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Musik und Dichtung sind spätestens seit dem Hohelied Salomos und den bacchantischen Hymnen an Dionysos engstens verbunden. Der gregorianische Gesang des Mittelalters benutzte die lateinischen Texte der Liturgie, Liedkomponisten seit Schubert nehmen ihre Libretti von literarischen Texten her, und Debussys Prélude à l'après-midi d'un faune setzt eine Bekanntschaft mit Mallarmés Gedicht voraus. Die Form der Sonate unterliegt Thomas Manns 'Tonio Kröger' (1903) sowie auch Hermann Hesses 'Der Steppenwolf' (1927), und andere musikalische Formen werden häufig mit raffinierter Bewusstheit angewendet, wie etwa in Robert Pingets 'Passacaille' (1969), Herbert Rosendorfers 'Deutsche Suite' (1972) oder Anthony Burgess' 'Napoleon Symphony' (1974). Thomas Bernhard in 'Der Untergeher' (1983) sowie französische, englische, und amerikanische Schriftsteller derselben Jahre nahmen Bachs Goldberg Variationen als Grundlage für Thema und/oder Struktur ihrer Romane. Und mehrere Komponisten haben versucht, die Musikstücke, die in Thomas Manns 'Doktor Faustus' (1947) so ausführlich beschrieben werden, zu realisieren. So verwundert es kaum, wenn gewisse Motive, die mit der Musik eng verwoben sind auch in Dichtungen auftauchen.
"Das Elementare in der Musik" : Zeitkritik und 'primitive' Musik in Thomas Manns Doktor Faustus
(2015)
Thomas Manns 'Doktor Faustus' (1947) ist ein Altersroman, ein Exilroman, ein Deutschlandroman, aber vor allem natürlich ein "Musik[]roman". Das ist im Hinblick auf die Frage nach einem gerade auch intermedial konstituierten Primitivismus im frühen 20. Jahrhundert signifikant. Denn der in jener Zeit beginnende und im Nationalsozialismus kulminierende Umschlag von Kunst und "Kultur" in Krieg und "Barbarei" koinzidiert im zeitdiagnostischen Panorama von Manns Roman mit einem ästhetischen Interesse am "Elementaren", am "Primitiven und Uranfänglichen". Dieses aufkeimende Interesse und seine politischen Weiterungen werden in Betrachtungen über zeitgenössische Kunst reflektiert und insbesondere am Schaffen des Tonsetzers Adrian Leverkühn exemplifiziert. Anders ausgedrückt: Der zeitgenössische Diskurs über das 'Primitive' spiegelt sich in Struktur und Handlung des Romans. Wenn im Folgenden der Frage nachgegangen wird, wie diese Vorstellung des 'Primitiven' im 'Doktor Faustus' funktionalisiert ist und aus welchen Quellen sie sich speisen könnte, ist ein "ausgeweitete[r] Primitivismus-Begriff" in Anschlag zu bringen, der sich in der Literaturwissenschaft erst zu etablieren beginnt.
Comment interpréter le terme de "Gewalt" dans 'Die heilige Cäcilie oder die Gewalt der Musik' (1811) de Heinrich von Kleist (1777-1811)? Faut-il le comprendre dans son sens figuré, en tant que métaphore (pouvoir, puissance), ou dans son sens littéral, en tant que phénomène physique et sensuel (violence)? Quoiqu'il en soit, le titre de la nouvelle suggère dans tous les cas un lien étroit, peut-être spécifique, entre la musique et la violence. Comment le texte représente-t-il cette relation? L'affirme-t-il comme allant de soi? Ou comme se manifestant seulement sous certaines conditions? Ce rapport à la violence se retrouve-t-il dans d'autres formes d'art invoquées dans ce texte? Qu'arrive-t-il à la musique quand elle-même est violente - ou jouée à des fins violentes? A travers ces questions, nous examinerons comment la 'Cäcilie' établit un raisonnement rigoureux en cinq étapes sur la relation entre musique et violence et comment Kleist remet en question les jugements esthétiques, critiques et religieux de son époque.
