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Sojabohnen sind aufgrund ihres hohen Proteingehaltes ein wichtiges Nahrungsmittel und insbesondere bei Kindern ein häufig austretendes allergenes Lebensmittel. Der einizige zur Zeit mögliche Schutz vor einer allergischen Reaktion auf Soja ist die strikte Vermeidung der Aufnahme. Die allergenen Substanzen sind Proteine und Glykoproteine. Es gibt eine Reihe von Produkten aus Soja, die kein oder nur geringe Mengen Protein enthalten, aber in zahlreichen Lebensmitteln enthalten sind. Die Prüfung der potenziellen Allergenität von solchen Produkten, wie z.B. Vitamin E aus Soja, ist von grundlegendem Interesse für allergische Personen. Vitamin E aus Soja wird vielen Produkten z.B. als Antioxidanz zugesetzt und müsste nach den rechtlichen Kennzeichnungsvorschriften als Allergen auf der Verpackung angegeben werden. Ein Ziel dieser Promotionsarbeit war daher die Entwicklung von sensitiven und spezifischen Detektionmethoden für den Nachweis von Sojaprotein in Tocopherol (VitaminE) aus der Sojabohne. Aber auch die Charakterisierung von Sojaallergenen für die Entwicklung von diagnostischen und therapeutischen Methoden ist wichtig. Das zweite Ziel der Arbeit war somit die genauere Charakterisierung von β-Conglycinin (Gly m 5) als Sojaallergen sowie die Identifizierung der IgE-bindenden Bereiche des untersuchten Proteins. Zum Nachweis, dass in dem hoch prozessierten Sojaprodukt Tocopherol kein Sojaprotein mehr vorhanden war, wurden mehrere proteinbiochemische und immunologische Methoden entwickelt und validiert. Der sojaspezifische ELISA zur Detektion von hydrophilen Sojaproteinen aus der Tocopherolmatrix mit einer realen Nachweisgrenze von 10 ppm zeigte eine gute Reproduzierbarkeit. Die Detektion von lipophilen, denaturierten und hydrophilen Sojaproteinen aus Tocopherol im Immunoblot mit einer Nachweisgrenze von 20 ppm war ebenfalls gut reproduzierbar. Der etablierte IgE Immunoblot mit Sojaallergikerseren wies eine vergleichbare Sensitivität auf. In keiner der 10 untersuchten Tocopherolproben wurde mit den etablierten sensitiven sojaspezifischen Methoden Sojaprotein detektiert. Bei in vivo Studien von klinischen Partnern wurde bei Sojaallergikern weder eine Reaktion auf Tocopherol im Hauttest noch in der oralen Provokation von 500 mg Tocopherol beobachtet. Dass Gly m 5 ein wichtiges Sojaallergen ist und als diagnostischer Marker für schwere allergische Reaktionen genutzt werden kann, wurde in einer früheren Publikation unserer Arbeitsgruppe beschrieben. Die genauere Charakterisierung von Gly m 5 in dieser Arbeit zeigte, dass es ein Hauptallergen bei sojaallergischen Kindern und bei Sojaallergikern mit anaphylaktischen Reaktionen darstellt. Dabei zeigten alle Gly m 5 sensibilisierten Sojaallergiker spezifisches IgE gegen eine der drei Gly m 5 Untereinheiten, das Gly m 5.03. Diese Untereinheit kann somit als diagnostischer Marker für eine Gly m 5 Sensibilisierung eingesetzt werden. Es konnte ebenfalls in dieser Arbeit bestätigt werden, dass die meisten Gly m 5 sensibilisierten Sojaallergiker moderate bis schwere allergische Reaktionen zeigten und Gly m 5 somit einen potenziellen Marker für die Schwere einer Sojaallergie darstellt. Zur Identifizierung von IgE-bindenden Bereichen des Gly m 5 und des homologen Erdnussallergens Ara h 1 wurde die hoch sensitive und spezifische CelluSpot Technik etabliert, welche im Vergleich zur häufig angewendeten SPOT Membran-Technik nicht nur Zeit und Serumvolumen spart, sondern auch die individuelle Testung der Seren unter ständiger Mitführung von Positiv-und Negativkontrollen ermöglichte. Diese Methode stellt damit eine geeignete Technik zur Untersuchung von IgE reaktiven linearen Bereichen der Gly m 5 Untereinheiten und des Ara h 1 dar. Die Mehrheit der Gly m 5 sensibilisierten Sojaallergiker besaß spezifisches IgE gegen sequenzielle synthetische Peptide der Gly m 5 Untereinheiten, wobei jedes Allergikerserum ein individuelles IgE Bindungsmuster zeigte. Zusammengefasst wurden fünf sequenzielle Regionen auf allen drei Gly m 5 Untereinheiten identifiziert, welche die größte IgE Bindungshäufigkeit aufwiesen. Alle fünf Bereiche waren zwischen 12-17 Aminosäuren groß und auf der Moleküloberfläche lokalisiert. Sie bildeten gemeinsam zwei zusammenhängende Bereiche in der Kernregion der Gly m 5 Moleküle und lassen vermuten, dass sie Teile von Konformationsepitopen darstellen. Zur Untersuchung einer möglicherweise vorhandenen serologischen Kreuzreaktivität zwischen den zwei Leguminosen Soja und Erdnuss, wurden sowohl Sojaallergiker mit Erdnussallergie als auch Erdnussallergiker ohne Sojaallergie auf Reaktivitäten gegen Peptide des Erdnussallergens Ara h 1 untersucht. Dabei wurden drei sequenzielle Bereiche identifiziert, die von der Mehrheit der Sojaallergiker, jedoch nur selten von den Erdnussallergikern erkannt wurden. Diese drei Bereiche wiesen eine Sequenzähnlichkeit zu den reaktivsten Bereichen der Gly m 5 Untereinheiten auf. Die Untersuchung von Allergikerseren auf Aminosäuresequenzebene könnte als diagnostische Methode zur Unterscheidung der klinischen Ausprägung einer Sojaallergie im Vergleich zur Erdnussallergie dienen und somit die Anzahl der risikobehafteten Nahrungsmittelprovokationen zur Bestätigung einer Sojaallergie senken. Die Identifizierung von B-Zell Epitopen ist eine wichtige Grundlage für die Herstellung von Hypoallergenen mit verringerter B-Zell Aktivität, bei gleichbleibender T-Zell-Aktivierung. Solche hypoallergenen Mutanten sind eine hoffnungsvolle Perspektive für eine Immuntherapie von Sojaallergikern, da sie womöglich das Risiko einer allergischen Reaktion während der Behandlung verringern können.
