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Einen vielversprechenden Ansatz auf dem Gebiet der Entwicklung kolloidaler Arzneiträgersysteme stellen die proteinbasierten Nanopartikel dar, da sie biodegradierbar und nicht toxisch sind und eine Reihe möglicher Angriffspunkte zur kovalenten Bindung von Arzneistoffen und zur Oberflächenmodifikation aufweisen. Im Rahmen dieser Arbeit wurde der Herstellungsprozeß von HSANanopartikeln und sein Einfluß auf die physikochemischen Eigenschaften des resultierenden Partikelsystems evaluiert. Durch Oberflächenmodifikation wurde eine Kopplung von Proteinen mittels bifunktionaler Crosslinker ermöglicht und die zelladhäsiven Eigenschaften des Trägersystems vermindert. Durch Kopplung funktioneller Proteine wurden die ersten Schritte in Richtung eines ligandenvermittelten DrugTargetings unternommen. Evaluierung des Herstellungsprozesses und Charakterisierung des resultierenden partikulären Systems Die Evaluierung des Desolvatationsprozesses von HSANanopartikeln ergab eine Abhängigkeit der Partikelgröße und der Partikelanzahl vom zugesetzten Desolvatationsmittel Ethanol. Die Quervernetzung des resultierenden Systems beeinflußte die Anzahl der freien Aminogruppen an der Partikeloberfläche: Je mehr Glutaraldehyd zugesetzt wurde, desto weniger Aminogruppen waren nachweisbar. Die Härtung der Partikel durch Einwirkung hoher Temperaturen führte ebenfalls zu stabilen Partikeln. Die Anzahl der verfügbaren Aminogruppen lag im Vergleich zu den Glutaraldeydquervernetzten höher. Die Art und das Ausmaß der Quervernetzung hatten keinerlei Einfluß auf die mittlere Partikelgröße. Das Zetapotential dagegen zeigte eine Tendenz, mit steigender Quervernetzung negativer zu werden. Ein Vergleich dieser Ergebnisse mit den Aminogruppen an der Oberfläche von GelatineA und BNanopartikeln verdeutlichte, daß HSANanopartikel signifikant mehr freie Aminogruppen an der Partikeloberfläche, und damit mehr Angriffspunkte zur kovalenten Kopplung und Oberflächenmodifikation aufweisen, als GelatineNanopartikel, wobei Gelatine ANanopartikel mehr als doppelt so viele Aminogruppen an der Oberfläche besitzen als Gelatine BPartikel. Die höchsten Aminogruppenzahlen zeigten die hitzedenaturierten HSANanopartikel. Einführung von Sulfhydrylgruppen an die Partikeloberfläche Im Rahmen dieser Arbeit wurden sechs Methoden zur Einführung von Thiolgruppen auf die Oberfläche von HSANanopartikeln evaluiert. Die effektivste Methode ergab sich aus der Kopplung von Cystamin mit dem Kopplungsreagenz EDC, gefolgt von einer reduktiven Spaltung der Cystamindisulfidbindungen und der Disulfidbrücken der HSAPartikelmatrix mit DTT. Bedauerlicherweise zeigte diese Partikelpräparation die höchste Toxizität der untersuchten Zubereitungen in der Zellkultur. Die Kopplung von LCystein mit EDC war aufgrund unerwünschter Nebenreaktionen wesentlich weniger effektiv. Die einfachste Art, Thiolgruppen einzuführen, war die reduktive Spaltung der Disulfidbrücken der HSAPartikelmatrix mit DTT. Doch Bindungsexperimente zeigten, daß diese Thiolgruppen zwar mit Ellmans Reagenz nachweisbar waren, aber zu Bindungszwecken wahrscheinlich aus sterischen Gründen nur in untergeordnetem Maße zur Verfügung standen. Die Verwendung von 2Iminothiolan (Trauts Reagenz) war eine im Vergleich zur Cystamin/EDCMethode einfache und leicht zu handhabende Methode zur Einführung von SHGruppen, allerdings mit relativ geringer Effizienz. Das Quenchen freier Glutaraldehydreste an der Partikeloberfläche mit Cystamin führte zu einem sehr niedrigen SHGruppengehalt, mit LCystein waren so gut wie keine Thiolgruppen nach der Umsetzung nachweisbar. Die SHGruppen wurden bei einer Lagerung bei 