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Krieg, das haben wir von den Massenmedien gelernt, ist nur dort, wo jemand zusieht, das spectaculum bedarf des Mediums. Mediale Aufmerksamkeit bestimmt darüber, ob Kriege und ihre Folgen überhaupt noch von jemand anderem wahrgenommen werden als von den unmittelbar Betroffenen. Manipulationen über die Nachrichten vom Krieg sind so alt wie das Kriegswesen, nur tritt heute neben die Manipulation das Ringen um die knappe Währung Aufmerksamkeit. Längst haben wir uns an bizarre Mitteilungen wie die gewöhnt, der Afghanistan- Krieg sei der erste des neuen Jahrtausends gewesen, während dauerhaft schwelende Kriegsherde der Welt unbeachtet bleiben. Und längst ringen die Siegessicheren darum, dass sie ihren Krieg vor allem medial gewinnen – das andere ist gar nicht so wichtig. Um all dies geht es Thomas Scharff in seiner Habilitationsschrift eigentlich gar nicht. Eigentlich. Dennoch ist er mit seiner Analyse von Texten über den Krieg der Karolinger ganz nah dran am 21. Jahrhundert. Nicht warum Krieg geplant, geführt und wie er gewonnen wird, sondern das Schreiben der "Intellektuellen" über Krieg, der Krieg als Thema – das ist Scharffs erklärtes Vorhaben. Nach Politik und Sozialgeschichte soll nun die Historiographiegeschichte den Blick auf neue Facetten eröffnen. ...
Der Wandel von Perspektiven, Deutungen, Methoden und Themen bestimmt den wissenschaftlichen Fortschritt. Deshalb zerbricht die Vorstellung sicheren Wissens über die Generationen hinweg, so dass sich die Vergangenheit in den historisch arbeitenden Kulturwissenschaften in immer neuen Methodenwenden verändert. Der moderne Mut, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aktiv in die Subjektivität ihrer Perspektivierungen einzubauen, bringt die steuernde Macht des Erkenntnisinteresses und seiner Veränderungen vermehrt zur Geltung. Dabei geraten selbst traditionelle Kontrollinstanzen der historisch-kritischen Hermeneutik in die Debatte. Während heute die einen das Vetorecht der Quellen beschwören, stellen andere die beständig verformende Kraft des Gedächtnisses und damit die Relativität punktueller schriftlicher Fixierungen heraus. ...
Die Frankfurter Dissertation von Alexander Krey ist für den Themenkomplex "Rechtsräume" von besonderer Bedeutung. Unter den Leitbegriffen "Gerichtslandschaften" und "Rechtslandschaften" wird anhand der Oberhöfe im Rhein-Main-Gebiet des Spätmittelalters eine vergleichende Untersuchung vorgelegt, die zeigen soll, dass diese juristisch-geographischen Raumbildungen zu einer "Umwälzung in den vielschichtigen Gerichtslandschaften führte, in welche die jeweiligen Oberhöfe eingebettet waren", auch wenn der Terminus "Oberhof" selbst aus der Frühneuzeit stammt. Die bestimmende Frage ist, ob eine "Pluralität lokaler Rechtsordnungen anstelle des einen gemeinen deutschen Rechts" angenommen werden kann. Welchen Stellenwert nehmen Wechselwirkungen zwischen den regional beschränkt wirkenden Oberhöfen ein? Als Untersuchungsgegenstand wählt Krey, wie gesagt, das Rhein-Main-Gebiet, im Einzelnen Frankfurt, Gelnhausen und Ingelheim. ...
