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Die Genese der Leptinite und Paragneise zwischen Nordrach und Gengenbach im mittleren Schwarzwald
(1990)
Nachdem die Erforschung der anatektischen Prozesse lange Jahre das Bild des metamorphen Schwarzwalds prägte, wurden durch das Erkennen von Niedrigdruck- und Mitteldruck-Faziesserien (BLÜMEL 1983) und durch die lithologische Gliederung (WIMMENAUER 1984) neue Akzente im metamorphen Grundgebirge gesetzt. Im Rahmen des Kontinentalen Tiefbohrprogramms der Bundesrepublik Deutschland (KTB) wurde im Raum Nordrach-Gengenbach eine Leptinit-Paragneis-Wechselfolge kartiert. Vier Einheiten konnten unterschieden werden: (1) homogene Areale aus biotitarmen Leptiniten, (2) homogene Areale aus biotitreichen Leptiniten, (3) Areale aus verschiedenen, psammopelitischen Paragneisen und (4) eine Wechsellagerung im Aufschlussbereich zwischen Paragneisen und biotitarmen Leptiniten. Die ganze Wechselfolge stellt einen metamorphen, vulkano-sedimentären Komplex aus mindestens zwei verschiedenen Rhyolithen, rhyolithischen Tuffen, Tonsteinen, Grauwacken/Arkosen und Tuffiten dar. Die Struktur des Arbeitsgebiets wird durch die Wippersbach-Mulde, einen Bereich entlang des Haigerach-Tals mit Tendenz zu einem hochtemperatur-mylonitischen Gefüge und den Nordracher Granit, der parallel zur Foliation der Metamorphite intrudierte, geprägt. Im Mittelbachtal ist in streichender Verlängerung der Zone Diersburg-Berghaupten eine ca. 200 m breite Störungszone aufgeschlossen, die mehrphasig mylonitisch und kataklastisch überprägt wurde. Die biotitarmen Leptinite bestehen im wesentlichen aus 40 % Quarz und 60 % Feldspat. Sie sind nahezu massig, feinkörnig-ungleichkörnig (0,1 - 1 mm) mit amöboiden Kornformen. Mylonitische Gefüge kommen untergeordnet vor. Ihr Mineralbestand lautet: Quarz, Biotit, Granat, Sillimanit, Cordierit, Spinell, Ilmenit, Rutil. Die ehemaligen Hypersolvus-Feldspäte Mesoperthit und Antiperthit zeigen eine Entwicklungsreihe zu diskreten Plagioklas(An10-20)- und Orthoklas-Körnern. Um Granat ist eine Corona aus Cordierit-Quarz-Symplektit oder hellgrünem Biotit entwickelt. Die biotitreichen Leptinite haben durch den erhöhten Biotit-Gehalt (um 3 %) ein flaseriges Gefüge. Ihnen fehlt Mesoperthit, dafür führen sie reichlich Antiperthit (An20). Monazit ist ein charakteristischer akzessorischer Gemengteil. Die chemische Zusammensetzung der Leptinite entspricht der von Rhyolithen und ist über viele km nahezu konstant. Eine Probe ist stark an Uran verarmt. Die untersuchten Leptinite ähneln nach Auftreten, Chemismus und Metamorphose den Leptiniten von Todtmoos im Südschwarzwald. Die Paragneise werden in Quarz-Feldspat-reiche Meta-Grauwacken/Meta-Arkosen und Cordierit-reiche Meta-Pelite gegliedert. Das Gefüge ist feinkörnig, lagig-flaserig, teilweise mittelkörnig-migmatitisch und selten mylonitisch oder metablastisch. Der Mineralbestand lautet: Quarz, Plagioklas(An30), Antiperthit, Orthoklas, Biotit, Cordierit, Granat, Kyanit, Sillimanit (meist pseudomorph nach Kyanit), Andalusit (kontaktmetamorph), Spinell, Diaspor, Rutil, Graphit, Ilmenit und Sulfide. Die chemischen Analysen der Paragneise