4°C mit einer Halbwertszeit von 28,2 Tagen abgebaut, unabhängig von der Art der SHGruppeneinführung. Die Reaktivität der SHGruppen dagegen nahm wesentlich schneller ab als ihre Nachweisbarkeit: Bereits am dritten Tag nach der SHGruppeneinführung lag die Bindungsrate von mit SHreaktiven Crosslinkern aktivierten Proteinen um 2030 % niedriger, verglichen mit dem ersten Tag. Durch Veränderung der Reaktionsparameter konnte bei allen Methoden die Anzahl der eingeführten Thiolgruppen kontrolliert werden. Durch die Einführung der SHGruppen zeigten die Nanopartikel eine deutlich höhere Mukoadhäsion. Oberflächenmodifikationen Das Ziel der Oberflächenmodifikation der HSANanopartikel war zum einen eine Positivierung des Zetapotentials, um die Bindung negativ geladener Arzneistoffe wie DNA über elektrostatische Wechselwirkungen zu ermöglichen. Die Umsetzung der Partikel mit EDC allein oder mit EDC und Cystamin bzw. Cholamin führte zu einer deutlichen Verschiebung des Zetapotentials in den positiven Bereich. Durch Veränderung der Cholamin bzw. Cystaminkonzentration war die Verschiebung des Zetapotentials steuerbar. Gleiches galt für die Umsetzung der Gelatine APartikel, allerdings waren hier deutlich geringere Konzentrationen zur Erlangung der gleichen positiven Zetapotentiale notwendig. Zum anderen sollte durch die Modifikation der Partikeloberfläche ein verändertes Verhalten hinsichtlich der Zelladhäsion der Partikel erzielt werden. Es zeigte sich eine verstärkte Zelladhäsion nach der Einführung weiterer Aminogruppen und nach der Einführung lipophiler Gruppen. Eine verminderte Zelladhäsion wurde durch eine Maskierung der Aminogruppen erreicht. Die besten Ergebnisse erbrachte hierbei die Umsetzung der HSANanopartikel mit Jodessigsäure. Bindung funktioneller Proteine Um zu überprüfen, ob funktionelle Proteine an das evaluierte Trägersystem unter Erhalt der Funktionalität gebunden werden können, wurden zunächst Enzyme über den bifunktionalen Crosslinker SulfoMBS kovalent gekoppelt. Analysen der Bindungsrate und der tatsächlichen enzymatischen Aktivität differierten zwar, doch ist dies wohl auf eine noch nicht hinreichend optimierte Analytik zurückzuführen. Eine enzymatische Aktivität der alkalischen Phosphatase und der bGalaktosidase war nach der Bindung an das Trägersystem eindeutig nachweisbar. Als weiteres funktionelles Protein wurde das Avidinderivat NeutrAvidin(TM) gewählt und mit SulfoMBS an Gelatine ANanopartikel gekoppelt. Durch die Bindung biotinylierter Antikörper konnte der Erhalt der Funktionalität des gebunden NeutrAvidins(TM) gezeigt werden. Die Konjugation eines biotinylierten, humanen CD3 Antikörpers an das NeutrAvidin(TM)konjugierte Partikelsystem führte zu einer selektiven Bindung des Trägersystems an primäre humane Lymphozyten. Auch eine Aufnahme des Trägersystems in die Zellen konnte gezeigt werden. Die Experimente zum Antikörpervermittelten Targeting konnten mit HSANanopartikeln nicht reproduziert werden, da HSAPartikel eine so starke Zelladhäsion zeigten, daß ein Targeting aufgrund des Antikörpers nicht mehr ersichtlich war. Erste Versuche mit oberflächenmodifizierten HSAPräparationen, wie beispielsweise einer Jodessigsäure Umsetzung, führten zu einer deutlich verminderten Zelladhäsion. Weitergehende Experimente zur Evaluierung dieses Effektes sind für die Weiterentwicklung dieses Trägersystems entscheidend.