Zwei flavonoidhaltige Pflanzenextrakte, der neuartige Extrakt WS1261, sowie der standardisierte Ginkgo biloba L.-Extrakt EGb761 wurden auf antidepressive Wirkungsmechanismen untersucht, zusätzlich als chemisch definierte Einzelsubstanz das in beiden enthaltene Flavonoid Isorhamnetin. Methodisch wurden hierzu Effekte auf Transporter und Enzyme des Monoaminstoffwechsels, depressionsrelevante Stresshormone neurotrophe Eigenschaften untersucht.
WS1261 hemmte in höheren Konzentrationen in vitro die (Wieder-) Aufnahmetransportmechanismen von NA und 5-HT. Ex vivo war ein Effekt auf die Aufnahme von NA und 5-HT weder nach 1 h, noch 4 h nach Akutbehandlungen zu sehen, sondern erst nach (14-taegiger) subchronischer Behandlung, und dann auch nur Ufer 5-HT zu messen. Nach subchronischer Behandlung konnte eine ebenfalls in vitro festgestellte Hemmung der MAO-A durch WS1261 ebenfalls ex vivo gezeigt werden.
EGb761 hemmte in vitro die Wiederaufnahme von NA, 5-HT und DA. Ex vivo war dieser Effekt weder 1 h, noch 4 h nach einer Akutgabe, allerdings nach 14-taegiger Dauerbehandlung im Bezug auf eine Hemmung der NA-Aufnahme messbar, ohne dass MAO-A oder MAO-B-Aktivitaet beeinflusst wurden.
WS1261 erhoehte nach 14-taegiger Behandlung konzentrationsabhaengig die Plasma-Corticosteronspiegel. WS1261 war in der Lage, die Ausdifferenzierung von PC12-Zellen konzentrationsabhaengig zu fördern, wodurch auf eine Wirkung ähnlich dem neurotrophen Wachstumsfaktor NGF geschlossen werden kann. Die Konzentration des Wachstumsfaktor BDNF wurde in zwei relevanten Hirnregionen durch WS1261 nicht, in einer jedoch durch Isorhamnetin allein erhoeht.
Zusammengefasst ergaben sich Hinweise darauf, dass eine mögliche antidepressive Wirkung von WS1261 durch eine Wirkung auf eine Beeinflussung des Monoaminstoffwechsels, oder die Erhöhung depressionsrelevanter Stresshormonlevel erklärbar sein koennte, insbesondere nach subchronischer Behandlung. Es ergaben sich ausserdem Hinweise auf wachstumsfaktoraehnliche Wirkungsweisen. Eine Wirkung ueber eine Erhšhung zentraler BDNF-Konzentrationen konnte durch die vorliegende Untersuchung im Beobachtungszeitrum nicht festgestellt werden.
Die literaturbekannte kognitionsverbessernde Wirkung des Ginkgo biloba-Extraktes EGb761 koennte erklärbar sein durch eine nach subchronischer Behandlung feststellbare Hemmung des Noradrenalintransporters NET, da im frontalen Cortex vor allem ueber diesen die synaptische Elimination des hier mit Aufmerksamkeit und Lernprozessen im Zusammenhang stehenden Neurotransmitters Dopamin erfolgt.
Das in beiden Extrakten enthaltene Flavonoid Isorhamnetin kann hšchstens mit einem Teil dieser festgestellten Effekte in Verbindung stehen, da die Extrakte sich in ihrer Wirkungsweise unterschieden, und Isorhamnetin alleine teilweise andere Effekte zeigte, als die isorhamnetinhaltigen Extrakte WS1261 und EGb761. Dies koennte jedoch auch durch die unterschiedlichen in den Extrakten enthaltenen Mengen erklärbar sein.
