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Während ich in meiner Georg-Weerth-Biografie Georg Weerth 1822-1856. Ein Leben zwischen Literatur, Politik und Handel die drei Aspekte seines Lebens gleichgewichtig behandelt habe, möchte ich im folgenden Beitrag mein Augenmerk auf Weerths Reisen in Amerika, und insbesondere auf seinen Aufenthalt in Kalifornien während des Goldrauschs richten, weil dieser Aspekt von Weerths Leben noch nicht gebührend genug berücksichtigt worden ist.
Schon vor seiner ersten großen Übersee-Reise (1852-1855) werden Weerth in Europa Nachrichten vom kalifornischen Goldrausch zu Ohren gekommen sein und sein Interesse geweckt haben. Als Weerth sich Anfang 1854 geschäftlich in Mexiko aufhielt, nahm er die Gelegenheit wahr, einen Abstecher nach Kalifornien zu machen, um den Goldrausch mit eigenen Augen zu erleben: Was er in Kalifornien sah und erlebte, machte ihn sowohl zum Zeugen und Beobachter als auch Chronisten des Goldrauschs.
Das Schöne und das Nützliche
(2001)
Neben den fachphilosophischen Auseinandersetzungen mit den Problemen der Ästhetik findet in unserer Periode, derjenigen des Vormärz, der um das Schöne als Naturschönes kreisende Diskurs die verschiedenartigsten Ausformungen bis hin zu einer Ästhetik des Hässlichen. Die Frage nach dem Schönen und dem Nützlichen und ihrem Verhältnis zueinander, nach der Priorität, die dem einen oder dem anderen einzuräumen sei, durchzieht seit Beginn der Neuzeit nicht nur die Diskussion der sogenannten Schönen Künste, insbesondere die der Architektur und Gartenkunst; sie gewinnt gegen Ende des 18. Jahrhunderts, im heraufziehenden Industriezeitalter, eine neue Dimension. Die je nach Fragestellung wechselnde Präponderanz oder Verbindung von Ästhetik und Ethik im Sinn des antiken Schön-Gutseins fokussiert sich nun auf einen neuen Schwerpunkt, den der Industrieästhetik einerseits, der ökologischen und sozialen Verträglichkeit der Begleiterscheinungen der neuen Produktionsweisen andererseits - Fragestellungen und Zielkonflikte, die uns auch heute nicht fremd sind. Da sich im frühen Vormärz hier der Blick schon besonders auf England richtete, war naheliegend: Als seit seinem Industrialisierungsschub vom Anfang des 18. Jahrhunderts bevorzugter Studienraum für Bildungs-, Informations- und Geschäftsreisen der Kontinentalen ist England hinreichend bekannt und vielfach untersucht worden. Um die Spannweite der möglichen Auseinandersetzungen mit dem Schönen und dem Nützlichen im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts nicht auszumessen, aber augenfällig zu machen, werden im Folgenden die Beobachtungen im wesentlichen um zwei so verschiedene Autoren kreisen, wie es der Landschaftsarchitekt und Reiseschriftsteller Hermann von Pückler und der Kaufmann und sozialistische Dichter Georg Weerth sind.
Zu den Themenkreisen, mit denen sich Weerth vorrangig in seinen England-Aufsätzen befasst, gehören u.a. der Konflikt zwischen Fabrikbesitzer und Industrieproletariat, Fragen der Volkserziehung, die Ausnutzung von Kindern als Fabrikarbeiter, der Alkoholmissbrauch, die Macht der Kirche und zum geringeren Teil die Rolle der Frau in der viktorianischen Gesellschaft. Weerth beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Gegensätzen im voranschreitenden Industriezeitalter. Hier lassen sich deutliche Parallelen ziehen zu den Romanen der Brontë-Schwestern.
Christine Künzel zeigt in ihrem Beitrag zu Georg Weerths "Humoristischen Skizzen aus dem deutschen Handelsleben", inwiefern es sich entgegen der Ankündigung im Titel nicht um Humor, sondern um eine satirische Kritik am bürgerlichen Mythos vom ehrbaren Kaufmann handelt, der sich skrupellos verschiedenster betrügerischer Machenschaften inklusive Kriegswaffenhandel und ruinöser Spekulationsgeschäfte widmet. Weerths Demontage des Mythos kreist um die Fetischisierung des Geldes wie auch um den Handel als "Form des Krieges mit anderen Mitteln." Seine Kapitalismus-Kritik kulminiere in einem Spiel mit der kaufmännisch höchst bedeutungsvollen Null, die "an sich den Wert von Nichts" bezeichnet und "ihre Bedeutung erst durch die vorhergehende Zahl oder Zahlenfolge erhält" - eine gedankliche Spekulation, die auch als verborgene Revolutionsdrohung gelesen werden könne.
Die beiden bisher unveröffentlichten Briefe von August Hermann Ewerbeck an Georg Weerth vom 2. Januar bzw. 22. Februar 1849 befinden sich im Fonds 23 des Moskauer Rußländischen Staatlichen Archivs für Sozial- und Politikgeschichte (RGASPI). Seit 1933 gilt das gesondert eingerichtete Archiv der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ) als verschollen. Beide Briefe berühren die gleiche Thematik wie der von Galina Golovina und Martin Hundt in den MEGA-Studien 1997/1 veröffentlichte Marx-Brief an Friedrich Kapp vom Dezember 1848: die fortdauernde Finanzmisere der NRhZ nach ihrem Wiedererscheinen in den Nachmittagsstunden des 11. Oktobers (Ausgabedatum 12. Oktober 1848). Darüber hinaus vertiefen sie aus der Sicht Ewerbecks, eines der rührigsten Korrespondenten der NRhZ, unsere Kenntnisse über seine Tätigkeit sowie die von Weerth für das Blatt in der Revolution von 1848/49.
Von grundsätzlicher Bedeutung für die Unterschiede zwischen Journal- und Buchfassung ist die Tatsache, dass Weerth urprünglich nicht geplant hatte, den Schnapphahnski zu einem umfangreichen Feuilletonroman auszuarbeiten. Vorgesehen war zunächst etwa ein Umfang, vergleichbar dem seiner übrigen Feuilletonserien. Im folgenden sollen die Veränderungen zwischen Journal- und Buchfassung herausgearbeitet werden, Streichungen bzw. Überarbeitungen sollen anhand ausgewählter Beispiele vorgestellt werden.