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Lange ging man davon aus, dass die Physiologie der Thyroidhormone weitestgehend erforscht ist und nahm an, dass sämtliche Thyroidhormon-Wirkungen auf einer Bildung von L-Thyroxin (T4) und einer anschließenden Deiodierung zu Triiodthyronin (T3) beruhen, welches an die nukleären Thyroidhormon Rezeptoren (THRs) bindet. Über die THRs werden genomische Signalwege vermittelt, die während der Wachstums- und Entwicklungsphase essentiell sind. Beim Erwachsenen werden zudem vorwiegend katabole Stoffwechsel-Prozesse induziert. Jedoch zeigte sich in den letzten 20 Jahren, dass die Signalwege der Thyroidhormone komplexer sind als bisher angenommen. Vor allem die Metabolite des in der Schilddrüse gebildeten T4s, zeigen ein breites Interaktions-Profil mit anderen molekularen Zielstrukturen. Thyronamine, die decarboxylierten Thyroidhormon-Metabolite, binden beispielsweise den G-Protein-gekoppelten Trace Amine Associated Receptor 1 (TAAR1). Wird dieser Rezeptor aktiviert, kommt es innerhalb kürzester Zeit zu einem rapiden Abfall der Köpertemperatur, sowie zu einer akuten Bradykardie. Die durch oxidative Deaminierung gebildeten Iodthyroacetate Tetraiodthyroacetat (TETRAC) und Triiodthyroacetat (TRIAC) sind Antagonisten des Membran-Rezeptors Integrin αVβ3 und besitzen antiproliferative und pro-apoptotische Eigenschaften.
In dieser Arbeit sollte die Hypothese untersucht werden, ob Thyroidhormone neben diesen neuen zumeist nicht-genomischen Signalwegen, auch THR-unabhängige genomische Wirkmechanismen besitzen.
Mit Hilfe eines Gal4-Luciferase-Reportergen-Assays wurde in einem Screening die Aktivität einiger Thyroidhormone und Thyroidhormon-Metabolite an elf THR-ähnlichen Rezeptoren und den drei Retinoid X Rezeptor (RXR)-Subtypen untersucht. Es konnte detektiert werden, dass Thyroidhormone, vor allem TETRAC, potente Peroxisom-Proliferator-aktivierter Rezeptor (PPAR)γ-Agonisten sind, die zum Teil zusätzlich dessen Heterodimer-Partner RXR aktivieren können. Diese PPARγ- und RXR-Aktivität wurde zunächst mit Hilfe eines Coaktivator-Rekrutierungs-Assays, einer Isothermen Titrationskalorimetrie (ITC) und einer Kristallstrukturanalyse genauer charakterisiert. Zum einen konnte nachgewiesen werden, dass sowohl PPARγ, als auch RXR in artifizielleren Testsystemen durch Thyroidhormone aktiviert werden. Zum anderen konnte die für permissive Heterodimere, wie das PPARγ/RXR-Heterodimer, typische additive Transaktivierungs-Effizienz nach Bindung beider Heterodimer-Partner bestätigt werden. Außerdem zeigte die Untersuchung der Kristallstruktur von TETRAC und PPARγ, dass Thyroidhormone einen abweichenden Bindungsmodus im Vergleich zu anderen PPARγ Agonisten, wie den Glitazonen und entsprechende Fettsäuren oder Fettsäuremimetika, besitzen.
Die Evaluation der biologischen Relevanz der PPARγ/RXR-Heterodimer-Aktivierung ergab zudem, dass TETRAC, als potentester PPARγ-Agonist, in der Lage ist die Differenzierung von Präadipocyten zu Adipocyten zu induzieren. Außerdem wurde die mRNA-Expression wichtiger PPARγ-regulierter Gene in Hepatozyten trotz knockdown beider THR-Isoformen signifikant durch Thyroidhormone induziert.
