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Heine artikuliert seine kunsttheoretischen Reflexionen in publizistischen Texten in Form von Korrespondenzartikeln und Briefen, Tagesberichten und Notizen. Diese Kleingattungen besitzen die typischen Kennzeichen des literarischen Genres der Moderne: Sie sind offen und temporär und damit Bewegungsliteratur per se. Die Negierung der traditionellen Gattungsgrenzen und die Favorisierung von literarisch-journalistischen Kleinformen, durch welche die Umbruchssituation der Epoche ihren formalen Niederschlag in der Literatur finden soll, verbindet Heine mit den anderen jungdeutschen Autoren. Der Aufschwung der prosaischen Textsorten beruht auf der von ihren Verfassern postulierten Eigenschaft, authentische Dokumente einer verschriftlichten Gegenwart zu sein. Mittelpunkt der revolutionären Gegenwart ist für viele engagierte Autoren die Revolutionsstadt Paris, deren Urbanität und charakteristische Atmosphäre der Beschleunigung eine große Faszination ausüben und den Diskurs über das Phänomen Großstadt definieren. Heine nimmt dabei die Wahrnehmungsperspektive des flanierenden Betrachters ein, der kaleidoskopartig die vielschichtigen Aspekte des großstädtischen Lebens erfasst und reflektiert, um darin die Signatur der Zeit zu entziffern. Diese vor allem visuelle Perzeption in einzelnen Partikeln und Fragmenten sowie die Diskontinuitt der wahrgenommenen Eindrücke determinieren die Kompositionsweise der publizistischen Schriften: Die Flanerie wird zum narrativen Prinzip. Eine solche kompositorische Struktur, in der Einzelelemente selbständige Bedeutung erlangen, lässt sich nicht mehr mit den Parametern der idealistischen Ästhetik und dem Prinzip der geschlossenen Ganzheit erfassen.
Es ist mittlerweile als Konsens anzusehen, daß Heine mit dem "Atta Troll" eine neue Ebene der polemischen Auseinandersetzung mit seinen politischen und literarischen Widersachern erreichte, die aber auch Merkmale der Kontinuität zu den polemischen Schriften der dreißiger Jahre erkennen laßt. "Atta Troll" (als Werk) läßt sich als eine Allegorie des Kampfes, den Heine mit seinen literarischen Gegnern geführt hat, verstehen, aber nicht in dem Sinne, daß es möglich wäre, im Atta Troll (als Figur) einzelne Positionen und Personen detailliert wiederzufinden. Zwar lassen sich u.a. Spitzen gegen Börne, Herwegh, Freiligrath, Ruge auf der einen, Pfizer und Uhland auf der anderen Seite sowie ironische Abgrenzungen gegenüber dem Frühkommunismus, Nationalismus und Republikanismus ausmachen, keineswegs aber handelt es sich bei dem Versepos um eine differenzierte Analyse dieser politischen Programme und ihrer Protagonisten. Die Unschärfe ist jedoch nicht verfehltes Mitte], sondern bewußtes Ziel der Kritik.
Als Heinrich Heines "Romanzero" im Herbst 1851 ausgeliefert wird, reagiert die zeitgenössische Kritik zwiespältig. Wortgewaltig läßt man sich unter anderem im "Dresdner Journal" darüber aus, daß in Heines neuer Gedichtesammlung im Romanzenton ein diabolisches Gelächter ertöne, daß den heiligen Ernst der Poesie ersticke.
Karin Füllner unterzieht in ihrem Beitrag zu "Utopie und Melancholie in Heinrich Heines italienischen Reisebildern" die Auto- und Heteroimages darin einer genauen Untersuchung. Diese werden in dem autobiographisch grundierten Schreibprojekt Heines an Musik, Kunst und Speisen ebenso deutlich wie in der Auseinandersetzung mit tradierten literarischen Italienbildern, etwa denen Goethes. Das dialektische Spannungsverhältnis zwischen Utopie und rückwärtswandter Melancholie vergleicht Füllner mit Heines Frankreichbildern und kann so die Besonderheit seiner Italienrezeption aufzeigen.