Bedingt durch den demographischen Wandel in der Bevölkerung erlangen gerontologische Themen immer zentralere Bedeutung. Die Thematik des Dekubitus in der häuslichen Pflege ist durch ihren Bevölkerungsbezug und die Multidisziplinarität der Problemstellung dabei ein wichtiges Praxisfeld. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Teile: 1. Zur Anleitung häuslich Pflegender ist ein Ratgeber für pflegende Angehörige entstanden und wird im Schlüter Verlag, Hannover veröffentlicht. 2. Durch die Befragung möglichst repräsentativer Stichproben von niedergelassenen Allgemeinärzten und praktischen Ärzten werden Maßnahmen zu Prävention, Diagnostik und Therapie des Dekubitus in der allgemeinärztlichen Versorgung erfaßt. Alle vertragsärztlich tätigen Allgemeinmediziner und Praktischen Ärzte der Modellregion Stadt und Landkreis Offenbach (mittelgroße Stadt in Hessen, die die hessische Grundgesamtheit widerspiegelt) werden 1993 (N=165) (Dissertation Silke Nowack) und 1998 (N=196) in ein schriftliches postalisches Interview mit 21 überwiegend offenen Fragen in 2 Wellen einbezogen. Die Antworterquote von jeweils 35% (n=58/69) ist im Vergleich zu anderen Studien in dieser schwierigen Befragtengruppe zufriedenstellend, aber vermutlich zugunsten der am Thema Interessierten verzerrt. Der Vergleich der Datenprofile 1993 und 1998 läßt auf eine weitgehend gleiche Antwortergruppe schließen. Die Ergebnisse können allerdings nur zu Tendenzaussagen herangezogen werden. Von den Allgemeinmedizinern und praktischen Ärzten werden 1993 und 1998 durchschnittlich 4 bis 5 Patienten mit Dekubitus jeweils in Alten und Pflegeheimen und zu Hause betreut (Median = 3). Der Altersgipfel der Patienten liegt bei 71 bis über 80 Jahren. Als Grunderkrankung spielen allgemeine Schwäche und Kachexie sowie der cerebrale Insult, als Begleiterkrankung der Diabetes mellitus die führende Rolle. Während 1993 in erster Linie Felle als Antidekubitushilfsmittel genannt werden, treten diese in der Befragung 1998 in den Hintergrund. Antidekubitusmatratzen werden 1998 am häufigsten genannt (1993: 29 von 58 Ärzten; 1998: 42 von 69 Ärzten, Unterschiede nicht signifikant). Zur Prävention und Behandlung von Druckgeschwüren gibt es zahlreiche Literatur. Ein durchgehend positiver Effekt von Publikationen, Fortbildungen oder den beiden deutschsprachigen Leitlinien auf die tatsächliche Versorgung von Patienten mit Dekubitus im allgemeinärztlichen Bereich im Vergleich von 1993 zu 1998 wird in den vorliegenden Daten allerdings nicht sichtbar. So ist z.B. die Auswahl der von den Hausärzten eingesetzten Lokaltherapeutika und lokalen Maßnahmen polypragmatisch, manchmal konfus und aktionistisch und nicht an den wenigen vorhandenen, in ihrem Nutzen belegten Konzepten orientiert. Im Verordnungsbereich der Dermatika ist ein großes Einsparpotential vorhanden, das zugunsten moderner feuchter Wundverbände zu mobilisieren wäre, wie das Verordnungsverhalten der Vertragsärzte zeigt. Von 1992 zu 1997 weisen die Daten des GKVArzneimittelindex zwar einen Rücklauf der Verordnung von Lokalantibiotika auf, er spiegelt sich aber nicht im Antwortverhalten der hier Befragten wider. Zu beobachten ist weiterhin ein deutlicher Anstieg von allgemeinärztlichen Nennungen bei diagnostischen Maßnahmen im Jahre 1998, von denen einige keinen Stellenwert im Umgang mit Dekubituspatienten haben. 3. Von Mai bis August 1998 werden offene, themenzentrierte, leitfadengestützte, mündliche Interviews mit durch Zufallsstichprobe ermittelten 10 pflegenden Angehörigen (9 Frauen, 1 Mann) von Dekubituspatienten aus Stadt und Landkreis Darmstadt geführt und anhand von Tonbandprotokollen in einem Mehrstufenverfahren ausgewertet. Die Interviews finden im häuslichen Umfeld der pflegenden Angehörigen, in Abwesenheit der Patienten, statt. Die Befragung der pflegenden Angehörigen ergibt als durchschnittliches Lebensalter der Pflegebedürftigen 75 Jahre (Median 79 Jahre), Pflegebedürftigkeit besteht seit durchschnittlich 6 Jahren (Median 3,5 Jahre). Die Dauer der Dekubituserkrankung beträgt durchschnittlich 3 Jahre (Median 2 Jahre). Auch in dieser Befragtengruppe unterstreichen polypragmatische und obsolete Behandlungsmethoden die Forderung nach klaren und einheitlichen Konzepten in der Dekubitusprävention und --therapie. Die Pflegenden sind in der Mehrzahl Töchter/Schwiegertöchter. Soziale und emotionale Belastungssituationen werden thematisiert. Aggressive Verhaltensweisen legen 8 von 10 Befragten dar. Selbsthilfegruppen, Gesprächskreise für pflegende Angehörige oder psychologische Betreuung werden von den pflegenden Angehörigen nicht als Entlastungsmöglichkeit geschätzt und genutzt. Gründe für das Pflegeengagement sind gesellschaftliche Normierung, rollenimmanentes Verhalten, der Generationenvertrag sowie der Gedanke, das Leben des Betroffenen durch die häusliche Pflege erleichtern und verlängern zu können. Mit Einführung der Pflegeversicherung wurde die finanzielle Unterstützung häuslich Pflegender verbessert, die Pflegekompetenz bleibt allerdings weiterhin bei allen befragten Angehörigen autodidaktisch erworben. Häusliche Krankenpflegekurse der Krankenkassen werden nicht besucht, so daß von Seiten der Pflegeversicherung eine Attraktivitätssteigerung der Kurse oder eine eventuelle Einführung einer Teilnahmepflicht wünschenswert ist. Zur systematischen Verhütung und Behandlung eines Dekubitus im hausärztlichen Bereich ist die Entwicklung und Verbreitung einer Leitlinie, entsprechend der amerikanischen Guideline der Agency for Health Care Policy and Research anzustreben. Dem Hausarzt als zentraler Koordinationsstelle zwischen Patient und Pflegenden obliegt ferner die Aufgabe auch auf die Gesundheit der Pflegeperson zu achten, um Überlastungssituationen rechtzeitig diagnostizieren und therapieren zu können.
Osteoarthrose ist eine degenerative Gelenkerkrankung, die in einem schleichenden Prozeß zur Zerstörung des Knorpels in den gewichttragenden Gelenken insbesondere der Hüfte und des Knies führt. Chronische Behinderungen sind die Folge. Die hohe Prävalenz in der vorwiegend älteren Bevölkerung hat zur Bezeichnung als Volkskrankheit geführt. Die genauen Ursachen der Osteoarthrose sind weitgehend unbekannt, jedoch wird davon ausgegangen, daß eine Verschiebung des Gleichgewichts zwischen anabolen und katabolen Prozessen, die am normalen Knorpelmetabolismus beteiligt sind, zugunsten des Katabolismus stattfindet. Ein Charakteristikum der Krankheit ist die verstärkte Degradation des Proteoglykans Aggrekan, einem der Hauptbestandteile der Knorpelmatrix. Dafür verantwortlich ist besonders im frühen Krankheitsstadium die Enzymaktivität ''Aggrekanase", in späteren Phasen sind auch verschiedene MatrixMetalloproteasen (MMPs) beteiligt. Die Enzymaktivität Aggrekanase blieb lange Zeit unentdeckt und wurde unter den Mitgliedern der MMPFamilie vermutet. Jedoch weisen MMPs und Aggrekanase eine unterschiedliche Spezifität für Aggrekan auf, da MMPs die interglobuläre Domäne des Aggrekans bevorzugt zwischen N 341 und F 342 spalten (MMPSchnittstelle), Aggrekanase dagegen nur zwischen E 373 und A 374 (Aggrekanase Schnittstelle). Daß es sich bei MMPs und Aggrekanase um distinkte Aktivitäten handelt, zeigt die jüngste Klonierung zweier Aggrekanasen, die der Familie der ADAMTSProteasen angehören. Trotz der Identifikation dieser zwei Aggrekanasen, die über eine Metalloprotease, Disintegrin und ThrombospondinDomäne verfügen, sind viele EnzymCharakteristika noch ungeklärt, und auch die Frage, welches dieser beiden Enzyme oder welches noch unentdeckte Enzym in der Pathophysiologie der Osteoarthrose die bedeutendste Rolle spielt, ist noch offen. Der Fokus dieser Arbeit