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Den deutschen Linksterrorismus der RAF und ihre gesellschaftlichen Folgen behandelt Gerald Bär anhand der Filme "Deutschland im Herbst" und "Der Baader Meinhof Komplex", berücksichtigt wird dabei auch die Aufnahme dieser Ereignisse in Portugal, so wie das Lied "Sedas a Vento", das Vitorino Salomé der toten Ulrike Meinhof widmete.
"Es ist einfach zu aktuell." - "Die Kostüme find ich fabelhaft", sagt eines der Kommissionsmitglieder zu dem im Hinausgehen begriffenen Regisseur, der im Jahr 1977 das sophokleische Drama um Antigone für das Fernsehen neu inszeniert hat. Gezeigt werden Teile der Antigone-Inszenierung und das Treffen einer Kommission, die entscheiden soll, ob die Inszenierung ins laufende Programm übernommen werden soll. Zu der Kommission gehören - neben Mitgliedern der Fernsehanstalt - auch ein Pfarrer und ein Politiker, die sich beide besonders engagiert an der Diskussion beteiligen, sowohl an der um die Inszenierung selbst als aber auch an der um die drei Versionen eines 'Distanzierungstextes', die, dem eigentlichen Dramentext vorgeschaltet, gezeigt werden sollen. In diesen drei Distanzierungsversionen wird mehr oder weniger deutlich betont, dass das Vorkommen von Gewalt in klassischen Texten zwar unvermeidlich sei, diejenigen aber, die an der Inszenierung beteiligt seien, sich von jeder Form der Gewalt distanzierten. Die Distanzierungstexte sind Ausdruck der aufgebrachten politischen Stimmung, die die 1970er Jahre, und insbesondere die Zeit um 1977 herum prägen und die einen unbefangenen, unbelasteten Umgang mit einem zweitausend Jahre alten Dramentext unmöglich machen.
Die Inszenierung der Antigone und die Diskussion leiten den letzten Teil des Episodenfilms Deutschland im Herbst aus dem Jahr 1978 ein, der unter diesen angespannten Bedingungen entstanden ist und der zu dokumentieren versucht, wie Filmemacher und Künstler auf eine politische Krisensituation reagieren. Es waren Jahre, in denen die Gewalttaten der Roten-Armee-Fraktion, auch Baader-Meinhof-Gruppe genannt, die politische Atmosphäre in Deutschland prägten.
Die vorliegende Magisterarbeit untersucht verschiedene Formen der Darstellung von Geschichte im Film mit Hilfe der Filmphilosophie von Gilles Deleuze. Ausgangspunkt der Betrachtung sind zunächst die vielfältigen Ansätze der Regisseure des Neuen Deutschen Films, auch und gerade bei der Thematisierung von (deutscher) Geschichte die klassische Unterscheidung zwischen dokumentarischen und fiktionalen filmästhetischen Strategien aufzubrechen. Inwiefern sich diese Vorgehensweise und die dabei entstehenden neuen “Deutschlandbilder” (Anton Kaes) mit Deleuze’ Konzept des Zeit-Bildes (l‘image-temps) in Beziehung setzen lassen, wird hier am Beispiel der Filmtheorie Alexander Kluges und dem unter dessen maßgeblichen Einfluss kollektiv produzierten Film “Deutschland im Herbst” von 1978 diskutiert. Knapp zwanzig Jahre später beschäftigte sich Heinrich Breloers als Fernseh-Großereignis konzipierter Zweiteiler “Todesspiel” erneut mit den Ereignissen des Deutschen Herbstes. Auch hier mischen sich dokumentarische und fiktionale Elemente im Rahmen des “Doku-Fiktion”-Formates, das in seinen Erzählstrategien jedoch umso stärker auf das klassische Modell des Bewegungs-Bildes zurückgreift. Andres Veiels “Black Box BRD” von 2001 und Christopher Roths “Baader” von 2002 knüpfen dagegen - nicht zuletzt in expliziter Ablehnung einer konventionalisierten Fernsehästhetik - erneut an das von Deleuze vor allem für das europäische Nachkriegskino mit dem Begriff des Zeit-Bildes beschriebene Modell einer aufgebrochenen Narration und einer Sinn-Resistenz der visuellen Bilder an: Kontraste und Widersprüche fordern den Zuschauer zur Reflexion über das Dargestellte auf; “Wahrheit” wird hier entweder als von subjektiven Interessen geleitete Sichtweise (“Black Box BRD“) oder als gesellschaftlich konstruierter Mythos (“Baader“) gezeigt. Mit Hilfe der von Nietzsche inspirierten Thesen Deleuze’ zum Wahrheitsmodell des Bewegungs-Bildes einerseits, den “Mächten des Falschen” im Zeit-Bild andererseits versucht die vorliegende Arbeit so zugleich zu zeigen, inwiefern den verschiedenen Bildarten im Hinblick auf die Darstellung von Geschichte notwendig eine politische Komponente innewohnt: Während die verschiedenen Formen des Bewegungsbildes eine bereits konstituierte Gemeinschaft vorgeben, der sich anzuschließen die Filme durch Identifikation ermöglichen, scheint das Zeit-Bild eine wesentlich demokratischere Form des “Wir” zu eröffnen: Es emanzipiert den Zuschauer durch das Miteinander des Aufzeigens der in einer bestimmten Sichtweise versteckten Interessen und der im gleichen Atemzug vorgenommenen, als solche jedoch stets kenntlich gemachten "Parteiergreifung" der Filme zu einem an deren Herausbildung und steten Neuerschaffung gleichberechtigt beteiligten Mitglied dieser Gemeinschaft.