Zum Start einer gemeinsam geplanten Monatsschrift wünschte Siegfried Jacobsohn im September 1926 von Tucholsky den Entwurf für die erste programmatische Seite. Darüber hinaus aber - heißt es dann in Jacobsohns Brief weiter - rate er ihm, einen Artikel mit dem Titel "Der Jahrhundertkerl Heine" zu schreiben. Pompös und ausgiebig sollte dieser Artikel sein, denn es lasse sich darin "wunderschön alles sagen, was wir von der Gegenwart und Zukunft fordern". Jacobsohn sah in einem solchen Artikel Tucholskys "die Hauptsache" für die erste Nummer dieser neuen Zeitschrift, die - vorläufig - als "Das Jahrhundert" angekündigt werden sollte.
Der Vorschlag war nicht neu, denn schon ein Jahr zuvor hatte Jacobsohn seinem Freund und Autor nahegelegt, er solle doch "in einem ganz großen, ganz ernsten Aufsatz den Politiker Heine neu entdecken". Auch das bewundernd-derbe Wort vom "Jahrhundertkerl" Heinrich Heine findet sich bereits hier. Das folgende Jahrhundert, das 20., meint Jacobsohn, habe - zumindest in seinem ersten Viertel - seinesgleichen nicht hervorgebracht. Der politische Heine wird also von Jacobsohn akzentuiert, ja, eine aktuelle Charakteristik seiner Vorstellungen geradezu als eine Neuentdeckung betrachtet. Wie weit das zutrifft, sei dahingestellt - um ein zeitgemäßes Verständnis des Schriftstellers Heine bemühten sich damals auch andere. Entscheidend ist, daß es Jacobsohn dabei um Heine als eine programmatische Leitfigur ging, er hoffte - wie es in einem anderen Brief an Tucholsky heißt - auf "einen Hymnus auf Heine, der Dir und mir aus dem Innersten käme".
Literatur ist mehr als eine Belegstelle für literatur- oder medientheoretische Thesen, anderseits erschließt sie sich nicht selbst, sondern antwortet auf Bezugsprobleme. Das Problem, das ich mit Blick auf "Schrift" an Heinrich Heine herantragen möchte, ist die Frage, ob die Literatur sich selbst als Medium beobachtet und ob mit der Figur des 'Jehuda ben Halevy' womöglich Autorschaft unter Bedingungen konkurrierender Medien reflektiert wird. Meine medienkomparatistische Lektüre zielt auf jene Medien der Literatur, die Heine im 'Romanzero' thematisiert und als Bedingung seines eigenen Schreibens reflektiert. Ausgehend von dieser vergleichenden Analyse der Medien des 'Romanzero' werde ich in einem zweiten Teil die hinzugezogenen Medientheorien daraufhin befragen, welche Fragen sie an die Literatur herantragen und welche Antworten sie auf Probleme literarischer Texte geben können.
Die anthropologische Differenzierung zwischen dem Inneren und dem Äußeren als Korrelation von Geistigem sowie Seelischem mit dem Körperlichen sowie Sinnlichen ist eine evidente Thematik der deutschsprachigen Literatur des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Diese Unterscheidung bricht mit dem Jahrhundertwechsel nicht ab, sondern wechselt ihr Vorzeichen. Die Dichotomie von Innerem und Äußerem wird bei Heinrich Heine in Gestalt der Gegenüberstellung von Idee und Realität aufgegriffen und politisch akzentuiert weitergeführt. In seinen Reisebildern kreist diese Kontrastierung um die Frage nach der Verwirklichung von Ideen mit politischer Brisanz und humanem Wert. Die literarische Form der Reisebeschreibung nimmt für die Thematisierung dieser Gegenüberstellung eine besondere Funktion ein, dies wird bei den Erzählwerken der "Reise von München nach Genua" und der "Ideen. Das Buch Le Grand" näher beleuchtet. Zugrunde gelegt wird die Annahme, dass eine politische Idee als ein humanes Ideal etwas Inneres darstellt, da eine solche Idee dem Geist des Menschen entspringt. Auch hier steht das Wechselverhältnis von Idee und Realität im Fokus, indem die Frage ins Zentrum gestellt wird, inwieweit eine Idee als Produkt des Geistes eine gestaltende Funktion für die sinnlich wahrnehmbare Wirklichkeit einnehmen kann. Der Schwerpunkt liegt auf dem Geistigen, und die denkmöglichen Ideen des Menschen sind das Entscheidende. Die Menge der Ideen wird auf die zeitgenössischen Humanitätsideale der Französischen Revolution beschränkt: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Diese politischen Ideen sind in ihrer reinen Form im menschlichen Leben im engeren Sinne nicht realisierbar. Dennoch können sie eine wirklichkeitsgestaltende Funktion einnehmen, indem der Mensch versucht, sich der Verwirklichung dieser Ideen soweit wie möglich anzunähern. Dieses Bestreben ist eine Sinnkonstitution des Menschen und diese Ideen sind für diejenigen, die sie teilen und in ihr eine Chance für ein besseres Leben sehen, eine intrinsische Motivation, das Innere in das Äußere zu projizieren. In Heines "Reisebildern" wird diese Übertragung mit dem Begriff der Emanzipation benannt. Bereits die narrativen Sprechsituationen dieser Erzählwerke zeigen an, dass die Gestaltung von menschlicher Lebenswirklichkeit im thematischen Zentrum steht. Emanzipation ist unumstritten ein politischer Begriff, bei Heines "Reisebildern" tritt er aber zusätzlich als ästhetisches Konzept auf. Emanzipation wird in den Erzählwerken der "Reise von München nach Genua" und "Ideen. Das Buch Le Grand" als ästhetisches Programm untersucht, das seine theoretische Ausformulierung in der "Romantischen Schule" findet.