Bei anhaltenden Schmerzen wird im Rückenmark zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP) gebildet, welches zur zentralen Sensibilisierung des nozizeptiven Systems beiträgt. In dieser Arbeit wurde untersucht, ob zyklisch Nukleotid-gesteuerte Kanäle (CNG-Kanäle) im nozizeptiven System exprimiert werden und Effektoren der cGMP-vermittelten Schmerz-verarbeitung darstellen könnten. Im Rahmen der Untersuchungen wurden insbesondere die CNG-Kanal-Untereinheiten CNGA3 und CNGB1 als potentielle cGMP-‚Targets‘ in der Schmerzverarbeitung identifiziert. Die Expression von CNGA3 wird infolge einer nozizeptiven Stimulation der Hinterpfote der Maus im Rückenmark und in den Spinalganglien hochreguliert. Mittels In situ-Hybridisierung konnte eine neuronale Lokalisation von CNGA3 in inhibitorischen Interneuronen im Hinterhorn des Rückenmarks detektiert werden, wohingegen CNGA3 in den Spinalganglien nicht-neuronal exprimiert wird. Überraschenderweise wiesen Mäuse mit einem CNGA3-Knockout (CNGA3-/--Mäuse) ein gesteigertes nozizeptives Verhalten in Modellen für inflammatorische Schmerzen auf, während ihr Verhalten in Modellen für akute und neuropathische Schmerzen normal ausfiel. Zudem entwickelten CNGA3-/--Mäuse nach intrathekaler Applikation von cGMP-Analoga oder NO-Donoren eine verstärkte Allodynie. Die CNG-Kanal-Untereinheit CNGB1 wird ebenfalls in Rückenmark und Spinalganglien exprimiert. Im Rückenmark wird die CNGB1-Expression infolge eines nozizeptiven Stimulus der Hinterpfote nicht reguliert, während in den Spinalganglien eine Hochregulation stattfindet. Mit immunhistochemischen Färbungen konnte CNGB1 in Neuronen im Hinterhorn des Rückenmarks, aber auch diffus verteilt in Laminae I bis III des Hinterhorns lokalisiert werden. Auch Mäuse mit einem CNGB1-Knockout (CNGB1-/--Mäuse) zeigten ein gesteigertes nozizeptives Verhalten in einem Modell für inflammatorische Schmerzen und entwickelten außerdem eine verstärkte Allodynie nach i.t. Injektion eines cGMP-Analogons. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass CNGA3 und CNGB1 als ‚Targets‘ des cGMP-vermittelten Signalweges im Rückenmark in inhibitorischer Weise zur zentralen Sensibilisierung während inflammatorischer Schmerzen beitragen. Eine spezifische pharmakologische Aktivierung von CNG-Kanälen im Rückenmark könnte potentiell eine neue Möglichkeit sein, inflammatorische Schmerzen zu hemmen.
Der ischämische Schlaganfall ist ein Ereignis, das zu gravierenden Langzeitschäden im Gehirn führen kann und für das es keine ausreichende Therapie gibt. Der Schlaganfall und seine Folgen sind Hauptursachen für die Behinderung und Pflegebedürftigkeit im Alter. Eine cerebrale Ischämie führt zu pathophysiologischen Veränderungen, wie z.B. einer Störung in der Energieversorgung und einem veränderten Metabolismus im Gehirn. Die hierbei beobachtbaren stark erhöhten Glutamatspiegel ergeben sich u.a. aus der Depolarisation der neuronalen Plasmamembran und der Umkehr des Na+-abhängigen Glutamattransporters. Die massive Freisetzung von Glutamat spielt eine Schlüsselrolle in der Pathophysiologie des Schlaganfalls und ist ein möglicher therapeutischer Angriffspunkt. Im ersten Teil dieser Arbeit wurde die Methode des fokalen cerebralen Schlaganfalls in der Maus etabliert. Hierbei ist u.a. der Nutzen einer Ringerlaktat Gabe nach der Schlaganfallinduktion belegt worden. Anschließend wurde der Einfluss einer cerebralen Ischämie in Bezug auf die Infarktgröße, die motorische Funktion der Tiere und den Energiestoffwechsel des Gehirns untersucht. Das Ausmaß des fokalen cerebralen Schlaganfalls der Maus wurde durch die Auswertung der Infarktfläche 24 Stunden nach einer permanenten oder transienten Okklusion der Arteria cerebri media berechnet. Die daraus folgenden sensomotorischen Defizite der Tiere wurden mit verschiedenen Verhaltenstests bewertet. Eine Verkürzung der Okklusionszeit der Arteria cerebri media führt nicht nur zu einer Reduktion der Infarktfläche, sondern auch zu einem besseren Ergebnis in den neurologischen Tests. Zur Messung des cerebralen Metabolismus ist die Mikrodialysetechnik mit dem Schlaganfallmodell kombiniert worden. Die Analyse der Dialysatproben zeigt, dass durch die Ischämie Glutamat innerhalb von 15-30 Minuten toxische Konzentrationen erreicht, wohingegen die Glukosekonzentration stark abfällt. Im zweiten Teil dieser Arbeit sollte untersucht werden, ob das Infarktvolumen, die Glutamat-induzierte Exzitotoxizität im Gehirn und die motorischen Defizite durch die Gabe von Bilobalid moduliert werden können. Bilobalid ist ein Inhaltsstoff des Ginkgo biloba Extraktes EGb 761 und zeigte bereits in in vitro-Studien ein antiischämisches Potential. Da die Pharmakokinetik von Bilobalid im Gehirn völlig unbekannt war, ist zuerst untersucht worden, ob Bilobalid nach einer intraperitonealen Gabe in