Für eine erste Abschätzung einer möglichen physiologischen Relevanz der PPARγ/RXR-Aktivierung durch Thyroidhormone, wurde die Bildung von TETRAC nach Inkubation von Hepatozyten mit T4 quantifiziert. Es konnte festgestellt werden, dass ausreichend TETRAC in den Hepatozyten gebildet werden kann, um PPARγ zu aktivieren. Auch in einem in vivo-Experiment, bei dem Mäusen ein mit Brom substituiertes T4-Analog (Br-T4) appliziert wurde, um Interferenzen mit der endogenen Thyroidhormon-Produktion zu verhindern, konnte gezeigt werden, dass die PPARγ-regulierte Genexpression in den Lebern der Tiere induziert wurde. Dies deutete auf eine physiologisch relevante Bildung von Br-TETRAC hin, da Br-TETRAC analog zu TETRAC eine hohe Bindungs-Aktivität an PPARγ besaß, während Br-T4 keine Aktivität an diesem Rezeptor aufwies.
Die Ergebnisse dieser Arbeit deuten darauf hin, dass Thyroidhormone neben den THR-vermittelten Effekten auch andere genomische Wirkmechanismen besitzen, indem sie das PPARγ/RXR-Heterodimer aktivieren. Diese biologische Aktivität könnte sowohl eine physiologische als auch eine pharmakologische Relevanz besitzen. Die beiden T4-Metabolite T3 und TETRAC sind in der Lage komplementäre Signalwege zu induzieren. Wird T4 deiodiert kommt es zur Bildung von T3, welches den THR aktiviert. Durch oxidative Deaminierung des T4s bildet sich TETRAC, das wiederum PPARγ bindet und aktiviert. Durch die vermehrte Bildung von TETRAC und anschließende Aktivierung von PPARγ könnte die katabole Wirkung der THR-Signalwege abgeschwächt werden und so eine Art negative Rückkopplung gewährleistet werden. Die physiologische Bedeutung der Interaktion von Thyroidhormonen mit PPARγ/RXR muss jedoch noch genauer untersucht werden.
Aber auch pharmakologisch könnte die Iodthyroacetat-Aktivität an PPARγ eine Rolle spielen. TETRAC könnte durch seinen individuellen Bindungsmodus als Leitstruktur für neue PPARγ-Partialagonisten mit verbessertem Nebenwirkungs-Profil dienen. Außerdem wird das Thyroidhormon-Derivat TRIAC schon jetzt als Leitstruktur für die Entwicklung von Thyroidhormon-Analoga mit THRβ-Selektivität verwendet. Durch die zusätzliche PPARγ-Aktivität könnte zukünftig ein dualer THRβ/PPARγ-Agonist bei Erkrankungen, die mit einer Insulinresistenz einhergehen, Verwendung finden.
Zusammenfassend stellt die Entdeckung der Aktivität von Thyroidhormonen an PPARγ und RXR einen weiteren Baustein im komplexen System der Thyroidhormone dar.
Der Extrakt des indischen Weihrauchs (Boswellia serrata) ist eines der wenigen pflanzlichen Heilmittel, dem von der EMEA der Orphan Drug Status zur Behandlung des peritumoralen Hirnödems verliehen wurde. Boswellia serrata Extrakt und die Boswelliasäuren, die wirksamen Inhaltsstoffe des Weihrauchs, zeigten in zahlreichen in vitro-Untersuchungen antiinflammatorische und antitumorale Wirksamkeit. Diese Wirkungen konnten auch in mehreren klinischen Studien nachgewiesen werden. Untersuchungen zum pharmakokinetischen Verhalten der Boswelliasäuren zeigten, dass Weihrauch nur eine geringe orale Bioverfügbarkeit aufweist. Ziel der Arbeit war es daher, den Einfluss von Löslichkeit, Metabolismus und Permeabilität auf die Bioverfügbarkeit der Boswelliasäuren zu untersuchen. Weihrauchextrakte sind in wässrigen Medien schlecht löslich. In einer Rattenstudie wurde deshalb untersucht, inwieweit die verbesserte Löslichkeit des Extrakts in einer nanoskaligen Boswellia serrata Formulierung zu einer verbesserten Bioverfügbarkeit führt. Eine bestehende LC-MS-Methode zur Bestimmung von KBA und AKBA aus Plasma und Hirngewebe wurde optimiert und revalidiert. Zur Vervollständigung des pharmakokinetischen Profils wurden die