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Freud soll als Theoretiker des Gedächtnisses produktiv gemacht werden. Was sich seinem Bild Roms methodisch abgewinnen lässt, ist als Aufhebung zeitlicher Struktur auch deren Überführung in räumliche Schichten. Wenn alles simultan ist, so gibt es keine Abfolge, und die Analyse kann darum nicht von Entwicklungen, sondern von Schauplätzen sprechen. Diesen kommt in der kulturwissenschaftlichen Arbeit eine herausragende Bedeutung zu, auch die folgende Untersuchung zu Geschichten und Gestalten einer Märtyrerin: der Heiligen Cäcilie, zu ihren narrativen und pikturalen bzw. plastischen Figurationen wird Freuds Modell folgen. Auch bedingt dies eine Darstellungsweise, die - wie schon diese methodischen Überlegungen - über Umwege führt. Nicht zuletzt lässt Freuds implizite Idee einer häretischen Form der Auferstehung der Toten, die ins Bild der 'Ewigen Stadt' eingetragen ist, auch die väterlichen Heilsversprechen als labil erscheinen, sodass es nicht ausgemacht ist, was passiert, wenn die Toten ihre Gräber verlassen.
Rezension zu Sabine Coelsch-Foisner u. Michaela Schwarzbauer (Hg.): Metamorphosen. Akten der Tagung der Interdisziplinären Forschungsgruppe Metamorphosen an der Universität Salzburg in Kooperation mit der Universität Mozarteum und der Internationalen Gesellschaft für Polyästhetische Erziehung (Zell an der Pram, 2003). Heidelberg (Winter) 2005. 234 S.
Im Zeichen der Interdisziplinarität stehen auch die Erkundungsgänge auf dem durch den Begriff 'Metamorphosen' eröffneten Gelände, die in diesem Tagungsband der Salzburger Forschergruppe Metamorphosen dokumentiert sind.
Rezension zu Pascal Nicklas: Die Beständigkeit des Wandels. Metamorphosen in Literatur und Wissenschaft, Hildesheim, Zürich, New York (Georg Olms) 2002 (= ECHO: Literaturwissenschaft im interdisziplinären Dialog; Bd. 2). 495 Seiten.
Kaum ein Motiv dürfte in solchem Maß komplexe und vielgesichtige Verbindungen zwischen der Antike und der Moderne bis hin zur Gegenwartskultur gestiftet haben und immer noch stiften wie das der Metamorphose. Die literarische Gestaltung von Verwandlungsgeschichten hat eine ebenso lange Geschichte wie die abendländische Literatur selbst.
Rezension zu Herwig Gottwald u. Holger Klein (Hg.): Konzepte der Metamorphose in den Geisteswissenschaften. Heidelberg (Winter) 2005. 183 S.
Unter dem Leitwort 'Metamorphosen' steht die Arbeit einer Gruppe von Geisteswissenschaftlern an der Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg; verbindendes Anliegen ist die Idee "den Begriff der Metamorphose unter verschiedenen, zum Teil gegensätzlichen theoretischen und einzelwissenschaftlichen Perspektiven zu beleuchten und für geisteswissenschaftliche Untersuchungen epistemisch fruchtbar zu machen", wie Herwig Gottwald und Holger Klein erläutern (Vorwort, unpag.). Es geht also darum, über interdisziplinär verbindende Einzelthemen und -gegenstände hinaus eine Operationsbasis zu finden - respektive zu schaffen -, auf der sich die Erkenntnisinteressen verschiedener Disziplinen als analog erweisen könnten.
In Menschenobhut können junge von Menschenhand aufgezogene Dachse sehr zahm werden. Daher kennt man eine Eigenheit der Dachsheit, auf die es mir hier ankommt: Man kann Dachse nur bedingt erziehen. Sie reagieren nämlich nicht auf negative Verstärker, wie man im Fachjargon all jene Bestrafungstechniken von Ausschimpfen, Futterentzug über Prügel bis zu Elektroschocks nennt, die immer noch die Grundlage fast jeder Dressur, sei es im Zirkus, im Pferdesport oder Hundespektakel bilden. Der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt ist an dieser Eigenheit des Dachses im Falle seines von Hand aufgezogenen zahmen Dachses schier verzweifelt, bis er erkannte: Dass es Tiere gibt, die die Reaktion auf den negativen Verstärker nicht in ihrem Verhaltensprogramm haben und somit undressierbar sind. Eibl mochte seinen Dachs aber trotzdem, und nachdem er es aufgegeben hatte, dem Dachs das freie Geruchsmarkieren im Haus verbieten zu wollen, gestaltete sich das Zusammenleben auch wieder ohne Verzweiflung. Damit bin ich bei meinem Titel angekommen: Reden wie ein Hund - Pfeifen wie eine Maus - Lernen wie ein Dachs. Über abgebrochene Serien des Tier-Werdens in Kafkas Erzählungen. Das Vorhaben ist der Versuch, anhand dreier Erzählungen Kafkas - nämlich die 'Forschungen eines Hundes', 'Josefine, die Sängerin' und 'Der Bau' - eine Art Entwicklungslinie im Tier-Werden Kafkas aufzuzeigen, die mit dem unerziehbaren Dachs abbricht, aber damit nicht, wie man Kafka oft unterstellt hat, im unentschiedenen Nichts landet, sondern einen Ausweg zeigt, mit dem man leben kann. Das hoffe ich zum Ende deutlich machen zu können.