ausreichender Konzentration im gesunden und ischämischen Hirngewebe vorliegt. Die Proben wurden über die Mikrodialyse gewonnen. Die Analyse ergab, dass Bilobalid sowohl im gesunden, als auch im ischämischen Gehirn in ausreichender Konzentration (ca. 1 µM) vorliegt, um eine neuroprotektive Wirkung auszuüben. Eine Gabe von Bilobalid nach der Schlaganfallinduktion führt dagegen nur zu einer geringen Konzentration im ischämischen Gewebe (0,08 µM). Die Studie zum Einfluss von Bilobalid (0,3-10 mg/kg) auf das Infarktvolumen zeigt, dass in den Konzentrationen 3 und 10 mg/kg die Schlaganfallfläche im Striatum markant reduziert wird. Für die Dosis 10 mg/kg ist diese Wirkung zusätzlich auch bei einer Applikation erst nach der Schlaganfallinduktion zu sehen. Die Wirkung von Bilobalid auf die metabolischen Veränderungen nach einem Schlaganfall wurde ebenfalls mittels Mikrodialyse untersucht. Die Ischämie bedingten toxischen Glutamatkonzentrationen werden hierbei dosisabhängig durch Bilobalid reduziert, wohingegen die Substanz keinen Einfluss auf die Reduktion der Glukosespiegel zeigt. Abschließend wurde eine Untersuchung zum Verhalten der Bilobalid-behandelten Tiere nach einer permanenten oder transienten Okklusion durchgeführt. Die Bilobalid Tiere wiesen hierbei, besonders im transienten Schlaganfallmodell, eine bessere Motorik und Koordination als unbehandelte Tiere auf. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein fokaler Schlaganfall zu einer massiven Erhöhung der Glutamatkonzentration im Gehirn führt und die Tiere eine starke Beeinträchtigung in der Motorik und Koordination haben. Bilobalid reduziert in vivo dosisabhängig das Ausmaß eines Schlaganfalls und senkt die daraus resultierenden toxischen Glutamatkonzentrationen. Gleichzeitig zeigen die mit Bilobalid-behandelten gegenüber den unbehandelten Tieren eine Verbesserung in den neurologischen Tests. Sowohl eine Anreicherung der Substanz in einem Ginkgo biloba Extrakt, als auch die Einnahme der Reinsubstanz könnte positive Auswirkungen auf einen humanen Schlaganfall haben.
Die N- und O-Glykosylierung von Proteinen ist gekennzeichnet durch eine hohe strukturelle und funktionelle Komplexität. Da verschiedene Glykanstrukturen und Glykosylierungsstellen selbst innerhalb eines Proteins unterschiedliche Aufgaben erfüllen können, ist sowohl für die Grundlagenforschung als auch für die Pharma-Industrie eine stellenspezifische Analytik zur Aufklärung der biologischen Bedeutung und bei therapeutischen Proteinen zur Gewährleistung von Sicherheit und gleichbleibenden pharmakologischen Eigenschaften essentiell. Die niedrige Abundanz sowie die hohe Komplexität durch die variablen Glykanzusammensetzungen und Verzweigungsmöglichkeiten sowie der daraus resultierende Mikroheterogenität an jeder einzelnen Stelle stellt jedoch eine besondere Herausforderung an die Analytik dar. In dieser Arbeit wurden deshalb auf verschiedenen Ebenen der Probenvorbereitung, der chromatographischen Separation sowie der MS-Analyse- Methoden und Techniken entwickelt und charakterisiert, um die stellenspezifische Analytik der Proteinglykosylierung zu vereinfachen.
In einem ersten Schritt wurde die hohe Komplexität eines Glykoproteinverdaus reduziert. Es wurden verschiedene Methoden zur Glykopeptidanreicherung miteinander verglichen, wobei sich die HILIC-Festphasenextraktion unter optimierten Bedingungen durch eine sehr hohe Selektivität und Effizienz auszeichnete. Zur Methodenoptimierung wurden verschiedene HILIC-Materialien (Silika, Amino, Mikrokristalline Cellulose, TSKgel Amide-80 und ZIC®-HILIC) eingesetzt und durch eine Variation der Anreicherungsbedingungen die Hauptretentionsmechanismen für jedes Material beschrieben. TSKgel Amide-80 sowie ZIC®-HILIC sind am besten geeignet, da unter optimierten Bedingungen sekundäre Retentionsmechanismen wie elektrostatische Wechselwirkungen deutlich reduziert werden und die hydrophile Verteilung den Hauptretentionsmechanismus darstellt. Des Weiteren wurde gezeigt, dass Parameter wie die Pufferzusammensetzung, Inkubationszeiten und die Volumenverhältnisse zwischen HILIC-Suspension, Binde-, Wasch- und Elutionspuffer entscheidend die Reproduzierbarkeit, Ausbeute und Selektivität beeinflussen. Unter Berücksichtigung dieser Beobachtungen wurde ein Protokoll entwickelt, mit welchem Glykopeptide selektiv und quantitativ, d.h. ohne Präferenz für bestimmte Glykanstrukturen, aus komplexen Proben angereichert werden können. In Kombination mit Titandioxid zur selektiven Anreicherung sialylierter Glykopeptide bei bestimmten Fragestellungen ermöglichten in dieser Arbeit beide Methoden eine detaillierte Charakterisierung sowohl von N- als auch von O-Glykopeptiden. Die Hydrazinchemie erwies sich aufgrund eines zu komplexen Arbeitsschemas und einer unzureichenden Wiederfindung als nicht geeignet.
