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Ich will zuerst [...] die These vorstellen, daß der Gegenstandsverlust der Germanistik eingebildet ist. Wer seinen Gegenstand verliert, ist selber schuld. Die Literaturwissenschaft, sagt W. Barner zurecht, ist eine Kunstwissenschaft. Dies ist ihr Kern. Diesen zu vernachlässigen, käme einer Selbstliquidation der Literaturwissenschaft gleich. Germanisten, die sich nicht zuerst als Kunstwissenschaftler verstehen, gehören nicht ins Fach oder höchstens zu seinen Rändern. Es gibt für die Legitimation der Germanistik nur zwei Fragen: (warum) muß es diejenige Kunst geben, die wir Literatur nennen? Die Frage gilt historisch und aktuell. Und: warum muß es neben dem primären Gebrauch von Literatur (das Lesen) eine Expertenschicht geben, die sich professionell mit der Erklärung der Literatur beschäftigt? Es gibt zwei Richtungen, in denen der praktische Nachweis für die fragliche Legitimität geführt werden kann. 1. Die bloß historische Faktizitat der Literatur wird mit theoretisch überzeugenden Gründen legitimiert. Will sagen: Die Literatur weist besondere Eigenarten und Leistungen auf, die von anderen wertbesetzten kulturellen Aktivitäten wie z.B. Musik komponieren, Mathematik machen, Stoffe veredeln, bewegte Bilder herstellen nicht oder nur schlechter ersetzt werden können. Das Spezifische der Literatur, das historisch jeweils anders ausdifferenziert ist, bildet den Kern der Legitimiation auch der Literaturwissenschaft. Diese aber gewinnt ihre eigentliche Rechtfertigung nicht deswegen, weil Literatur nicht substituierbar ist, sondern weil man jedenfalls seit der Neuzeit den kulturellen Wert der Literatur nur dann hinreichend entfaltet, wenn man sie professionell erklärt. Man muß also die Erklärungsbedürftigkeit der Literatur erklären, um sich als Wissenschaftler der Literatur zu begründen.
Der Absatz hat in der Sprachtheorie nur relativ wenig Aufmerksamkeit gefunden. In diesem Beitrag soll den Gründen für die Marginalisierung dieser schriftsprachlichen Einheit nachgegangen werden. Zu diesem Zweck wird der Absatz zunächst im Kontext 'benachbarter' Einheiten (Text, Satz, Periode) betrachtet. Danach werden einschlägige Beiträge gesichtet, und zwar sowohl ältere und neuere Absatzcharakterisierungen aus dem deutschen Sprachraum als auch Beiträge aus anderen Sprachkulturen. Anschließend wird die linguistische Relevanz dieser Einheit diskutiert. Hierbei wird unter anderem demonstriert, dass viele Beiträge zur Absatztheorie der traditionell-rhetorischen Konzeption der Periode nahe stehen, sodass es sich empfiehlt, diese beiden Konzeptionen im Zusammenhang zu betrachten.
The article focuses on Jacob Grimm's linguistic scholarship, taking into account biographical details, Grimm's conception of law and freedom, and his morality. Examples consist of original citations from Grimm's works, primarily his "Deutsche Grammatik" and "Deutsches Wörterbuch".
Rezension zu: Sarah Kember: Cyberfeminism and Artificial Life. London/New York: Routledge 2003. 257 Seiten, ISBN 0–415–24026–3 (Hardcover) / 0–415–24027–1 (Paperback), € 71,82 (Hardcover) / € 21,98 (Paperback)
"Künstliches Leben" zu schaffen, galt über Jahrhunderte hinweg als Phantasma, dem man vor allem mit den Mitteln der Literatur und der Kunst nachjagte. Ein Topos, der Kultur als Kontrolle, Beherrschung und Verbesserung der Natur definiert – und in dem sich menschliche Machtphantasien und misogyne Obsessionen auf markante Weise mischen: Wo die biologischen Funktionen von "sex" eigentlich überflüssig werden sollten, treten Geschlechterdichotomien und -hierarchien als Konstruktionen um so deutlicher hervor. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Allerdings haben mit den aktuellen Entwicklungen in den Bio- und Informationstechnologien die Phantasmen zunehmend an Realität gewonnen. Ob nun in den Computerlaboren der Unterhaltungsindustrie oder in denen der Genomforschung: Allenthalben scheint es um die Formel des Lebens zu gehen. Aber was bedeutet das eigentlich? Welche Rolle wird "Künstliches Leben" in unserem künftigen Leben spielen? Und welche Rolle spielen dabei die Phantasmen, die dieser Topos transportiert? Wie greifen diese "virtuellen Realitäten" in unsere Körper- und Identitätskonzepte, unsere Subjekt- und Geschlechtervorstellungen ein? Sarah Kembers Buch verspricht, erhellende Schneisen durch das Dickicht der definitionsmächtigen Diskurse, Konzepte und Konstruktionen zu schlagen und neue Wege für feministische Interventionen in die Auseinandersetzungen um "Artificial Life" aufzuzeigen.
The contribution of von Kempelen's "Mechanism of Speech" to the 'phonetic sciences' will be analyzed with respect to his theoretical reasoning on speech and speech production on the one hand and on the other in connection with his practical insights during his struggle in constructing a speaking machine. Whereas in his theoretical considerations von Kempelen's view is focussed on the natural functioning of the speech organs – cf. his membraneous glottis model – in constructing his speaking machine he clearly orientates himself towards the auditory result – cf. the bag pipe model for the sound generator used for the speaking machine instead. Concerning vowel production his theoretical description remains questionable, but his practical insight that vowels and speech sounds in general are only perceived correctly in connection with their surrounding sounds – i.e. the discovery of coarticulation – is clearly a milestone in the development of the phonetic sciences: He therefore dispenses with the Kratzenstein tubes, although they might have been based on more thorough acoustic modelling.