Wie Beispiele aus zwei Jahrtausenden Literatur- und Kunstgeschichte bezeugen, lassen sich Veränderungen, von personaler, sozialer bis hin zu globaler Transformation, mithilfe von Ovids Mythen beschreiben oder bildlich darstellen. Viele SchriftstellerInnen, bildende KunstlerInnen und Filmschaffende haben dies getan; sie und ihre Echos sind in den sich teils ablösenden, teils verschränkenden Traditionslinien gut dokumentiert. Diese "Echos der Erzählungen" Ovids sind, so lässt sich mit Bettine Menke sagen, "der Modus des Nachlebens", die zu uns kommen "im Modus des Gerüchts, jeweiligen Aneignungen, Revisionen, Imitationen, Übertragungen, Lektüren, Wieder- und Fortschreibungen, Ver- Schickungen."
Openness and intensity : Petrarch's becoming laurel in "Rerum vulgarium fragmenta" 23 and 228
(2022)
Our paper offers a comparative reading of Rvf 23 and 228, which describe the poetic subject's transformation into (23), or implantation with (228), the laurel tree that normally represents the poet's beloved, Laura. Bringing Petrarch's poems into dialogue with philosophical works that consider the nature of plant existence as a form of interconnectedness and porosity to the outside, we argue that the becoming tree these poems stage is a form of desire to be understood not as lack but as intensity.
Far greater liberties can be taken by animation than by live-action films The possibilities of the narratives are enriched by unrestricted visual images that offer unique means of exploring and portraying states of desire, conscious and unconscious realities, as well as different layers of relationships and experiences. This leads to a fusion of the traditional and modern roles of representation. Anime from acclaimed Japanese director Hayao Miyazaki, particularly the Academy Award winner Spirited Away (Sen to Chihiro no Kamikakushi, 2003) and Oscar-nominated Howl’s Moving Castle (Hauru no Ugoku Shiro, 2004), which in recent years have acquired a global cult status, offer new perspectives on human subjectivity. Through their playful use of the motif of transformation, striking similarities in the development of the plots and ambiguous dénouements, the movies problematize the fundamental question of identity, representing a close illustration of some of the core psychoanalytical concepts found in Lacanian theory.
Die Zielsetzung des Sammelbands lässt sich anhand eines Dialogs von Yoko Tawada verdeutlichen, die über die Metamorphosen eines Kranichs die Frage nach der Beschaffenheit des 'Ichs' und nach personaler Identität im Allgemeinen stellt. Die Bezüge auf Ovid sind deutlich erkennbar, werden aber nicht explizit markiert. Damit sind sie ein typisches Beispiel für jene Vielzahl von Texten, die 'Verwandlungsgeschichten' im Sinne Ovids erzählen, sich aber von den konkreten Mythen gelöst haben, und - bzw. oder - auf die Einzeltextreferenz verzichten. Tawadas Kranich-Erzählung lässt sich als paradigmatisch für eine Vielzahl von gegenwartsliterarischen Texten verstehen, die Mensch-Tier-Verhältnisse, Körperlichkeit oder den Wechsel der geschlechtlichen Zuschreibung als Verwandlungen erzählen. An diesen Befund bzw. diese Ausgangsthese knüpfen sich zwei weitere Perspektiven: Zunächst geht es darum, einige Hauptstränge der Rezeptions- und Transformationsgeschichte der Ovidschen Metamorphosen nachzuverfolgen, da diese in poeto- und poesiologischer Hinsicht, für viele spätere Beispiele, prägend gewesen sind. Bereits die Metamorphosen lassen sich in ihrer Gesamtheit als Teil einer solchen Geschichte verstehen; als eine Summa Mythologiae der Antike stellen sie - je nach Lesart einen Zwischen- oder das End-Produkt einer bereits jahrhundertewährenden Rezeptions- und Transformationsgeschichte dar. Ovid bediente sich bei Herodot und Hesiod, Homer und Euripides, den Pythagoreern und anderen, deren Erzählstoffe, Motive und Philosopheme er kompilierte, zum Teil harmonisierte und interpretierte. Die Metamorphosen sind ein Buch der Bücher und carmen perpetuum, das seine Fortschreibung projektiv zum Programm machte.