lag auf der Untersuchung der noch weitgehend ungeklärten Substratspezifität der Aggrekanase. Besonderes Interesse bestand in der Frage, welche minimalen Anforderungen ein Substrat erfüllen muß, um von Aggrekanase als solches akzeptiert zu werden, da Hinweise existieren, daß kurze Peptide, die die Schnittstelle in nativem Aggrekan repräsentieren, nicht als AggrekanaseSubstrat erkannt und gespalten werden. In dieser Arbeit wird gezeigt, daß tatsächlich Sequenzbereiche des Aggrekans distal zur AggrekanaseSchnittstelle für eine effiziente Spaltung durch Aggrekanase notwendig sind. Durch Mutations und Deletionsstudien mit einem funktionalen rekombinanten Substrat, das die gesamte interglobuläre Domäne des Aggrekans mit der AggrekanaseSchnittstelle beinhaltet, wird gezeigt, daß die Substratregion der MMPSchnittstelle, insbesondere deren N terminale Hälfte, wichtig ist für eine effiziente Spaltung an der AggrekanaseSchnittstelle 32 Aminosäuren weiter Cterminal. Dieses Ergebnis weist auf die Möglichkeit hin, Aggrekanase trete über eine zweite, von der eigentlichen Schnittstelle distinkten Interaktionsstelle mit dem Substrat in Wechselwirkung. Diese Substratspezifität ist in verschiedenen zellulären und nicht zellulären sowie rekombinanten AggrekanaseSystemen reproduzierbar und somit für Aggrekanase charakteristisch. Die membrangebundene MMP14, die unter bestimmten Bedingungen in der Lage ist, eine Proteolyse der AggrekanaseSchnittstelle zu erzeugen, teilt diese Eigenschaft nicht und ist deshalb als Kandidat für die pathologische Aggrekanase Aktivität unwahrscheinlich. Desweiteren wurde die Rolle der Substratglykosylierung für die Degradation durch Aggrekanase untersucht. Die Ergebnisse zeigen, daß die N und OGlykosylierungen des rekombinanten Substrats dessen Spaltung durch Aggrekanase negativ beeinflussen. Einen zusätzlichen Aspekt der AggrekanaseCharakterisierung stellt die Inhibition der Enzymaktivität durch das Mukopolysaccharid Heparin dar. Heparin bindet vermutlich an Enzymdomänen außerhalb der katalytischen Domäne und hemmt so die für eine effiziente Spaltung nötigen Interaktionen zwischen diesen Domänen und dem Substrat. Die Charakterisierung der Enzymaktivität Aggrekanase, die in dieser Arbeit beschrieben ist, führt zu einem besseren Verständnis der molekularen Mechanismen der Aggrekan Degradation und kann zur Entwicklung neuer Ansätze zur Inhibition des Enzyms im Zuge der Osteoarthrosebekämpfung beitragen.
In den bislang veröffentlichten literaturwissenschaftlichen Arbeiten zum Geldmotiv dominiert zumeist das "Entfremdungsparadigma". Das Geld wird aus soziologischer und philosophischer Perspektive als ein Motor des sozialen Wandels betrachtet, durch den soziale Beziehungen entfremdet, entmenschlicht und versachlicht werden. Bei der Lektüre dieser Arbeiten hat man zumeist den Eindruck, dass das Geld als eine Macht erscheint, die ihre Gestalt im Verlauf des 19. Jahrhunderts nicht verändert hat, die zwar scharf kritisiert worden ist, jedoch nicht im geringsten hat "gebrochen" werden können. Die vorliegende Arbeit geht hingegen davon aus, dass in literarisch gestalteten Geldmotiven nicht nur ein Aufbegehren gegen das Geld gestaltet ist, sondern dass Schriftsteller mit literarischen Werken auch an sozialen Kämpfen um die Aneignung von Geld und um den Wandel seiner Zirkulationsrichtung partizipiert haben. Während des 19. Jahrhunderts entfaltet sich ein Prozeß, der als Desillusionierung des utopischen Liberalismus bezeichnen wird. Unter "utopischer Liberalismus" wird die sich im 18. Jahrhundert formierende Doktrin verstanden, nach der es genüge, das Geld aus seinen feudalen Fesseln zu befreien, um eine sich selbst regulierenden