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Ambiguitäten der futuristischen Wortkunst zielen im Kern selbst auf die Aporien der avantgardistischen Programmatik, die durch die Aufhebung der Trennung von Kunst und Leben einmal mehr ihre Bezugsgrößen verunklart. Im Zentrum der folgenden Überlegungen stehen die rhetorischen Voraussetzungen, die ein derartiges entdifferenzierendes Kommunikationspostulat des Futurismus überhaupt erst ermöglichen. Dem revolutionären Sprachkonzept der 'parole in libertà' ('befreiten Worte) geht die Idee einer verkürzten und intensivierten Sprache voraus, die es auf ihre Kürze-Verfahren zu untersuchen gilt. Die 'römische Kraftform', für die insbesondere Sallust als stilprägend gelten kann, eröffnet einen subtilen Bezugspunkt für ein Paradigma viriler Performanz, deren Wirkungsästhetik sich aus der kurzen, prägnanten, aber auch obskuren Form speist. Ausgehend von den antiken Figurationen der 'brevitas' sowie deren verstärkter Rezeption im späten 19. Jahrhundert befasst sich der vorliegende Beitrag mit den futuristischen Dynamisierungsutopien. Dabei wird die These vertreten, dass die frühen Manifeste des Futurismus vor dem Hintergrund der beschleunigten Zeiterfahrung als dynamische Kraftformen konzipiert sind. Eine detaillierte Lektüre soll hierbei eine spezifische Produktionsästhetik der Kürze freilegen. Sie zeigt sich am Analogiestil, der eine Verschmelzung differenter Gegenstände zum Ziel hat und vermittels seiner vitalisierten Komprimierungen, so zumindest lautet das häufig formulierte Anliegen der Manifeste, zum 'Wesen' der technischen Materie vorzudringen vermag. Die rasche Zirkulation der sprachlichen Ausdrücke wiederum orientiert sich konzeptuell an einer telegrammatischen Codierung der verkürzten Kraftformen. Abschließend gilt es die Möglichkeit dunkler Kürze ('obscura brevitas'), welche die semantischen Nuancierungen des Textes im hermeneutischen "Dämmerlicht" belässt, in Bezug auf den Adressatenkreis von Marinettis Lebenskunst zu betrachten. Durch die Dekontextualisierung der Analogien läuft die vitalisierte Sprache nämlich selbst ständig Gefahr, unverständlich zu sein. Es wird sich zeigen, dass der futuristische Dichter auf seine symbolistische Herkunft verwiesen bleibt, aus der heraus die Unverständlichkeit für das Publikum gerade als Indiz für das Gelingen einer hermetischen Literaturkonzeption gewertet wird. Im Sinne dieser asymmetrischen Kommunikationssituation ist schließlich auch der performative Handlungsimpuls des Künstler-'Souveräns' zu bedenken, der die kurzen Formen ins Zentrum einer Taten-Rhetorik rückt, deren eigenlogische Chiffrierung nur dem futuristischen Genius verständlich ist.
Dass der schlechte Leumund der Rhetorik um 1800 keineswegs zu deren flächendeckendem Verschwinden geführt hat, zeigt der Beitrag von Andreas Keller. Da die Rhetorik sich selbst traditionellerweise immer schon habe unsichtbar machen müssen, um wirken zu können, und da so gut wie jede sprachliche Äußerung rhetorisch verfasst sei, könne allerdings so oder so nur die Analyse des jeweiligen "Wahrnehmungsgrad[s] ihrer Auffälligkeit und Dominanz" verlässliche Auskunft über ihr Fortleben erteilen. Auch wenn insbesondere das auf Innerlichkeit verpflichtete Ideal der Bildung um 1800 vielfach in Konkurrenz oder Opposition zur Rhetorik geraten sei, habe es schnell Versuche vor allem im Rahmen der Pädagogik gegeben, eine "adressatenaktivierende Bildungsrhetorik" zu entwickeln. Zwar stelle die Systemphilosophie deren Hauptgegner dar, doch könne man die Rhetorik mit gutem Recht als "verborgene[ ] Leitdisziplin auch im 19. Jahrhundert" bezeichnen.
