Refine
Document Type
- Part of a Book (9)
- Book (3)
- Article (2)
- Review (1)
Has Fulltext
- yes (15)
Is part of the Bibliography
- no (15)
Keywords
- Nationalbewusstsein (15) (remove)
The mother tongue at school
(2023)
This paper focuses on a key contradiction in nineteenth century nationalist ideology, namely the opposition between the emphasis on the sacred status of the mother tongue, on the one hand, and the use of universal mandatory schooling as a means of homogenization, on the other. The influential philologist Jacob Grimm insisted that only people whose mother tongue was German counted as members of the German nation; the mother tongue was the key criterion of authentic belonging. Yet Grimm also realized that mandatory schooling imposed a uniform language across a wide territory, wiping out local dialects and effectively giving shape to a more linguistically unified people. He thus witnessed how modern mass instruction forged a more standardized culture at the expense of the more natural-seeming transmission of language within families. In Grimm's writings on education, the valorization of the mother is continually disturbed by the presence of a surrogate figure, the school teacher.
Seit Jahrzehnten steht eine Gestalt an oberster Stelle des Kanons historisch bedeutsamer Figuren in der Ukraine: der Dichter und Maler Taras Ševčenko (1814−1861). Im Land besteht Einigkeit über seine identitätsstiftende Funktion für die imaginierte Gemeinschaft Ukraine. Er wird über die Regionen hinweg als verbindende Gestalt wahrgenommen - besonders in Zeiten, in denen ein mögliches "Auseinanderbrechen" des Landes intensiv diskutiert beziehungsweise befürchtet wird. Ein Grund dafür ist, dass Ševčenko für die historisch unterschiedlich geprägten Regionen einen gleichermaßen festen Bezugspunkt darstellt: Er lebte im Russischen Reich und stammte aus einem Gebiet, das heute zur Zentralukraine gehört; gleichzeitig konnte und kann man sich in der Westukraine mit der Idee von Ševčenko als einem der wichtigsten Träger ukrainischer Identität identifizieren. In Ševčenko laufen zentrale gesellschaftliche und erinnerungskulturelle Diskussionen und Projektionen über Vergangenheit, den gegenwärtigen Zustand und mögliche zukünftige Entwicklungen des Landes zusammen, und die spannungsreichen Veränderungen und erinnerungskulturellen Widersprüche in der Geschichte der Ukraine drücken sich ganz besonders in der Auseinandersetzung mit Ševčenko aus. Ševčenko ist also auch nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1991 der Kulturheros schlechthin. Diese Umwertung der Ševčenko-Gestalt wird heute vor allem bei renommierten Wissenschaftlern und Ševčenko-Forschern, aber auch in Reden von Politikern deutlich. Demgegenüber bestehen in der Gegenwartskultur jedoch zahlreiche andere Entwürfe, die die Gleichsetzung Ševčenkos mit der Nation in Frage stellen. Dabei führen die Um- und Neudeutungen zu einer Pluralisierung des Ševčenko-Bildes; und auch wenn Gegenentwürfe als Bedrohung empfunden werden - gerade durch sie wird Ševčenkos Bedeutung aktualisiert und seine Gestalt auch für jüngere Generationen zugänglich und interessant gemacht. Der Kulturheros Ševčenko, der in der Sowjetzeit etabliert und in Folge hoch verehrt wurde, ist weiterhin äußerst populär und ein beliebtes Objekt kultureller, wissenschaftlicher und medialer Auseinandersetzungen in der Ukraine.
Throughout history, songs have been considered effective instruments to strengthen the formation of collective identities. Eighteenth-century Dutch songwriters engaged with this idea in their striving for national unity. Political songs from that period employ several tropes, and the music often reinforces such images through musical imagery and intertextual references. Moreover, the imagined identities voiced in the songs might have become embodied identities through the performative act of singing. Therefore, for an investigation of the construction of collective identities in songs, the imagological approach can be expanded to musical imagery and take into account cognitive theories explaining the effects of singing.
Als der spanische Bürgerkrieg 1939 nach drei langen Jahren endet, sieht sich der siegreiche Francisco Franco einem nicht unerheblichen Problem gegenüber: Es gilt, die zersplitterte und traumatisierte Nation auf Basis einer gemeinsamen Grundlage neuerlich zu vereinen. Zugleich benötigt der durch einen Putsch zustande gekommene 'neue Staat' auch nach Ende des als Kreuzzug betitelten Bürgerkriegs dringend eine Legitimationsgrundlage. Dies versucht man u. a. durch Geschichtstransformationen zu erreichen, die das Franco-Regime als legitimen Nachfolger frühneuzeitlicher Monarchien inszenieren. Daneben soll der Gesellschaft besonders in den 50er Jahren der langsam (wieder) entstehende Konsumkapitalismus schmackhaft gemacht werden: Der Spanier ist aufgefordert, die dargebotenen Güter zu genießen und sich so als dem Franquismus gleichsam 'genüsslich unterworfenes' Subjekt zu konstituieren. In den beiden hier beleuchteten Filmen dieser Epoche werden, wie zu zeigen wird, sowohl die franquistischen Geschichtstransformationen in ihrem fiktiven Charakter entlarvt als auch das staatliche Mandat des 'Genießens' unterhöhlt, indem jenes Genießen als ebenso substanzarm ausgewiesen wird wie die mit ihm einhergehende Politik.