Da je nach Aminosäuresequenz oft mit einer einzigen Protease (z.B. Trypsin) nicht alle Glykosylierungsstellen aufgrund ihrer Eigenschaften (z.B. Größe, Hydrophobizität) für die Anreicherung und LC-MS-Analyse zugänglich sind, kamen in dieser Arbeit weitere Proteasen zum Einsatz. Durch eine sequentielle Kombination von Trypsin mit Endoproteinase Glu-C bzw. Trypsin mit Chymotrypsin konnten in allen Proteinen sämtliche N-Glykosylierungsstellen nach einer Anreicherung identifiziert werden. Bei der Analyse von O-Glykopeptiden verbesserte zusätzlich die N-Deglykosylierung des intakten Proteins und die Abtrennung der freien N-Glykane mittels Ultrafiltration vor der Anreicherung die Analytik. Neben den bereits für die N-Glykopeptide beschriebenen Enzymkombinationen wurde außerdem Proteinase K eingesetzt, um die O-Glykopeptide z.B. von Fetuin effizient anzureichern und mittels LC-ESI-MS2/MS3 zu charakterisieren. Dies war mit einem Trypsinverdau alleine nicht möglich.
Die Komplexität nach einer Glykopeptidanreicherung ist jedoch aufgrund unterschiedlicher Glykanstrukturen und Glykosylierungsstellen immer noch so hoch, dass bei 1-dimensionalen HPLC-Läufen Koelution von Glykopeptiden zu einer unzureichenden Detektion niedrig-abundanter Formen führen kann. Aus diesem Grund wurden die komplementäre HPLC-Phasen RP18 und ZIC®-HILIC eingesetzt, um sich chromatographisch die differenzierenden Eigenschaften von Peptidgerüst und Glykanrest zunutze zu machen. ZIC®-HILIC ermöglicht die Auftrennung überwiegend nach der Glykanstruktur und RP18e nach Peptidsequenz und Anzahl an Sialinsäuren. Durch die Kombination beider Phasen in 1- und 2-dimensionalen HPLC-Konfigurationen konnten deutlich mehr unterschiedliche Glykoformen nachgewiesen und die Detektion niedrig-abundanter Glykopeptide ermöglicht werden, die bei der Verwendung von nur einer stationären Phase nicht identifiziert werden konnten.
Zusammen mit einer komplementären MS-Analytik, die sowohl ESI als auch MALDI sowie unterschiedliche Fragmentierungstechniken wie CID, ETD, PSD oder CID-MS2/MS3 umfasste, konnten N- und O-Glykopeptide stellenspezifisch und vollständig sowohl mit ihrem Peptid- als auch mit ihrem Glykananteil charakterisiert werden.
Für bestimmte quantitative Fragestellungen wurden außerdem die beschriebenen Anreicherungsmethoden mit dem zur Quantifizierung eingesetzten N-Glycan Mapping kombiniert und ein Arbeitschema entwickelt, mit welchem bei einem mehrfach glykosylierten Protein die Verhältnisse der unterschiedlichen Glykanstrukturen an den einzelnen Glykosylierungsstellen getrennt voneinander quantifiziert werden können.
Mit jeder einzelnen, in dieser Arbeit beschriebenen Methode wird ein beträchtlicher Informationsgewinn erzielt, doch erst durch die Kombination einer effizienten Probenvorbereitung, einer komplementären HPLC-Separation, verschiedener MS/MS-Techniken und Methoden zur Quantifizierung kann die Glykosylierung eines komplexen Proteins stellenspezifisch und detailliert beschrieben werden.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden Epoxyeicosatriensäuren (EETs) hinsichtlich ihrer Beteiligung an der Verarbeitung nozizeptiver Information untersucht. Im ersten Teil der Arbeit lag der Fokus auf der löslichen Epoxidhydrolase (sEH) und der drei von ihr metabolisierten EETs, 8,9-, 11,12-, und 14,15-EET. Dabei stellte sich heraus, dass sEH-defiziente Mäuse eine verlängerte mechanische Hyperalgesie bei zymosan-induziertem pathophysiologischen Nozizeptorschmerz aufwiesen. Anhand von Lipidmessungen mittels LC-MS/MS konnte gezeigt werden, dass zum Zeitpunkt des stärksten Schmerzempfindens (48 Stunden nach Zymosan-Injektion) vorwiegend 8,9-EET in den Dorsalwurzelganglien der sEH-defizienten Mäuse akkumuliert. Zudem wurde anhand von Calcium-Imaging-Versuchen gezeigt, dass 8,9-EET Calcium-Einströme in primär afferenten Neuronen von Wildtyp-Mäusen hervorruft, und eine Stimulation von Ischiasnerven mit 8,9-EET zu erhöhter Freisetzung des pronozizeptiven Peptids CGRP führt. Schließlich konnte gezeigt werden, dass Wildtyp-Mäuse nach intraplantarer 8,9-EET-Injektion eine geringere mechanische Schmerzschwelle aufweisen. Die Resultate dieses Teils der Arbeit weisen darauf hin, dass die lösliche Epoxidhydrolase (sEH) eine wichtige Rolle in der späten Phase des pathophy-siologischen Nozizeptorschmerzes spielt, indem sie 8,9-EET zu seinem bioinaktiven Metaboliten 8,9-DHET umsetzt. Im zweiten Teil der Arbeit wurde 5,6-EET gesondert untersucht, da es nicht durch sEH metabolisiert wird. Dabei wurde beobachtet, dass 5,6-EET bei akutem Schmerz in DRGs freigesetzt wird. In Calcium-Imaging-Versuchen mit DRG-Neuronen aus Wildtyp- TRPV4- und TRPA1-defizienten Mäusen sowie transfizierten Zelllinien zeigte sich, dass schon geringe Konzentrationen an 5,6-EET den TRPA1- (transient receptor potetntial ankyrin 1-) Kanal aktivieren (EC50 193 nM) und den TRPV1-Kanal sensibilisieren können. Auch die CGRP-Freisetzung am Ischiasnerv ist nach 5,6-EET-Stimulation signifikant erhöht. Zudem konnte beobachtet werden dass eine periphere Injektion von 5,6-EET zu akuter mechanischer Hyperalgesie in Wildtyp-, aber nicht in TRPA1-defizienten Mäusen führt. Die Resultate dieses Teils der Arbeit weisen 5,6-EET als bisher potentesten endogenen TRPA1-Aktivator aus, und implizieren eine wichtige Rolle dieses Lipids beim Übergang von physiologischem zu pathophysiologischem Nozizeptorschmerz und zu neruogener Inflammation. Darüber hinaus leisten die Resultate einen Beitrag zum grundlegenden Verständnis endogener TRP-Kanal-Aktivatoren bei der Schmerzwahrnehmung.
