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Blaustrumpf
(2015)
Der Blaustrumpf ist ein merkwürdiges Textil, das bereits auf den ersten Blick eher geschriebener denn gestrickter Natur ist. Studieren lassen sich an ihm dennoch die enge Verwobenheit von Kleider- und Geschlechterordnungen ebenso wie verschiedene Übersetzungsvorgänge zwischen vestimentären und anderen kulturellen Codes.
Wenn in Frankreich, wie Curtius schreibt, die Literatur zum repräsentativen Ausdruck der Nation geworden war, so hatte das historische Gründe, die auf das Zeitalter der Klassik und der absoluten Monarchie zurückgehen. Im heutigen Frankreich ist in der Tat die Klassik, namentlich das Zeitalter Ludwigs XIV., die entscheidende kulturelle Referenz. Die wichtigen Werke dieser Zeit sind im kulturellen Gedächtnis der Franzosen präsent, bilden einen bedeutenden Teil eines lebendigen Erbes. Der Höhepunkt der politischen Macht unter Ludwig XIV. war gleichzeitig eine kulturelle Blütezeit. Die Kultur war schon seit der Renaissance in das nationale Leben integriert. Dieser Integrationsprozess verdichtete sich indes in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Peter Burke und Louis Marin haben aufgezeigt, wie alle Künste, die Literatur, die Malerei, die Bildhauerei und die Architektur, dazu beitrugen, die symbolische Macht der absoluten Monarchie zu konstituieren, und zwar im zentralen Bereich der Zeichen und der Imagination, eine Macht, die vor allem in der Re-Präsentation bestand. Man wird sich aber vor der Vorstellung hüten müssen, die Künste seien vom Sonnenkönig nur instrumentalisiert worden. Wegen ihrer Integration in die zentralen Sphären der Gesellschaft erreichten sie gleichzeitig einen bedeutenden sozialen Status. Wenn der König sein Zeitalter immer wieder mit demjenigen von Augustus vergleichen ließ, dann war das gleichzeitig ein Anstoß und eine Verpflichtung zur Förderung der Künste.
Rezension zu Vajičková, Mária/Mikulášová, Andrea/Mikuláš, Roman (Hgg.) (2014): Auf dem Weg zu Texten und Kontexten - Festschrift für Ivan Cvrkal. Nümbrecht: KIRSCH-Verlag, ISBN 978-3-943906-13-4, 203 S.
Anlässlich des 80sten Geburtstages des bedeutenden slowakischen Germanisten, Literaturwissenschaftlers und Übersetzers Ivan Cvrkal ist im Kirsch-Verlag eine Festschrift mit dem Titel 'Auf dem Weg zu Texten und Kontexten' erschienen.
Als Franz Horn, Vorreiter einer modernen Literaturgeschichtsschreibung, 1824 nach einer angemessenen Bezeichnung des Zeitraums zwischen 1750 und 1770 suchte, erinnerte er seine Leser daran, dass diese Jahre unlängst noch als das "goldene Zeitalter der deutschen Literatur" bezeichnet worden waren. Dessen Schriftsteller - so Horn bereits 1805 - hätten einen wichtigen Beitrag zum "Wiederaufblühen und der Reife unserer Literatur" geleistet. Genauso sahen es bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein zahlreiche Literaturhistoriker. Karl Herzog bilanziert 1831 die "Selbständigkeit der National-Literatur" unter der Überschrift "Von der Mitte des 18ten Jahrhunderts bis auf unsere Zeit"; für Christian Georg Friedrich Brederlow beginnt das "classische Zeitalter der deutschen Literatur" in der "Mitte des 18. Jahrhunderts", für Werner Hahn setzt die "Zeit der klassischen Vollendung der deutschen Poesie" mit "Klopstock 1748" ein, Karl Gustav Helbig periodisiert "vom zweiten Viertel des 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart", Joseph Hillebrand spricht von einer "nationalliterarischen Reformation unter Lessing", was zugleich "der Anfang ihrer klassischen Wiedergeburt" gewesen sei, und Heinrich Laube sieht mit Lessing gar "diejenige Literatur, welche man die klassische nennt", beginnen.
Was hier immer wieder wie eine zusammenhängende Periode erscheint, die ausgehend von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis zu seinem Ende reicht, sollte schon bald zu einem mehrstufigen Entwicklungsmodell ausdifferenziert werden, an dessen Ende die Weimarer Klassik steht - als mondäner Gipfel, der einen großen Schatten werfen wird auf die vermeintlichen Niederungen der Literaturlandschaft.
Mein Beitrag geht dem russischen Interesse an Vitalität und Transformation im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts nach. Dabei rücken insbesondere kulturspezifische Unterschiede zu vergleichbaren Phantasmen und Phänomenen in Westeuropa ins Blickfeld, die sich aus der Berücksichtigung der ostkirchlichen Tradition, insbesondere der orthodoxen Anthropologie, ergeben. Das Auferweckungsparadigma der russischen Moderne zeichnete sich zum einen durch seine Doppelreferenz auf Religion und Wissenschaft aus und manifestierte sich zum anderen durch die Synthese von Glauben und Technik, Kunst und Leben. Wie es zunehmend den russischen und sowjetischen Alltag durchdrang, wird anhand folgender Faktoren nachvollzogen: der Begründung der genuin russischen religionsphilosophischen Strömung des "Kosmismus", der aufkommenden performanzorientierten Konzepte des Lebendigen in Sprach- und Literaturtheorie und schließlich der Versuchsanordnungen zur Vitalisierung und Immortalisierung in Wissenschaft, kultureller Praxis und Literatur.