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Ein knapper Blick auf die Autor-Theorie französischer Provenienz im 20. Jahrhundert zeigt, dass bestimmte Begriffe hartnäckig ihre Tilgung verweigern. Galt es bereits innerhalb des Strukturalismus als ausgemacht, den Autor als Funktion des Textes zu begreifen, so lag es durch Michel Foucaults historische Situierung von Autorschaft (ihrer Erfindung und Instituierung um 1700) nur nah, vom wie auch immer metaphorischen Verschwinden oder Tod des Autors auszugehen. Diese Rede findet ihren Ausgangspunkt bereits in den protomodernen Poetiken und Dichtungen Mallarmes, die in bezug auf Poetologie und Literaturtheorie von Roland Barthes und Maurice Blanchot rezipiert wurden.
Klassik als Phantasie
(2014)
Auch wenn das Stichwort Globalisierung zunächst am ehesten die Assoziationsfelder Weltwirtschaft und Weltpolitik, Ökologie und Kommunikationstechnologie aufruft, so provozieren doch einige der fundamentalen Beschreibungskategorien dessen, was unter dem Begriff Globalisierung zusammengefaßt wird, zur Frage nach ihrer Anschlußfähigkeit an den literaturwissenschaftlichen Diskurs. Dies gilt vor allem für die Kategorien der Entgrenzung und Virtualisierung, ferner für die Interpretation von Globalisierungsprozessen als Prozesse der Dehierarchisierung, der umfassenden Vernetzung, der Entwicklung eines neuen und flexiblen, in unablässiger Transformation begriffenen Raumbewußtseins, […] sowie insbesondere für die Stichworte Internationalität und Interkulturalität.
Um die Vorwürfe zu entkräften, die gegen sein Stück Der Müll, die Stadt und der Tod erhoben wurden, gab Rainer Werner Fassbinder folgende Inhaltsangabe: "Die Stadt läßt die vermeintlich notwendige Dreckarbeit von einem, und das ist besonders infam, tabuisierten Juden tun, und die Juden sind seit 1945 in Deutschland tabuisiert, was am Ende zurückschlagen muß, denn Tabus, darüber sind sich doch wohl alle einig, führen dazu, daß das Tabuisierte, Dunkle, Geheimnisvolle Angst macht und endlich Gegner findet." Fassbinder äußert sich hier, als hätte er ein Stück im Stil von Brechts Rund und Spitzköpfen geschrieben. Doch gerade er hat dem Dunklen, Geheimnisvollen, Angstmachenden, das er vom Tabu ausgehen sieht, selbständige Gestalt erst gegeben, als er die Figur des "reichen Juden" in den Mittelpunkt seines Stücks rückte. "Dieser Jude", sagt Fassbinder, "ist reich, ist Häusermakler, trägt dazu bei, die Städte zuungunsten der Menschen zu verändern; er führt aber letztlich doch nur Dinge aus, die von anderen zwar konzipiert wurden, aber deren Verwirklichung man konsequent einem überläßt, der durch Tabuisierung unangreifbar scheint." Während die anderen, die Mächtigen der Stadtverwaltung, mit der "Dreckarbeit" jeweils einen Zweck verfolgen, führt der Jude sie um ihrer selbst willen aus. Davon handeln seine Monologe: "Es muß mir egal sein, ob Kinder weinen, ob Alte, Gebrechliche leiden. Es muß mir egal sein. Und das Wutgeheul mancher, das überhör ich ganz einfach. Was soll ich auch sonst. [...] Soll meine Seele geradestehen für die Beschlüsse anderer, die ich nur ausführe mit dem Profit, den ich brauche, um mir das leisten zu können, was ich brauche. Was brauch ich? Brauche, brauche – seltsam, wenn man ein Wort ganz oft sagt, verliert es den Sinn, den es ohnehin nur zufällig hat. Die Stadt braucht den skrupellosen Geschäftsmann, der ihr ermöglicht sich zu verändern. Sie hat ihn gefälligst zu schützen." (S. 681). ...
