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Die Reflexion der Grenze zwischen Text und Nicht-Text findet zumeist ‚am Rahmen’, nämlich im Paratext, statt. Insbesondere die „Vorredenreflexion“ […] will bei den Lesern das „Fiktivitätsbewußtsein“ […] für den nachfolgenden Text wecken. Ich möchte im Folgenden der Frage nachgehen, wie dieses Grenzbewusstsein entsteht. Dabei gehe ich von der Prämisse aus, dass Paratexte – vor allem Vorworte – einen Zugang zum Haupttext eröffnen, indem sie sich selbst als Übergangszone in Szene setzen: als Übergangszone, in der die Grenzen zwischen all dem, was fiktiver Text ist und all dem, was nicht fiktiver Text ist, verhandelt werden. Die Rede vom Paratext als Übergangszone impliziert neben dem Gesichtspunkt der Räumlichkeit auch eine Form der Bewegung, durch die diese Übergangszone überhaupt erst konstituiert wird. Es handelt sich […] um eine „Praktik im Raum“ […] durch die der Leser – die Leserin – den Weg aus der realen Lebenswelt in die fiktionale Welt des Textes finden soll. Dieses paratextuelle travelling möchte ich im Rekurs auf Jean Paul beschreiben – ein Schriftsteller, der wie kein anderer eine Vielzahl spielerischer Praktiken im paratextuellen Raum entwickelt hat. Mitunter hat man sogar den Eindruck, dass Jean Paul mehr Wert auf seine Paratexte als auf seine Texte legt. Zugleich, und dies scheint mir für das Thema Raum und Bewegung in der Literatur interessant zu sein, fällt auf, dass Jean Paul im Rahmen seiner Paratexte ostentativ Raummetaphern bemüht.
Das Spiel der Authentizität mit Erzähler, Figuren und dem biografisch faßbaren Autor wird immer wieder gespielt und wirkt immer wieder neu, selbst wenn der Text, wie der von (...) [Volker Mertens] behandelte, etwa fünfhundert Jahre älter ist als der von Jean Paul. Ob es legitim ist, die narratologischen Analysemodelle, die vor allem an der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts entwickelt wurden, auf den Roman des Mittelalters zu übertragen, soll (...) [Mertens Beitrag] erweisen und damit zu einem besseren Verständnis der Poetik von Albrechts Werk beitragen. 'Der Jüngere Titurel' (...) eines sonst unbekannten Autors Albrecht integriert die in drei Handschriften uneinheitlich überlieferten beiden 'Titurel'-Fragmente Wolframs in einen weitdimensionierten Erzählzusammenhang um die Queste nach dem Brackenseil und die Gralsuche, der vor allem aus dem 'Parzival' entwickelt ist. Da im Verlauf des Textes ,mehrfach die Erzählperson 'Wolfram' bzw. 'der von Eschenbach' oder 'Freund von Blienfelden' angesprochen wird und der Erzähler Albrecht sich nur einmal kurz vor Schluß nennt, galt das Werk schon eine Generation nach seinem Abschluß um 1270 als von Wolfram von Eschenbach verfaßt. (...) [Mertens untersucht] im folgenden die Erzählerfiktion 'Wolfram' an ausgewählten Textbeispielen und (...) [fragt] nach der jeweils spezifischen Aussage. (...) [Seine] These ist, daß es dem Autor nicht um ein tatsächliches Allonym für sich selbst ging, sondern (Jean Paul vergleichbar) um einen poetologischen Diskurs in konnotativer Form, der sich einerseits auf die Tradition und die zeitgenössischen narratologische Position bezieht, andererseits die spezifischen Probleme und Zielsetzungen des unternommenen Werkes thematisiert.
Nähert man sich dem gewaltigen Werk Titan von Jean Paul ganz arglos und unvorbereitet, so begreift man rasch zweierlei: einmal, daß hier in schöner Hemmungslosigkeit das ganze romantische Inventar in Szene gesetzt wird, das bis hin zum Schauerroman hinlänglich bekannt ist, also Geister, Mönche, Geheimnisse, enigmatische Anweisungen, Testamente, Prophezeihungen, Verwechslungen, Liebes- und Todesdramatik usw., zum anderen, daß hier eine schier unerträgliche Spannung zwischen Natur und Künstlichkeit, zwischen Seelenphatos und Theaterwelt aufgebaut wird und daß die Grenzen zwischen diesen Bereichen immer wieder verschwimmen, sich auflösen, ineinanderlaufen, so daß es bis zum Ende hin schwer bleibt, sie voneinander zu scheiden. Das liegt nicht zuletzt an der Substanz, die gleichsam die heimliche ‚Heldin‘ des Romans ist: das Wasser; genauer: das Liquide, die Flüssigkeit, der ganz besondere Saft, der nicht nur das Blut (aber doch auch) als vielmehr die Tränen sind. Es wird viel geweint in diesem Buch, sei’s aus Kummer, sei’s vor Glück, sei‘s vor Lachen, und während man sich noch ratlos all die verweinten Gesichter vorzustellen sucht, die jede Gefühlsbewegung begleiten, versteht man, daß auch innerhalb dieses idealistischen Mediums der Tränen das Gleiche doch nicht dasselbe ist. Im unendlichen (Ver-)Wechselspiel von echten und unechten Doppelgängern, von scheinbaren und wirklichen Blutsverwandten, von himmlischer und irdischer Liebe oder gelebter und fantasierter Freundschaft verändern sich über mehr als 700 Seiten hin die Positionen immer wieder so unerwartet, so dramatisch bis hin zum Tragischen, so komisch bis zur Groteske und so geheimnisvoll einem unsichtbaren Ariadnefaden der inneren Psycho-Logik folgend, daß erst vom Fluchtpunkt der letzten Seite aus das ganze Gemälde überschaubar erscheint und alles in die rechte Perspektive rückt.