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Eine zuverlässige Identitätskontrolle ist zu dieser Zeit noch nicht möglich. Man muss dem 33-jährigen plantation-owner glauben, der sich unter selbst gewählter Identität als "CMSealsfield" beim Gouverneur von Louisiana vorstellt, einen Wohnsitz in Louisiana angibt, Leumundszeugnisse präsentiert, sein Vorleben samt Taufnamen Carolus Magnus Postl verschweigt und diese nur in der Unterschrift des "safe conduct pass" (US-Schutzzusage) andeutet. Die administrierenden Herren, Gouverneur Henry Johnson (Louisiana, USA), Albin Eusèbe Michel de Grilleau, Kanzler des französischen Konsulats, und C. N. Morant, Kapitän des amerikanischen Vollschiffs "American", können nicht ahnen, dass sie dem Reisenden im Juni 1826 zu einer amerikanischen Identität mit dem anglophonen Namen Charles Sealsfield (1793-1864) verhelfen und ihn in die nationale 'machinery of identification and integration' einbeziehen. Indem Johnson den Status als 'US-resident' legitimiert, vermittelt er dem politischen Österreichflüchtling und Priester durch Identitätswechsel von Postl zu Sealsfield eine provisorisch gesicherte Existenz.
Dieser Akt ist mit weitreichenden Konsequenzen für Sealsfield verbunden. Er absolviert als 'Amerikaner' Sealsfield die Karriere eines deutschsprachigen 'amerikanischen' Autors von Amerika-Romanen (1833-47) und reüssiert 1844/45 als englischsprachiger 'amerikanischer' Autor unter der Fehlschreibung Seatsfield kurzfristig zum Protagonisten der amerikanischen Nationalliteratur, nachdem 'The Boston Daily Advertiser' am 20. März 1844 in Folge von Theodor Mundts (1808-1861) Urteil aus dem Jahr 18422 ihn als "The Greatest American Author" einer nationalen democratical American literature apostrophiert hat.
Dieser Beitrag versteht sich als Fallstudie zu den Aspekten der Macht und Aufmerksamkeit im literarischen Feld und untersucht beide im Kontext des Deutschen Buchpreises. Dieser Preis wurde während der letzten zehn Jahre zu einem mächtigen Marketingtool im deutschsprachigen Raum. Die Initiatoren und Organisatoren des Deutschen Buchpreises haben die Bedeutung von Aufmerksamkeit im literarischen Feld erkannt und versuchen, möglichst viele Akteure des Feldes an der durch den Preis generierten Aufmerksamkeit partizipieren zu lassen: Verlage, Autor(inn)en, den Buchhandel, den Börsenverein selbst, die Literaturkritik in ihren vielfältigen Erscheinungsformen. Problematisch dabei ist, dass diese Aufmerksamkeitsmaximierung im Rahmen von bestimmten Machtstrukturen erfolgt. Wer lenkt bei diesem Prozess die Aufmerksamkeit worauf und wie passiert das? Wer hat im Rahmen der Hierarchien des Feldes die Möglichkeit, diese Aufmerksamkeit zu nutzen bzw. daran zu partizipieren?
Bis heute ist die konkrete finanzielle Kalkulation von Humankapital wenig erforscht und entwickelt, besonders in Deutschland, wo Bildung bis in unsere Zeit noch immer als ein "nicht-tarifäres öffentliches Gut" gilt. Um so bemerkenswerter erscheint der frühzeitige Versuch Goethes, sein eigenes Werk- und Autor-"Kapital" über die bloße ökonomische Metaphorik hinaus auch praktisch umzusetzen, und sich dafür manchen innovativen verwertungsstrategischen Schachzug einfallen gelassen zu haben.