Refine
Year of publication
Document Type
- Part of a Book (14)
- Article (6)
Language
- German (20)
Has Fulltext
- yes (20) (remove)
Is part of the Bibliography
- no (20) (remove)
Keywords
- Minnesang (20) (remove)
Institute
- Extern (11)
Dieser Beitrag untersucht das Verhältnis von Intimität und Sexualität, Freundschaft und Liebe in der mittelalterlichen Adelsdichtung. Er zeigt, dass das Konzept der höfischen Liebe, das im 12. Jahrhundert entwickelt wurde, unter dem Einfluss des antiken Freundschaftsdiskurses steht. Im Grunde ist die höfische Liebe des Mittelalters als heterosexuelle Transformation eines Freundschaftsethos zu verstehen, das ursprünglich für Männer reserviert war. Diese Konstellation, in der Sexualität eine prekäre Rolle einnimmt, wird mit Hilfe der Thesen erläutert, die Niklas Luhmann in seinem Buch "Liebe als Passion" (1982) formuliert hat. Luhmann unterscheidet drei historische Stufen des Liebesdiskurses: die höfische Liebe des Mittelalters, die passionierte Liebe der frühen Neuzeit und die romantische Liebe des 19. Jahrunderts, die bis heute den Liebesdiskurs prägt. Im Gegensatz zur Luhmanns These des Nacheinanders zeigt der Beitrag, dass in der mittelalterlichen Poesie alle drei Formen der Liebe gleichzeitig vorhanden waren.
Vermutlich in den 1340er Jahren verfasste ein anonymer ostfränkischer Dichter, der sich selbst als "kuenig vom Otenwalde" oder schlicht "kuenig" bezeichnet, zwölf höchst originelle Reimpaargedichte, die gemeinsam im sogenannten 'Hausbuch des Michael de Leone', einer bedeutenden Würzburger Sammelhandschrift, überliefert sind. Viel Resonanz haben diese bemerkenswerten Gedichte wie auch ihr Verfasser in der Forschung allerdings nicht gefunden, lässt man die Versuche, den Texten realienkundlich verwertbare Aussagen zur mittelalterlichen Alltagskultur zu entlocken, einmal beiseite. Wohl versuchte man verschiedentlich, eine historische Autorpersönlichkeit hinter dem prätentiösen Pseudonym festzumachen, was zwar zu mehr oder weniger gewagten Spekulationen führte, letztlich aber keine befriedigenden Ergebnisse zeitigte. Abgesehen davon jedoch begnügte man sich anstelle einer eingehenden literaturwissenschaftlichen Analyse im Großen und Ganzen damit, den König vom Odenwald als Kuriosum am Rande, weitab vom literarischen Kanon, zu vermerken.
The article focuses on traditional expressive schemata used in the collection "Des Knaben Wunderhorn" to depict scenes of eroticism and sexuality. The analysis is based on the observation that the dominant emotion in the collection is love – which is often described in erotic terms in the songs – and that the collection is dominated by songs from the medieval period, meaning that it contains schemata which are frequently euphemistic in character and have been passed down since the period of Minnesang.
Bekanntlich bieten die Sangspruchdichterœuvres von dem Walthers über das Konrads und bis zu dem Frauenlobs und Mügelns ganz unterschiedliche Entwürfe dieses beim Stricker episch entfalteten Zusammenhangs, die vorschnelle Verallgemeinerungen oder gar die Konstruktion von Entwicklungslinien verbieten. Gleichwohl ist ein Verbindendes in den minnethematischen Sangspruchstrophen wie in manchen Minnestrophen der genannten Autoren und anderer darin zu sehen, daß es in ihnen (...) um Rechtfertigung des eigenen Tuns geht. (...) Sprechen über Minne, im Sangspruch wie im Minnelied (...) bedarf besonders dann einer Begründung, wenn es jenseits individueller Minneerfahrung angesiedelt ist. (...) Die Autoren des 14. und frühen 15. Jahrhunderts hatten offenbar, wenn sie alte Strophen erweiternd aufgriffen oder sich charakteristischer Töne bedient haben, in vielen (...) Fällen eine sie leitende Vorstellung von der impliziten Poetik und der argumentativen Struktur der Texte ihrer jeweiligen Vorgänger. (...) Was hier noch einmal am Sangspruch erkennbar wurde, prägt auch (...) des Kanzlers Minnesang.
Johann Jakob Bodmer verdanken wir die Wiederbelebung der mittelhochdeutschen Literatur. (...) [Volker Mertens] interessiert die Erweckung des Minnesangs aus etwa dreihundertjährigem Schlaf. (...) Die Rezeption geht im 19. Jahrhundert in zwei Formen auseinander: in die maßvoll der zeitgenössischen Sprache angepaßte Übersetzung wie bei San Marte und Simrock oder in die der tatsächlichen oder erschlossenen Sprachgestalt des 12./13. Jahrhunderts verpflichteten Ausgaben etwa Karl Lachmanns oder Moritz Haupts. (...) Tiecks Minnelieder-Ausgabe stellte seinerzeit einen Befreiungsschlag dar, der die Hermetik des Handschriftendrucks einerseits und die Neutralisierung des eigentümlichen poetischen Potentials durch die galante Vereinnahmung andererseits durchbrach. Sie war ein buchhändlerischer und dichterischer Erfolg und läutete Mennesangs zweiten Frühling ein.