Mountainbiker kontra Waldläufer : über Handkes Fahrt nach Serbien und Peymanns Fahrt nach Berlin
(1999)
In dem vorliegenden Beitrag werden die markantesten intertextuellen Bezüge der beiden Kasperlstücke 'kasperl am elektrischen stuhl' (1962) von Konrad Bayer und 'Kasperlspiel vom Meister Siebentot' (1955/1965) von Albert Drach vergleichend analysiert. Die jeweilige Neukontextualisierung der Grundkonstellation des Spiels im Spiel in Kombination mit einer Hanswurst/Kasperl-Figur, die auf Ludwig Tiecks "Kindermärchen" 'Der gestiefelte Kater' (1797) zurückgeht, aber auch auf Arthur Schnitzlers Bursleske 'Zum großen Wurstel' (1901/05) Bezug nimmt, wird auf literarische Formen des Experimentellen hin untersucht. Dabei werden zwei grundlegend unterschiedliche Positionen des literarischen Experiments in den zwei Jahrzehnten nach 1945 sichtbar.
Memorialforschung hat Konjunktur, und dass die lebens- und literaturgeschichtliche Erinnerung in den Werken Peter Handkes eine Rolle spielt, ist bekannt. Daß aber Handke seit den 70er Jahren vor allem eine Gedächtniskunst projektiert und in immer neuen Versuchen auf den Weg bringt, wurde bislang nicht beachtet und ist Gegenstand dieser Untersuchung. Die Handkeschen Protagonisten, die allesamt aus den bürgerlichen Zusammenhängen herausfallen, suchen im Kanon der Geschichten und Bilder nach Vorstellungen des Lebens. Orientierung bieten Texte (oder auch nur Aussprüche) Goethes, Stifters, Homers, ferner Gemälde Cézannes oder Hoppers, Filme, mythologische und biblische Erzählmuster. Handke wiederholt jedoch nichts Überkommenes, er experimentiert damit. Seit "Der kurze Brief zum langen Abschied" (1972) fügt er Elemente der Tradition zu immer neuen Zeit-Räumen und Selbstentwürfen zusammen. Spätestens aber ab "Das Gewicht der Welt" (1977) steht dahiner die formulierte Absicht, "ein Gedächtnis für alle anderen" werden zu wollen. Neben der rhetorischen Textanalyse sieht sich die Arbeit der komparativen Kulturwissenschaft verpflichtet. Damit nähert sie sich ihrem Gegenstand auf zwei unterschiedlich gepflasterten Wegen, um die in Handkes Oeuvre vielfältig ausgebreitete Gedächtnisthematik herauszuarbeiten.
Ortsschriften Peter Handkes
(2012)
Die Dissertation "Ortsschriften Peter Handkes" zeigt zum einen, auf welche Weise die moderne Kriegs- und Vernichtungsgeschichte die Bücher Peter Handkes durchzieht, zum anderen, in welchen Dimensionen Entwicklungen der unmittelbaren Gegenwart, die unter dem Begriff "Globalisierung" zusammengefasst werden können, Handkes Ortsschriften tangieren beziehungsweise von ihnen sowohl aufgenommen als auch imaginiert werden.
Die Arbeit fügt der umfangreichen Forschung zur Frage, wie nach 1945 ein Weiter-Schreiben möglich ist, eine Untersuchung hinzu, die das diesbezügliche Schreibverfahren eines der bedeutendsten Autoren der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur herausarbeitet: Die Kontrastierung der Beschreibung von friedlichen Orten mit den verdrängten Spuren ihrer Gewaltgeschichte strukturiert seine Texte bis heute. Insofern eine Literaturwissenschaft, die sich den Prozessen der Globalisierung stellt, nach wie vor, wie Patrick Ramponi schreibt, noch in den Kinderschuhen steckt, zumindest im Hinblick auf eine Literatur, die nicht zur postkolonialen gehört, betritt die Arbeit Neuland. Legt sie doch einen Versuch vor, eine Literatur ohne Migrationshintergrund im Rahmen von Globalisierungsdiskursen zu interpretieren.
Die Untersuchung schließt eine Lücke in der Handke-Forschung. Erstmals werden Handkes Arbeiten von 1963 bis 2010 als Gesamtkorpus interpretiert und den Aufsätzen zu einzelnen Orten eine systematische Abhandlung der Orte im Paradigma der Topographie zur Seite gestellt. Dies erlaubt eine Korrektur der festgefahrenen Kritik sowie eine Neubewertung der Bedeutung der Orte für Handke. Sie entwickelt zudem eine – angesichts von bisher über 70 Veröffentlichungen enorm fruchtbare – Poetologie, in der die Ortsbe- und Ortserschreibungen zur Voraussetzung der Literatur werden. So wird Handkes Literatur als Teil einer Literatur lesbar, zu deren zentralen Schreibanlässen die Problematiken der Nachkriegsliteratur und die Ortsveränderungen im Zeitalter der Globalisierung zählen.