Die Monographie des Kopenhagener Historikers Niels Hybel folgt einem ungewöhnlichen und im Ergebnis ausgesprochen ertragreichen Programm. Er zeichnet die Entwicklung des dänischen Königtums durch ein halbes Jahrtausend in Bezug zur gesamteuropäischen Ideen- und Rechtsgeschichte nach, behandelt also ein Thema der Nationalgeschichte aus einer dezidiert globalen Sicht, so dass der Blick aus einer epistemologisch sehr fruchtbaren Außenperspektive erfolgt. Zugleich werden so die klassischen Quellen zur Geschichte des dänischen Königtums den Narrationen der Nationalgeschichte produktiv verfremdet. Dass die Arbeit in englischer Sprache vorliegt, ist äußerst begrüßenswert, wird doch so die Geschichte des dänischen Königtums einem internationalen Publikum in einem weitgehend aktuellen Überblick zugänglich gemacht. Hybel knüpft mit seiner vom europäischen Ideen- und Strukturkontext her angelegten Studie an frühere Dekonstruktionen etablierter Meistererzählungen zur dänischen Geschichte an, die mit der Infragestellung älterer Lesarten von Chroniken und archäologischen Funden zum Frühmittelalter bzw. der als "Wikingerzeit" bezeichneten und seit dem 19. Jh. im Nationalbewusstsein so bedeutsamen späten Eisenzeit provozierten. Dieser kritische Impetus zeigt sich auch im vorliegenden Werk, dessen erstes von insgesamt zehn Kapiteln ("Historiography") den Zugang über die Forschungsdebatte zum Status des dänischen Königtums zwischen "Wikingerzeit" und Hochmittelalter wählt. Dänische "Könige" sind seit dem 8. Jh. in fränkischen Quellen zu fassen, und mit dem großen Runenstein von Jelling liegt ein Selbstzeugnis vor, das Harald Blauzahn (ca. 970–86) als König "ganz Dänemarks" ausweist. Bis heute deutet eine von zwei konkurrierenden Schulen dies als Beweis für die Existenz eines dänischen Königtums und eines souveränen "Reichs", jedenfalls aber als Nachweis einer seither existierenden Zentralmacht, während eine zweite Schule die Konsolidierung eines solchen mittelalterlichen Königtums erst nach der Mitte des 11. Jh.s erkennen will. Der Dissens basiert v.a. auf der Frage, ob ausnahmslos erst im 12. Jh. einsetzende, heimische chronikalische Quellen in ihrem Geschichtsbild ernst zu nehmen und archäologische Funde des 10. Jh.s wie die Ringburgen ("Trælleborge"), die auf eine Zentralmacht hinweisen, in ihrem Lichte zu interpretieren oder ob Geschichtsbilder primär als Zeugnisse synchroner Diskurse aufzufassen sind. Analoges gilt für Rechtstexte und Urkunden. Diese grundlegende Frage, von der aus Hybel das Material erschließt und die aus der deutschsprachigen Diskussion um den Status des Frankenreichs oder ottonischer Herrschaft durchaus vertraut wirkt, erweist sich als ganz aktuell, wie sich etwa an der Interpretation des unlängst neu ergrabenen und datierten Danewerks an der alten Südgrenze dieses (vermeintlichen?) dänischen "Reichs" zeigt. ...
"Ungerechtigkeit" und "Ungleichheit" waren zwei Schlüsselworte der nationalen wie internationalen Frauenbewegung im Hinblick auf die rechtliche Situation von Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ein von Stephan Meder und Christoph-Eric Mecke 2013 herausgegebener, ausgesprochen lesenswerter und sehr übersichtlich konzipierter Sammelband rückt nun ein bis dato in der Forschung eher vernachlässigtes Thema und Tätigkeitsfeld der Frauenbewegungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in den Mittelpunkt: das Familienrecht. Mit diesem Interesse stehen die beiden Herausgeber keinesfalls alleine da. Zwei weitere im selben Jahr erschienene Sammelbände, die ebenfalls sehr lohnende Lektüre bieten, lenken ihre Aufmerksamkeit auf die Bedeutung des Familienrechts für Frauen. Die in Married Women and the Law zusammengestellten Aufsätze gehen der normativen und praktischen Bedeutung des für verheiratete Frauen in England und Nordamerika zentralen Rechtskonzepts der coverture vom Mittelalter bis zur "Flut von Reformen im späten 19. Jahrhundert" (4) auf den Grund. Unter coverture verstanden common law-Juristen die Idee, dass Frauen mit der Heirat ihre eigene rechtliche Identität verlören und von der ihres Mannes "bedeckt" (covered) würden. Daraus folgten hauptsächlich personen- und eigentumsrechtliche Einschränkungen für Ehefrauen. Sie verloren u.a. das Recht, Eigentum zu besitzen oder zu verwalten, Verträge einzugehen oder ohne ihren Ehemann eine Klage anzustrengen. Die Artikel in Gender Difference in European Legal Cultures weisen demgegenüber eine breitere thematische Vielfalt auf, was in der Fragestellung des Bandes begründet liegt. Im Fokus stehen hier "die rechtlichen Normen, die sich explizit auf Männer und Frauen beziehen" (11). Es wird danach gefragt, "was die Funktion von Geschlecht in der Schaffung von Recht; und umgekehrt, was die Funktion von Recht in der Schaffung von Geschlecht" sei (11). Dabei geraten der europäische Subkontinent mit Ausnahme Russlands und der weitere Mittelmeerraum vom Mittelalter bis zur Neuzeit in den Blick. Die Fallbeispiele fallen zum Teil sehr unterschiedlich aus (u.a. jüdische Juristinnen, Abtreibung, Inter- und Transsexualität), ein Schwerpunkt zeigt sich aber im Bereich des Güterrechts. ...