Fragmente eines Erzählens von Liebe : Die Konstruktion von Subjektivität bei Heinrich von Morungen
(2005)
[Volker Mertens] Untersuchungen knüpfen (...) [an die Einwände von Dagmar Hirschberg, Hans Irler und Arthur Groos] an, indem sie (...) Eigenart [der höfischen Literatur] als spezifische Variation traditioneller poetischer Verfahrenweisen deutet mit dem Ziel, Subjektivität zu inszenieren. Da dieses Vorgehen prinzipiell für den Minnesang gilt, (...) [wirft Volker Mertens] zunächst einen Blick auf die Tradition. Nach einer relativ offenen Phase des Experimentierens mit verschiedenen Liedtypen – Werbelied, Klagelied, Frauenlied, Wechsel u.a. – wird in der zweiten Phase mit der selektiven Übernahme okzitanischer Muster das minneanalytische Lied favorisiert.
Mit etwa siebzig Liedern „nach“ den Minnesängern, darunter etwa die Hälfte nach Walther von der Vogelweide, ist Gleim der produktivste Rezipient mittelalterlicher Lyrik im 18. Jahrhundert, weit vor den Dichtern des Göttinger Hains. Seine erste Nachschöpfung erschien bereits im Jahre 1749 in ‚Lieder’ in Halberstadt (...) das Gedicht „Daphne“, das er dann in den „Petrarchischen Gedichten“ von 1764 unter dem neuen Titel „Ismene“ wieder aufnahm, jedoch als „Daphne“ im 1. Teil der „Sämtlichen Schriften“, Reutlingen 1779, S. 52f. wieder abdruckt.
Walter lesen: in diesem Programm steckt das Versprechen einer Lesbarkeit alter Gedichte, die jenen Hiatus von ästhetischer und kultureller Alterität überspringen möchte, welcher Texte wie diejenige Walthers von der Vogelweide trennt von der literaturwissenschaftlichen Rede über sie; darin steckt die Sehnsucht nach einer Unmittelbarkeit von Lektüreerfahrung, welche ebenso sich selbst als notwendigen Stimulus analytischer Arbeit weiß, wie sie selbstverständlich nicht darüber sich täuscht, daß solche Unmittelbarkeiten stets auch imaginär bleiben. Zugleich nämlich rekurriert der in dem genannten Programm enthaltene Begriff der Lektüre auch auf diejenigen von Text und Schrift. Das aber heißt: Er verweist auf den keineswegs mehr selbstverständlichen Status von (literarischen) Texten in einer vormodernen, wesentlich stratifikatorisch aufgebauten Gesellschaft; auf fremde Spannungsfelder zwischen performativer Realisierung von Texten und ihrer handschriftlichen Speicherung; auf kulturell längst vergangene Formen von Textualität. (…) [Ein später, mehr oder weniger genuin schriftlicher „Walter-Text“] bleibt freilich gleichwohl ein „lesbarer“ Text: Allein auf „archivalische“ Interessen von Sammlern und Redaktoren der Handschrift an möglichst allen Strophen eines Tons könnte dieser Text nicht zurückgeführt werden, denn poetisch wie minneideologisch besetzt er eine durchaus historisch identifizierbare Position.
Walthers Strophen im sog. „Leopoldston“ (‚Erster Thüringerton’, ‚Zweiter Atzeton’), die sich auf den Minnesänger Reinmar namentlich beziehen (L, 82,24 und 83,1, Ausgabe Cormeau Nr. 55, II, III), bereiten der Forschung nicht geringe Verlegenheit. Entweder man charakterisiert sie (...) als perfide, gehässig, scheinheilig, spricht von Rache und Haß, oder man entschuldigt den vermeintlich aggressiven Ton mit dem Temperament Walthers, hält das Ganze auch für einen Nachruf zu Lebzeiten, der allein den Untergang von Reinmars Kunst beklage. (...) [Volker Mertens] Beitrag unternimmt eine umfassende Kontextualisierung der Strophen in der handschriftlichen Überlieferung, im Zusammenhang des Tons und im Oeuvre beider Sänger als Vorbereitung einer detaillierten Textanalyse. Abschließend wird die Rezeption betrachtet um die zeitgenössischen Verständnismöglichkeiten abzusichern. Dabei (...) [kommt] eine relativ genaue Datierung der Strophen gewissermaßen als Nebenprodukt heraus (...).
Ausgangspunkt (...) [der] Überlegungen ist die Beobachtung, daß der Münchner Hofmaler Ulrich Füetrer in seinem ‚Buch der Abenteuer’ aus den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts diese Erzähltechnik verwendet, die bisher vor allem am ‚Nibelungenlied’ beobachtet worden ist. Schon im Jahre 1953 hat Hugo Kuhn von der ‚Szenenregie’ in der ‚Nibelungendichtung’ gesprochen und damit ein Stichwort aufgegriffen, das von Andreas Heusler stammt. (...) Er sieht die Gebärde der Mündlichkeit zugeordnet, ihre Kontextualisierung in der Szene hingegen als Kompensationsversuch der Schriftlichkeit, wo die verlorene oder gefährdete räumliche Verortung, die durch die Situativität des mündlichen Vortrags gegeben sei, sozusagen ausformuliert wird im schriftlich konzipierten Text. Das ist ein Vorgang, den wir ähnlich in der Minnelyrik beobachten können, etwa einhundert Jahre nach dem ‚Nibelungenlied’ bei Johannes Hadloub.