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Der Aufsatz von Manuele Gragnolati und Christoph F. E. Holzhey "Aktive Passivität?" über Pier Pasolinis Theaterstück und seinen gleichnamigen Film "Schweinestall" (Italien 1969) setzt an der Auseinandersetzung von Julian, dem Protagonisten mit dem ihm im Traum erscheinenden Spinoza an. In dem Gespräch mit Julian, das im Film nicht vorkommt, diesem jedoch zugrunde liegt, tritt Spinoza zunächst als eben jener rationalistische Philosoph auf, der für den bürgerlichen Rationalismus verantwortlich ist. In ihrer Lektüre zeigen Gragnolati und Holzhey, dass Pasolinis Auslegung von Spinozas Philosophie schließlich darin mündet, dass sie Julian ermutigt, sich seinen Affekten hinzugeben, die ihn zu den Schweinen ziehen, um sich von ihnen verschlingen zu lassen. Damit entwickelt Pasolini in seiner subtilen Abschwörung von Spinoza, wie Gragnolati und Holzhey argumentieren, avant la lettre eine queere Kunst des Scheiterns, in der Julian eine mögliche Form des Protestes und der Möglichkeit darstellt, sich der Teilhabe an der Macht zu entziehen.
Die Möglichkeit einer 'Aktiven Passivität' und der Entwicklung einer queeren Kunst des Scheiterns mit Spinoza lotet Christoph F. E. Holzhey in seinem Aufsatz "Paradoxe Lust zwischen Teleologie und Mechanik" entlang der Diskussion systemtheoretischer Probleme weiter aus, die Spinozas "Ethik" mit ihrer Verschränkung von Epistemologie, Ontologie und Ethik aufwirft. Ausgehend von dem bekannten Satz Spinozas, nach dem bisher noch niemand bestimmt habe, was ein Körper vermöge, fragt Holzhey ob dieser Satz, der den Körpern und der Materie eine eigene Aktivität zuschreibe, tatsächlich, wie es in vielen aktuellen Positionen der New Materialismen unterstellt wird, mit einer Überwindung der Newtonschen Physik und deren Mechanik verbunden sei. Seine zentrale Frage zielt auf die neovitalistischen Tendenzen in den aktuellen Auslegungen des Conatusprinzips. Werden, so fragt Holzhey, hier nicht genau jene Probleme behandelt, welche die Thermodynamik und statistische Mechanik am Ende des 19. Jahrhunderts aufwarfen? Statt jedoch zu fragen, wie aus Trägheit Fortschritt wird, untersucht er, wie Fortschritt durch Trägheit denkbar ist. Dazu fokussiert Holzhey die Verbindung von Ethik und Affektlehre und legt das Conatusprinzip konsequent als Trägheitsprinzip aus. Vor diesem Hintergrund zeigt er nicht nur, wie nah sich Spinozas Unterscheidung von Freude und Trauer an Freuds Lust und Unlust bewegt, sondern auch, dass sich die Hierarchisierung der Freude nicht halten lässt, sondern die Affekte allein als paradoxe Lust ihre antiteleologische und antinormative Wirkung entfalten.
Experimentation with forgeries in art and literature as a deliberate renunciation of authenticity and originality was practiced long before postmodern times. The following article shows a network of literary forgers playing around with apocryphal constructs. It monitors a chain reaction from the pioneer Cervantes in his meta-fictional second part of 'Don Quixote' to Jorge Luis Borges' "Pierre Menard" rewriting one chapter of Cervantes' classic and Umberto Eco's postmodern construction of Borges' invented character Bustos Domecq ending up at Pablo Katchadjian's "Aleph gaining weight". Radical appropriation between artistic resource and informal practice contributes to dismantled orthodoxy, subverted values, and attacked conventions. Plagiarism loses its harming effect; instead, authors celebrate different types of forgeries by simulation, bluff, lies, manipulation, or camouflage. Ultimately, by these artistic devices, they shed light on the affinity to processes of fictionalization itself.
Projektemacher
(2016)
Projekte sind Versprechen auf die Zukunft. Wie eine Wette oder komplizierte Finanzprodukte arbeiten sie in einem Modus Operandi, der vorzugsweise dem Noch- Nicht, dem Als-Ob oder dem Könnte-Sein verpflichtet ist. Entworfen, initiiert und angepriesen werden Projekte heutzutage häufig von allgemein als 'Team' bezeichneten Gruppen oder einzelnen Personen, die sich sodann nicht ohne Stolz 'Unternehmer' oder 'Berater', 'Entrepreneur' oder 'Visionär' nennen. Bereits im 17. Jahrhundert war allerdings ein derartiger Typus von planvoller Zukunftsgestaltung bekannt, wobei man hier für die treibende Kraft des Vorhabens den Begriff 'Projektemacher' prägte. Im Folgenden geht es um die Heraufkunft und Entwicklung dieser Figur. Zunächst gilt es jedoch, den Gegenstand ihres Handelns, das Projekt, etwas näher zu beleuchten.