Dass die in den letzten Jahren stattfindende Ausweitung der Rechtsgeschichte(n) durch globale und transnationale Perspektiven gerade in der Völkerrechtsgeschichte auf besonders fruchtbaren Boden fällt, liegt auf der Hand. Denn Regulierung, Normierung und Legitimation überregionaler Beziehungen bieten sich wie kaum ein anderes Themenfeld für eine Horizonterweiterung über den Nationalstaat hinaus an. Aus einer vornehmlich europäischen Völkerrechtsgeschichte werden damit Völkerrechtsgeschichten in der Dialektik von lokalen und globalen Bezugspunkten. ...
Als Band zwei der neuen Reihe Religion and Law in Medieval and Muslim Societies (von der inzwischen schon mehrere Titel vorliegen) erschien dieser bemerkenswerte Band. Die Rolle der Juden im Recht des frühen Mittelalters ist natürlich schon mehrfach untersucht worden, doch ist man dankbar für einen Band, der die Forschung widerspiegelt und an vielen Punkten weiter voranbringt. Die einzelnen Beiträge sind in der Regel auch bibliographisch à jour, so dass dieser Sammelband durchaus auch die Eigenschaften eines Handbuchs aufweist. ...
Wir wissen nicht, was König Adolf von Schweden in seiner Satteltasche trug, als er im 30jährigen Krieg hoch zu Ross in die Schlacht zog. Angeblich soll es ein Exemplar des Buches "De iure belli ac pacis" gewesen sein, des völkerrechtlichen Hauptwerks von Hugo Grotius. Spätestens seit Louis Aubéry du Mauriers "Memoires pour servir a l’histoire de Hollande et des autres Provinces-unies" (1688) gehört diese Anekdote zum festen Bestandteil des Grotius- Mythos. Erzählt wird sie meist dann, wenn es um die Frage nach dem Verhältnis von Theorie und Praxis im Völkerrecht und ihrer Geschichte geht. Umdiese Frage dreht es sich auch in dermit Spannung erwarteten Arbeit von Martine Julia van Ittersum über die Verstrickungen des jungen Grotius in die Überseepolitik des ebenfalls noch jungen niederländischen Staates. ...
Post 9/11 haben Forschungen zur Geschichte des "Terrorismus" weltweit Konjunktur. Kaum eine neuere Überblicksdarstellung zur Geschichte der politischen Gewalt und der Staatsverbrechen kommt ohne "Terrorismus" und den Referenzpunkt "9/11" aus, darunter die auf einer älteren Monographie basierende, 2012 publizierte und auf den universitären Unterricht bzw. ein breiteres Lesepublikum zielende Introduction to Political Crime von Jeffrey Ian Ross, der 2011 erschienene historische Überblick über die Geschichte der Crimes Against the State. From Treason to Terrorism von Michael Head oder die von mehreren französischen Autoren 2010 verfasste Darstellung historischer Terrorismusphänomene Terrorismes: Histoire et Droit. Im Gegensatz zu älteren Darstellungen erscheint "Terrorismus" inzwischen als zentraler Zugang zur Geschichte politischer Gewalt, auch im Hinblick auf die grenzübergreifenden und internationalen Dimensionen sowie die rechtlichen und polizeilichen Gegenmaßnahmen des counter-terrorism. Allerdings konzentrieren sich die historische Forschung wie die Politik- und Rechtswissenschaft auf den modernen zeitgenössischen "Terrorismus" seit dem Ersten Weltkrieg und diskutieren Erscheinungsformen, Ursachen sowie Strategien zu dessen Bekämpfung und Bewältigung. Nur wenige der in den letzten Jahren erschienenen, teils auch neu aufgelegten Gesamtdarstellungen gehen zeitlich weiter zurück und beziehen die Zeit nach der Etablierung des "Terrorismusbegriffs" durch die Französische Revolution mit ein oder greifen gar bis zur Antike aus. So beginnt Randall D. Law seine 2009 publizierte Geschichte des Terrorismus mit dem Kapitel Terror and Tyrannicide in the Ancient World, gefolgt von Abschnitten über das Mittelalter und die Frühe Neuzeit. Antike und Mittelalter nur kurz streifend, sucht Martin A. Miller dagegen die Foundations of Modern Terrorism in der politischen Gewalt des frühneuzeitlichen Europa, deren Ursprünge er insbesondere in den konfessionellen Konflikten verortet. ...