Finally, von Kempelen's model of speech production will be discussed in relation to the discussion of the acoustic nature of vowels afterwards [Willis and Wheatstone as well as von Helmholtz and Hermann in the 19th century and Stumpf, Chiba & Kajiyama as well as Fant and Ungeheuer in the 20th century].
Im fünften Jahr in Folge luden das Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der Freien Universität Berlin, das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und das Exzellenzcluster 16 der Universität Konstanz am 10. Juli 2010 ein zu einem für alle Interessierten offenen Forum für NachwuchswissenschaftlerInnen, die sich im Feld von Literature and Science betätigen und vorläufige Ergebnisse noch nicht abgeschlossener Arbeiten zur Diskussion stellen möchten.
The article analyses A. Boissier's image "Les Amants électrisés par l'amour" in view of the larger question of how something is able to arouse interest on first sight, but also in repeat encounters. Highlighting the engraving's didactic iconography, the article shows how it revolves around the solution to a riddle and uses a typical design of the Enlightenment to show the uncovering of a deception. As such, the engraving is part of a long tradition of showing (supposedly) supernatural events, more specifically the tradition of Magia naturalis. At the same time, the image contains dissonances and can be seen to simulate suspense through dichotomies that can be identified as antagonistic historical concepts. The article furthermore discusses the amalgamation of love and electricity in contemporary discourses and addresses the temporal dimension of the engraving, which constructs itself out of an absence, out of something yet unseen.
Psychiatrie
(2016)
In der Psychiatrie hat die Prognose über den Verlauf und den Ausgang von Erkrankungen eine Schlüsselstellung inne. Sie verknüpft die Erkenntnis, welche Ursachen eine Erkrankung besitzt, und die Frage, welche Therapie geboten ist, mit einem Wissen, wie die Krankheit verlaufen und ausgehen wird. Jedoch stehen einer Vorhersage der Zukunft zahlreiche Hindernisse entgegen, die einerseits in der Kontingenz des Lebens selbst, der Individualität der Patienten oder auch der Ungewissheit, ob und wie Therapien anschlagen, liegen. Jedoch ist in der Psychiatrie eine Prognose schwierig, weil vielfach unklar ist, was eine Krankheit überhaupt ist, welche Ursachen sie besitzt und wie sie von anderen Krankheiten zu unterscheiden ist. Dennoch entsteht im 19. Jahrhundert ein unmittelbarerer Nexus von Diagnose und Prognose, der den epistemologischen Kern der Psychiatrie definiert. Im 20. Jahrhundert wird der Nexus von Diagnostik und Prognostik auf neue Weise gefasst. Die Psychiatrie wird zu einer Zukunftswissenschaft, die nicht mehr nur vorhersagt, wie eine Krankheit, Erkrankung oder Störung verlaufen und ausgehen wird. Vielmehr schafft sie ein neuartiges Verständnis dafür, was psychische Gesundheit sei und nimmt insbesondere das Verhältnis von manifester, akuter Erkrankung und zukünftiger, wahrscheinlicher Erkrankung in den Blick.
Der Aufsatz nimmt die argumentative Struktur in Tobias Peucers Dissertation "De relationibus novellis" (Leipzig 1690) in den Blick und beschreibt die Sicht Peucers auf eine "angemessene" Presseberichterstattung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Dies betrifft nicht zuletzt auch die Frage nach den persönlichen Dispositionen des Nachrichtenschreibers und der "inneren Haltung", mit der die frühmodernen Zeitungstexte verfasst wurden. Insbesondere ist im Hinblick auf Peucer und seine Zeitgenossen die Frage nach der zeitgenössischen Ausdifferenzierung von fiktionalen und faktualen Textsorten zu stellen. Auch offensichtlich fiktionale Texte bedienen sich sprachlicher Beglaubigungsstrategien, mit denen Glaubwürdigkeit herausgestellt und Faktualität postuliert wird. Das Spannungsfeld zwischen Unterhaltung, Nachrichtenwert und Glaubwürdigkeit von Nachrichten wird auch bei Peucer eindringlich und nach den wissenschaftlichen Standards der Zeit diskutiert.
The article aims to give an overview about the application of Optimality Theory (OT) to the domain of pragmatics. In the introductory part we discuss different ways to view the division of labor between semantics and pragmatics. Rejecting the doctrine of literal meaning we conform to (i) semantic underdetermination and (ii) contextualism (the idea that the mechanism of pragmatic interpretation is crucial both for determining what the speaker says and what he means). Taking the assumptions (i) and (ii) as essential requisites for a natural theory of pragmatic interpretation, section 2 introduces the three main views conforming to these assumptions: Relevance theory, Levinson’s theory of presumptive meanings, and the Neo-Gricean approach. In section 3 we explain the general paradigm of OT and the idea of bidirectional optimization. We show how the idea of optimal interpretation can be used to restructure the core ideas of these three different approaches. Further, we argue that bidirectional OT has the potential to account both for the synchronic and the diachronic perspective on pragmatic interpretation. Section 4 lists relevant examples of using the framework of bidirectional optimization in the domain of pragmatics. Section 5 provides some general conclusions. Modeling both for the synchronic and the diachronic perspective on pragmatics opens the way for a deeper understanding of the idea of naturalization and (cultural) embodiment in the context of natural language interpretation.