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Der Beitrag von Aurea Klarskov verhandelt die Genauigkeit als methodischer Parameter in der Etablierung eines neuen künstlerischen Mediums, nämlich der Videokunst. Im Zentrum steht ein Close Reading der frühen Videoarbeit "Slow Angle Walk (Beckett Walk)" (1968) des US-amerikanischen Künstlers Bruce Nauman, welches das Verhältnis von Körper und Technik herausarbeitet: Für die Laufzeit eines Videobandes wiederholt der Künstler eine kurze, gleichbleibende Bewegungssequenz so präzise und gleichmäßig wie möglich, was die Arbeit mit (selbst auferlegter) Körperdisziplinierung und subtilem Zwang rahmt. Der individuelle, verletzliche Körper steht dabei dem vorangegangenen 'Befehl', der die Bewegungen bestimmt sowie der scheinbar objektiv die Situation aufnehmenden Kamera, gegenüber. Diese frühe Arbeit nimmt die Leitthematik späterer Arbeiten Naumans vorweg: die Selbst- und Fremddisziplinierung des lebendigen Körpers, registriert durch die technische Genauigkeit des überwachenden Kameraauges.
Daß es nicht unbedingt die bewegten Bilder sind, die uns bewegen, sondern daß uns oft gerade das bewegt, was sich nicht bewegt, ist eigentlich eine triviale Alltagsbeobachtung. Sie bedürfte keiner weiteren Erörterung, wenn sie nicht in ein medienhistorisches Umfeld fiele, das alles daransetzt, sie zu falsifizieren. So stoßen wir heute häufig auf Bewegungsbilder, die unsere unwillkürliche Aufmerksamkeit affizieren und deshalb als Ursache für innere Bewegungen genommen werden, obwohl es nur Reaktionsmechanismen sind, die sich in der Habituation rasch abschleifen (D 00). ...
Walter Benjamin fordert, die "undialektische Trennung zu überprüfen, die man zwischen Natur- und Geisteswissenschaft zu etablieren suchte". Damit beabsichtigt er, die Geisteswissenschaften zu modernisieren, deren wahre Bestimmung er in der Auseinandersetzung mit den aktuellen Phänomenen der Gegenwart sieht. Im Aufsatz wird gezeigt, dass Benjamin die Trennung von Natur- und Geisteswissenschaft mithilfe der dialektischen Methode, die er dem historischen Materialismus entlehnt, zu überwinden beabsichtigt. Anstatt eines unversöhnlichen Gegensatzes geht er von einer Dialektik von Natur- und Geisteswissenschaften aus.
Im Jahr 1923 veröffentlichte László Moholy-Nagy in der amerikanischen Zeitschrift Broom den Artikel "Light: A Medium of Plastic Expression", dessen Aussagen in einer Beobachtung münden, die vom ihm selbst in seinen folgenden Schriften präzisiert und weiterentwickelt und die 1931 von Walter Benjamin in seinem Essay über die Fotografie als Gedanke übernommen wird. Moholy-Nagy schreibt: "An dieser Stelle muß unterstrichen werden, daß unsere intellektuelle Erfahrung formal und räumlich die optischen Phänomene, die das Auge wahrnimmt, vervollständigt und zu einem homogenen Ganzen zusammenfügt, während die Kamera das rein optische Bild wiedergibt (die Verzerrung, die schlechte Zeichnung, die Perspektive)." Diese Formulierung der genuinen Poiesis, die aus einer Verbindung physiologischer und psychologischer Vermögen des Menschen mit den Medienkünsten entsteht, die zu einer Neuordnung der Sinne, zum Experimentieren mit und der Erforschung von Wahrnehmungsprozessen leiten sollte, gründete in der Forderung nach einem 'Neuen Sehen', das, als "optische Wirksamkeit" - erstmals von Moholy- Nagy formuliert - zu einem Charakteristikum der Avantgarde wurde. Das Motiv dieser Suchbewegung - der hier nachgegangen werden soll - lag in einer Antwort begründet, die man auf die Frage zu geben suchte, wie sich die Verbindung der Sichtbarmachung des Unsichtbaren mit der Bewusstwerdung des Unbewussten, also der Ausbildung eines 'Optisch-Unbewussten' verbinden ließe, um im Anschluss eine neue Th eorie des Blicks - als ein Sehen über den rein physiologischen Sehakt hinaus - zu etablieren.
Astrid Deuber-Mankowsky untersucht den Begriff des Lebens, der in Canguilhems Epistemologie der Biologie und seinem Verständnis der Technik sowie in Haraways Schriften zu den technisch geprägten Biowissenschaften vorausgesetzt wird, und findet die Verbindung zum Politischen in der Spannung zwischen Anthropomorphismus und Anthropozentrismuskritik.