Genau wie Schlegel wandte sich auch Adam Müller in seinen ebenfalls in Wien gehaltenen Reden und Vorlesungen an ein Publikum, das nicht auf die institutionalisierte Gelehrsamkeit beschränkt blieb. Müllers Überlegungen zur Wissenschaft untersucht Peter Schnyder unter dem Gesichtspunkt ihres komplexen Gegenwartsbezugs. Habe 'Gegenwart' bis weit in das 18. Jahrhundert hinein primär eine räumliche Relation gemeint, komme es in Müllers Gebrauch des Begriffs zu einer systematischen Amalgamierung von Raum und Zeit, da Wissenschaft in seinen Augen auf ihren Adressatenkreis möglichst direkt einzuwirken habe. Bezeichnenderweise teile Müller die Rhetorikaversion Kants und weiter Teile der Philosophie durchaus nicht, vielmehr bedürfe es ihm zufolge einer neuen Rhetorik, um eine möglichst große "Wechselwirkung zwischen der Gegenwart des Redners und derjenigen des Publikums" erzielen zu können. Freilich stellten solche Überzeugungen einen ähnlichen performativen Selbstwiderspruch dar wie bei Fichte, denn Müller habe stets "aus einem zuvor sorgfältig konzipierten Manuskript" gelesen.
Die Beziehung von res und verba ist ihrem Grunde nach eine sprachphilosophische. Sie handelt von jenen Dingen, die überhaupt der Sprache zugänglich sind, bzw. von jenen Gegenständen, welche durch ihre Artikulation erst zu Dingen der Sprache werden. Der Fokus der Überlegungen konzentriert sich auf die Organisation des Verhältnisses von res und verba, für das über Jahrtausende hinweg in erster Linie die Rhetorik zuständig gewesen ist. Diesem liegen allerdings tatsächlich zwei sprachphilosophische Annahmen zugrunde, die von gegensätzlichen Voraussetzungen ausgehen.
Der Euphemismus ist eine rhetorische Figur, mit der man unangenehme Sachverhalten schonend und beschönigend darstellen will. Der Euphemismus kann aber auch zum Ausdruck einer sprachlichen Gewalt werden, wenn damit Formen der Verschleierung und Immunisierung einhergehen, die jede kritische Auseinandersetzung nicht nur erschweren, sondern nahezu unmöglich machen. Liegt die Absicht des Euphemismus darin, etwas als gut darzustellen, hat man es schwer, dieses Gute zu kritisieren, ohne in den Verdacht zu geraten, selbst böse zu sein. Im Kontext moderner Bildungsreformen ist der Euphemismus zu einer universellen Strategie geworden, die es überhaupt erst erlaubt, bestimmte Dinge, die ansonsten am Einspruch der Vernunft oder der Erfahrung scheitern müssten, dennoch durchzusetzen. Begriffe wie Kompetenz, Inklusion, Individualisierung, Evaluation, Effizienz, Praxisorientierung, Exzellenz oder Internationalisierung gehören zu diesen Euphemismen, die im Folgenden einer exemplarischen Betrachtung unterzogen werden sollen.
Towards a visual middle voice : crisis, dispossession, and spectrality in Spain's hologram protest
(2018)
As a legitimizing mechanism for a doctrine of 'no alternatives,' crisis rhetoric tends to rely on distinctions between 'right' and 'wrong' that often turn political decisions into pseudo-choices between a legitimate and an illegitimate (even catastrophic) alternative. This binary logic also pervades the ways subjects are cast in this rhetoric as either active or passive, guilty or innocent, masters or victims. [...] The rhetorical reliance on the oppositions of passive/active or victims/perpetrators extends to several contexts of 'crisis' in Europe today, as Maria Boletsi shows. Against the backdrop of the crisis rhetoric and the monologic narratives and dualistic distinctions it produces, the need for alternative forms of expression is amplified. In this article, Boletsi makes a case for the "middle voice" as an expressive modality that can introduce alternative 'grammars' of subjectivity and agency to those on which dominant crisis rhetoric hinges. [...] To that end, Boletsi centers on a peculiar public protest in front of the Spanish Parliament in Madrid in April 2015, opposing a (then) newly introduced Spanish law—the "Law of Citizen Security" - which significantly restricted the citizens' freedom of assembly and expression in the name of security and crisis-management. Unlike any other protest, this one was not carried out by actual people, but by holographic projections of protesters. This 'hologram protest' put forward a form of dispossession, whereby bodies asserted presence in public space through their absence. Unsettling the boundaries between fiction and reality, materiality and immateriality, power and impotence, past and present, the protest fostered a spectral space that functioned as a visual analogue of the middle voice. The spectral subjectivity that this 'ghost march' enacted, both underscored and challenged politically induced conditions of dispossession and precarity, through and against these conditions. As a result, the protest recast crisis as a critical threshold from which alternative narratives of the present and the future can emerge.