ökonomische und soziale Prosperitätsbewegung in Gang zu setzen. Man schreibt dem ohne Schranken unreguliert zirkulierenden Geld eine soziale Harmonie herstellende gesellschaftsverändernde Kraft zu. Geld erscheint als die Verkörperung der Vernunft. Die in der vorliegenden Arbeit behandelten Autoren und Werke (Balzac, Daumier, Jarry, Vallès, Zola und andere) stellen im 19. Jahrhundert diese Sicht auf das Geld in Frage. Sie stellen dar, welche Auswirkungen die deregulierte Geldzirkulation im 19. Jahrhundert hat. Sie greifen Reformvorschläge ihrer Zeitgenossen auf, die Konzepte zu einer Regulierung der Geldzirkulation entworfen haben und sie entwickeln diese in literarischen Texten weiter. Die Wirtschaftsgeschichte Frankreichs zeigt, dass diese Gegenentwürfe einer Regulierung des Geldes erfolgreich gewesen sind. Die Geldzirkulationsspäre, die Finanzwelt und damit auch das Geld haben ihre Form im 19. Jahrhundert verändert. In der Restauration ist das unproduktive Geldkapital, das vor allem in Staatsrenten angelegt wird, die das politische und ökonomische Leben bestimmende Form des Geldes. Die Gewinne der Kapitalanleger und der Haute Banque, die die Staatsrenten profitabel verwaltet, werden finanziert, indem das Restaurationsregime und auch die Julimonarchie stetig sich verteuernde Steuern auf Konsumgüter erhebt. Den Schaden tragen das produzierende Bürgertum und die unteren Bevölkerungsschichten. Zwischen dem Beginn der Julimonarchie und der Blütephase des Second Empire gelingt es dem industriellen Bürgertum jedoch, die Geldzirkulation in ihrem Interesse zu regulieren. In der Dritten Republik führt dieser Wandel der Geldzirkulation zu einer Überakkumulation von Profiten, die dann in die Epoche des französischen Kapitalexports mündet. Frankreich wird zum Weltbankier, exportiert Geldkapital und importiert ausländische Staatsanleihen mit häufig sehr unsicherer Wertdeckung. Geld wird mehr und mehr zu einem auch fiktiven Wertzeichen. In der Arbeit wird in den unterschiedlichen sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Epochen exemplarisch belegt, welche konkreten Stellungnahmen zur Frage einer notwendigen Regulierung der Macht des Geldes in der Literatur zu finden sind.
Das neue Medium Fernsehen und die soziale Klasse der Arbeiter bis Mitte der 1970er Jahre: Zuwendung, Bedeutung und Auswirkungen Die Nachkriegszeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 bis Mitte der 1970er Jahre stellt sich in der Rückschau der Historiker als das ''Goldene Zeitalter" (Hobsbawm) dar. Es ist geprägt von einem ungewöhnlichen wirtschaftlichen Aufschwung, von Vollbeschäftigung und einem zunehmenden Wohlstand auch für Angehörige der sozialen Klasse der Arbeiter. Mit der Ölkrise von 1973 geht diese Zeit der Prosperität zu Ende, es folgen Jahrzehnte der wirtschaftlichen Krise und zunehmend der Umbau der Weltökonomie unter dem Begriff der ''Globalisierung". In dieses ''Goldene Zeitalter" fällt der Aufstieg und die massenhafte Verbreitung eines neuen Mediums des Fernsehens. Innerhalb weniger Jahre erwerben Millionen von Haushalten in den meisten Industrieländern ein Empfangsgerät und spätestens Mitte der 1970er Jahre ist die Vollversorgung erreicht. Ab den 1980er Jahren wandeln sich aufgrund technologischer und ordnungspolitischer Neuerungen die Mediensysteme ein Wandel, dem epochale Qualität zugeschrieben wird. Das neue Medium Fernsehen zeichnet sich durch eine Reihe von sozial relevanten Eigenschaften aus, die es z.B. mit dem Rundfunk teilt und die es z.B. vom Kinofilm unterscheidet: Es ist rezipierbar in der Privatheit der eigenen Wohnung, es ist im Prinzip ständig verfügbar und die Zugangskosten sind nach Anschaffung