Maschinen begreifen : Benjamin, Poesie und Positivismus in der Zweiten industriellen Revolution
(2017)
Der Beitrag legt eine Lektüre des Aufsatzes "Eduard Fuchs, der Sammler und der Historiker" vor. Voskuhl widmet sich dem von Benjamin dargestellten Zusammenhang von industrieller Technik, Poesie und ästhetischer Theorie. Im Zentrum ihrer Analyse stehen seine philosophischen und literaturwissenschaftlichen Reflexionen über den gesellschaftlichen Modernisierungsprozess, der zu einer bis dahin beispiellosen Verbreitung und Integration technischer Systeme ins Alltagsleben führt. Anhand eines Vergleichs des Eduard-Fuchs-Aufsatzes mit den wissenschafts- und technikhistorischen Arbeiten des Elektroingenieur Charles Steinmetz stellt sie die Besonderheiten von Benjamins technikhistorischer Darstellungsweise heraus. Seine Überlegungen deutet Voskuhl als den Versuch, die neuen naturwissenschaftlich-technologischen Errungenschaften mit älteren metaphysischen und ästhetischen Auffassungen zu vereinbaren.
Als im Sommer 1912 die zweite Optical Convention in London ihre Türen öffnete, füllten die ausgestellten Instrumente gleich mehrere Räume im Imperial College und im Science Museum in South Kensington. Alle einschlägigen Firmen waren nach London gekommen, um ihre Mikroskope, Kameras, Teleskope, Theodoliten, Spektroskope oder Ophthalmoskope einer interessierten Öffentlichkeit vorzustellen. Da bedurfte es schon einer raffinierten Inszenierung und einer gezielten Medienkampagne, um die Aufmerksamkeit des Publikums auch noch für das 'Optophon' zu mobilisieren, einen vergleichsweise unscheinbaren Holzkasten. Bereits am Vortag seiner öffentlichen Vorführung war deshalb mit entsprechend viel Fanfare in der Londoner 'Pall Mall Gazette' zu lesen: "To-morrow the Optical Convention is to let loose a new invention on the world. An ingenious Birmingham scientist has turned the element of selenium to account by making light audible, and we are to be dazzled and deafened both at once. Sunlight makes a roaring sound, and lightening, presumably, anticipates its concomitant thunder. All we require now is to increase the anticipative process, and then day light will awaken us every morning a couple of minutes before it arrives. What a point for the day light savers!"
Ist es möglich das Konzept des Ritornells in eine Philosophie des Spiels einzubinden und mit Benjamins Philosophie der Zweiten Technik, in deren Zentrum bekanntermaßen das Spiel steht, so zu verbinden, dass das Spiel als Teil der Technik erscheint und die Ästhetik ihrerseits als Teil dieses Spiels? Dieser Frage geht Astrid Deuber-Mankowsky in ihrem Beitrag in Form eines spielerischen Versuchs nach. Elemente dieses Versuchs sind die Texte von Deleuze und von Deleuze und Guattari zum Konzept des Ritornells und der dazugehörigen Philosophie der Wiederholung, Benjamins verstreute Ansätze zu einer Philosophie der Technik und der Videofilm "Seeing Red" der US-amerikanischen Experimentalfilmemacherin Su Friedrich. "Seeing Red" spielt mit dem Genre des Diary Films in der sich ausbreitenden Vlog-Kultur. Der Film ist jedoch, wie Deuber-Mankowsky zu zeigen unternimmt, mehr als ein Spiel mit Genres: Su Friedrich betreibt das Filmen selbst als ein Spiel im Sinne des Ringelreihen-Spiels von Deleuze und Guattari: als eine Passage und als eine Bewegung der Intensivierung, als ein Spiel mit Wiederholungen und ein Abschreiten von Variationen. Dies lässt sich freilich nur dann mit dem Begriff der Technik verbinden, wenn Technik nicht instrumentell - und das heißt, auch nicht anthropozentrisch - gedacht wird, sondern, wie Benjamin vorschlägt, in der Nähe zum Spiel, das, wie er schreibt, als "Wehmutter jeder Gewohnheit" auftritt. So ist es von der kleinen Variation nur ein Schritt bis zur unermüdlichen Wiederholung der Versuchsanordnung, welche das Experiment auszeichnet.
Die Beiträge des vorliegenden Bandes prüfen die auf Streben, Wollen und Werden bezogenen Begriffe des Conatus und der Lebensnot als Schlüsselbegriffe der Medienanthropologie. Dabei verfolgt Medienanthropologie im hier entwickelten Sinne nicht das Ziel, die Menschenähnlichkeit der Technik herauszuarbeiten, wie dies prominent in der Kulturphilosophie Ernst Kapps oder auch bei Marshall McLuhan der Fall war. Im Fokus der vorgestellten medienanthropologischen Fragestellungen stehen vielmehr umgekehrt die vielgestaltigen Bemühungen des Gleichsetzens, Vergleichens oder Absetzens von Mensch und Technik in der Anthropologie, den Humanwissenschaften und der Medienforschung selbst. Die daraus wiederholt gewonnene Formulierungen der anthropologischen Differenz - Was ist der Mensch im Unterschied zu Technik und Tier? - sind Ausdruck dessen, was untersucht und seinerseits befragt wird.