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Von außen betrachtet erscheint [...] das Thema Shelley und die Prophetie wenig vielversprechend, zumindest was die hebräische und christliche Bibel angeht. Aber gibt es vielleicht so etwas wie einen prophetischen Atheismus, oder eine atheistische Prophetie? Shelley besteht jedenfalls in gänzlich positiven Begriff en auf dem prophetischen Charakter der Dichtung, und es ist unsere Aufgabe, herauszufinden, was er damit gemeint haben könnte. Und auch wenn seine Gedanken über Poesie und Prophetie in vielerlei Hinsicht charakteristisch für seine Zeit sind, sind sie doch vorbereitet worden durch eine Tradition bibelkritischen Denkens, die wir ebenfalls betrachten müssen. Im Folgenden werde ich daher Shelleys Gedanken über Prophetie zwischen Spinoza und Benjamin situieren, auch wenn ich letzteren nur kurz, in einer Art Ausblick, berühren kann.
Die Beiträge des vorliegenden Bandes prüfen die auf Streben, Wollen und Werden bezogenen Begriffe des Conatus und der Lebensnot als Schlüsselbegriffe der Medienanthropologie. Dabei verfolgt Medienanthropologie im hier entwickelten Sinne nicht das Ziel, die Menschenähnlichkeit der Technik herauszuarbeiten, wie dies prominent in der Kulturphilosophie Ernst Kapps oder auch bei Marshall McLuhan der Fall war. Im Fokus der vorgestellten medienanthropologischen Fragestellungen stehen vielmehr umgekehrt die vielgestaltigen Bemühungen des Gleichsetzens, Vergleichens oder Absetzens von Mensch und Technik in der Anthropologie, den Humanwissenschaften und der Medienforschung selbst. Die daraus wiederholt gewonnene Formulierungen der anthropologischen Differenz - Was ist der Mensch im Unterschied zu Technik und Tier? - sind Ausdruck dessen, was untersucht und seinerseits befragt wird.
Wenn man in der Bibelkritik nach Figuren der Fälschung sucht, muß man eine Reihe verwandter Phänomene wie Betrug, Plagiat, Textverderbnis, Kopie usw. miteinbeziehen: jene Konzepte, die an die Stelle der Fälschung treten, ihr aber oft zum Verwechseln ähnlich sehen. Zu untersuchen ist daher, wie die Frage, ob die Bibel oder Teile von ihr echt oder gefälscht sind, nicht nur immer wieder anders beantwortet, sondern auch immer wieder anderes gestellt wird. Im folgenden werden daher an vier Autoren - Baruch de Spinoza, Jean Astruc, Hermann Samuel Reimarus und David Friedrich Strauß - vier Aspekte der Fälschung thematisiert: Fälschung als Grenzsetzung, Materialität der Fälschung, Urfälschung und schließlich die doppelte Aufklärung der Fälschung.
The conception of the whole as a system, that is, as a totality determined by one principle or idea, has dominated the philosophical tradition from Kant and Hegel to Marxism - and, as Louis Althusser's critique of Hegelianism shows, not without implicit social, political, and ideological consequences. The possibility of breaking with the idealist tradition in all of these respects rests on the articulation of an alternative conception of the whole. Althusser advances the notion of the social whole as a complex unity that is constituted through its own effects - what he calls "overdetermination." Such overdetermination of the whole displaces the conception of the whole as totality (Hegel) in favor of Spinoza's notion of modal unity - the whole as singularity.
In ihrem Beitrag stellt Sara Fortuna die Verschränkung von Sprachnot und Lebensnot mit den Thesen vom Ursprung der Menschheit bei Giambattista Vico dar und geht hierbei auch dem kulturellen, materiellen und lebenspraktischen Hintergrund des Philosophen nach, um ihre Überlegungen auf eine Subversion der patriarchalen Ordnung abendländischer Philosophie hin zuzuspitzen. Übergeordnete Bedeutung hat bei Vico die Sprachnot bzw. die Not auf der symbolischen Ebene, und der Beitrag zeigt im Detail, dass und wie sich Lebensnot (inopia) und Sprachnot in Vicos Philosophie verbinden. Von Spinoza grenzt sich Vico unter anderem ab, weil er dessen "monastische Philosophie" ablehnt und auch die entsprechende von Spinoza gewählte Lebensweise nicht teilt, aber auch aufgrund seiner Religionskritik. Dies betrifft ebenso den Conatus oder Conato (Impuls), den - so Fortuna - Vico in die Nähe des göttlich geleiteten freien Willens rückt. Der Beitrag verbindet Betrachtungen zur Philosophie der Sprache, des Bildes und der Einbildungskraft mit aktuellen kulturhistorisch-materialistischen Überlegungen im Anschluss an die Matriarchal Studies zu Vico und seinem frühneuzeitlichen Umfeld.