Nations are signified by their constructed or mythicized cultural memory, since "identity is part of memory discourse". There are shared historical legacies in Southeast European countries, among which the most significant are Byzantium and the Ottoman Empire: "It has been chiefly the Ottoman elements or the ones perceived as such which have mostly given rise to the current stereotype of the Balkans, so that it would not be an exaggeration to say that the Balkans are, in fact, the Ottoman legacy." Contrary to it, the Habsburg legacy and the belonging to the Habsburg Monarchy have mainly not been seen in the same, negative way. Consequently, there are two different understandings of national identity and different strategies in defining self-representation in the (previous) provinces of the two empires, which is also explicated in Southeast European operas. The construction of Croatian national identity is considered through the stage representations of the historical Siege of Szigetvár (1566).
Luther war nicht nur zu Lebzeiten, sondern weit über seinen Tod hinaus eine Instanz, die wie wenige andere Kirchenleute nicht nur in religiöser Hinsicht, sondern umfassend als moralische, gesellschaftliche, politische und nationale Instanz galt. Anknüpfend an diese immense Bedeutung Luthers für die deutsche Kulturgeschichte, soll im vorliegenden Aufsatz die Geschichte dieser dezidiert deutschen Heroisierung bis in die Gegenwart nachgezeichnet werden. [...] Um diesen Prozess historisch zu begreifen, ist es zunächst erforderlich bis zu Luthers Selbststilisierungen und bis zu den Anfängen der Lutherverehrung zurückzugehen, um eine Genealogie des Heros Luther zu entwickeln. Nach einigen einleitenden Überlegungen dazu (1.) wird es (2.) am Beispiel des Reformationsjubiläums 1617 um die Frage gehen, wie kulturelle Heroisierung kulturelle Anti-Heroisierung und damit Parteilichkeitsbildung bedingen kann. Im Anschluss (3.) wird die Frage erörtert, wie durch gezieltes Anknüpfen an bestimmte Momente der Reformation auf dem Wartburgfest 1817 versucht wurde, der Parteibildung der freiheitlich-nationalen Bewegung in Deutschland eine kulturelle Dimension zu geben. Schließlich wird (4.) nach der Gegenwart und Zukunft des Heros Luther gefragt. Da die Deutung Luthers als Heros, wie wir sehen werden, eng einherging mit der Herausbildung des Nationalbewusstseins in Deutschland, steht zu vermuten, dass der Heros Luther in den letzten Jahrzehnten ins Wanken geraten ist. Ob dem so ist oder ob das heroische Konzept fortbesteht, wird dabei und den Beitrag abschließend ebenfalls zu erörtern sein.
Die Moderne hat ein neues Symbol kollektiver Identität hervorgebracht: den Kulturheros. Dichter, Künstler und Gelehrte traten teils neben sakrale oder politische Herrscher, teils lösten sie diese als nationale Autoritätsfigur ab. Anhand von Konstellationen, in denen Einzelne als Religionsstifter, Stadtgründer oder Nationaldichter Kultstatus erlangt haben, untersuchen die Autoren dieses Bandes Heroen wie Luther, Voltaire, Schiller, Wagner, Puškin oder Gagarin. Dabei interessieren sie sich nicht nur für die Genese des Kulturheros, sondern auch für dessen Nachleben. Ein besonderes Augenmerk gilt medialen Techniken und kulturellen Praktiken (wie Totenmasken, Bildnissen, Filmen oder Jubiläen), die die Figur des Kulturheros erst im Spannungsfeld von Kult, Kultur und Politik konstituieren.
Weibliche Vorbilder und Kulturheroinnen sind selten, besser gesagt: Sie gehören zum Personal mythischer Narrationen. Doch im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts, zur Zeit der Hussitenkriege, avancierte ein Bauernmädchen aus dem Dorf Domrémy in Lothringen zum weiblichen Vorbild schlechthin. [...] Während Jeanne in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorwiegend als historisches, danach auch als mystisch-religiöses Bildmotiv oder als Monument reüssierte, rückte sie spätestens nach dem Ende des zweiten Kaiserreichs und dem Deutsch-Französischen Krieg als nationaler Topos in den Vordergrund. [...] Am 16. Mai 1920 wurde Jeanne d'Arc heiliggesprochen; die von Stimmen geleitete Analphabetin wurde zur Schutzpatronin der Medien, der Telegraphie und des Rundfunks erklärt. Seither zirkuliert sie als transnationale Heldin der Sendungen und Übertragungen: Die vielfältige Wirkungsgeschichte der Jungfrau von Orléans hat sich in der Moderne weder auf Frankreich oder auf ein bestimmtes politisches Programm beschränkt, noch auf Kunstgattungen oder bestimmte Medien. [...] Trotz (oder vielleicht gerade wegen) dieses beispiellosen Erfolgs ist das Mädchen aus Lothringen eine politisch umkämpfte Persönlichkeit geblieben, die vom Front National Jean-Marie Le Pens ebenso beansprucht werden kann wie umgekehrt von der Linken, die den visuellen Topos der bewaffneten Jungfrau bald mit dem Bild der revolutionären Marianne in Verbindung brachte.
