Refine
Year of publication
Document Type
- Article (10)
- Part of a Book (5)
- Review (5)
Language
- German (17)
- Portuguese (2)
- English (1)
Has Fulltext
- yes (20)
Keywords
- Identität <Motiv> (20) (remove)
In der Einleitung eines von ihnen herausgegebenen Sammelbandes schlagen Jürgen Fohrmann und Helmut J. Schneider vor, die Geschichte der 1830er und 1840er Jahre als "die Geschichte von 'Bewegung'" zu erzählen. Sie sehen diese beiden Dezennien durch einen Diskurswechsel bestimmt, "der mit den politischen Schlagworten 'Leben', 'Jugend', 'Gegenwart', 'Emanzipation' usw. eine strukturelle Umpolung unserer Semantik auf 'Bewegung' hin versucht". Dieser Vorschlag leuchtet unmittelbar ein; doch ist von dem Diskurswechsel nicht nur die Semantik, sondern auch die Pragmatik der Literatur und damit die Konzeptualisierung der Autorposition betroffen. Lässt sich in diesem Sinne eine ganze Reihe von Schriftstellern nennen, die sich in den genannten Jahrzehnten einem neuen, im Zeichen der politischen Emanzipation stehenden Konzept der Autorschaft verschreiben, so kennzeichnet es die Schriften Heinrich Heines, dass sie an diesem Konzeptwechsel nicht lediglich teilhaben, sondern ihn thematisieren und inszenieren. Ja, man kann sagen, dass die Inszenierung der eigenen Autorschaft einen Grundzug des Heineschen Werkes darstellt.
Zählen seit dem neunzehnten Jahrhundert angesichts einer sich beschleunigt industrialisierenden Gesellschaft die Sphäre der Industriearbeit und die Persona des Proletariats zu den festen Themenbeständen der Literatur, so wird diese Konstitution eines literarischen Diskurses "Arbeitswelt" in der Regel als Teil einer sich etablierenden Arbeiterkultur perspektiviert. [...] Um diesen Fragenkomplex zu erörtern, werde ich zunächst den Status zu klären versuchen, den Brecht der Sphäre der Arbeit und der sozialen Klasse des Proletariats für den gesellschaftlichen Prozess zuschreibt. In einem zweiten Schritt wird es mir darum gehen, die Funktion des Intellektuellen für das Proletariat zu skizzieren, wie Brecht sie in seiner Theaterästhetik programmatisch bestimmt; bevor ich schließlich eine Antwort auf die Frage zu geben versuche, welche Funktion dem Proletariat für die Identitätsbildung des Intellektuellen zukommt – oder besser gesagt: welche Funktion ihm zukam; denn aktuell scheinen die Intellektuellen ihr Interesse an der Arbeitswelt weitgehend eingebüßt zu haben.
Welten im Rahmen fantastischer Literatur brechen an der einen oder anderen Stelle mit der außerliterarischen Welt und unterscheiden sich von ihr meist darin, dass sie als deviante Welten wahrgenommen und von den LeserInnen nicht mehr für das Abbild der extrafiktionalen Welt gehalten werden. Ganz gleich, ob die fantastische Welt ihre Abweichung dadurch erhält, da sie in einer fernen Zukunft oder einem alternierenden Geschichtsgang, einem anderen Realitätssystem oder gar einer ganz neu geschaffenen Umgebung angesiedelt ist, das "Andere" ist für die Unterscheidung von der außerliterarischen Realität notwendig. In manchen besonderen Fällen ist die Erzählung aber nicht auf bloß eine Welt beschränkt, sondern breitet sich auf zwei oder mehrere Welten als Handlungsorte aus.
Parallelweltliteratur umfasst sowohl Texte, in denen durch das Einbrechen des wunderbaren Anderen eine "Welt in der Welt" erschaffen wird, ähnlich wie es in Homers Odyssee, Swifts Gulliver's Travels, oder, um ein neueres Beispiel zu nennen, Neil Gaiman's Neverwhereder Fall ist, als auch jene Texte, in denen eine Welt gänzlich verlassen wird und sich der Handlungsort auf eine neue, von der ursprünglichen Welt abgekoppelte, alleine stehende Welt verlagert. Als Exempel hierfür wäre neben James M. Barries Peter Pan auch das Grimm'sche Märchen der Frau Holle zu nennen. Im Folgenden wird das Augenmerk ausschließlich auf Parallelwelttexten der letzteren Kategorie liegen, da also mindestens zweivon einander getrennte Welten als Handlungsort eingesetzt sind und da ein Wechsel der ProtagonistInnen zwischen den Welten die inhaltsgebende Struktur bringt.