"In Wahrheit singen, ist ein andrer Hauch." Musik und Verwandlung in Rilkes "Sonetten an Orpheus"
(2014)
Die Nähe der Sonette an Orpheus zur Musik ist kaum zu übersehen. Schon der im Titel genannte Adressat des Zyklus bürgt für eine gewisse Musikalität. In Ovids Metamorphosen, die Rilke als literarische Quelle für den Orpheus-Mythos dienten, ist die Musik bekanntermaßen von zentraler Bedeutung: Tiere, Pflanzen und Steine versammeln sich, um dem orphischen Gesang zuzuhören, Orpheus bewegt durch seinen Gesang Hades und Persephone dazu, seine Frau Eurydike aus der Unterwelt freizugeben, und nachdem er von den Mänaden zerrissen wurde, musizieren Kopf und Leier weiter. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Rilke in sämtlichen Sonetten, die an Orpheus gerichtet sind, also jeweils im Anfangs- und Endsonett beider Teile, die Musik bzw. den Gesang ins Zentrum rückt.
Das Kunstzitat als Selbstzitat? : verstimmte Einfühlung in Arthur Schnitzlers "Fräulein Else"
(2019)
In the 1924 novella "Fräulein Else" by Arthur Schnitzler, intermediality influences narrative empathy. Written in the stream of consciousness technique, the text presents an examination of the nineteen-year-old protagonist's inner struggle and its sexual implications (to save her father from jail, Else must approach an elderly acquaintance to borrow money from him), arousing the reader's empathy. The image of Else is supported, even overlapped by hidden art references - examples of how women have been portrayed and represented in art and cultural history. In the most famous moment of the novella - Else undresses herself during a public concert - the stream of consciousness is interrupted by musical excerpts. Mostly considered as an emotional catalyst, at this point the musical quotation is blocking narrative empathy. Else's thoughts as well as her naked body become unreadable, because the notation is indifferent towards the reader's desires. Paradoxically, the narrative turning point is represented by an intermedial censorship.
The representation of music in literature is often conceived in terms of a 'paragone', a debate over which of the arts ranks highest. In this context, literature is commonly spoken of as imitative or emulative of the music it is trying to represent. This premise informs even the most recent terminologies of literary scholars describing the intermedial relationship of music and literature systematically. Using the narratological concepts of 'showing vs. telling' to describe musical representation in literature, as proposed by the "Handbuch Literatur & Musik", this article argues that such a view is based on a misleading assumption about literary imitation and leads to constrained possibilities of hermeneutical interpretation. After a systematic reconstruction of the proposed terminology and a proposal for its modification, an exemplary analysis of Helmut Krausser's novel "Melodien" ["Melodies", 1993] will serve to demonstrate how a refined conception of the terminology can help to bring about more precise interpretations.
Ad fontes. Wir wissen, daß fast alle Werke Thomas Manns ihre langen Wurzeln haben, und kaum ein anderer Roman hat längere als die Geschichte des Doktor Faustus. Sie sind, wenn man so sagen darf, über vierzig Jahre lang, und es versteht sich von selbst, daß sich der Stoff über einen so großen Zeitraum wandelte. Wir kennen den berühmten Dreizeilenplan aus dem Jahre 1901 - so wurde er von Thomas Mann selbst am 17. März 1943 benannt. Aber es war - darauf hat Peter de Mendelssohn in seinem Nachwort zur Frankfurter Ausgabe des Romans hingewiesen - nicht ein Dreizeilenplan, sondern es gab derer zwei. Der erste lautete (in Thomas Manns Notizbuch 7 festgehalten): "Zum Roman. Der syphilitische Künstler nähert sich von Sehnsucht getrieben einem reinen, süßen jungen Mädchen, betreibt die Verlobung mit der Ahnungslosen und erschießt sich dicht vor der Hochzeit". Man kann diesen Plan durchaus als Variation der Verführungsgeschichte Fausts und Gretchens lesen, auch wenn von einem Teufelspakt nicht die Rede ist und nicht Gretchen umkommt, sondern der Künstler, der Opfer einer venerischen Erkrankung ist. Aber das "reine, süße junge Mädchen": unverkennbar eine Gretchen-Gestalt. Der zweite Plan, wohl auf Ende 1904 zu datieren, ist von Mendelssohn als Variante und Fortführung der ersten Niederschrift charakterisiert worden, aber bei genauerem Hinsehen zeigt sich, daß es eigentlich ein ganz anderer Plan ist, in den der erste zwar aufgenommen ist, aber darin ein Fremdkörper bleibt.