KBA- und AKBA-Konzentrationen auch in der Leber der Ratten bestimmt. Die analytische Methode wurde hierfür nach den anerkannten FDA-Richtlinien erfolgreich validiert. Die Plasma- und Leberkonzentrationen waren jedoch bei den Ratten, die die nanoskalige Boswellia serrata Formulierung bekamen, in den ersten Stunden nach der oralen Verabreichung nicht signifikant höher als bei den Ratten, die den unbehandelten Extrakt erhielten. Die in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen zur metabolischen Stabilität von KBA und AKBA in Rattenlebermikrosomen (RLM), Humanlebermikrosomen (HLM) und Rattenhepatozyten (RH) zeigten, dass KBA einer stark ausgeprägten hepatischen Metabolisierung unterliegt. AKBA hingegen erscheint metabolisch relativ stabil. Die Identifizierung der Metabolite ergab, dass Boswelliasäuren in RLM hauptsächlich Phase-I-Metabolite wie mono-, di-, und seltener auch trihydroxylierte Metabolite bilden. Von AaBA und AbBA konnten keine Metabolite detektiert werden. Das metabolische Profil von KBA und AKBA in RH war mit dem in RLM vergleichbar. In einer Rattenstudie konnten dann im Plasma und in der Leber jedoch nicht im Hirn der Ratten KBA-Metabolite nachgewiesen werden, während für AKBA in vivo keine Metabolite detektiert wurden. Phase-II-Metabolite konnten weder von KBA noch von AKBA nachgewiesen werden. Bisher war man davon ausgegangen, dass die niedrigen Plasmakonzentrationen von AKBA in vivo durch eine Deacetylierung zu KBA zustande kommen. Diese These konnte im Rahmen dieser Arbeit widerlegt werden. Im Caco-2-Zellmodell zeigte KBA eine mittlere Permeabilität. Es konnte gezeigt werden, dass KBA und AKBA offensichtlich keinem Efflux-Transport unterliegen. AKBA erwies sich sowohl in absorptiver und sekretorischer Richtung als auch bei 4° C als schlecht permeabel. Da KBA und AKBA die Aktivität des ABC-Transportproteins Pgp modulieren, wurde in dieser Arbeit überprüft, ob diese beiden Boswelliasäuren auch Substrate des Pgp sind. Die Permeation von KBA und AKBA war in Anwesenheit des Pgp-Inhibitors Verapamil jedoch nicht signifikant verändert, was darauf hindeutet, dass KBA und AKBA keine Pgp-Substrate sind. Die Ergebnisse dieser Arbeit bilden einen wichtigen Baustein zur weiteren Aufklärung des pharmakokinetischen Verhaltens von KBA und AKBA. So ist die begrenzte systemische Verfügbarkeit von KBA auf eine mittlere Absorption aus dem Gastrointestinaltrakt in Kombination mit der umfangreichen hepatischen Metabolisierung zurückzuführen. Die niedrigen systemischen Konzentrationen von AKBA hingegen liegen eher in der schlechten Absorption begründet. Auf der Basis der extensiven Metabolisierung von KBA und der schlechten Permeabilität von AKBA stellt sich im Allgemeinen die Frage nach dem tatsächlichen Wirkmechanismus von KBA und AKBA. In keiner pharmakokinetischen Studie konnten die in vitro pharmakologisch aktiven Konzentrationen dieser beiden Boswelliasäuren erzielt werden. Es ist daher nicht auszuschließen, dass auch andere Wirkmechanismen als die bisher beschriebenen existieren. Unter dem Gesichtspunkt möglicher Arzneimittelinteraktionen wurde die Wirkung von KBA und AKBA auf MRP2 und OATP1B3 in zwei zellbasierten Assays untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass KBA und AKBA die Aktivität von MRP2 und OATP1B3 in Konzentrationen modulieren, welche im Rahmen dieser Arbeit in der Leber von Ratten nachgewiesen wurden. Da Weihrauchextrakt häufig in Comedikation verwendet wird, sollte im Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit in Zukunft geprüft werden, ob es zu praxisrelevanten Arzneimittelinteraktionen mit klinisch relevanten MRP2- und OATP1B3-Substraten kommt.