Ähnlich wie in "Beton" (1982), aber auch in früheren Texten, bildet das Scheitern eines Schreibversuchs den Brennpunkt des Romans "Das Kalkwerk" (1970). In beiden Romanen Thomas Bernhards kann man die wiederkehrende Grundkonstellation finden, in der es der Protagonist nicht schafft, das Werk seines Lebens zu verwirklichen. Der Grundgedanke in "Das Kalkwerk" ist bekannt: der Versuch, eine definitive Studie zu verfassen, die der Protagonist seit langer Zeit angeblich fertig und vollständig im Kopf hat, und die Unfähigkeit, ihren ersten Satz niederschreiben zu können. Seit zwanzig Jahren beschäftigt sich Konrad mit einer wissenschaftlichen und "durch und durch philosophischen Studie" mit dem Titel "Das Gehör" (TBW 3, 19), die von ihm die größte, ja fast unmenschliche Energie fordert. Wie häufig bei Bernhard endet eine solche Anstrengung mit einem Fiasko. In der Unfähigkeit und Unmöglichkeit, das vollkommene Werk zu verwirklichen, fängt Konrad seine Studie immer wieder von Neuem an, in einem unaufhörlichen Experiment bis zum definitiven Scheitern: "Obwohl er die Studie fertig im Kopf habe, denke er, er experimentiere immer weiter, um die Studie […] immer noch weiter zu komplettieren, zu vervollkommnen" (ebd., 100).
Es ist aber gerade ein solches 'Perfektionswollen', das die Niederschrift unmöglich macht. Als typischer Anti-Held Bernhards widmet Konrad seine Existenz sowie die seiner verkrüppelten und seit Jahren an den Rollstuhl gefesselten Frau, die paradoxerweise zugleich seine Halbschwester ist, dem Erstreben eines Sinnes, einer ihn "gänzlich ausfüllende[n] Aufgabe" (ebd., 66), die, gerade weil sie sich als 'die' Aufgabe ausgibt, zum Scheitern verurteilt ist. Die Niederschrift dieser wissenschaftlichen Studie wird von Konrad als eine Lebensnotwendigkeit und als existenzielles Bedürfnis erlebt. Wie er selbst gesteht, erfordert die Schrift über "Das Gehör" seine äußerste Aufopferung, sowie auch die seiner Frau (vgl. ebd., 17; Dusini 1986).
Absicht dieser Arbeit ist es, den Begriff vom "Scheitern in Würde" als eine Leitidee im Denken Wolfgang Hildesheimers darzustellen. Der Ausdruck findet sich in auffälliger Weise über das gesamte Werk verstreut, von den frühen Anfängen in den "Lieblosen Legenden" 1952 bis zu seinem letzten Text überhaupt, der "Rede an die Jugend" aus dem Jahre 1991. Über die formelhafte Wiederholung hinaus bildet er eine Grundströmung, die auch dort zu erkennen ist, wo das Wort selbst nicht erwähnt wird. Welches Weltbild liegt dem Ausdruck "Scheitern in Würde" zugrunde? Welche Motive und ethischen Kategorien sind zu bedenken, um ihn zu verstehen? Handelt es sich vielleicht nur um einen spezifischen Ausdruck von Melancholie? Lassen sich Veränderungen im Laufe des Werks benennen? Worin besteht schließlich die Würde, von der Wolfgang Hildesheimer spricht? Dies sind die Fragen, denen ich in meiner Arbeit nachgehen möchte. Der Ausdruck "Scheitern" soll in seinen Varianten aus den Texten Wolfgang Hildesheimers erst ermittelt werden. Das werden in erster Linie literarische Texte sein, danach seine wenigen theoretischen Äußerungen, schließlich jene Reden und Interviews, die allein bleiben, nachdem er 1984 das literarische Schreiben aufgegeben hat. Die einigen Kapiteln vorangestellten Collagen sollen als Beleg dafür dienen, daß Hildesheimer sich auch als bildender Künstler mit eben jenen Problemen auseinandergesetzt hat, die hier besprochen werden sollen. Daß allein ihr Vorhandensein eine Konsequenz dessen ist, was er als sein subjektives Scheitern schildert, soll Thema des Kap. 6.1. "Rückzug in die Collage" sein.