wurden mit denen von nicht metamorphen Sedimenten verglichen: die cordieritreichen Paragneise konnten als metamorphe Tongesteine bestimmt werden, die Quarz-Feldspat-reichen Paragneise sind metamorphe Grauwacken oder Arkosen, da sich Grauwacken und Arkosen nach ihrer chemischen Analyse nicht eindeutig unterscheiden lassen. Im Arbeitsgebiet gibt es nur ein kleines Amphibolit-Vorkommen. Es handelt sich um einen Cummingtonit-führenden Amphibolit, bei dem sich noch ein früheres Metamorphose-Stadium unter hohen Drücken nachweisen lässt. Der Strukturzustand der Alkalifeldspäte (Or85) ist lithologieabhängig und liegt zwischen Orthoklas und Maximum Mikroklin. Granat ist nur schwach diffusions-zoniert. Die Ca-reichen Zentren und Ca-armen Ränder der Granate zeigen eine Druckentlastung an. Aus den Biotit-Analysen (TiO2 bis 5,3 Gew.-%) wurde abgeleitet, da die Tschermak-Substitution die AlVI-Variation nicht erklären kann, sondern dass der AlVI-Gehalt in den untersuchten Biotiten wahrscheinlich vom Fe/(Fe+Mg)-Verhältnis des Gesteins abhängt. Cordierit (teilweise Fe-reich) ist meist pinitisiert. Bei einigen Piniten kann nicht ausgeschlossen werden, dass nach NEDELEC & PAQUET (1981) nicht Cordierit sondern eine Schmelze das Edukt war. Grüner und brauner Fe-Mg-Zn-Aluminat-Spinell kommt vorwiegend zusammen mit Cordierit (±Diaspor) als Corona um Kyanit vor. Das ganze Aggregat wird durch eine äußere Plagioklas-Corona vom Rest des Gesteins abgekapselt. Die metamorphe Entwicklung der untersuchten Gesteine beginnt mit einem druckbetonten Stadium (Hochdruck-Granulitfazies bis ?Eklogit-Fazies) und der Paragenese Granat + Kyanit + Hypersolvus-Feldspäte + Quarz ± Biotit. Die Temperatur lässt sich nur recht unsicher zu 700 °C abschätzen. Mit dem jetzt vorliegenden Plagioklas ergibt sich mit dem GPAQ-Thermobarometer, dem GRAIL- und dem GRIPS-Barometer ein Druck um 7-9 kbar, der als gut belegter Mindestdruck interpretiert wird. Falls aber während dieses Stadiums die Ca-reichen Granat-Zentren der biotitarmen Leptinite mit einem Hypersolvus-Alkalifeldspat (3 Mol-% Anorthit-Komponente nach der CIPW-Norm der Gesteinsanalyse) und Kyanit im Gleichgewicht standen, dann ergeben sich deutlich höhere Drücke von 14-19 kbar. Dieses Metamorphose-Stadium lässt sich mit dem geochronologischen 480 Ma-Ereignis (Ordovizium) korrelieren. Darauf folgt ein Druckentlastungs-Zwischenstadium mit der Umwandlung von Kyanit in Sillimanit und der Bildung der Spinell-Coronen um Al2SiO5-Minerale. Den Abschluss der Metamorphose-Entwicklung bildet ein statisches Cordieritisierungs-Stadium (LP-HT-Metamorphose, Cordierit-Kalifeldspat-Paragenese). Es bewirkte das statische Wachstum von reichlich Cordierit in Biotit-Sillimanit-reichen Teilgefügen und um Granat. Die Temperatur lag dabei nach dem Granat-Biotit-, dem Granat-Cordierit- und dem Granat-Ilmenit-Thermometer bei 650±50 °C. Der Druck betrug dabei nach dem GPAQ-Thermobarometer 3±2 kbar. Dieses Metamorphose-Stadium ist im NE des Raums Nordrach-Gengenbach stark ausgeprägt, im SW, wo das frühe, druckbetonte Stadium gut erhalten ist, nur schwach. Das statische Cordieritisierungs-Stadium lässt sich in das Karbon einstufen.