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Zwar trifft für alle romantischen Schriftsteller zu, ob für Kleist oder die beiden Schlegel, für Görres oder Arndt, für Chamisso oder Steffens, für Novalis oder Heine, daß die Thematisierung Frankreichs nicht zu trennen ist von der eigenen kulturellen und nationalen Identitätsfindung. Das Sprechen über Frankreich ist für alle Genannten ein Reden über sich selbst, über das Selbstverständnis als Territorialpatriot, als Deutscher und als Schriftsteller. Und doch gilt dies in besonderer Weise von Achim von Arnim.
Die Gralsthematik ist bei Wolfram, auch was die Geschichte des Grals angeht, wesentlich weiter ausgeführt als bei Chrétien: die Notwendigkeit einer Vorgeschichte, wie sie Robert de Boron wohl für Chrétien bieten will (...), war bei ihm daher nicht gegeben. Vergleichbares gilt für die Geschichte der Elterngeneration, die bei Wolfram (...) ebenfalls ausführlich berichtet ist.
Den Romanen des "philosophischen Schriftstellers" Italo Calvino lassen sich grundlegende Fragen der zeitgenössischen Ästhetik entnehmen. Sie eröffnen einen Horizont, innerhalb dessen sich auch das theoretische und literarische CEuvre des "Roman-schreibenden Philosophen" Umberto Eco bewegt, ja es scheint fast, als befänden sich die Werke beider in einem Dialog. Jedes lebendige Kunstwerk ist, wie Eco betont, ein Kunstwerk in Bewegung, offen für neue interpretative und kommunikative Möglichkeiten sowie für neue Möglichkeiten des ästhetischen Genusses. Der Interpretationsprozeß gleicht einer Pendelbewegung zwischen der "Offenheit" der Rezeptionsmöglichkeiten und der "Geschlossenheit" bzw. Bestimmtheit des Werkes durch seine Struktur. Der Interpret steht demnach innerhalb einer nicht stillzustellenden Bewegung. in deren – immer erneut notwendigen – Nachvollzug er sowohl Erkenntnisse über die "kombinatorischen Möglichkeiten des Codes" gewinnt, als auch über "die Codes (...) einer bestimmten Periode der Kunstgeschichte." Daher ist es die Aufgabe der semiotischen Interpretation eines ästhetischen Textes, "das strukturierte Modell für einen unstrukturierten Prozeß eines kommunikativen Wechselspiels" zu liefern. Für Eco ist die Interpretation ein pragmatisch-hermeneutischer Prozeß, der im "Taumel der Möglichkeiten" bestimmte Bedeutungsmöglichkeiten ausschließt und andere privilegiert. Ein "epochales" Kunstwerk ist nach Eco eine "epistemologische Metapher", es repräsentiert ein "diffuses theoretisches Bewußtsein", das von den wissenschaftlichen und ästhetischen Theorien seiner Zeit gespeist wird. Dies gilt in besonderem Maße für die Romane Calvinos und Ecos: Der "Held" ihrer Romane ist der Interpretationsprozeß im Spannungsfeld zwischen Autor, Text und Leser. Dabei geht es um die Frage: Wie wird sich der Interpret im Verlauf der Interpretation seiner Rolle als Interpret bewußt? Die Absicht Ecos und Calvinos ist eine aufklärerische: Sie wollen einen "neuen Leser" schaffen, der sich seiner Rolle als Leser bewußt ist und der die Verantwortung für seine Lektürekonzeption übernimmt. "Ein Text will für seinen Leser zu einem Erlebnis der Selbstveränderung werden".
[Volker Mertens] will den im Berliner Ms.germ.fol. 640 (Tristan-Hs. P, Eilhart-Hs. D) überlieferten Tristan-Roman als Ganzes interpretieren und [beschreibt] zu diesem Zweck zuerst die Textgestalt beider Komponenten. Die Komplexität von Gottfrieds Konzeption, ihre gewollte Ambivalenz ist im Berliner ‚Tristan’ zwar reduziert, aber nicht aufgegeben. Gottfried stellt die Uneindeutigkeit durch die Spannung von Erzählfabel und Kommentar einerseits und innerhalb der Kommentare durch sprachliche Momente her – dem gegenüber bedeutet die Eilhart-Fortsetzung allerdings eine Vereindeutigung, die nachträglich auch das Verständnis Gottfrieds überformt und die Ambivalenz reduziert. Der Verzicht auf jegliche Kommentierung bedeutet aber auch einen Appell an die Offenheit für Verstehensmöglichkeiten seitens des Lesers. Diese sind durch Ausdeutung der Fabel bereits sensibilisiert und präformiert und können dann bei der Lektüre des abschließenden Eilhart-Textes aktualisiert werden. Sein Schluß in seiner lapidaren Eindringlichkeit ist gar nicht so weit von Thomas’ überliefertem Ende – der ganze konsolatorische Apparat Ulrichs und Heinrichs bleibt ja weitgehend ausgespart. Der schaden für Gottfrieds ‚Tristan’ in der Berliner Fassung ist nicht so groß, wie es aufs erste scheint: seine kunstliche geschichte wirkt wie der Trank auch nach dem Tode des Autors weiter und gibt dem Eilhart-Schluß eine Minne-Konzeption vor, die Heil und Heil-Losigkeit der Geschlechterliebe umgreift.