Taspase1 ist eine Threonin-Aspartase, die das MLL-Protein an zwei konservierten Erkennungssequenzen (CS1 und CS2) hydrolysiert. Die daraus entstehenden Spaltprodukte, p320N und p180C bilden ein stabiles Heterodimer und fügen sich mit zahlreichen Proteinen zu einem Multiproteinkomplex zusammen, der die epigenetischen Prozesse während der Embryogenese, Zellzyklus und Stammzell-Wachstum steuert. Der MLL-Komplex weist eine spezifische Histon-Methyltransferase-Aktivität für Lysin-4 des Histon 3 Proteins auf (H3K4me3). Diese spezifische Aktivität hält ein Muster der aktiven Gene während der Entwicklung und Zelldifferenzierung aufrecht. Das AF4-MLL Fusionsprotein, welches durch die chromosomale Translokation t(4;11) gebildet wird, ist ebenfalls ein Substrat von Taspase1. Die Hydrolyse dieses Fusionsproteins führt ebenfalls zu Spaltprodukten, die zunächst miteinander ein Heterodimer bilden, um anschliessend einen onkogenen Multiproteinkomplex auszubilden. Dieser Komplex scheint hämatopoietische Stammzellen zu "reprogrammieren" und den Ausbruch einer lymphoblastischen Leukämie auszulösen.
Die Aktivität der Taspase1 selbst wird durch Eigen-Proteolyse reguliert. Es wird zunächst als Proenzym (p50) hergestellt, das anschliessend durch Autoproteolyse in die enzymatisch aktive Form konvertiert wird. Taspase1 ist ein enzymatisch strikt kontrolliertes Enzym mit geringer Substratanzahl. Neben MLL gibt es nur wenige, bekannte Substrate; allerdings scheint Taspase1 in den Zellen solider Tumoren überexprimiert zu sein. Daraus kann postuliert werden, dass Taspase1/MLL-Aktivität für diese Tumorarten von bedeutung ist. Taspase1 ist die einzige bislang bekannte Protease in Säugerzellen, die dazu befähigt ist, das Leukämie-spezifische AF4-MLL proteolytisch zu spalten und damit seine onkogenen Eigenschaften zu aktivieren. Eine spezifische Inhibierung der Taspase1 könnte deshalb eine mögliche Methode zur Therapie von t(4;11)-Leukämie darstellen. Aus diesem Grund war Taspase1 als ein potentielles Wirkstoffziel interessant und wurde im Rahmen dieser Arbeit genauer untersucht.
Um die Funktionsweise von Taspase1 zu untersuchen, wurde die 2005 veröffentlichte Kristallstruktur der Taspase1 als Grundlage für alle weiteren Arbeiten verwendet. Da die Struktur allerdings nur unvollständig aufgelöst war, wurden die unaufgelösten Bereiche mittels bioinformatischer Tools in Kooperation mit Tim Geppert (Arbeitskreis von Prof. Dr. Gisbert Schneider) modelliert. Die Modellierung führte zu einem detaillierteren Modell des Taspase1-Proenzyms, also dem Zustand vor der autokatalytischen Aktivierung.
Taspase1 weist interessanterweise nur Homologien zu L-Asparaginasen-2 (Familie der Hydrolasen), darunter Glycosylasparaginase, auf. Glycosylasparaginase durchläuft ebenfalls einen Autokatalyse-Prozess, allerdings nach einem N-O-Acyl-shift-Mechanismus. Daher wurde Taspase1 zunächst anhand geeigneter Experimente daraufhin überprüft, ob hier ebenso ein solcher Mechanismus für die Autokatalyse in Betracht kommt. Allerdings widerlegten die durchgeführten Experimente diese Vermutung.
Um die molekulare Funktionsweise der Taspase1 zu eruieren, wurde nun das modellierte Taspase1-Proenzym verwendet. Dies erlaubte die Identifizierung von kritischen Aminosäuren. Durch Mutationsanalysen konnte so die Funktion von Taspase1 aufgeklärt werden. So wurde ein intrinsischer Serin-Protease-Mechanismus für den Prozess der Autokatalyse entdeckt. Dabei spielt Serin-291 - unmittelbar in der Nähe des katalytischen Zentrums - eine wesentliche Rolle.
Anhand weiterer Mutationsanalysen konnte dann schrittweise der Aktivierungsmechanismus von Taspase1 aufgeklärt werden. Dabei scheint die Homodimerisierung zweier Taspase1- Proenzyme der wesentliche Schlüssel für die vollständige Aktivierung der Taspase1 zu sein. Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Aminosäuren Tryptophan-173, Arginin-262, und Glutaminsäure-295 als kritische Aminosäuren identifiziert.