Spinozastudien
(1919)
Siarhei Biareishyk beschäftigt sich mit Spielarten der Kritik an der platonischen Ideenlehre, die er von der epikureischen Tradition über Spinoza bis hin zu Deleuze verfolgt. Diese habe ein Denken von prozessualer und "modaler Ganzheit" ("modal whole") herausgebildet, das gerade auf die Instabilität und die Endlichkeit des Ganzen abhebe. Damit arbeite sie der Vorstellung sowohl einer möglichen Pluralität von Ganzheiten als auch der einer inneren Heterogenität jedes einzelnen Ganzen bis heute überzeugend zu. Im Gegensatz zu einem von vornherein als übersummativ konzipierten Ganzen entfalte diese Tradition Formen des Ganzen, die dynamisch sind und sich prozesshaft konstituieren. Biareishyk versteht das als Chance, Diversität und Disparatheit philosophisch fundieren zu können, ohne die Hoffnung auf Ganzheit(en) preisgeben zu müssen. Lukrez und Spinoza attestiert er auf diese Art und Weise philosophisch wie politisch ein ganz ähnliches Potential wie das, das Latour oder Cuntz in der Leibniz'schen Monadologie sehen.
Reinhold Görling geht von einem untrennbaren Zusammenhang von Conatus und Verletzbarkeit bzw. Tod aus, die er mit dem Begriff der Lebensnot verbindet und schon bei Spinoza selbst angelegt sieht. Die These einer immer schon bestehenden Nähe von Conatus und Lebensnot konturiert er im Folgenden im Rahmen eines immanenzphilosophischen und relationistischen medienästhetischen Ansatzes. Mit Deleuze verortet er den Moment, in dem Conatus und Lebensnot in einem singulären Leben verbunden sind in der Kunst. An jenem Punkt, in dem Ethik und Ästhetik in der Kunst ineinander übergehen, finden zugleich Relationalität und Widerstand zusammen. In einer dichten Lektüre des Films "Son of Saul" von Lázló Nemes (USA 2015) über ein Mitglied des Sonderkommandos in Auschwitz legt Görling dar, was er als ethisch-ästhetischen Grund des Films versteht.
Ali Benmakhlouf zeigt die Spannung zwischen dem Begriff des Conatus und der Lebensnot bei Spinoza auf. Spinoza gründe seine Ethik gerade auf dem wirkmächtigen Vergleich der menschlichen und philosophischen Suche nach beständiger Freude mit einer tödlichen Erkrankung, angesichts der man in äußerster Gefahr zu den noch so unsichersten Hilfsmitteln greift. Mit seiner Ethik, so Benmakhlouf, arbeitet Spinoza nicht auf die Änderung einer moralischen Einstellung oder Haltung hin, sondern auf eine Lebensform im Sinne Wittgensteins. Hiervon ausgehend verfolgt der Beitrag weiter, wie sich die Spannung zwischen Streben und Lebensnot durch Überlegungen von Montaigne, Frege, Whitehead bis hin zu Wittgenstein nachverfolgen lässt. Abschließend setzt Benmakhlouf seine Position von der Wittgensteins mit einem Verweis auf ein literarisches Gedankenspiel Lewis Carrolls ab, unterstreicht aber mit Spinoza und Wittgenstein, dass das Philosophieren und ethische Entscheidungen gewissermaßen eine therapeutische Tätigkeit darstellen, die der Lebensnot begegnet.
Die Möglichkeit einer 'Aktiven Passivität' und der Entwicklung einer queeren Kunst des Scheiterns mit Spinoza lotet Christoph F. E. Holzhey in seinem Aufsatz "Paradoxe Lust zwischen Teleologie und Mechanik" entlang der Diskussion systemtheoretischer Probleme weiter aus, die Spinozas "Ethik" mit ihrer Verschränkung von Epistemologie, Ontologie und Ethik aufwirft. Ausgehend von dem bekannten Satz Spinozas, nach dem bisher noch niemand bestimmt habe, was ein Körper vermöge, fragt Holzhey ob dieser Satz, der den Körpern und der Materie eine eigene Aktivität zuschreibe, tatsächlich, wie es in vielen aktuellen Positionen der New Materialismen unterstellt wird, mit einer Überwindung der Newtonschen Physik und deren Mechanik verbunden sei. Seine zentrale Frage zielt auf die neovitalistischen Tendenzen in den aktuellen Auslegungen des Conatusprinzips. Werden, so fragt Holzhey, hier nicht genau jene Probleme behandelt, welche die Thermodynamik und statistische Mechanik am Ende des 19. Jahrhunderts aufwarfen? Statt jedoch zu fragen, wie aus Trägheit Fortschritt wird, untersucht er, wie Fortschritt durch Trägheit denkbar ist. Dazu fokussiert Holzhey die Verbindung von Ethik und Affektlehre und legt das Conatusprinzip konsequent als Trägheitsprinzip aus. Vor diesem Hintergrund zeigt er nicht nur, wie nah sich Spinozas Unterscheidung von Freude und Trauer an Freuds Lust und Unlust bewegt, sondern auch, dass sich die Hierarchisierung der Freude nicht halten lässt, sondern die Affekte allein als paradoxe Lust ihre antiteleologische und antinormative Wirkung entfalten.