In dem Roman "Never Let Me Go" von Kazuo Ishiguro erzählt Kathy H. kurz vor Ablauf ihrer Lebenszeit in einer Rückblende ihre Lebensgeschichte. Ihr Rückblick beginnt in Hailsham, einem Internat, wo sie zusammen mit Tommy und Ruth ihre Kindheit erlebt. Sie erfährt recht früh, dass sie und alle Kinder, die das Internat besuchen, Klone sind und eines Tages der Gesellschaft, von der sie geschaffen wurden, ihr Leben bzw. ihre Körper in Form einer Organspende bereitstellen müssen. [...] Die Klone sind in den Augen der Nicht-Klone weniger wert, als diejenigen, denen sie nachgebildet sind und werden von den Nicht-Klonen durch verschiedene Mechanismen biopolitisch manipuliert und gesteuert. Kathys und Tommys Bestreben ihre Liebe zu leben und die Suche der Protagonist*innen nach der eigenen Identität stehen im Fokus der Handlung. Deshalb stelle ich mit dem Titel "Klon, Person, Identifikation" die Frage nach der Menschlichkeit der Protagonist*innen an den Anfang meiner Überlegungen zu dem Roman von Kazuo Ishiguro. Im weiteren Verlauf meines Aufsatzes beschäftige ich mich mit der Frage nach den biopolitischen Zusammenhängen zwischen der Identitätsfindung auf der einen Seite und der Identitätsentwicklung der Klone auf der anderen Seite.
Tagungsbericht zum Symposion des Interdisziplinären Arbeitskreises Jüdische Studien an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 15.-17. November 2000
'Identität und Gedächtnis in der jüdischen Literatur nach 1945' - so lautete der Titel eines Symposions, für das der Interdisziplinäre Arbeitskreis Jüdische Studien unter der Leitung von Prof. Dieter Lamping (Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft) im November letzten Jahres aus Anlaß seines fünfjährigen Bestehens Wissenschaftler aus dem In- und Ausland in Mainz versammelt hatte. Naturgemäß ist es nach wie vor die Auseinandersetzung mit dem Holocaust, die im Zentrum einer solchen Veranstaltung steht. Je nach Generationszugehörigkeit und persönlicher Erfahrung der behandelten Autoren aber auf jeweils andere Weise.
The flourishing of literature and thought during the age of Goethe may have inspired German nationalism in the 1930s, but Walter Benjamin identified other values in the period worth defending. 'Deutsche Menschen' is a short collection of edited letters by well-known German authors which Benjamin published in 1936 under the pseudonym Detlef Holz in order to hide his Jewish identity. In his inscription to Scholem's copy of the book, Benjamin wrote, "May you, Gerhard, find a chamber in this ark - which I built when the Fascist flood started to rise - for the memories of your youth," and in his sister’s copy Benjamin wrote, "This ark, built after a Jewish model, for Dora - From Walter." This essay considers what Benjamin may have meant by those inscriptions. Looking beyond discussions of "German," "Jewish," and even "German-Jewish" identity, this essay explores Benjamin's descriptions of his letter collection, asking how he conceptualized and framed it at first and how it may have changed between 1931 and 1936. The categories of tradition and agency will be my focus, which I will develop in the context of Benjamin's other writings and his particular interests in quotation and materialism. &e formation and reception of 'Deutsche Menschen' reveal a complex, ambitious project that combines many of Benjamin's ideas and goals.