In Lenzens Briefen, seinen „stets unmittelbar und originell hervorsprudelnden Herzensergüssen [...] spiegelt sich des Dichters innerstes Sein und Wesen in lebendiger Treue [...].“(...) Diese Ansicht formulierte Franz Waldmann 1894 in schöner Übereinstimmung mit der allgemeineren zeitgenössischen Überlegung zum sogenannten Sturm und Drang-Brief. (...) Als zunächst vielleicht paradox anmutende These sei vorangestellt: Waldmanns Aussage gilt um so weniger, je „unmittelbarer“ und persönlicher die Briefe erscheinen; sie dokumentieren des „Dichters innerstes Sein und Wesen“ nicht „unmittelbar“, sondern nur in vermittelter Weise, im Bewußtsein des Absenders von seiner Rolle als Schriftsteller und in seiner genauen Kenntnis der literarischen Gesetze des sogenannten Sturm und Drang-Briefes. (...) Nicht auf den Briefschreiber kommt es an, sondern auf den Brief. Dies wäre, wenn die Interpretation stimmt, dem literarischen Charakter der Briefe angemessen.
[In seiner Studie will Volker Mertens] vor allem die konnotativen Bedeutungen darstellen, die für die ‚Jagd’ zu erschließen sind: es sollen als solche die gesellschaftlichen Traditionen der realen und der allegorischen Jagd in der Literatur gelten, die anthropologischen Deutungspotentiale der dargestellten Vorgänge und die mythische Dimension des literarischen Jagdmotivs.
[Volker Mertens] Beitrag beschäftigt sich mit den Texten, die teils auf hoch- (Tristant), teils auf spätmittelalterliche Vorlagen (Melusine, Magelone) zurückgehen und deren letztbetrachteter Fall einer weitgehend autonomen Erfindung des Autors Jörg Wickram entspringt. (…) [Volker Mertens fragt] nach der Darstellung der Geschlechterliebe (…) im jeweiligen Werk und nach ihrer spezifischen Semantik im Rahmen der literarischen und gesellschaftlichen Situation der Entstehungszeit, die etwa einhundert Jahre umspannt – von der 1456 aus dem Französischen adaptierten Melusine des Thüring von Rigoltingen, über den Prosa-Tristant von 1484 und Veit Warbecks Magelone von 1527 bis zum 1557 gedruckten Goldfaden. Um das liebessemantische System des Hochmittelalters einzubeziehen, (…) [stellt Volker Mertens] den Tristant im Vergleich zur Versfassung Eilharts von Oberge von ca. 1190 an den Beginn.
[Volker Mertens greift] (…) auf die von Rainer Warning formulierte „doppelte Rollenhaftigkeit“ des lyrischen Ichs zurück (…), [die er] Performanz-Ich und Text-Ich (…) [nennt]. (…) Beide Ichs stehen in Spannung zum (biographischen)Autor (…), wobei seine Nähe zum Performanz-Ich dann besonders groß ist, wenn er selbst als Sänger seiner eigenen Lieder auftritt. Der Autor ist in hohem Maße sozial eingebunden, das Performanz-Ich fügt sich in eigene Traditionen und Konventionen, besitzt aber weitgehende Lizenzen im Vergleich zur sozialen Realität; am freiesten von äußeren Bedingungen ist das Text-Ich. Ein Beispiel aus Walthers Minnesang kann das verdeutlichen (…).
Die Geschichte des ästhetisch Wunderbaren läßt sich in drei Schritten oder Phasen nachzeichnen: vom Wunder zum Wunderbaren und vom Wunderbaren zum Phantastischen. Das Phantastische ist die höchste Emanzipationsstufe, wo das freie Spiel der Einbildungskraft in seiner autonomen, auf sich selbst gestellten Gesetzlichkeit das Reale, Vertraute unserer gewöhnlichen Welt in Frage stellt. Diese Entwicklung vom Wunder zum Wunderbaren und vom Wunderbaren zum Phantastischen wird von Jacob Grimm jäh unterbrochen. [...] Jacob Grimm leitet eine Denkbewegung ein, die ich die Rettung des Wunderbaren aus der Zerstörung durch das Phantastische nennen möchte. Dieser Rettungsversuch kann und will nicht mehr zur Rehabilitierung des theologischen Wunders zurückführen. Statt dessen zielt er auf das "Unvordenkliche" der eigenen Herkunft, das auf den Glauben an das eigene Volk gründet.