Mit dem Konzept der Grundordnung verbindet sich eine vieldeutige Semantik, die das Zusammenspiel von Grund (als Boden/Territorium) mit dem Grund der Begründung betrifft, das für die Konstitution wie auch Geltungsbereich von Verfassungen eine wichtige Rolle spielt. Die kulturwissenschaftliche Perspektive der Frage nach Grundordnungen richtet sich auf jene Voraussetzungen, die im Zuge der juristischen Verengung des Begriffs ausgeschlossen worden sind. Damit gehen die Untersuchungen dieses Bandes hinter bzw. vor die juristische Semantik des Verfassungsbegriffs zurück. Untersucht werden die vielfältigen Übergänge zwischen Kultur, Religion und Gesetz und damit diejenigen Praktiken und Konzepte, mit denen das Selbstverständnis eines Volkes in konkrete politisch-juristische Grundsätze oder Grundrechte transformiert wird. "Mit der Frage nach der Grundordnung gehen die Untersuchungen dieses Bandes hinter bzw. vor die juristische Semantik des Verfassungsbegriffs zurück. Denn dieser ist, wie andere moderne Fachtermini auch, das Ergebnis einer Verengung. Die 'Verfassung', zunächst ein 'Erfahrungsbegriff', "der den politischen Zustand eines Staates umfassend wiedergibt", habe sich zum Begriff für den "rechtlich geprägten Zustand eines Staates" verengt und falle "nach dem Übergang zum modernen Konstitutionalismus mit Gesetz in eins", währenddessen der Begriff des Gesetzes nun "die Einrichtung und Ausrichtung der staatlichen Herrschaft regelt" und "damit selbst vom deskriptiven zum präskriptiven Begriff" wird, so Dieter Grimm, der die genannte Verengung damit erklärt, dass der Begriff der 'Verfassung' seine "nichtjuristischen Bestandteile zunehmend" abgestoßen habe. Diese nichtjuristischen Bestandteile aber sind Grundlage und Voraussetzung des Grundgesetzes, das sich eine Gemeinschaft gibt, um sich als politisch-rechtliches Gebilde zu konstituieren. Sie betreffen das Selbstverständnis eines politischen Gemeinwesens, ob Land, Staat oder Föderation, das tiefer und weiter zurück reicht als das Gesetz."
Einleitung
(2017)
Das religionswissenschaftliche und ethnologische Kompositum Kulturheros bezeichnet Gestalten, die zwischen Göttern und Menschen stehen und die "für die Menschen überlebenswichtige[s] Kulturwissen zum ersten Mal einführen". Die Taten eines Kulturheros - etwa die Übergabe des Feuers an die Menschen - können in die Tradition der jeweiligen Gesellschaft eingehen, "zu bestimmten Anlässen feierlich erinnert" und "die Stiftungslegende eines Kults bilden". Die Enzyklopädie des Märchens definiert den Kulturheros als "mythische Figur meist früherer Überlieferungen, die für die jeweilige Gesellschaft Entscheidendes und Lebenswichtiges leistet". Donald Ward, der Verfasser dieses Eintrags, spricht zwar davon, dass neben Heiligen auch "Begründer, Reformer, Erfinder und politische Führer manchmal als echte Kulturheroen" (etwa Luther oder Kolumbus) gesehen werden können, seine Argumentation bleibt aber weitgehend auf Gestalten aus der Mythologie beschränkt. In unserem Band geht es hingegen nicht um mythische Figuren wie etwa Prometheus, sondern um ein neuzeitliches Phänomen: Mit Kulturheroen meinen wir Schriftsteller, Dichter, Wissenschaftler, Künstler oder Intellektuelle, denen ebenso wie den Kulturheroen der Religionswissenschaft bzw. Ethnologie in der Regel posthum eine herausragende kulturstiftende Rolle in der Gemeinschaft bzw. Gesellschaft zugeschrieben wird. Seit der Neuzeit werden Kulturheroen in dieser Weise medial konstruiert und durch Kultpraktiken geehrt, die früher eher militärischen oder politischen Helden vorbehalten waren.