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Im Folgenden soll exemplarisch aufgezeigt werden, wie die begriffsgeschichtlich entscheidende Koppelung von Evolution und Fortschritt im Neoevolutionismus zunächst explizit verteidigt (und reformuliert) und später aufgekündigt wird und zerbricht. Es soll also einer Transformation der Geschichtssemantik 'innerhalb' des Neoevolutionismus nachgegangen werden, das heißt im Wesentlichen den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen dem ethnologischen Neoevolutionismus Whites, der den Fortschrittsbegriff wissenschaftlich retten und objektivieren will, und der Neukonfiguration des Neoevolutionismus, in der eine gleichsam evolutionistische Axiomatik zur Zurückweisung des Fortschrittsbegriffs führt, die sich vor allem bei Steward und in jüngster Zeit bei Diamond findet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Deutungsmuster geschichtlicher Entwicklung von Kulturen und Gesellschaften, das der Neoevolutionismus anbietet, nicht nur in diachroner Dimension neuen Voraussetzungen angepasst wird (immerhin liegen zwischen der Formung des Neoevolutionismus bei White und Steward und dessen Aktualisierung und Popularisierung bei Diamond mehrere Dekaden), sondern auch aus dem wissenschaftlichen Spezialdiskurs in den Bereich der Populärwissenschaft übertragen wird. Begriffsgeschichtlich interessant ist hierbei also, dass sowohl die Grenze zwischen den 'Zwei Kulturen' in der Wissenschaft (und auch die interdiskursiv lange tradierte zwischen Natur und Kultur als zwei klar unterschiedenen Sphären), als auch diejenige zwischen verschiedenen Kommunikationsbereichen berührt wird. Dazu soll die Verteidigung des Fortschrittsbegriffs bei White genauer vorgestellt werden, bei der der Begriff notwendiger Bestandteil des Evolutionismus ist, um vor diesem Hintergrund die Aufkündigung der Koppelung von Evolution und Fortschritt bei Steward und im populären Evolutionismus zu skizzieren.
Um Verkehrungen zwischen Natur und Gesellschaft plastisch auf den Punkt zu bringen, paraphrasiert Karl Marx im Fetischkapitels des Kapitals einen Vers aus Shakespeares 'Viel Lärm um nichts' (3. Aufzug,3. Szene): "Ein gut aussehender Mann zu sein, ist eine Gabe der Umstände, aber lesen und schreiben zu können, kommt von Natur." Konnte Marx für das Publikum des 19. Jahrhunderts, auch indem er Shakespeares 'fortune' durch das zeitgenössisch eher sozial konnotierte 'Umstände' und 'Physiognomie' durch 'Aussehen' übersetzte, die Evidenz der Differenz von Natürlichem und Gesellschaftlichem noch sicher als rhetorische Schlusspointe für die Verkehrung der dinglich-natürlichen Gebrauchswerte und der gesellschaftlichen Tauschwerte einsetzen, so haben solche Unterscheidungen, vielleicht nicht zuletzt gerade auch aufgrund der von ihm selbst beschriebenen Vergesellschaftungsprozesse ihre unmittelbare Evidenz verloren. Denn wie manche Kognitionswissenschaftler und Linguisten heute die Sprachentwicklung am liebsten durch bildliche Darstellung aktivierter Hirnareale 'biologisch-hirnphysiologisch' fassen, so ist umgekehrt das natürliche physiognomisch Aussehen längst zu einem 'kulturell' konstruierbarem Artefakt geworden. Die vorliegende, aus einer Kooperation zwischen der von Clemens Knobloch geleiteten Siegener Forschergruppe 'Die Kulturkritik des Neoevolutionismus' und Mitarbeitern des 'Zentrums für Literatur- und Kulturforschung' (Berlin) entstandene Ausgabe des e-Journals wendet sich solchen semantischen Verschiebungen zu, wobei zudem der primäre Oppositionsbegriff zu Natur heute nicht Gesellschaft, sondern Kultur ist. Die interdisziplinären Begriffsgeschichten behandeln dabei Begriffe wie 'Kultur' und 'Natur', 'Evolution' und 'Geschichte'‚ 'Fortschritt' sowie 'survival of the fittest'.