Weiterhin konnte anhand der funktionellen Analyse aller Mutanten zuletzt eine trans-dominant-negative Taspase1-Variante (C163E-S291A; tdn-TASP1) hergestellt werden. Das proenzymatische Monomer dieser Mutante ist dabei befähigt, mit einem Wildtyp-Taspase1-Monomer zu heterodimerisieren und seine Aktivität vollständig zu inhibieren. Die Funktion dieser trans-dominant-negativen Mutante validierte den in dieser Arbeit postulierten Aktivierungsmechanismus der Taspase1, der nun zukünftig für ein rationales Wirkstoff-Design verwendet werden kann.
Einleitung: Um die empfindlichen Nervenzellen des Gehirns vor den Einflüssen schädigender Substanzen im systemisch zirkulierenden Blut zu schützen, besitzen höhere Lebewesen einen Barrieremechanismus, der das zentrale Nervensystem (ZNS) nach außen hin abriegelt. Diese Blut-Hirn-Schranke (BHS) wird durch die Gefäßendothelzellen im Gehirn gebildet, die über eine Kombination mehrerer Mechanismen Substanzen vom Eindringen in das Gehirngewebe abhalten. Zum einen stellt die Existenz dieser Barriere einen lebensnotwendigen Schutz dar, zum anderen jedoch bedeutet sie eine große Hürde in der Pharmakotherapie von Erkrankungen des zentralen Nervensystems, da nur wenige Arzneimittel in der Lage sind sie zu überwinden. Eine gute Gehirngängigkeit besitzen in der Regel kleine Moleküle mit einer hohen Lipophilie oder solche, die aktiv über Transporter oder Rezeptoren in das ZNS aufgenommen werden. Alle anderen Substanzen, wie effektiv sie auch im restlichen Körper sein mögen, stehen für die Therapie zerebraler Krankheiten wie z.B. Epilepsie, Alzheimer, Gehirntumore oder ZNS-HIV unter normalen Umständen nicht zur Verfügung. Das Gebiet der kolloidalen Trägersysteme bietet eine Lösung für dieses Problem. Durch den Einsatz von Liposomen oder Nanopartikeln als „Carrier“ können verschiedene Arzneistoffe aktiv in das Gehirn transportiert warden, um dort ihre Wirkung zu entfalten. Des Weiteren führt ein solches „Drug targeting“ nicht nur zu einer Überwindung der BHS sondern gleichzeitig zu einer vermehrten Anreicherung des Arzneistoffs im ZNS und dadurch zu geringeren Nebenwirkungen im restlichen Organismus. Durch die erhöhte Selektivität für das ZNS können kleinere und somit für den Körper verträglichere Dosen des Arzneistoffs eingesetzt werden. In der Vergangenheit konnte gezeigt werden, dass unter anderem Nanopartikel aus humanem Serumalbumin, welche mit Polysorbat 80 überzogen waren oder deren Oberfläche mit Apolipoproteinen modifiziert wurde, Arzneistoffe, die üblicherweise nicht in der Lage sind die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden, zentral zur Wirkung brachten. Der genaue Mechanismus, durch den diese Arzneistoffe mithilfe der Trägersysteme ins Gehirn gelangen,war bisher weitgehend ungeklärt. Ein Eindringen des arzneistoffbeladenen Nanopartikels als Ganzes in das Gehirn sowie die Einleitung 2 Vermittlung des Arzneistoff-Transportes durch das Partikel am Endothel oder gar eine unselektive Zerstörung der Barrierefunktion wurden diskutiert. Im Rahmen dieser Arbeit wurden mit Apolipoproteinen modifizierte Partikel aus humanem Serumalbumin hergestellt und hinsichtlich ihrer Größe, der Größenverteilung, des Partikelgehaltes, der Oberflächenladung und ihres morphologischen Erscheinungsbildes charakterisiert. Anschließend wurde die Interaktion dieser kolloidalen Trägersysteme mit isolierten Endothelzellen des Nagergehirns mittels verschiedener Analytiken untersucht. Gleichzeitig wurden in umfangreichen Untersuchungen an Mäusen und Ratten die Geschehnisse in vivo beleuchtet und mit Hilfe eines bildgebenden Verfahrens, der Elektronenmikroskopie, dargestellt. Des Weiteren wurde der Effekt einer nanopartikulären Applikation auf die Integrität der Barrierefunktion der BHS untersucht, wodurch eine schädliche Wirkung der Partikel ausgeschlossen und die der Aufnahme in das ZNS zugrunde liegenden Transportmechanismen aufgeklärt werden konnten.
In dieser Arbeit sollten auf Grundlage eines in vitro Transkriptions-/Translations-Assays (TTA) neue Substanzen als Hemmer der bakteriellen Proteinbiosynthese gefunden werden. Um dieses Ziel verfolgen zu können, wurde zuerst ein zellfreies Testsystem aus kommerziellen Komponenten entwickelt und als Screening-Tool für Inhibitoren der bakteriellen Proteinbiosynthese evaluiert. Anhand des allgemein akzeptierten Bewertungskriteriums Z‘-Faktor konnte die Performance des etablierten Assays als exzellent eingeordnet werden. Mit diesem System war es nun möglich, Substanzen aus unterschiedlichen Quellen bei der Wirkstoffsuche als potentielle Antibiotika einzuordnen, welche die Proteinbiosynthese hemmen.
