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Innerhalb der deutschen Kultur haben Juden [...] schon seit dem Mittelalter und in zunehmendem Maße seit der Aufklärung eine so wichtige Rolle gespielt, daß sich das Thema inzwischen in der Germanistik als Teilbereich etablieren konnte. Für die deutsche Literaturwissenschaft steht dabei das weitere Ziel im Hintergrund, die jüdische Kultur nach der Vernichtung des europäischen Judentums durch den Nationalsozialismus vor dem Vergessen zu bewahren. Es geht also um literarhistorische Fragen, aber zugleich auch um das Verhältnis zwischen sozialen Gruppen, zwischen Mehrheiten und Minderheiten, und um die deutsche Geschichte. Im folgenden stelle ich einen bestimmten Aspekt dieser Geschichte dar, nämlich das Verhältnis der emanzipierten Westjuden zu den Ostjuden, die v.a. in Polen und Rußland, aber auch in anderen osteuropäischen Ländern lebten. Aus den unterschiedlichen Reaktionen der "Krawattenjuden" im Westen auf die Erfahrung des wachsenden Antisemitismus seit etwa 1870 ergeben sich verschiedene Einstellungen zum Ostjudentum, die sich auch in den literarischen Werken der deutsch-jüdischen Schriftsteller während der Weimarer Republik niederschlagen. Zunächst skizziere ich die Lebensweise der Ostjuden, anschließend die verschiedenen Reaktionen der Westjuden auf den Antisemitismus, und zuletzt stelle ich die Positionen von zwei sehr gegensätzlichen Schriftstellern der Weimarer Republik dar, von Jakob Wassermann und Alfred Döblin.
Der deutsch-jüdische Autor Jakob Wassermann (1873-1934) gehört zu den meistgelesenen und produktivsten Schriftstellern seiner Zeit. In seinem literarischen Schaffen sind autobiografische Züge und Themen über die Juden sowie das Judentum vorzufinden. Ziel dieses Beitrages soll es sein, die Bilder der Judenfeindschaft in seinen ausgewählten Werken, darunter "Christian Wahnschaffe", "Der Moloch", "Der Fall Maurizius", "Das Vorspiel: Sabbatai Zewi", "Die Juden von Zirndorf" und "Die Geschichte der jungen Renate Fuchs", zu analysieren und zu zeigen, wie sehr die realhistorischen Gegebenheiten der stereotypen Topoi in der deutsch-jüdischen Literatur des 20. Jahrhunderts dargestellt werden. Das Konzept des "Übermenschen" im Sinne von Nietzsche sticht dann als der Ausweg für den Autor hervor, so dass die Auseinandersetzung mit dem "Anderen" ermöglicht und seine Leserschaft bezüglich der voreingestellten Feindschaft sensibilisiert werden kann. Dadurch kann die Möglichkeit eines Abbaus von Stereotypen durch Liebe und Gerechtigkeit erreicht werden, in dem sich die Menschen nämlich zur "Höherentwicklung" und der Hinwendung zum innersten Selbst bereit erklären.