Since at least modernity, theory has been marked by prominent efforts to revolutionize or reform its own vocabulary and concepts. [...] One example is the work of Bruno Latour, who undertakes comprehensive redefinitions of an already existing scientific terminology in order to propagate new ways to conceive the relations between subject and object. His proposals have far-reaching epistemological and political consequences, not only for the sciences but also for an everyday understanding of our position in the world. Michael Eggers has chosen Latour's project as the main object of this essay but refrains from any extensive comments on the intentions of his theory, in favour of an investigation into his linguistic and rhetorical approach. [...] Proposing the rhetorical procedures of actor-network-theory (ANT), whose most prominent proponent he undoubtedly is, Latour repeatedly underlines the strong necessity to dispense with the customary vocabulary of the sciences which represents attitudes he wants to overcome. He demonstrates how this might be done by redefining many established terms and using them with their new meaning thereafter. Notwithstanding these continued verbal reinventions of his terminology, it is possible to identify a number of linguistic and stylistic elements in Latour's texts that have a longer history and tradition. This article tries to pair Latour's own rhetorical features with examples from different theoretical contexts, not in order to weaken his argument or to question his intentions but to show that despite his claims to initiate new scientific idioms, he relies on traditional formal devices. It is the basic assumption of this essay that even after the gradual disappearance of classical forms of rhetoric, the ambitions brought forward by many modern thinkers, some of which have been mentioned above, have generated a new and powerful set of recurring stylistic elements that constitute a verbal practice with identifiable effects.
Der vorliegende Beitrag möchte die Perspektiven einer solchen akteursorientierten Diskursanalyse aufzeigen. Die Akteure stellen nämlich diejenige "Kraft" dar, die den Diskurs ins Leben ruft, diesen formuliert und dynamisiert. Auf die Lexik ausgerichtete Untersuchungen fokussieren in erster Linie auf die sprachliche Oberfläche, d.h. etwa auf Fahnenwörter, Schlüsselwörter oder auf die Metaphorik. Diese können jedoch erst als Endprodukte der sprachlichen Tätigkeit der Akteure betrachtet werden, in denen sich deren Motivationen, Meinungen, Positionierungen und Einstellungen konstituieren. Akteursorientierte Analysen möchten hingegen auch den Hintergrund beleuchten: die Ebene der Argumentation, die Topoi, die im Diskurs in konkreten Sprachgebrauchsmustern sich materialisieren. Diese Muster sind als kollektive Denkmuster zu betrachten, die einer Gemeinschaft im kollektiven Gedächtnis zur Verfügung stehen. Als kollektiv gespeichertes und durch die Sprache zugänglich gemachtes Wissen prägen sie das Weltbild der jeweiligen Sprachgemeinschaft. Das bedeutet zugleich, dass der Sprache eine fundamentale Rolle als wissensstiftendes Medium zukommt. Sie bestimmt, wie die Welt wahrgenommen und daraus Faktizität hergestellt wird. Ferner heißt das auch, dass Diskurse zugleich als Orientierungsrahmen dienen. Sie stellen den Sprachbenutzern Wissensbestände zur Verfügung, die sowohl bei der Deutung von Ereignissen und Entitäten eine kognitive Basis bilden, als auch eine Struktur anbieten, in die neue Kenntnisse integriert werden können.