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Im Folgenden soll die Interferenz von Kunst und Mode, von Poesie und Publizistik, von Dichtung und sozialer Gestik thematisiert werden. Zu Hilfe kommt dabei eine Eigenart ästhetischen Begriffsgebrauchs, die, recht genutzt, den Nachteil der wissenssoziologischen Trennung zwischen einer ästhetischen und soziologischen Begriffsreihe behebt. Der Gebrauch ästhetischer Begriffe geht sprachgeschichtlich zum Teil weit über den ästhetisch definiten, engen Bereich des schönen und der Kunst hinaus in außerästhetische Felder des Anthropologischen, Medizinischen, Psychologischen und Sozialen. So lebt z.B. das Poesieideal von Anmut und Grazie begrifflich fort in den sozialen Bereichen der Mode und des Benehmens; so dient die Unterscheidung von Lächerlichem und Häßlichem gleichermaßen der Artikulation von Grenz- und Tabuverletzungen in polemischer Poesie einerseits und in Psychologien und Psychopathologien andererseits. Die Konzentration auf die Vielstimmigkeit eines poetischen Werkes schließt die Untersuchung nur eines für das Sozialverhalten relevanten Bereichs, etwa der Anstandsbücher, der Modejournale, der Diätetiken, der Psychopathologien, der Mentalitäts- und Sprachgeschichte zugunsten eines Interferenzspiels aller dieser
Spezialdiskurse aus.
Die Polemik lebt aus der Spannung extremer Gegensätze: von Affekt und Besonnenheit, von Argument und Bluff, von Logik und Paralogismen, von Dokument und Metapher, von akribischer Kriminalistik und wilder Spekulation, von rigorosem ethischem Prinzip und brutalem Vernichtungswillen, von kalkulierter Wirkungsstrategie und dem Spiel mit dem Zufall. Diese Spannungen sind in der Polemik so organisiert, daß sie die Sprache bis an die Grenze ihrer Verbalität, ja über sie hinaus zu treiben versuchen. Das Wort soll, was es nicht kann, nicht mittelbar, sondern unmittelbar Tat werden. Diese polemische Grenzüberschreitungssucht ihres Mediums der rational argumentierenden Sprache macht die Brisanz, das Interesse, aber auch die fortdauernde Distanzierung von der Polemik, zumal in der Aufklärung, verständlich. Im folgenden sollen einige Stationen der Verdächtigung und Legitimierung der Gattung Polemik von der Aufklärung bis zum Vormärz nachgezeichnet werden, wobei - unumgänglich - das Verhältnis der Polemik zur entstehenden Kritik in Aufklärung und Romantik ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt.