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Was soll man erwarten,wenn GOETHE, das vielleicht letzte Universalgenie, unter dem Aspekt der Bildung untersucht wird? Scheint doch gerade zu sei-nem Bildungsbegriff mehr als genug geschrieben und gesagt worden zu sein. Hinzu kommen die Bildungsfolgen GOETHEs, die in der Tat unübersehbar sind. Vom Konzept des Bildungsromans und dem kaum von GOETHES Werken (zumindest im Bücherschrank) zu trennenden Bildungsbürger bis hin zu der nicht nur Germanistik-Bibliotheken und ihre Benutzer prägenden Epo-chenbezeichnung Goethezeit. Zwar werden Bildungsroman, Bildungsbürger und Goethezeit immer häufiger unter kritischem Vorzeichen gesehen, doch zeugt diese Diskussionswürdigkeit eher von der Vitalität als von der Über-lebtheit des Bildungsguts GOETHE. Hier sollen nun keine weiteren GOETHE-Büsten nach Weimar (bzw. in bildungsbürgerliche Wohnzimmer) getragen werden, noch wird angestrebt, den Jubilar endgültig als hoffnungslosen Dilettanten und universellen Nichts-könner zu entlarven. Es geht vielmehr darum, in einer Mischung aus unum-wundenem Respekt vor der Vielfältigkeit seiner Tätigkeitsfelder einerseits und nahezu ausschließlicher Neugierde bezüglich der Motivation GOETHES für diese Beschäftigungen andererseits ein kaleidoskopartiges Bild zu entwer-fen. Weder Bildungsgang noch -begriff GOETHEs (JANNIDIS 1996) samt ihrer pädagogischen Nutzbarmachung (z.B. BÖHME 1991) stehen damit im Zent-rum des Interesses, sondern seine je konkrete – und, wie sich zeigen wird, alles andere als unstrukturierte – Bildungspraxis.
Ein zentrales Problem sieht Katrin Fischer in der Teleologie, deren Thematisierung auf der Ebene der erzählten Welt sie mit Goethes bekannter ablehnender Einstellung zur Teleologie kontrastiert. Sie bereitet so ihre Überlegungen im dritten Kapitel vor, in dem sie die Frage nach der Teleologie in Beziehung setzt zum zeitgenössischen Diskurs "Bestimmung des Menschen" und Goethes Problemformulierung im Wilhelm Meister nun als komplexe Stellungnahme deuten kann. Im Zentrum ihrer Überlegungen steht dabei die Überlegung, daß der Roman nicht nur ein Bildungskonzept formuliert, sondern bereits eine Auseinandersetzung mit Folgeproblemen dieses Konzepts darstellt. Sie ist besonders darum bemüht, die Thematisierung des Bildungsproblems auf der Figurenebene, auf der Erzählerebene und symbolisch formuliert auf der Ebene der Handlung deutlich zu unterscheiden und in eine gemeinsame Deutung zu integrieren. Die beiden Abschlußkapitel gehen auf zwei besondere Probleme ein: das Ende und das Bezugsproblem. Das Finale, das mit seiner Folge von Zufällen und plötzlichen Wendungen den bisherigen Gang der Dinge sehr schnell zu einem glücklichen Ende bringt, scheint das sonst so deutlich formulierte Bildungskonzept zu negieren. Katrin Fischer sieht hierin den Versuch, durch das Einbeziehen des Zufalls ein wesentliches Element des Bildungsprozesses zu gestalten. Alle Aspekte, die mit der Turmgesellschaft verknüpft sind - die Kritik am Schicksalsglauben, Bildungskonzepte und die Bedeutung von Bildung, Liebesglück, und auch die zufällige Handlungsfügung im Verhältnis zu rationalen Methoden der Lebensführung – lassen sich als Lösungen für das Bezugsproblem lesen, der Frage nach dem Gelingen des Lebens im Kontext der Frage nach der Bestimmung des Menschen sehen.
Die Gedichte Goethes [...] sind keine autonomen Einzelgebilde. Das lyrische Gebilde muß in seiner momenthaften Abgeschlossenheit mit anderen Mitteln als eine "Rolle" der Wahrheit kenntlich gemacht werden. Auch ein konsequenter zyklischer Bau wäre dafür ungeeignet, denn auch er ergäbe schließlich ein abgeschlossenes Gebilde. Das probateste Mittel, Kontingenz der Oberfläche und Consensus der "Wahrheit" zu gestalten, ist das lyrische Ensemble.
Bedeutende Situationen, in einer künstlichen Folge : Goethes und Hofmannsthals Singspiele und Opern
(2004)
Goethes Texte zu Singspielen und Opern werden wie seine gesellige Dichtung überhaupt weithin mißachtet, ja kaum auch nur gekannt. Wie aber Stammbuch und Widmungsgedichte – im umgekehrten Verhältnis zu ihrer generellen Geringschätzung – einen quantitativ wie qualitativ gewichtigen Teil von Goethes lyrischem Gesamtwerk ausmachen, so bilden die zwanzig Texte und Entwürfe zu Singspielen und Opern fast ein Fünftel seiner dramatischen Produktion (außer dem Faust). Zu ihrer angemessenen Würdigung kann ein Blick auf die für die Operngeschichte so bedeutungsvollen Libretti Hofmannsthals beitragen, die die schneidende Ablehnung des George-Kreises wie das bezeichnende Stillschweigen in Borchardts "Eranos-Brief" erfahren hatten.
August von Kreling (1819-1876), ein vor allem in München und Nürnberg tätiger, zu seiner Zeit hoch angesehener Maler, schuf in seinen letzten Lebensjahren einen Zyklus von Kompositionen zu Goethes „Faust“, die durch Photographien und Holzschnitte weit verbreitet waren. Das Goethezeitportal publiziert die effektvollen Bilder auf Postkarten aus mehreren Verlagen und setzt damit die Folge von Serien mit Faust und Gretchen fort.
Auch auf die Gefahr hin, den Zorn der Zunft auf mich zu lenken, möchte ich eine These wagen, die dem strikt zuwiderläuft, die nämlich, wonach es sich bei Rom, Blicke nicht sowohl um eine Zerstörung, denn vielmehr um eine Neuaufnahme und Fortführung des Italien-Mythos handelt, dessen Nachgeschichte erst in Ansätzen erforscht ist. Wenn es nicht so arg feuilletonistisch klänge, würde ich von Brinkmann als dem Goethe unserer Tage sprechen. Auf jeden Fall gibt es keinen Text, der es mehr verdiente, mit der Italienischen Reise verglichen zu werden, als Rom, Blicke. Beide Bücher sind unzeitgemäß und dadurch über ihre Zeit hinaus zeitgemäßgeblieben, im Zentrum des einen wie des anderen steht die Frage nach dem Fenster, das nach Süden hin offen ist. Goethe findet es in Rom und mehr noch in Neapel und Sizilien. Bei Brinkmann hat es zwar den Anschein, als ob es für ihn unauffindbar geworden sei oder aber von ihm, wo immer er es antraf, ignoriert, wenn nicht gar zerschlagen worden wäre. Aber das täuscht, wie wir noch sehen werden. Gerade auch für ihn gilt, was Anselm Feuerbach als Geheimnis Roms ausgemacht hat: Bei diesem Namen hört alles Träumen auf, da fängt die Selbsterkenntnis an, und Rom, die alte Zauberin, weist einem jeglichen Menschenkind seinen Platz an.