eines Empfangsgerätes gering. Das neue Medium Fernsehen zeichnet sich aber vor allem mit Meyrowitz durch die Veränderung des Zugangs zu Wissen (hier umfassend verstanden als all die Inhalte menschlichen Denkens) aus. Es führt vormals getrennte Informationswelten zusammen und überwindet somit soziale Barrieren, die bislang den Zugang zu Wissen bzw. Orten verhindert haben. Für die unterprivilegierten Klassen bedeutet dies auch den virtuellen Zugang zu Lebenswelten sozialer Klassen, die ih nen bisher aufgrund ihrer sozialen Lage weitgehend verschlossen blieben. Fernsehen überwindet so virtuell soziale Grenzen. Die Angehörigen von unterprivilegierten Klassen sind es vor allem auch, in deren Leben das Fernsehen eine bedeutende Rolle einnimmt. Die ''Fernsehbedürftigen (Glick/Levy) konzentrieren sich in den mittleren und unteren Regionen des Bourdieuschen Sozialraumes, gemessen an Ausstattung mit ökonomischem und kulturellem Kapital. Differenziert man Fernsehzuwendung unter dem Aspekt der sozialen Lage und der Verortung im Bourdieuschen Sozialraum, so ergibt sich für den Untersuchungszeitraum folgendes Bild: Die ersten Besitzer von Fernsehgeräten in der Anfangsphase des Mediums rekrutieren sich vor allem aus den höheren Regionen des sozialen Raumes. Sie verfügen über ein hohes Einkommen und über hohe Bildung. Nach dieser Anfangsphase verbreitet sich das Fernsehen rasch in den Haushalten von Angestellten und Arbeitern und wird zu einem Massenkonsumgut. Das Einkommen ist bis zur Vollversorgung der Haushalte ein Maß für die Ausstattung mit einem Fernsehgerät. Je geringer das Einkommen, desto geringer der Anteil der Gerätebesitzer. Die meisten Gerätebesitzer finden sich in mittleren und höheren Einkommenslagen. Ab einer gewissen Einkommenshöhe jedoch stagniert der Besitz an Fernsehge räten. Eine Reihe von DetailStudien, die neben dem Einkommen auch Bildung berücksichtigen respektive auf Schichtungsmodelle abheben, zeigen eine inverse Beziehung zwischen hohem sozioökonomischen Status und dem Besitz eines Fernsehgerätes. Wurde das Medium zum Massenkonsumgut, so setzte sich in jenem Segment der Gesellschaft, das sowohl über hohes ökonomisches Kapital als auch hohes kulturelles Kapital verfügte, ein Distinktionsprozess ein, Fernsehen wurde als Zeichen für schlechten Geschmack empfunden. Auf der anderen Seite weist eine Abnahme des Gerätebesitzes mit sinkendem Einkommen nicht unbedingt auf eine geringere Fernsehbedürftigkeit hin: Fernsehen wurde in der Anfangsphase des Mediums von vielen Nichtgerätebesitzern auch in öffentlichen Räumen (Gaststätten) oder bei Freunden und Verwandten rezipiert. Bezüglich der Arbeiterhaushalte in der Bundesrepublik zeigt sich, dass sie ab 1962 geringfügig besser mit Empfangsgeräten ausgestattet sind als Angestelltenhaushalte. Dies gilt auch für untere Einkommen. Dieser Versorgungsgrad stellt für Arbeiter jedoch eine Ausnahme dar: Ansonsten sind sie hinsichtlich der Ausstattung mit langlebigen Gebrauchsgütern schlechter gestellt als Angestelltenhaushalte. Die täglich verbrachte Zeit vor dem Fernseher korrespondiert mit der sozialen Lage: Arbeiter sehen mehr fern als Angestellte. Die Einstellung zum Medium Fernsehen korrespondiert ebenfalls mit der sozialen Lage: Einer geringen Ausstattung mit ökonomischem und kulturellem Kapital entspricht eine eher bejahenden Einstellung, ein hoher sozioökonomischer Status entspricht eher einer kritischen Einstellung. Arbeiter bevorzugen mehr populäre Sendungen. In der Mehrzahl dieser Sendungen kommen Arbeiter als Protagonisten und ihre Lebenswelt kaum vor. Diese Befunde lassen sich sich als eine klassenspezifische Fernsehzuwendung der Arbeiter intepretieren: In der