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Für das Kunstgespräch schöpfte Büchner aus Lenz "und" Goethe, und zwar positiv aus deren ästhetischen Sturm- und -Drang-Positionen sowie – in negativer Abgrenzung – aus Goethes klassischer Ästhetik. Von hier aus ließ sich der Weg begehen, den wir als Selbstverständigung des Autors charakterisiert haben […]. Die Probleme, die im Kunstgespräch angeschnitten werden, lassen sich auf zwei Hauptaspekte zurückführen […].
1. Welche Konsequenzen ergeben sich angesichts der für Büchner zentralen politisch-sozialen Problematik für die in der Kunstperiode ästhetizistisch verengte "Gegenstandswahl"?
2. Wie ist, gegenüber einer traditionell "idealistischen" Kunstpraxis eine neue "realistische" "Technik" zu finden?
Wenn "Der Marques de Bolibar" hier […] in eine Reihe mit bedeutenderen Texten gestellt wird, bedarf das einer Begründung. Die erzähltheoretische Frage nach der Motivation von Geschehen betrifft den narrativen Aufbau literarischer Werke, nicht ihren ästhetischen Wert. In den vier bislang untersuchten Texten war der Aufbau einer doppelten Welt beziehbar auf umfassendere metaphysische, ästhetische, sozialhistorische und psychologische Probleme. Auch im "Marques de Bolibar" werden zwar gewichtige Themen und Motive verwendet – der Ewige Jude tritt auf, es geht um Apokalypse und kollektiven Wahn. Diese Elemente werden jedoch nur als Versatzstücke verwendet und erschöpfen sich in ihrer narrativen Funktion. Andererseits: Gerade weil er kein "Loch in den Bauch der Welt reden" wollte und sich auf das Handwerk einer durchdachten Handlungsfügung beschränkte, gelang es Perutz, unter allen fünf Autoren die doppelte Motivationsstruktur am prägnantesten auszuarbeiten. Während die Erzählstruktur der doppelten Welt bei Goethe der Auseinandersetzung mit romantisch-metaphysischem Wirklichkeitsverständnis diente, bei Hoffmann eine verdeckte Poetik ausdruckte, bei Vischer psychopathologischen und bei Mann regressiven Hintersinn er-öffnete, ist sie bei Perutz nurmehr Instrument zur Befriedigung gehobenen Unterhaltungsbedürfnisses. Diese unterschiedlichen Funktionen derselben narrativen Struktur werden am Schluß noch ausführlicher zu erörtern sein.
Komplikationen von Zeitreisen sind nicht unvertraut. Entfaltet werden sie in einem eigenen Genre von Geschichten. Die erste namhafte Erzählung, in der eine Zeitreise mit Hilfe einer Zeitmaschine unternommen wird, ist schon dem Titel nach einschlägig, ja ikonisch: 'The Time Machine', 1895 verfasst von H.G. Wells. Dabei handelt es sich um einen Urtext der Science Fiction, wofür besonders wichtig ist, dass hier die Reise in eine äußerst ferne Zukunft führt. Bevor ich mich diesem Text ausführlicher zuwende, schicke ich einige Bemerkungen zur wissenschaftlichen Denkbarkeit und technischen Machbarkeit von Zeitreisen voraus. Im Anschluss an Wells’ klassisch-modernes Modell der Zukunftsreise werde ich dann zwei Romane aus den 1990er Jahren besprechen, in denen Zeitreisen in die Vergangenheit führen: 'Timeline' von Michael Crichton (1999) und 'Making History' von Stephen Fry (1996). In diesen Geschichten zeigt sich eine für das späte zwanzigste – und auch noch für das beginnende einundzwanzigste – Jahrhundert charakteristische, wohl mit Recht als 'postmodern' zu charakterisierende Fixierung auf Vergangenheit und Historizität. Ähnliches gilt für Robert Zemeckis’ Filmtrilogie 'Back to the Future' (1985–1990), die ich abschließend erörtern werde. Hier wird auf virtuos selbstbezügliche Weise ein zugleich spannendes und komisches Hin und Her zwischen den Zeitformen inszeniert und ins bewegte Bild gesetzt.
