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Anhand der Konstruktion von Joan of Arc in Saint Joan untersucht dieser Artikel, wie George Bernard Shaw die Position einer Außenseiterin nutzt, um seine geschlechtspolitischen und ästhetischen Ziele zu verdeutlichen. Im Vergleich mit älteren Darstellungen der französischen Nationalheldin wird Shaws spezifische Rezeption des Jeanne-d’Arc-Mythos skizziert und dargestellt, wie Shaw Joans geschlechtliche Differenz als Fortsetzung seiner Kritik an Geschlechternormen entwickelt. Aufbauend darauf präsentiert Shaw Joan zudem als mentale Ausnahmefigur, über deren Visionen ein anderer Begriff des Realismus stark gemacht wird, mit dem Shaw sein eigenes schriftstellerisches Wirken identifiziert.
Zwei Thesen sollen in diesem Aufsatz entfaltet werden: Die erste besagt, dass im Poetischen Realismus von Stifter bis Fontane, Raabe und Storm – analog zur deutschen Wirtschaftslehre des 19. Jahrhunderts – die Smith zugeschriebene Position einer Präzedenz des ökonomischen
Egoismus bestritten und an dessen Stelle der Gesamtnutzen als wirtschaftliches Movens in den Vordergrund gestellt wird. Sozusagen in Umdrehung der smithschen These werden Geschäftsmänner geschildert, die das ökonomische Wagnis eingehen, sich vorderhand um die Gesamtverfassung der Gesellschaft zu kümmern und damit belohnt werden, dass sie selbst reich werden. Freilich halten, wie die zweite These besagt, diese Behauptungen einer zweiten Lektüre nicht unbedingt stand. Bei Stifter, so soll gezeigt werden, bleibt die vom Kopf auf die Füße gestellte These Smith' ein rein rhetorisches Phänomen, weil ihr zwar nicht widersprochen, sie jedoch, mangels Gegengewicht durch den Icherzähler, auch nicht verifziert wird. Diese Tendenz verstärkt sich in den heterodiegetisch erzählten Romanen/Erzählungen Storms, Fontanes und Raabes, die als Gegenmodell des moralischen Geschäftsmanns nicht mehr nur den Smithianer, sondern dessen Radikalisierung und historischer Nachfolger, den Spekulanten, notieren. Diese Texte gehen das narrative Risiko ein, gegen ihre eigene Argumentation eine innere Verwandtschaft zwischen moralischem Geschäftsmann und Spekulant zu insinuieren und damit Letzteren nachhaltig aufzuwerten.
Zwischen 1843 und 1888 veröffentlichte Fanny Lewald 24 teils mehrbändige Romane, 27 Bände Novellen und Erzählungen, eine sechsbändige Autobiographie, fünf Reisetagebücher, zahlreiche Feuilletons, Erinnerungen an bekannte Persönlichkeiten, frauenemanzipatorische Schriften und soziale Appelle in Zeitungen und Zeitschriften - ein umfangreiches Werk. Über den Zeitraum von annähernd einem halben Jahrhundert spiegeln ihre Schriften die wechselvolle deutsche Geschichte wider - Vormärz, Märzrevolution 1848, Restauration, Reichseinigung, Kaiserreich - ebenso wie die Geschichte der deutschen Literatur von jungdeutscher Tendenz- und Reflexionsliteratur bis hin zum poetischen Realismus und Naturalismus. Denn mit zahlreichen romantheoretischen Äußerungen, die sich sowohl in ihren Prosawerken wie in Briefen und anderen nichtfiktiven Schriften finden lassen, macht Fanny Lewald wie wenige andere Autorinnen des Vormärz ihren poetologischen Standpunkt deutlich. Früh- und Spätwerk der Autorin sind, bezogen auf ihr erzählerisches Konzept und die Gestaltungsweise, sehr unterschiedlich. Doch in einem Punkt bleibt sich Fanny Lewald treu - ihre Prosa bleibt lebensnah, zeitlebens favorisiert sie den sozialen und psychologischen Roman.
Wir können unter den Vorzeichen des nicht mehr ganz so jungen aktuellen Jahrhunderts von einem "Realismus der Globalisierung" sprechen. Doch scheint der Erzähltext, im speziellen der Roman als Leitmedium von alternativen Weltentwürfen, gegen die Dominanz der visuellen Narrative (z.B. TV-Serien wie "The Wire") im Sinne einer zeitgenössischen Ästhetik des Realen eine seiner letzten Domänen zu verlieren. Welche Rolle kann die Literatur angesichts dieser weit fortgeschrittenen Verschiebung des medialen Feldes noch spielen? Welche Eigenständigkeit kann sie darin behaupten?
Das Ziel einer in zwei Teilen konzipierten Untersuchung soll es sein, diese beiden Fragen am Beispiel der Romane "Alle Tage" (2004) und "Der einzige Mann auf dem Kontinent" (2009) von Terézia Mora exemplarisch und – mit Blick auf die Hauptthese auch experimentell für die Literatur – zu beantworten. Der erste Teil dieser Untersuchung, in welcher der Roman "Alle Tage" im Zentrum steht, liegt hiermit in einer ersten Fassung vor.