In zwei nachfolgenden Projekten wurde die Praktikabilität dieses neuen Assays bei der Auffindung möglicher Antibiotika-Kandidaten bewiesen. In dem ersten Ansatz wurde ein virtuelles Screening der Substanzdatenbanken Specs und Asinex anhand eines Pseudorezeptormodells für Aminoglykoside durchgeführt. In Kombination mit dem TTA sowie einem Ganzzell-Assay gegen den gram-positiven Keim Bacillus subtilis 168 konnte eine Struktur mit Ähnlichkeit zu Vanilloiden als interessanter Ausgangspunkt für weitergehende Untersuchungen identifiziert werden. Die Entdeckung korreliert mit den antimikrobiellen Eigenschaften eines anderen Vanilloid, dem Capsaicin, für welches bisher aber keine Hemmung der Proteinbiosynthese in der Literatur beschrieben ist. Somit konnte gezeigt werden, dass anhand eines virtuellen Screenings sowie weiterer Assays neue Hemmer der bakteriellen Proteinbiosynthese effizient und effektiv gefunden werden können. In einem zweiten Screening-Projekt dienten pflanzliche Naturstoffe als Substanzquelle. Hierfür wurden auf der Grundlage der diterpenoiden Fusidinsäure, einem Proteinbiosynthesehemmer (PBS-Hemmer), tetra-und pentazyklische Isoprenoide ausgewählt.
Aus einem Ensemble von terpenoiden Strukturen gingen nach TTA und einem zellbasierten Assay gegen Bacillus subtilis 168 in absteigender Aktivität die 18β-Glycyrrhetinsäure, 11-Keto-β-boswelliaäsure und Carnosolsäure als nennenswerte antimikrobiell wirksame Vertreter und PBS-Hemmer hervor. Auch zeigten sich diese Substanzen den Stoffen aus dem virtuellen Screening sowohl im TTA als auch in der Wirksamkeit gegen Bacillus subtilis 168 deutlich überlegen. Im nächsten Schritt erfolgte deshalb nur für diese drei Terpenoide eine Charakterisierung ihrer Auswirkungen auf das Proteom des gram-positiven Bakteriums Bacillus subtilis 168.
Dafür wurde eine komplette zweidimensionale gelelektrophoretische Methodik basierend auf der Differentiellen Gelelektrophorese (DIGE) etabliert. Sie umfasst eine Strategie zur schnellen Evaluierung der optimalen Anzucht des Testkeims Bacillus subtilis 168 unter Einfluss einer antimikrobiell wirksamen Substanz und ein einfaches Aufschlussverfahren, um einen kompatiblen Proteinextrakt für DIGE zu erhalten. Außerdem wurde ein preisgünstiges Markierungsverfahren mit dem 5(6)-Carboxyfluorescein-N-hydroxysuccinimid-Ester als Alternative zu den teuren DIGE-Cyan-Farbstoffen entwickelt, um die Fluoreszenzbildqualität eines neuen unbekannten Extraktes vor dem eigentlichen kostspieligen DIGE-Versuch zu überprüfen. Eine Quantifizierung regulierter Spots im Gel ist mit diesem billigen Verfahren ebenfalls möglich, stellt aber keinen Ersatz für den DIGE-Versuch dar.
Die Ergebnisse der quantitativ vergleichenden Proteomanalyse vom behandelten und unbehandelten Bacillus subtilis 168 mittels DIGE bieten erstmals einen Einblick in die Einflussnahme der drei Terpenoide 18β-Glycyrrhetinsäure, 11-Keto-ß-boswelliaäsure und Carnosolsäure auf die Stressregulation und die Stoffwechseländerungen dieses Bakteriums.
Außerdem beinhaltet die Arbeit einen Abgleich, inwieweit andere antimikrobiell wirksame Substanzen die regulierten Proteine der drei untersuchten Naturstoffe bei Bacillus subtilis 168 beeinflussen können. Aus den erhobenen Daten konnte dann ein Wirkmechanismus für 18β-Glycyrrhetinsäure und Carnosolsäure postuliert werden. 18β-Glycyrrhetinsäure greift wahrscheinlich am membranständigen Lipid-II-System der bakteriellen Zellwand an, da wie bei den Antibiotika Vancomycin, Nisin, Daptomycin, Ramoplanin und Bacitracin das Zellwandstress-Regulationsnetzwerk (LiaRS-System) als Warnsystem aktiviert wird. Außerdem konnte für 18β-Glycyrrhetinsäure und Carnosolsäure eine Theorie für Ihre PBS-Hemmung entwickelt werden. Beide beeinflussen gegebenenfalls die GTPase-Aktivität des Translationsfaktors EF-G durch Interaktion mit dem ribosomalen Bindezentrum für Translationsfaktoren. Dieses Bindungszentrum ist neben der dekodierenden Region auf der ribosomalen 30S-Untereinheit und dem Peptidyltransferase-Zentrum auf der ribosomalen 50S-Untereinheit eine extrem wichtige Region für die Funktionalität eines Ribosoms. Fusidinsäure greift auch an dieser Stelle an, indem es den EF-G-GDP-Ribosomkomplex stabilisiert. Natürlich wären weitere Studien nötig, z. B. eine Röntgenstrukturanalyse der Ribosomen von 18β-Glycyrrhetinsäure und Carnosolsäure behandelten Bakterien, um die Bindestelle für die PBS-Hemmung zweifelsfrei zu bestätigen.