'Die schlesischen Weber' is one of the most famous German poems of all time. Frequently interpreted, the focus for the most part has been on its alleged political, historical and philosophical content, while its aesthetic form has been given only selective and fragmented attention. Based on Roman Jakobson's determination of the poetic function as combinatorial equivalence principle, this analysis acknowledges the poem as an important poetic work. It is demonstrated that all levels of its linguistic structure - rhythmic, phonetic, syntactic, lexical‑semantic, as well as its imagery - are interconnected in a complex way through both similar and contrasting relationships. Indeed, because of these relationships the formation of meaning is possible.
Es gibt im Schreiben Heinrich Heines eine gestische Konstante, die sich durch das ganze Werk hindurchzieht und die sich am besten mit dem Begriff der Unrast bezeichnen lässt. Unrast ist Bewegung, die in einem angespannten Verhältnis zur Nicht-Bewegung steht. Sie erfolgt aus Angst vor Stillstand und aus Sehnsucht nach Ruhe zugleich. Sie ist Suche ohne benennbares Ziel und Flucht ohne unmittelbaren Anlass. Sie entspringt dem Ekel davor, dass alles so bleiben könnte, wie es ist, aber auch dem Schauder darüber, wie es wäre, wenn es anders würde. Sie kann Lebensenergie ebenso gut momenthaft freisetzen wie langsam aufzehren. Die folgenden Ausführungen versuchen die persönlichen, die gesellschaftlichen und die poetologischen Fragen zu rekonstruieren, auf die Heines Unrast eine im Hinblick auf den inneren Zusammenhang seines Gesamtwerks bislang zu wenig beachtete Antwort darstellt.
Heines Naturästhetik
(2001)
1828 verkündet Heinrich Heine das Ende der Kunstperiode, die er durch Goethes Klassizismus formal und inhaltlich geprägt sieht. Die autonome Kunstauffassung des Weimarers schürt den von Heine erkannten Konflikt zwischen Kunst und Lebenswirklichkeit, der nur gelöst werden kann, wenn sich ein Dichter mit den politischen und sozialen Problemen seiner Gegenwart auseinandersetzt und sich einem harmonischen, ganzheitlichen Weltbild verweigert. Mit seiner Naturästhetik zielt er auf eine Überwindung der traditionellen ästhetischen Normen der Klassik und Romantik, die er als formalistischen Zwang empfindet, verlangt Anschaulichkeit und Natürlichkeit der Sprache, einer Sprache, die sich am Menschen orientiert und nicht an Poetiken, einer Sprache, die Subjektivität und Erfahrungen zuläßt und die auch im sozialen Interesse die Kunst dem Leben, der Wirklichkeit öffnet. Diese Natürlichkeitsideale tiefergehend zu untersuchen - so Heines Auseinandersetzung mit der Naturphilosophie, seine kulturkritischen Reflexionen im Rahmen einer Kulturgeschichte der Natur und im Rahmen der Natürlichkeitsvorstellungen anderer Schriftsteller, z.B. die der Aufklärer wie Albrecht von Haller -, vielleicht kann dazu die vorliegende Skizze einladen.