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Die deutschsprachige ästhetische und kulturtheoretisch-anthropologische Debatte des ausgehenden 18. Jahrhunderts thematisiert in unterschiedlichsten Kontexten immer wieder den Umgang mit Fremdheitserfahrung. Sie umfasst in diesem Zusammenhang unterschiedlichste theoretische Modelle der prekären Vermittlung zwischen gegensätzlichen Polen wie besonderer Einzelerfahrung und allgemeinem Erfahrungsganzem, zwischen Einzelphänomen und Kontext, zwischen Fragment und Totalität oder zwischen Singularität und Universalität. Entsprechende Fragestellungen rücken in der Zeit der Spätaufklärung vor allem mit Blick auf die Vermittlung (inter)kultureller Fremdheit in den Fokus des theoretischen und literarischen Interesses: Dies gilt vor allem für die Kulturpraxis inner- und außereuropäischer Reisen, die im Rahmen der zeitgenössischen 'Reisemode' zu Debatten über die Möglichkeit kosmopolitischen Weltbürgertums, über Modi interkultureller Begegnung oder die Legitimität kolonialer Expansion ebenso wie zur Entwicklung einer konkreten ethnopoetischen Reise- und Reisedarstellungspoetik Anlass gibt. Dieser philosophisch-theoretischen und literarischen Konjunktur von Reisediskursen korrespondieren gleichzeitig unterschiedliche Entwürfe einer transnationalen vergleichenden Kulturgeschichte, die immer wieder in kulturelle Hierarchisierungsmodelle münden, in denen europäischen Kulturen erwartungsgemäß eine wenn nicht qualitative oder normative, so doch immerhin strategische Überlegenheit zuerkannt wird. Hiermit verbinden sich drittens frühe Ansätze zur Theorie und Praxis 'weltliterarischer' Bildung sowie Appelle für eine grenzüberschreitende Beschäftigung mit literarischen und kulturellen Artefakten als Vorläufermodelle komparatistischer Literatur- und Kulturwissenschaft.
'Weltliteratur' ist heute in aller Munde. Längst bezeichnet der Ausdruck nicht mehr einfach eine Menge von Texten, sondern steht für einen Diskurs über das Selbstverständnis der Literaturwissenschaft jenseits der Nationalphilologien. Vor allem im angloamerikanischen Raum wird 'world literature' heiß diskutiert, und inzwischen nimmt die Diskussion auch in Deutschland Fahrt auf. [...] Ein solches Konzept entwirft auch Ottmar Ettes jüngster Band "WeltFraktale. Wege durch die Literaturen der Welt (Stuttgart: Metzler, 2017)". Er konzipiert Weltliteratur aus der Perspektive einer Literaturwissenschaft als Lebenswissenschaft - einem Projekt, zu dem der Autor bereits zahlreiche Arbeiten vorgelegt hat. Denn wenn Literatur das Wissen des Lebens und des Lebendigen in ganz besonderer Weise erlebbar machen könne, dann könne sie auch ein Wissen von den Komplexitäten und Asymmetrien der modernen Welt fortgeschrittener Globalisierung vermitteln. In "WeltFraktale" wird das Lebenswissen der Literaturen der Welt an einer Reihe von Aufsätzen zur Reiseliteratur, zu neuen transnationalen Schreibweisen und zu transnationalen Kulturtheorien exemplifiziert, die sich locker um einige programmatische Überlegungen gruppieren, um die es im Folgenden vor allem gehen soll.