Zur Versprachlichung des Raums in Bildergeschichten deutschsprachiger Vor- und Grundschulkinder
(2002)
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Versprachlichung des Raums in Bildergeschichten deutschsprachiger Vor- und Grundschulkinder. Methodisch fügt sich die Untersuchung in Arbeiten zur Entwicklung der narrativen Kompetenz des Kindes anhand von Bildergeschichten ein, wie sie in neuerer Zeit […] durchgeführt wurden (s. vor allem Berman & Slobin 1994). Hinsichtlich der allgemein-sprachwissenschaftlichen Analyse der Versprachlichung des Raums ist die Arbeit vor allem den typologischen Studien von L. Talmy (1985, 1991) verpflichtet. […] Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Rolle der Versprachlichung räumlicher Beziehungen unter zwei Aspekten zu untersuchen: hinsichtlich der Erstellung kohärenten narrativen Diskurses und hinsichtlich der sprachlichen Mittel, mittels derer die Kinder auf statische und dynamische räumliche Beziehungen referieren. Entsprechend der Dreiteilung der Ich-Jetzt-Hier-Origo stellen räumliche Beziehungen neben der Referenz auf Personen und zeitliche Beziehungen einen der drei Bereiche dar, in denen sich textuelle Kohärenz manifestiert. Bei der Versprachlichung des Raums geht es einerseits um Einführung, Beibehaltung und Verschiebung narrativer Orte und andererseits um statische räumliche Befindlichkeiten gegenüber dynamischen räumlichen Ereignissen. […] Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und einen empirischen Hauptteil.
Le "Printemps olympien" de Spitteler est considéré comme une oeuvre plutôt ennuyeuse dans laquelle la recherche a vu, en partie, une mythologie construite par l'auteur. Cette impression est contredite par le plaisir que procure encore aujourd'hui la lecture de ce texte. Cet article vise à cerner ce "plaisir du texte" en analysant les procédés poétiques de Spitteler. La contribution examine la structure du monde fictionnel et démontre qu'elle ne correspond nullement au modèle mythologique. Dans l'univers du "Printemps olympien", les dieux souffrent comme les humains et sont généralement dépourvus de pouvoirs surnaturels. De plus, Spitteler dissout l'identité des dieux en les dotant de nouveaux attributs par rapport au pré-texte (par exemple les Légendes de l'Antiquité classique de Schwab) ou en les faisant entrer dans de nouvelles constellations. Sa langue non plus ne correspond pas à la conception "classique", puisqu'il mélange le dialecte et la langue standard avec nombre de termes de sa propre création, et il a une prédilection particulière pour les mots composés longs. C'est dans le recours à ces moyens et dans le refus de se contenter d'une simple reproduction de la réalité quotidienne que se manifeste sa modernité.
Im Jahre 1986 feierten die Leser deutschsprachiger Literatur den hundertsten Geburtstag des Dichters Gottfried Benn. 1987 erschien in den 'Éditions du Seuil' (Paris) ein Roman des in den deutschsprachigen Ländern zu Unrecht kaum bekannten belgischen Romanciers und Essayisten Pierre Mertens, 'Les éblouissements', sein Thema: Gottfried Benn. Ein Zusammenhang? Sicher aber trug das neu erwachte Interesse an Gottfried Benn dazu bei, dass schon zwei Jahre später ein deutscher Verlag eine Übersetzung herausbrachte, unter dem etwas ungenauen Titel 'Der Geblendete'. Lyrik ist kaum übersetzbar. So basiert die französische Rezeption des deutschen Dichters, ungeachtet der bereits 1972 bei Gallimard erschienenen verdienstvollen Übersetzung der Gedichte durch Pierre Garnier, im Wesentlichen auf der Kenntnis seiner Essays – und dem Interesse an Benns politischem Sündenfall zu Beginn des Dritten Reiches. So geht es auch in Mertens' Roman um den "Fall Gottfried Benn", dennoch handelt es sich, wie uns der Klappentext der deutschen Ausgabe versichert, "nicht um eine Biographie und auch nicht um einen historischen Roman. […] Zwischen der Geschichte und einer Geschichte, zwischen dem biographischen Faktum und der Fiktion sucht Pierre Mertens die imaginäre Mitte, es geht um die Erzählung eines Lebens." Zwischen 1974, dem Erscheinungsjahr des Romans 'Les bons offices', und 1987 (und danach) sind eine ganze Reihe anderer Romane des Autors erschienen. Warum soll vor allem 'Les bons offices' in die Betrachtung mit einbezogen werden? Auf die Frage, welchen seiner Romane man vor allen anderen lesen solle, um einen Zugang zu seinen Büchern zu bekommen, nennt der Autor ohne Zögern 'Les bons offices'; vielleicht, weil die fiktive Hauptperson Paul Sanchotte, halb Sancho, halb Quichotte, in der Rolle eines politischen Mittlers an eine wichtige Phase seines eigenen Lebens erinnert? Ein "Monsieur bons offices" ist umgangssprachlich ein "Vermittler", der Begriff "Gute Dienste" (lat. bona officia) gehört zudem in den Bereich des Völkerrechts und der internationalen Beziehungen. In der Tat hat sich Pierre Mertens nach dem Jurastudium für "Amnesty International" und die "Liga zur Verteidigung der Menschenrecht" aktiv in Südamerika, Afrika und im Vorderen Orient engagiert.
