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Kenntnisse über die dreidimensionale Struktur therapeutisch relevanter Zielproteine bieten wertvolle Informationen für den rationalen Wirkstoffentwurf. Die stetig wachsende Zahl aufgeklärter Kristallstrukturen von Proteinen ermöglicht eine qualitative und quantitative rechnergestützte Untersuchung von spezifischen Protein-Liganden Wechselwirkungen. Im Rahmen dieser Arbeit wurden neue Algorithmen für die Identifikation und den Ähnlichkeitsvergleich von Proteinbindetaschen und ihren Eigenschaften entwickelt und in dem Programm PocketomePicker zusammengefasst. Die Software gliedert sich in die Routinen PocketPicker, PocketShapelets und PocketGraph. Ferner wurde in dieser Arbeit die Methode ReverseLIQUID reimplementiert und im Rahmen einer Kooperation für das strukturbasierte Virtuelle Screening angewendet. Die genannten Methoden und ihre wissenschaftliche Anwendungen sollte hier zusammengefasst werden: Die Methode PocketPicker ermöglicht die Vorhersage potentieller Bindetaschen auf Proteinoberflächen. Diese Technik implementiert einen geometrischen Ansatz auf Basis „künstlicher Gitter“ zur Identifikation zusammenhängender vergrabener Bereiche der Proteinoberfläche als Orte möglicher Ligandenbindestellen. Die Methode erreicht eine korrekte Vorhersage der tatsächlichen Bindetasche für 73 % der Einträge eines repräsentativen Datensatzes von Proteinstrukturen. Für 90 % der Proteinstrukturen wird die tatsächlich Ligandenbindestelle unter den drei wahrscheinlichsten vorhergesagten Taschen gefunden. PocketPicker übertrifft die Vorhersagequalität anderer etablierter Algorithmen und ermöglicht Taschenidentifikationen auf apo-Strukturen ohne signifikante Einbußen des Vorhersageerfolges. Andere Verfahren weisen deutlich eingeschränkte Ergebnisse bei der Anwendung auf apo-Strukturen auf. PocketPicker erlaubt den alignmentfreien Ähnlichkeitsvergleich von Bindetaschenfor-men durch die Kodierung berechneter Bindevolumen als Korrelationsdeskriptoren. Dieser Ansatz wurde erfolgreich für Funktionsvorhersage von Bindetaschen aus Homologiemodellen von APOBEC3C und Glutamat Dehydrogenase des Malariaerregers Plasmodium falciparum angewendet. Diese beiden Projekte wurden in Zusammenarbeit mit Kollaborationspartnern durchgeführt. Zudem wurden PocketPicker Korrelationsdeskriptoren erfolgreich für die automatisierte Konformationsanalyse der enzymatischen Tasche von Aldose Reduktase angewendet. Für detaillierte Analysen der Form und der physikochemischen Eigenschaften von Proteinbindetaschen wurde in dieser Arbeit die Methode PocketShapelets entwickelt. Diese Technik ermöglicht strukturelle Alignments von extrahierten Bindevolumen durch Zerlegungen der Oberfläche von Proteinbindetaschen. Die Überlagerung gelingt durch die Identifikation strukturell ähnlicher Oberflächenkurvaturen zweier Taschen. PocketShapelets wurde erfolgreich zur Analyse funktioneller Ähnlichkeit von Bindetaschen verwendet, die auf Betrachtungen physikochemischer Eigenschaften basiert. Zur Analyse der topologischen Vielfalt von Bindetaschengeometrien wurde in dieser Arbeit die Methode PocketGraph entwickelt. Dieser Ansatz nutzt das Konzept des sog. „Wachsenden Neuronalen Gases“ aus dem Bereich des maschinellen Lernens für eine automatische Extraktion des strukturellen Aufbaus von Bindetaschen. Ferner ermöglicht diese Methode die Zerlegung einer Bindestelle in ihre Subtaschen. Die von PocketPicker charakterisierten Taschenvolumen bilden die Grundlage für die Methode ReverseLIQUID. Dieses Programm wurde in dieser Arbeit weiterentwickelt und im Rahmen einer Kooperation zur Identifikation eines Inhibitors der Serinprotease HtrA des Erregers Helicobacter pylori verwendet. Mit ReverseLIQUID konnte ein strukturbasiertes Pharmakophormodell für das Virtuelle Screening erstellt werden. Dieser Ansatz ermöglichte die Identifikation einer Substanz mit niedrig mikromolarer Affinität gegenüber der Zielstruktur.
