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Wer sich einmal in Deutschschweizer IRC-Chatkanälen herumgesehen hat, hat sofort bemerkt, dass neben der Standardsprache häufig Mundart verwendet wird. Eine Analyse der Varietätenverwendung bietet sich an. Es stellt sich die Frage: was bedeutet sprachliche Norm in einem Kommunikationsraum, in dem die Vorgabe, Deutsch zu schreiben, nur heißt nicht Französisch, Italienisch, Türkisch, Serbisch, Portugiesisch usw. zu schreiben, wo also die Standardsprache nur eine der akzeptierten Varietäten ist? Was bedeutet sprachliche Norm, wo Berndeutsch mit /l/-Vokalisierung neben Walliserdeutsch mit archaischen Volltonvokalen in Nebensilben vorkommt, wo für ein standardsprachliches [a:] ‹a, ah, aa, o, oh› oder ‹oo› stehen kann? Der Frage nach einer deskriptiven Norm wird hier nachgegangen, indem Möglichkeiten der Verschriftung einzelner Aspekte aufgezeigt werden und deren Nutzung in regionalen und überregionalen Chaträumen verglichen werden. Aus dem aktuellen Gebrauch wird dann versucht implizite Normen abzuleiten.
Wenn Deutsch geschrieben wird, wird im Allgemeinen die standardsprachliche Form gewählt. King: nei nei nöd eso Häx ..... verschtasch mi wieder falsch :-( *sniff (bluewin.ch, #flirt60plus, 1.10.2004) Elle: HeinEr: öhm jez versteh ich gar nix mehr (Antenne Bayern #flirten40, 16.9.2005) Big: Mu auch niemand verstehen (IRCnet, #mannheim,9.2.2003) Tezo: verstehe (IRCnet, #linux, 7.1.2003) In Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und auch im Internet ist die deutsche Standardsprache Standard. Sie ist die für die Schriftlichkeit normierte Varietät, die überregional verständlich sein soll. Diese Standardsprache ist zwar überall ähnlich, aber nicht gleich. So zeigen sich Besonderheiten im Lexikon, in der Wortbildung und vereinzelt in der Grammatik, welche in einer Region üblich sind, in der anderen jedoch nicht, oder die da eine andere Bedeutung tragen. Diese Besonderheiten sind aber nicht an einem Ort einfach falsch, sondern sie stellen regionale Ausprägungen des Standards dar (vgl. dazu das Variantenwörterbuch; Ammon u. a. 2004). ...
Zu dem Strauß der Bindestrichlinguistiken gesellt sich derzeit ein weiteres, besonders interessantes und vielversprechendes Exemplar, die sog. Zweifelsfall-Linguistik. Ihre Entstehung kann man mit dem "Linguistik online"-Heft "Sprachliche Zweifelsfälle. Theorie und Empirie" [...] auf das Jahr 2003 datieren. [...]
Aus historisch-linguistischer Perspektive handelt es sich sehr häufig um Fälle sich gegenwärtig vollziehenden Sprachwandels, d.h. was heute an seismischen Bewegungen registriert wird, hat seinen Herd, um in diesem Bild zu bleiben, oft im Frühneuhochdeutschen oder noch früher. [...] Gerade für die zukünftigen LehrerInnen ist es wichtig, von der richtig/falsch-Zentriertheit von Zweifelsfällen wegzukommen und stattdessen der Ratio dieses Phänomens näherzukommen (um dann bessere Anleitungen geben zu können). In Veranstaltungen zu Zweifelsfällen erlangt man übrigens eine beträchtliche diachrone Tiefe, d.h. die Bereitschaft, sich in das Problem, seine Genese und seine Hintergründe einzuarbeiten, ist erfreulich hoch. Interessant (und noch nicht erforscht) ist dabei die unterschiedliche Salienz grammatischer Zweifelsfälle: Während die Fugensetzung sofort als Zweifelsfall erkannt und bestätigt wird, ist es bei der schwankenden Flexion zweier koordinierter Adjektive im Dativ ohne Determinans ("unter großem finanziellem?/finanziellen? Aufwand") anders. Auch wenn die Korpora die Schwankung zwischen Parallel- und Wechselflexion zweifelsfrei als Zweifelsfall ausweisen (ca. zwei Drittel Wechselflexion, ca. ein Drittel Parallelflexion), so erreicht diese Flexionsunsicherheit keinen hohen Bewusstheitsgrad. Die höchste Salienz erreichen übrigens orthographische Zweifelsfälle [...], danach Wortbildungsprobleme wie die (Un-)Trennbarkeit von Präfixen vom Typ "gedownloadet/downgeloadet".
