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Die zweifellos größte Herausforderung für die Literaturwissenschaft in den letzten beiden Jahrzehnten ging vom sog. "Poststrukturalismus" aus, der, aus Frankreich kommend, auf den theoretischen Voraussetzungen des klassischen Strukturalismus aufbaut und diesen zugleich überwindet. War bereits für den klassischen Strukruralismus nach Ferdinand de Saussure die Bedeutung einer sprachlichen Äußerung das Produkt ihrer differentiellen Zeichenstruktur, so öffnet die neostrukturalistische Theoriebildung das bei Saussure noch als geschlossen gedachte System der Sprache in die prinzipielle Unbegrenztheit der Kombinationen und Relationen in der Ordnung der Zeichen.
Ein anderes Zeichen
(2002)
Sinnlicher Schein versus allegorischer Lärm. Die Perle als Blickfang in den Bildern Vermeers ruft die lange und vielfältige Kultur- und Bedeutungsgeschichte der Perle auf. Gleichzeitig verbreitet sie den von ihr aufgefangenen Lichtschein über das Bild als Bild, indem sie Korrespondenz- und Spiegeleffekte setzt, die den Blick von einem Bildelement auf das andere weiter verweisen. So wiederholt sich in dem Bild "Mädchen mit dem Perlenohrring" aus dem Mauritshuis das Weiß des Perlenglanzes am Ohr der Abgebildeten im Kragenabschluss des Gewandes, der den Hals des Mädchens umschließt, ebenso wie im Weiß ihrer auf den Betrachter gerichteten Augen und - als schwacher Reflex - auf den halbgeöffneten Lippen. Bildwirkung versus Bedeutungswirkung?
Das Symposion »Poststrukturalismus: Herausforderung an die Literaturwissenschaft« scheint mit Verspätung stattzufinden. Vermehrt werden Stimmen laut, die das Ende des Poststrukturalismus verkünden. Allenthalben läßt sich ein neuer Essentialismus vernehmen, der gegen die "flottierenden Signifikanten" ewig gestriger Poststrukturalisten das Recht auf "reale Gegenwart" geltend macht. Man fragt wieder nach dem "Sitz der Literatur im Leben" und nach der "Relevanz" der Literaturwissenschaft. In diesem Kontext sind auch das in den 80er Jahren neu erwachte Interesse an der Anthropologie und die Bemühungen um die disziplinäre Etablierung einer dezidiert "Literarischen Anthropologie" zu sehen. Doch gibt es kein Zurück hinter den im Zuge des poststrukturalistischen Perspektivenwechsels möglich gewordenen kritischen Blick auf bislang unhinterfragte Sinn- und Bedeutungseinheiten, vielmehr ist sein analytisches Potential in neue Gebiete der Literaturwissenschaft einzubringen.
Der Titel des vorliegenden Beitrags verbindet drei Leitbegriffe - einen Autornamen: Musil, die Bezeichnung einer religiösen Denk- und Erfahrungsrichtung: Mystik, und eine Epochenbezeichnung: Moderne. Die sich hinter diesen Leitwörtern verbergenden phänomenologischen Strukturen werden zunächst gesondert betrachtet, um sie in einem nächsten Schritt systematisch aufeinander beziehen zu können. Die auf diese Weise sichtbar werdenden Zusammenhänge werden abschließend am Beispiel einer konkreten Textlektüre einer differenzierten Analyse unterzogen.