Sauerstoff wird in vielen prokaryotischen und eukaryotischen Atmungsketten von der Cytochrom c Oxidase zu Wasser reduziert. Dieses Enzym besteht in Paracoccus denitrificans aus vier Untereinheiten, von denen aber nur die ersten zwei für die Funktion essentiell sind. Elektronen werden von einem membrangebundenen Cytochrom c552 zunächst auf das CuA-Zentrum der Untereinheit II der Oxidase übertragen und gelangen von dort zum low-spin Häm a der Untereinheit I. Am binukleären Zentrum, das aus dem high-spin Häm a3 und dem CuB-Atom besteht, erfolgt schließlich die Reduktion von molekularem Sauerstoff zu Wasser. Hauptziel dieser Arbeit war es, die Bindungsstelle für Cytochrom c durch das gezielte Einführen oder Entfernen negativer Ladungen auf der Oxidase-Oberfläche zu bestimmen. Die Charakterisierung dieser Mutanten erfolgte hauptsächlich durch spektroskopische Analyse der kinetischen Parameter unter Umsatzbedingungen. Zusätzlich wurde der Teilschritt der Susbtratbindung durch die Aufnahme von Assoziationskinetiken untersucht. Als Substrat diente das reduzierte mitochondriale Cytochrom c oder ein lösliches Fragment des Paracoccus-Cytochrom c552. Die eingeführten Mutationen beeinflußten in unterschiedlicher Weise die Bindung der beiden verwendeten Substrate. Hierbei ist der negativ geladene Bereich der Oberfläche von Untereinheit II der Oxidase, der zur Bindung des Paracoccus-eigenen Substrats beiträgt, größer als der für die Wechselwirkung mit dem mitochondrialen Cytochrom c. Erstmals kann somit ein Modell für die Bindung des nativen Substrats an die Paracoccus-Oxidase aufgestellt werden. Die aa3-Oxidase aus Paracoccus zeigte keine Elektronentransfereaktion mit dem Cytochrom c552 aus Thermus thermophilus, da dessen Oberfläche nicht die hierfür erforderlichen Ladungen trägt. Durch Erhöhung der Hydrophobizität auf der Untereinheit II der Paracoccus-Oxidase wurde deren Oberfläche so verändert, dass sie nunmehr auch durch dieses „hydrophobe“ Cytochrom c reduziert werden konnte. Der Aminosäurerest W121 auf der Oberfläche der Untereinheit II wurde in der Vergangenheit als ein möglicher Elektroneneintrittsort in die Cytochrom c Oxidase beschrieben. Die in der vorliegenden Arbeit an dieser Position hergestellten Mutanten zeigten zwar drastische Einbußen in den maximalen Wechselzahlen, aber eine weitgehend unveränderte Affinität zum Cytochrom c. Die exakte Positionierung der Seitengruppe des Tryptophans spielt hierbei gegenüber der Aromatizität die entscheidende Rolle. An benachbarten Positionen eingeführte Mutationen ergaben keine Hinweise auf alternative Elektroneneintrittsorte. Durch ortsspezifische Mutagenese auf dem löslichen Cytochrom c552-Fragment wurden die Lysine auf der Oberfläche entfernt, um zu klären, ob die Wechselwirkung zwischen Cytochrom c und Oxidase auf Ladungspaaren beruht oder über das Gesamtpotential der Bindungsstellen bestimmt wird. Die Lysin-Mutanten zeigten alle im gleichen Maße eine reduzierte Affinität zur Oxidase. Die vorliegenden Ergebnisse lassen den Schluß zu, dass die Wechselwirkung zwischen Oxidase und Cytochrom c552 über das Gesamt-Oberflächenpotential vermittelt wird. Steady-state-Kinetiken unter Verwendung von Pferdeherz-Cytochrom c oder Paracoccus Cytochrom c552 weichen von den klassichen Michaelis-Menten-Verhalten ab, da zwei separate Phasen für die Kinetik beobachtet werden. Dieses Phänomen bisher wurde mit der Anwesenheit einer zweiten Bindungsstelle oder einer redoxgekoppelten Konformationsänderung der Oxidase erklärt. Durch Untersuchungen von Oxidase-Präparationen mit unterschiedlicher Untereinheiten-Zusammensetzung oder gebundenem Antikörper konnte gezeigt werden, dass die Biphasizität der Oxidase-Kinetik ! nicht auf der Anwesenheit der Untereinheiten III und IV beruht, ! durch die spezifische Bindung von Antikörpern zu niedrigeren Ionenstärken verschoben wird bei gleichzeitiger Verringerung der Affinität zum Substrat, ! eine intrinsische Eigenschaft aller untersuchten Mutanten ist. Im Rahmen dieser Untersuchungen konnten keine Hinweise auf eine zweite Cytochrom c Bindungsstelle gefunden werden. Ein weiteres Ziel dieser Arbeit war die Expression, Reinigung und Charakterisierung des homologe, membrangebundenen Cytochrom c552 aus P. denitrificans. Das Protein wurde mit einem Histidin-Tag versehen und heterolog in E. coli in guter Ausbeute exprimiert und gereinigt. Seine Charakterisierung über steady-state-Messungen ergab ein deutlich verschobenes pH-Optimum mit höherer Affinität zur Oxidase im Vergleich zu seinen verkürzten löslichen Fragmenten.