Sophies Briefe in den "Poggenpuhls" von Theodor Fontane: Selbstkommentar als Programm des Realismus
(2020)
Ziel dieses Artikels ist, die Kapitel elf und zwölf des Romans "Die Poggenpuhls" zu untersuchen, der von Theodor Fontane im Jahr 1896 veröffentlicht wurde, und zu überprüfen, ob die Briefe, die in diesen Kapiteln präsentiert werden, als ein selbstreferentieller Kommentar zum Roman selbst gesehen werden können. Dafür werden andere Texte vom Autor herangezogen und analysiert, wie "Unsere lyrische und epische Poesie", ein Aufsatz, in dem Fontane ein Programm für den Realismus in der deutschen Literatur entwirft und das Werk zeitgenössischer Dichter kommentiert; "Effi Briest", ein Roman, der ebenfalls 1896 im Buchformat erschien; und Kommentare des Autors selbst, die in Briefen an Freunden und Kritikern zu finden sind. In ihren Briefen beschreibt die Figur Sophie den ihr erteilten Auftrag, drei Gemälde in einer protestantischen Kirche zu malen. Sie beschreibt und rechtfertigt die biblischen Motive, die von ihr für die Aufgabe abgelehnt werden, um danach diejenigen zu beschreiben, die sie darstellen möchte. Dabei begründet sie ihre Wahl und gibt ihren Schaffensprozess wieder. Es wird vertreten, dass diese Kapitel den Aufbau des Romans sowie die Beziehung zwischen Form und Inhalt im Text begründen, und dass sie versuchen, dessen Rezeption zu lenken, indem mögliche Vorwürfe im Voraus abgewehrt werden.
O artigo aponta afinidades entre os pensamentos de Erich Auerbach e Siegfried Kracauer, discutindo procedimentos metodológicos e questões críticas recorrentes. A ênfase recai sobre matizes e implicações de suas concepções de realismo estético e sobre o interesse de seus trabalhos para o debate teórico e para o exercício da crítica literária hoje.
A narrativa "Zum wilden Mann" (1874) de Wilhelm Raabe apresenta a história de uma farmácia na província alemã e do seu dono, observando os princípios estilísticos do realismo poético, a tendência literária dominante na segunda metade do século 19 nos países de língua alemã. A despeito da localização no mundo contemporâneo de Raabe e seus leitores, a trama e os protagonistas apresentam traços que remetem à esfera fantástica de pactos demoníacos e homens selvagens. Esses elementos interferem com a esfera realista das relações econômicas entre os protagonistas, baseadas- em empréstimos, juros e o comércio globalizado, e aludem aos aspectos inumanos dos negócios modernos. Divergente da prática cultural geral, Raabe atribui o "selvagem" e o "diabólico" às "conquistas" recentes da civilização que emergem de forma similar na Alemanha e nas antigas colônias. O Brasil traçado pela narrativa, em vez de ser um ambiente exótico, é apenas um outro cenário dos processos industriais e comerciais.
Die Beziehung von res und verba ist ihrem Grunde nach eine sprachphilosophische. Sie handelt von jenen Dingen, die überhaupt der Sprache zugänglich sind, bzw. von jenen Gegenständen, welche durch ihre Artikulation erst zu Dingen der Sprache werden. Der Fokus der Überlegungen konzentriert sich auf die Organisation des Verhältnisses von res und verba, für das über Jahrtausende hinweg in erster Linie die Rhetorik zuständig gewesen ist. Diesem liegen allerdings tatsächlich zwei sprachphilosophische Annahmen zugrunde, die von gegensätzlichen Voraussetzungen ausgehen.
Realismus revisited
(2016)
Während sich unsere Wirklichkeit medial, technologisch und politisch rasant wandelt, macht Realismus wieder von sich reden. In der Philosophie liest man vom spekulativen oder neuen Realismus, Politiker werben um mehr Realismus, in den Sozialwissenschaften beginnt man am Primat des Konstruktivismus zu zweifeln, und auch in der Literatur hat Realismus Konjunktur. Das Semesterthema des ZfL widmet sich der Rückkehr des Realismus und seinen unterschiedlichen Manifestationen. Dabei geht es uns nicht nur um Sichtung und Analyse der aktuellen Realismus-Diskurse, sondern auch um ihre mehr oder weniger latenten Vorgeschichten. In ihnen spielt der künstlerische Realismus seit langem eine besondere Rolle.
Durch den unbeirrbaren Blick in Roberto Bolaños Roman "2666" auf eine Serie von horrenden Gewaltverbrechen soll die komplexe Struktur einer transnationalen, spätkapitalistischen Wirklichkeit ans Licht gebracht werden, die sich einer rein gegenständlichen Anschauung entzieht und bestenfalls in Metaphern von Kreisläufen, Transaktionen und Kapitalflüssen vorstellbar ist. Die realistische Leistung besteht nun darin, dass eine Schicht dieser sozio-ökonomischen Wirklichkeit, die in beinahe sofortige Vergessenheit zu fallen droht, den Leser_innen immer wieder aufs Neue interessant gemacht wird - und zwar allein durch ihre minimal variierte Wiederholung.