Michael Haneke stellt in seinem Kinofilm 'Das weiße Band' ein "Modell im historischen Gewand" zur Diskussion - ein Modell, mit dem der Filmemacher und Autor die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts als eine Geschichte der Gewalt zu analysieren versucht. Der Film bedient sich eines im 21. Jahrhundert anachronistisch anmutenden, didaktisch-aufklärerischen Ansatzes, was nur deshalb nicht naiv oder vermessen wirkt, weil es zugleich um das Scheitern dieses Ansatzes geht. Der aus ruhigen Schwarz-Weiß-Bildern komponierte Film hält nämlich nicht, was er eingangs 'verspricht': aus der Perspektive eines reifen, mit großem zeitlichen Abstand auf ein Kapitel seiner Jugend zurückblickenden Erzählers Licht in eine dunkle Angelegenheit zu bringen. Eines ehemaligen Pädagogen noch dazu, der den Zuschauer an die Hand nimmt, ihm geduldig und ohne Hast erklärt, an welchem Punkt er mit seiner Geschichte ansetzt und worin sein Anliegen besteht. Dieses vor allem aus der Novellistik des poetischen Realismus bekannte narrative Verfahren, die Rahmung durch den nachträglichen Kommentar des gereiften Erzählers (im Film als Voice-Over), schafft zunächst einmal Distanz. Die Schwarz-Weiß-Ästhetik sowie die die Konzentration des Zuschauers fordernde hohe Tiefenschärfe der Bilder tun ihr Übriges, um den Eindruck von Unmittelbarkeit und Nähe zu verhindern. Und doch verringert sich der Abstand im Laufe des Films, geleitet uns die sonore Altersstimme des Erzählers (Ernst Jacobi) an einen Abgrund, so meine These, der seine eigene und auch unsere potentielle Position als 'Mitwisser' und 'Mitschuldige' betrifft.
Durch Filme wie Benny's Video (Ö, Schweiz 1992) und Funny Games (Ö 1997) hat sich der österreichische Filmemacher Michael Haneke über die Grenzen Europas hinaus einen Namen gemacht als Kritiker des Mainstreamfilms, in dem die Darstellung von Gewalt dem Gesetz der stetigen Steigerung folgt.
Die fragmentierte und scheinbar kontingente Struktur von Goethes Roman "Wilhelm Meisters Wanderjahre" folgt, so soll hier gezeigt werden, nicht zuletzt auch einem besonderen Zeitregime. Der Roman erprobt vor allem in seiner um Wilhelm und Lenardo gruppierten Handlung Formen des analeptischen Erzählens, das die Ereignisse nicht chronologisch-linear, sondern in wiederholten Rückgriffen und Zeitschleifen entwickelt. Dieses Erzählen 'von' und 'in' Vorgeschichten folgt einem Schema, das Goethe in den homerischen Epen vorgeprägt sieht, das aber auch mit Zeitreflexionen aus seinen geologischen Studien korrespondiert.
Neben der Bewertung des Romans als modern wider Willen durchzieht die Forschungsliteratur eine weitere communis opinio. Vischer habe sich beim Schreiben des Romans längst von den idealistischen Grundsätzen seines theoretischen Hauptwerkes, der siebenbändigen "Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen" (1846-1857), abgewandt, ohne doch den künstlerischen Neubeginn der sich bereits abzeichnenden literarischen Moderne recht wahrzunehmen. Der Roman sei Produkt und Ausdruck der ästhetischen Orientierungslosigkeit Vischers, dem die "lnsuffizienzen seiner eigenen Theoriebildung, systematisch-wissenschaftlicher Argumentation überhaupt" bewußt geworden seien. Gegen diese Auffassung soll hier gezeigt werden, daß der Roman sehr wohl mit Gewinn im Zusammenhang der "Ästhetik", insbesondere der dort entwickelten Ästhetik des Zufalls und des Komischen, verstanden werden kann, wenn man den deskriptiven Gehalt von Vischers Ausführungen bewahrt, sie aber ihres idealistischen Vokabulars entkleidet und mit Bezug auf neuere literaturwissenschaftliche Begriffe reformuliert. Der Roman weist ungeachtet sonstiger Schwächen eine durchgängige künstlerische Konzeption auf, in die seine heterogenen Bestandteile funktional eingebunden und in diesem Sinne ästhetisch gerechtfertigt werden können. "Auch Einer" ist keine krisenhafte Kompilation vorausweisender Verfahren, sondern Zeugnis einer eigenständigen, in sich geschlossenen künstlerischen Idee, die weitgehend mit Überlegungen der" Ästhetik" übereinstimmt. Diese Grundidee ist insbesondere an der Motivierung des Geschehens ablesbar. Sie gibt dem Roman heute noch Interesse.
This article focuses on the roles of temporal adverbs in the linguistic expression of emotions. Emotions are phenomena which we experience subjectively, and which we are unable to grasp without respect to time. The intersubjective linguistic expression of emotions in the novel involves the use of temporal adverbs accompanying the narrative structure of the text and helping to intensify the expression of emotions.