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Der Zug der republikanischen Deutschen demokratischen Legion aus Paris im Frühjahr 1848 in das aufständische Baden und ihre Zerschlagung bei Dossenbach waren unzweifelhaft eine Gelenkstelle im Leben ihres Präsidenten, des Dichters Georg Herwegh (1817-1875). [...] Ob tatsächlich "Verrat" die zentrale Rolle bei der Niederlage der Legion spielte, wie Georg Herwegh in seinem Brief von 1870 verbittert behauptet und wie es auch Stephan Reinhardt in der jüngsten Herwegh-Biographie wieder übernimmt, das war die Frage, die sich dem Verfasser dieses Aufsatzes stellte. Daraufhin vorgenommene Recherchen führten zu gedruckten, inzwischen digitalisierten, bisher übersehenen Materialien zur Legion. Diese sind in den für das juristische Tagesgeschäft gedachten "Annalen der Großherzoglich Badischen Gerichte" zu finden. Es handelt sich um die breit unterfütterten Anklageschriften "wegen Hochverraths" gegen Adelbert von Bornstedt (1807-1851), den zentralen Aktivisten der Pariser Legion, und gegen Joseph Fickler (1808-1865), umtriebiger Demokrat und Redakteur der radikalen "Seeblätter" in Konstanz. In den Anklageschriften sind zwei konspirative Briefe - von Herwegh und Bornstedt an Fickler sowie dessen Antwort darauf - zur Planung einer republikanischen Erhebung von besonderem Interesse, und Briefe von Georg und Emma Herwegh vom Abend des Gefechts bei Dossenbach geben Einblicke in das Geschehen und verdeutlichen die Stimmung nach dem Kampf und gelungener Flucht. Während die Briefe zwischen Herwegh/Bornstedt und Fickler zur Aktions-Strategie aus dem Gerichtsverfahren heraus eine gewisse öffentliche Wahrnehmung fanden, blieben die stark von Emotionen und subjektiven Einschätzungen geprägten Briefe von Georg und Emma Herwegh unbeachtet. "Eine detaillierte Untersuchung zur Geschichte der Deutschen demokratischen Legion, die vorhandenes Aktenmaterial umfassend auswertet, existiert nicht." Das stellte Ingo Fellrath 1999 fest, und das gilt bis heute. [...] Die gegebene Forschungs-Lücke lässt sich gerade angesichts des Umfangs der vorhandenen Akten nicht auf die Schnelle füllen. Selbst eine Suche nach den Originalen der gedruckt in den Gerichts-Annalen gefundenen Briefe ist mit vertretbarem Aufwand kaum zu leisten.Dennoch sollen diese mitten aus dem Geschehen um die Legion stammenden Schreiben nach der greifbaren Quelle im Wortlaut vorgestellt und um einige weitere Materialen und Hinweise ergänzt werden. Im Rahmen einer inhaltlichen Einbettung und Kommentierung dieser Materialien werden einige Untersuchungsaspekte besonders in den Blick genommen. Dazu gehören die unterschiedlichen Republikanisierungs-Konzepte bei Herwegh und Fickler, Fragen von Gewaltanwendung und Todesbereitschaft sowie das Verhältnis des Freiheits-Dichters Herwegh zu Freunden und Gegnern und zum - manchmal recht eigenwilligen - "Volk". Letztlich geht es auch um das Verhältnis zwischen Revolution und Emotion.
Wenn ich jetzt etwas zur Geschichte dieser Ausgabe sage, fällt mir zuerst ein, dass es eigentlich eine unendliche Geschichte ist, von der lange nicht abzusehen war, ob sie wirklich je ein Ende finden würde, eine Geschichte von vielen Zufällen, die der Edition immer wieder aufhalfen, und eine Geschichte von bewundernswerter Hilfe, die oft entscheidend für den Fortgang der Arbeit war. Im Prinzip gab es drei Anläufe. Der erste geht auf Bruno Kaiser zurück, der 1957 auf Initiative von Wolfgang Steinitz, dem damaligen Vizepräsidenten der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, eine Arbeitsstelle Herwegh-Ausgabe am Institut für Deutsche Sprache und Literatur einrichtete. [...]
Die Freiheit der Welt ist solidarisch. Wo man für oder gegen sie kämpft, kämpft man für oder gegen die Freiheit der ganzen Welt.
G. H. 'Nachgelassene Aphorismen und Reflexionen'
Die auf insgesamt sechs Bände angelegte kritische und kommentierte Herwegh-Ausgabe umfasst in ihren drei Werkabteilungen jeweils zwei Bände Lyrik, Prosa bzw. publizistische Beiträge und Briefe. In allen Bänden sind die Texte bzw. Briefe chronologisch angeordnet, wobei der jeweils erste Band mit dem Jahr 1848 endet und der zweite von 1849 bis 1875, Herweghs Todesjahr, reicht. Diese Bandeinteilung ist, so die Herausgeberin, "sowohl aus dem Charakter als auch dem Umfang der Überlieferung" geschuldet, zudem spiegelt sich in ihr die in der Vormärzforschung viel diskutierte Frage der literaturgeschichtlichen Relevanz der gescheiterten Revolution von 1848/49. Nach der Briefabteilung liegt nun mit dem zweiten Gedichtband auch die Lyrikabteilung der Ausgabe vollständig vor. Georg Herwegh veröffentlichte 1841/43 mit den "Gedichte[n] eines Lebendigen" eine Sammlung politischer Gedichte, die in Preußen und den übrigen Staaten des deutschen Bundes sofort verboten wurde. Da sie aber in Fröbels Literarischen Comptoir in Winterthur zensurfrei gedruckt werden konnte, fand sie dennoch eine ungeheure Verbreitung. In anderthalb Jahren brachte sie es auf sieben Auflagen mit über 19.000 Exemplaren und machte den Autor umgehend zum gefeierten Dichter. Trotz dieses überwältigenden Erfolgs hat Herwegh selbst zu Lebzeiten keinen zweiten Gedichtband veröffentlicht, stattdessen beschränkte er sich darauf, seine nachfolgenden Gedichte ausschließlich in unterschiedlichen Zeitungen und Zeitschriften zu publizieren.
Der vorliegende Band enthält sämtliche von Herwegh selbst publizierten Gedichte aus der Zeit von 1849 bis 1875 sowie alle Gedichte aus dem Nachlass, angefangen mit seinen Jugendgedichten aus den 30er Jahren bis zu politischen Warnungen vor zunehmendem Chauvinismus und verstärkter Militarisierung Deutschlands der frühen 70er Jahre.
Rezension zu Georg Herwegh: Werke und Briefe. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe. Hg. von Ingrid Pepperle in Verbindung mit Volker Giel, Heinz Pepperle, Norbert Rothe und Hendrik Stein. Band 5: Briefe 1832-1848. Bearbeitet von Ingrid Pepperle. Bielefeld: Aisthesis, 2005. Band 6: Briefe 1849-1875. Bearbeitet von Ingrid und Heinz Pepperle. Bielefeld: Aisthesis, 2010.