Wie Tolstois Erzählung "Kreutzersonate" bereits im Titel zu erkennen gibt, steht in ihr Musik, insbesondere Beethovens, als Motiv der Kunst im Fokus. Die Wechselwirkung der beiden Medien, Literatur und Musik, anhand der Erzählung zu analysieren, bietet sich dementsprechend an. Die intermedialen Bezüge verdeutlichen, wie sich die Dreiecksbeziehung zwischen den handelnden Figuren Posdnyschow, seiner Frau und Truchatschewskij entfaltet. Bei der Analyse ist zwischen verschiedenen Formen von intermedialen Bezügen zu unterschieden. Zum einen finden sich Textstellen, in denen nur der Begriff Musik oder bekannte musikalische Bezeichnungen, wie Klavier oder Geige, enthalten sind, zum anderen musikalische Fachtermini, wie Andante, Presto, Arpeggio oder crescendo. Diese Begriffe werden teilweise nur beiläufig erwähnt, spielen jedoch, wie aus der Analyse hervorgeht, häufig eine wichtige Rolle für die Interpretation. Den Leser*innen wird, je nach musiktheoretischem Vorwissen, ermöglicht, sich in die Lage des Protagonisten zu versetzen und zu identifizieren. Die große Bedeutung der Musik für Tolstoi und seine musiktheoretischen Überlegungen werden vor allem durch Einblicke in sein Traktat "Was ist Kunst?", in seine Tagebücher und diejenigen seiner Frau verdeutlicht. Auch wenn die Gedanken zu Musik und anderen Künsten nur auf die beiden letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts begrenzt werden, lassen diese den besonderen Stellenwert erahnen, den Musik in Tolstois literarischem Werk innehat.
Wie Tolstois Erzählung "Kreutzersonate" bereits im Titel zu erkennen gibt, steht in ihr Musik, insbesondere Beethovens, als Motiv der Kunst im Fokus. Die Wechselwirkung der beiden Medien, Literatur und Musik, anhand der Erzählung zu analysieren, bietet sich dementsprechend an. Die intermedialen Bezüge verdeutlichen, wie sich die Dreiecksbeziehung zwischen den handelnden Figuren Posdnyschow, seiner Frau und Truchatschewskij entfaltet. Bei der Analyse ist zwischen verschiedenen Formen von intermedialen Bezügen zu unterschieden. Zum einen finden sich Textstellen, in denen nur der Begriff Musik oder bekannte musikalische Bezeichnungen, wie Klavier oder Geige, enthalten sind, zum anderen musikalische Fachtermini, wie Andante, Presto, Arpeggio oder crescendo. Diese Begriffe werden teilweise nur beiläufig erwähnt, spielen jedoch, wie aus der Analyse hervorgeht, häufig eine wichtige Rolle für die Interpretation. Den Leser*innen wird, je nach musiktheoretischem Vorwissen, ermöglicht, sich in die Lage des Protagonisten zu versetzen und zu identifizieren. Die große Bedeutung der Musik für Tolstoi und seine musiktheoretischen Überlegungen werden vor allem durch Einblicke in sein Traktat "Was ist Kunst?", in seine Tagebücher und diejenigen seiner Frau verdeutlicht. Auch wenn die Gedanken zu Musik und anderen Künsten nur auf die beiden letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts begrenzt werden, lassen diese den besonderen Stellenwert erahnen, den Musik in Tolstois literarischem Werk innehat.
Untersuchungen über das Verhältnis von Musik und Sprache sowie über Literaturverfilmungen haben sich zu einer regelrechten Mode entwickelt. Erstere wurden dabei besonders durch die Veröffentlichungen von Stephen Paul Scher angeregt, um dessen Begriff der 'verbal music' es im folgenden gehen soll: An Hand zweier Beispieltexte und ihrer Verfilmungen - Thomas Manns "Doktor Faustus" und Robert Schneiders "Schlafes Bruder" - wird die Darstellung musikalischer Werke im Text und die Umsetzung dieser Schilderungen in das Medium Film beleuchtet. Welchen Gesetzlichkeiten gehorcht die Schilderung in Sprache und welche Konsequenzen ergeben sich aus diesen Eigenheiten und Vorgaben in bezug auf eine nochmalige Übertragung in ein fremdes Medium, nämlich das des Films?