Eine immer dringlicher geforderte kultur- und medienwissenschaftliche Orientierung der interkulturellen Germanistik erfordert zugleich auch eine Auseinandersetzung mit neueren Konzepten, die differenzierende, dynamische und multiperspektivische Ansätze anbieten. So bemühen sich neuere kulturphilosophische Konzepte wie die Hyperkulturalität und Transdifferenz über rigide binäre Unterscheidungen zwischen "Eigenem" und "Fremden" hinauszugehen und der Durchlässigkeit der Grenzen und der internen Heterogenität von Gesellschaften im Zeitalter der Globalisierung in angemessener Weise gerecht zu werden. Vor diesem Hintergrund untersuche ich in meinem Beitrag den Film "Almanya – Willkommen in Deutschland" (Samdereli 2011) im Rahmen einer diskursiven Auseinandersetzung mit diesen Begrifflichkeiten. Entgegen bisheriger Darstellungen im so genannten türkisch-deutschen Migrantenkino fokussiert dieses Filmbeispiel verstärkt eine (postmigrantische) Perspektive, die mit tradierten Sichtweisen und Klischees bricht. Grundsätzlich soll herausgestellt werden, wie kollektive und individuelle Phänomene von Zugehörigkeit und Identitiätskonstruktion mit filmischen Mitteln dargestellt werden. Zur Diskussion gestellt soll dabei die Frage, inwiefern neuere kulturtheoretische Konzepte dabei greifen.
Herders Agency
(2012)
Die Titelgebung des vorliegenden Beitrags ist eine wortkarge und durchaus irritierende Formulierung. Wer weiß, ob ein wiedergeborener Herder hier nicht gleich die aktuelle Version von „Gallikomanie“, das fortgeschrittene Stadium des englisch-amerikanischen Sprachimperialismus des anfänglichen 21. Jahrhunderts diagnostizieren und darin ein ihm vertrautes Problem, das eigene Fremde im Fremden des Anderen wiedererkennen würde? Und da würde er bezüglich des Titels eigentlich richtig liegen, geht es hier doch um eine Entfremdung, um die Aufstellung eines hermeneutisch nur bedingt zulässigen Vergleichs eines neueren Kulturkritikers mit einem älteren, oder was noch schlimmer ist, des älteren mit einem neueren - um einen Begriff von Handlungsmacht, agency. Darüber hinaus ist bei dieser Anknüpfung an Herder aus mindestens zwei weiteren Gründen Vorsicht geboten. Zum einen haftet Herders Werk und dessen Rezeptionsgeschichte ein unguter Nachgeschmack an, der den Namen Herder gerade in politischen, ideologiekritischen und auch postkolonialen Diskursen zu einem Label geraten lässt, das die falsche Strategie der Identitätsschaffung bezeichnet. Zum anderen ist der postkoloniale Diskurs auf ein politisches Handeln ausgerichtet, dessen Konsequenz man bei Herder bei noch so großer Anstrengung - schon aus historischen Gründen - nicht zufriedenstellend finden würde. In Bezug auf beide Einwände gilt es also das Gebot zu beherzigen, „jede Form der politischen Aktualisierung im Interesse Herders mit äußerster Vorsicht und geschärftestem Blick für historische Differenzen aufzunehmen.“ Die Rettung ist im vorliegenden Zusammenhang just aus dem unerlässlichen hermeneutischen Bewusstsein zu holen, dass die Beachtung der genannten Differenz, die Bewahrung einer Differenz zwischen „Nachahmung“ und „Nacheiferung“, wie Herder sagen würde, die produktive Aneignung des älteren Kulturkritikers im Kontext des neueren nicht nur vorstellbar und sinnvoll macht, aber auch zu beherzigende Resultate für die Lektüre beider Autoren verspricht.
Die Feminisierung der Migration ist trotz ihrer verspäteten öffentlichen Wahrnehmung kein neues Phänomen: Seit den Anfängen der Arbeitsmigration immigrierten Frauen nicht nur als 'Anhängsel' ihrer Männer, sondern auch selbständig in die deutschsprachigen Länder. In der Öffentlichkeit werden sie bis heute, von stereotypen medialen Zerrbildern beeinflusst, als Opfer wahrgenommen, als die fremde Frau, die sprach- und chancenlos ist. Der Beitrag untersucht vor diesem Hintergrund und am Beispiel von Julya Rabinowichs Roman 'Die Erdfresserin' (2012) die weibliche Identitätssuche unter den Bedingungen der nicht-privilegierten Formen der Migration nach Österreich und im Spannungsfeld von Ethnizität, Kultur, Geschlecht und Klasse.