Kommunikation vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Strukturveränderungen in Europa seit dem Beginn der frühen Neuzeit umrissen. Im zweiten Teil werden die dabei gewonnenen Erkenntnisse für eine Modifikation des sprechakttheoretischen Kerns der ›Theorie des kommunikativen Handelns‹ genutzt, auf deren Grundlage die Frage nach der Bedeutung der Perspektive der ersten Person Singular auf den verschiedenen Ebenen der Handlungskoordination und Konfliktlösung erörtert werden kann. Im Zentrum dieser Argumentation steht die Entwicklung eines Modells der expressiven Modalisierung zweiter Ordnung, mit dessen Hilfe den performativen Charakteristika menschlichen Sprachgebrauchs adäquat Rechnung getragen werden kann. Hierdurch kann gezeigt werden, daß in metasprachlichen Diskursen die expressiven Bestandteile sprachlicher Äußerungen vor allem dazu dienen, die Opponenten an das Prinzip diskursiver Verständigung zu binden. Auf der Grundlage dieser Einsicht wird erörtert, welche Rolle die Artikulation von Sprecherperspektiven in praktischen Diskursen erfüllt. Hierzu wird Habermas' Diskursethik mit Blick auf die Bedeutung moralischer Gefühle diskutiert. Dabei zeigt sich, daß die kognitivistischen Reduktionismen der TkH sich auch auf die Diskursethik erstrecken. Weil Habermas die affektiven Qualitäten diskursiver Praktiken als Teil der expressiven Artikulation der in ihnen engagierten Teilnehmer ausblendet, gelangt er zu einer pessimistischen Bewertung der Bindungskräfte, die prozedural begründete Normen entfalten können. Nur durch die Erfahrung der autonomiesichernden Kraft verständigungsorientierter Prozesse soll eine existentielle Wertschätzung von Seiten der Akteure erreicht werden können, die hinreichende Bindungsmomente mobilisieren kann. An diesem Punkt tritt die die Doppelfunktion von Expressivität als Medium der Erschliessung und Gestaltung von Selbst und Welt und ihre grundlegende Funktion für die Integration und Steuerung moderner Gesellschaften deutlich zutage. Die Möglichkeit, das Zusammenleben in einer posttraditionalen pluralistischen Gesellschaft befriedigend zu gestalten, hängt wesentlich davon ab, daß es den Akteuren gelingt, ihre Handlungskonflikte so zu lösen, daß alle Beteiligten das Gefühl haben, ihre individuellen Interessen seien gleichermaßen berücksichtigt worden. Die 'Hermeneutik des sozialen Selbst' erweist sich als eine Theorie des Selbst, die die artikulierte Expressivität als Brückenprinzip zwischen Selbstverständigung und Selbstbestimmung ansiedelt. Durch den verständigungsorientierten Austausch ihrer binnenperspektivischen Evaluationen knüpfen die Akteure ein Netz ethisch-existentieller Bedeutsamkeiten, mit dessen Hilfe sie den space of reason (Sellars) in der geteilten Lebenswelt verankern. Je mehr es ihnen gelingt, ihre individuellen Teilnehmerperspektiven zu entschränken und je glaubhafter sie diese Entschränkung in ihren Redebeiträgen expressiv artikulieren, desto wahrscheinlicher wird ein Grad der Selbstaufklärung, der jene Symmetrie der Anerkennungsverhältnisse als wünschenswert erscheinen läßt, die prozedural gewonnenen Normen dadurch handlungsmotivierende Schubkraft verleiht, daß sie in den Adressaten das sentiment of rationality (W. James) auslöst.
Die Bibel ist Weltliteratur 'und' eine heilige Schrift - damit spreche ich sowohl bereits den Kern des Beitrages als auch die Schwierigkeit dieser Konstellation an. In welchem Verhältnis steht die Bibel als Literatur zu dem Begriff der Heiligkeit, der ihr kanonisch, normativ und auch inhaltlich zuerkannt wurde und teils wird? Beide Aspekte, sowohl ihre Literarizität (1. 'Bible as Literature') als auch ihre Einordnung als eine heilige Schrift (2. Die Bibel als heilige Schrift), werden im Folgenden in einem Wechselspiel aus literaturwissenschaftlicher und theologischer Hermeneutik untersucht, da diese beiden Disziplinen die Bibel als literarisches und/oder religiöses Medium wahrnehmen und aufgreifen.
Pünktlich zum Abschluss des 'Historischen Wörterbuchs der Philosophie' flackerte eine Kontroverse um die Beziehung zwischen seinem Begründer und ersten Herausgeber Joachim Ritter und dessen Münsteraner Lehrstuhlnachfolger Hans Blumenberg auf. Den Ausgangspunkt bildete die theoretisch-methodologische Frage der Verhältnisbestimmung von Begriff und Metapher bzw. Begriffsgeschichte und Metaphorologie, an die sich jedoch zumindest andeutungsweise auch biographisch und wissenschaftshistorisch ausgerichtete Erwägungen anschlossen.