Allein in der Morphologie (Flexion und Wortbildung) gibt es derzeit etwa ein Dutzend "Baustellen", die systematisch Zweifelsfälle generieren. Sie bilden für den universitären Unterricht – und zwar für den grammatisch-deskriptiven wie auch für den sprachhistorischen – ein ungemein ertragreiches und auch beliebtes Thema. wie die eigene Erfahrung mit mehreren entsprechenden Veranstaltungen lehrt: Die Studierenden – meist künftige Lehrerinnen – lernen, dass sprachliche Regeln variabel sein können, doch keineswegs beliebig. Diese Einsicht reicht jedoch nicht: Man kann gerade anhand von Zweifelstallen zeigen. dass Regeln nicht per se existieren (oder womöglich von der Linguistik oder der Grammatikografie am Schreibtisch erstellt werden), sondern dass sie entstehen und vergehen können, also veränderlich sind, auch. dass sie Funktionen haben, die uns – den Sprachbenutzern – zugute kommen. Zieht man sprachhistorisches Wissen hinzu. so wird in den meisten Fällen deutlich, dass Zweifel stalle Sprachwandel im Verlauf darstellen und dass sie der Optimierung von etwas dienen, also vermehrte Funktionalität herstellen. Damit kann man auch der öffentlichen Gleichsetzung von Sprachwandel mit Sprachverfall entgegenwirken. Das Bewusstsein dafür, dass sich Sprache auch heute wandelt, überrascht viele: Man begreift Sprache viel zu oft als statisch. Zweifelfälle lassen sich auch leicht in schriftlichen Korpora wie dem DWDS oder Cosmas vom IDS und per Google finden. In den Grammatiken werden sie sehr heterogen. oft widersprüchlich behandelt. Mit solchen Recherchen lässt sich eine Unterrichtseinheit gut beginnen. Auch zu Ende der Sekundarstufe lassen sich Zweifelsfälle in den Grammatikunterricht integrieren, wenngleich sprachhistorisches Wissen nicht vorausgesetzt werden kann. Es gilt jedoch ein Verständnis für die Veränderlichkeit von Sprache zu wecken, und zwar nicht bezüglich der viel stärker beachteten Lexik, sondern der Grammatik. Schüler wie Studierende entwickeln schnell Interesse an Zweifel stallen, wenn man sie statt zur Frage nach Richtig versus Falsch zur Frage nach dem Woher und Wohin und vor allem nach dem Warum leitet, also dazu, echtes Verständnis für Grammatik zu entwickeln. Dichotomisches, normatives Denken wird überführt in skalares, jenseits von starren Normen befindliches. In einem letzten Schritt wird der Schluss zu ziehen sein, dass echte Zweifelsfälle keine Fehler sind: Beide Varianten sind akzeptabel.
Im Folgenden soll der […] Zweifelsfall adjektivischer Parallel- vs. Wechselflexion von diesen Seiten beleuchtet werden. Dabei wird deutlich, dass er nicht nur für Schule und Universität. sondern auch für die Grammatikografie Anregungen und Fragen aufwirft: Statt fester Regeln ergeben sich nur mehr oder weniger deutliche Tendenzen.
Književnojezična norma franjevačkih pisaca 18. St. : sastavnica jezičnostandardizacijskih procesa
(2007)
Važnom sastavnicom hrvatskoga predstandardnoga jezika smatra se koine franjevačke književnosti 18. st. Izrasla iz pisane prakse bosanskih franjevaca 17. st., obogaćena u jeziku hrvatskih franjevaca izraznim sredstvima pučkeknjiževnosti, već je u 18. st. pokazivala obilježja standardiziranosti: polifunkcinonalnost, preskriptivnost i neovisnost o organskim idiomima. Koine je opisana u franjevačkim gramatikama, što je naznaka normativnih tendencija.