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Man gelangt zu interessanten Ergebnissen, wenn man folgende Verse von Ludovico Ariosto genauer untersucht, die gleich zu Beginn des Werkes, fast als Auftakt des Romans, zitiert werden: "Oh quante sono incantatrici, oh quanti / incantator tra noi che non si sanno." Diese Verse stammen aus dem VIII. Gesang des Ritterepos "Orlando furioso", der besonders wichtig ist, da gerade hier der Held zum ersten Male vorgestellt wird. Eine weitere symbolische Bedeutung ist in diesem Gesang ebenfalls zu erkennen, denn gerade hier läßt der zitierte Zauber die Liebenden "la lor prima forma", d.h. ihr urprüngliches, wahres Antlitz zurückgewinnen. Berücksichtigt man auch die Tatsache, daß der Held bei seinem ersten Auftreten schon im Aufbruch begriffen ist, so kann behauptet werden, daß bereits an dieser Stelle das Thema der Bildungsreise eingeführt wird, die sich allmählich in Selbstsuche verwandeln wird. Parallelen zum "Andreas" beginnen somit schon ansatzweise sichtbar zu werden. Gerade bei seinem ersten Auftritt hat der Aufbruch des Helden Orlando nichts Zufälliges an sich, sondern weist schon auf die immanente Struktur des Werkes hin, wo jede einzelne Gestalt im Begriff ist, sich fortzubewegen, um vor jemandem zu fliehen oder um jemandem zu begegnen. Eine unaufhörliche Bewegung der Trennung und Vereinigung durchzieht das ganze Werk.
Jede Episode wird durch eine weitere aufgehoben; auf diese Weise erhält man den Eindruck einer unaufhaltsamen Mobilität, und während sich die ganze Darstellung ins Endlose ausweitet, weisen die einzelnen Geschehnisse einen fragmentarischen Charakter auf.
Ariosto selbst hat sein Werk nie als abgeschlossen betrachtet und daran immer wieder, bis zu seinem Tode - im Jahre 1533 - gearbeitet.
Obwohl Fragment geblieben, steht der "Andreas" im Zentrum von Hofmannsthals Schaffen. Um die Bedeutung und den fragmentarischen Status des "Andreas" zu erklären, ist ein Blick auf seine Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte unerläßlich.
Hofmannsthal arbeitete an seinem Romanprojekt "Andreas" zwischen 1907 und 1927. Circa 500 Manuskriptseiten umfaßt der "Andreas" im Nachlaß Hofmannsthals. Davon entfallen annähernd 100 Seiten auf den relativ geschlossenen Hauptentwurf von 1912/13, - er wurde postum, im Jahre 1930, unter dem Titel "Andreas oder die Vereinigten" erstmals veröffentlicht - der Rest verteilt sich auf insgesamt knapp 400 Entwürfe, Skizzen, Notizen und Exzerpte.