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Angesichts der Bedeutung, die Brustkrebs sowohl in der Medizin als auch im gesellschaftlichen Bewusstsein besitzt, wird es zunehmend wichtiger, ein verstärktes Augenmerk auf die Möglichkeiten und Grenzen entsprechender Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen zu legen. Seit Mitte der 90er Jahre hat sich das Spektrum der Brustkrebsdiagnostik um die Möglichkeit der genetischen Testung von Risikopatienten erweitert. Der hier angesprochene BRCA-Gentest für erblichen Brust- und Eierstockkrebs zählt zu den prädiktiv-probabilistischen Gentests mit geringer Aussagekraft bezüglich der Vorhersage einer möglichen Krebserkrankung. Weder der genaue Zeitpunkt eines Krankheitsausbruchs, noch die Schwere einer möglichen Erkrankung können genau vorhergesagt werden. Auch ein negatives Testergebnis gibt keinerlei Gewissheit darüber, dass Brust- oder Eierstockkrebs nicht doch im Rahmen des durchschnittlichen Risikos von ca. 8% bei den Getesteten entstehen kann. Es besteht die Gefahr, dass das negative Testergebnis zu einer Unterschätzung dieses durchschnittlichen Risikos führt und entsprechende präventive Maßnahmen nicht ausreichend wahrgenommen werden. Ein positives Testergebnis kann zu Einschränkungen in der Lebensführung und in der weiteren Lebens- und Familienplanung führen. Des Weiteren können prophylaktische Maßnahmen, wie Mastektomie oder Ovarektomie, ergriffen werden, die der Situation möglicherweise nicht angemessen sind und einen fraglichen Nutzen besitzen. Im Zuge der Möglichkeiten einer genetischen Testung ist es zu einer Veränderung bzw. zu einer Erweiterung des Krankheitsbegriffs in der Medizin gekommen. Dabei sei angemerkt, dass die meisten Personen, die eine prädiktive Medizin in Anspruch nehmen, zumeist primär nicht krank sind, sondern eine Aufklärung über eine mögliche genetische Disposition haben möchten. Prädiktive Gentests, die im Falle einer Verdachtsdiagnose in präventive und prophylaktische Maßnahmen münden, setzen zum einen den Noch-Nicht-Kranken einem Behandlungsrisiko aus und machen zum anderen einen bestimmten Anteil an positiv Getesteten zu Patienten, obwohl diese die Erkrankung erst spät oder nie bekommen würden. Besteht bei der Erweiterung des Krankheitsbegriffs nicht die Gefahr der sozialen Diskriminierung von Gesunden mit genetischer Disposition? Ist das System der genetischen Testung für jeden Einzelnen frei zugänglich, und wie lassen sich die zusätzlichen Kosten rechtfertigen? Der Gentest auf erblichen Brust- und Eierstockkrebs ist eingebunden in eine interdisziplinäre Zusammenarbeit aus Gynäkologen, Humangenetikern, Onkologen, Psychoonkologen, Pathologen, Radiologen und Hausärzten. Die Autoren Günter Feuerstein und Regine Kollek kommen jedoch zu dem Schluss, dass auch eine qualifizierte genetische Beratung nicht in der Lage sei, alle Unsicherheiten auszuräumen, die sowohl mit den naturwissenschaftlich-genetischen Risikoaussagen als auch mit deren individuellen Wahrnehmung und Bewertung verbunden sind. Sie stellen sich die Frage, was ein „informed consent“ vor diesem Hintergrund komplexer genetischer Sachlagen und der gegenüber vielfältigen Einflüssen und Faktoren anfälligen Vermittlung probabilistischer Risikoinformationen bedeuten könne. Es stellt sich die Frage, wie es um das Recht auf Nichtwissen und die Freiwilligkeit der Inanspruchnahme von Gentests bestellt ist, wenn eine entsprechende gesundheitliche Verantwortung des Einzelnen gesellschaftlich eingefordert wird und wie viel Verantwortung eine Gesellschaft für den Einzelnen übernehmen kann. Vor diesem Hintergrund erscheint es daher umso wichtiger, einen Wirksamkeitsnachweis der präventiven Maßnahmen und der prophylaktischen Eingriffe zu erbringen. Mehrere Studien haben die Wirksamkeit prophylaktischer Eingriffe in Bezug auf erblichen Brust- und Eierstockkrebs untersucht und kamen zu einer Risikoreduktion für Brustkrebs bei einer prophylaktischen Mastektomie von bis zu 97% und zu einer Risikoreduktion für Eierstockkrebs bei einer prophylaktischen Ovarektomie von bis zu 50%. Ein unbestimmtes Restrisiko bleibt bei jeder Form des prophylaktischen Eingriffs bestehen. Mit entscheidend ist dabei einerseits das subjektive Körpergefühl der betroffenen Frau und andererseits der kulturelle Hintergrund, wie ein Vergleich zwischen Frankreich, Niederlande, England, Kanada, den USA und Deutschland zeigt. Studien und Erfahrungsberichte haben gezeigt, dass individuell auf die Wünsche der Patientinnen eingegangen wird, sie werden in ihren eigenen Vorstellungen bezüglich Körperbild und Vorsorgemaßnahmen respektiert, und besitzen eine aktive Rolle in der Kontrolle ihrer Behandlung. Daher sind sowohl die medizinischen Fachkräfte als auch die Betroffenen aufgefordert, entsprechende Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen, insbesondere genetische Testverfahren, gemeinsam weiter zu entwickeln, aber auch kritisch zu hinterfragen, um gleichermaßen das Verantwortungsbewusstsein und den Aufklärungsbedarf unter Beachtung individueller Gegebenheiten zu stärken.