Bundesrepublik sind die Arbeiterhaushalte ab 1962 quer durch alle Einkommensgruppen besser mit Fernsehgeräten ausgestattet als z.B. Angestelltenhaushalte, dafür aber stellen Arbeiter die Anschaffung anderer langlebiger Gebrauchsgüter zurück. Die subjektiv hohe Bedeutung des Fernsehens für Arbeiter scheint in dieser Wahl auf. Arbeiter nutzen auch das Fernsehen zeitlich mehr als Angestellte und sie stehen dem Medium positiver gegenüber. Die Lebensbedingungen der Arbeiter sind im Untersuchungszeitraum von Grenzen bestimmt, die um das zentrale Moment der Lohnarbeit herum gruppiert, den Raum der Lebensmöglichkeiten auf ein spezifisches Maß reduzieren. Dieses Maß äußert sich als eine im Vergleich zu Angestellten, Beamten und Selbständigen mindere Ausstattung mit Ressourcen, mit Kapitalarten im Sinne Bourdieus. So ist ein generelles Merkmal der Lebensbedingungen der Angehörigen der sozialen Klasse der Arbeiter die Minderausstattung mit Wissen. Der Zugang zu formaler höherer Schulbildung ist durch ''unsichtbare" Klassenschranken erschwert. Dazu zählen neben geringen finanziellen Ressourcen auch eine ''soziale und affektive Distanz" zur bürgerlichen Welt jenseits der eigenen Arbeiterexistenz, die kaum bekannt ist und in der der Arbeiterhabitus sich als Hemmnis erweist. So bleibt der Zugang zu höherer Schulbildung, in der Bundesrepublik zumindest bis zur Öffnung des Bildungssystems Ende der 1960er Jahre, nur wenigen vorbehalten. Arbeiterkinder an den Universitäten sind die Außnahme von der Regel und sie sind Grenzgänger zwischen zwei sozialen Welten: ''Die eine seiner Welten ist tot, und doch ist er ohnmächtig, die andere zu gewinnen..." Ein weiteres Merkmal der Arbeiterexistenz ist die Verortung der Arbeiter im physischen Raum als Widerspiegelung der Verortung im sozialen Raum. Die von den Arbeitern sich selbst zugeschriebene soziale Position des ''unten" findet seine Entsprechung in der Positionierung innerhalb der räumlichen Struktur der Produktion: Unten das ist konkret auch die Fabrikhalle, über die sich die Verwaltungsetagen erheben. In der Topographie des öffentlichen Raumes sind die Arbeiter an bestimmte Orte gebunden: Das Arbeiterviertel, Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus, bestimmten Freizeiteinrichtungen wie das Fußballstation etc. Diese habituelle und gesellschaftlich konstituierte Gebundenheit läßt den Arbeiter selten aus seinem Verkehrskreis heraus und in gleichgestellten Kontak mit Angehörigen anderer sozialer Klassen treten. In der privaten Sphäre ist die Aneignungsmöglichkeit von Raum durch die finanziellen Ressourcen bestimmt: Arbeiterhaushalte sind, was Wohnfläche und Wohnungsausstattung betrifft, am häufigsten unterversorgt, Arbeiter wohnen in beengteren Verhältnissen. Neben diese spezifische Aneignungsmöglichkeit von Raum tritt die spezifische Aneignungsmöglichkeit von frei verfügbarer Lebenszeit. Die Ausgestaltung und das Maß dieser frei verfügbaren Zeit ist untrennbar gekoppelt an die Bedingungen der Lohnarbeit und dieses ''Reich des Notwendigen" strahlt aus auf die ''Freizeit". Die Arbeitsbedingungen sind gekennzeichnet durch einen Mangel an Autonomie und Selbstbestimmung, die körperliche Arbeit steht im Vordergrund und bringt Belastungen durch Lärm, Staub, Hitze etc. mit sich. Akkord und Schichtarbeit ist weitverbreitet und Arbeiterfrauen sind der Doppelbelastung von Berufstätigkeit und Haushalt ausgesetzt. Trotz aller Arbeitszeitverkürzung bleibt Zeit für Arbeiter und vor allem für Arbeiterfrauen eine knappe Ressource. Die Freizeit ist vor allem geprägt durch ein spezifisches Regenerationsbedürfnis, in dem die Wiederherstellung der Arbeitskraft einen deutlich höheren Stellenwert einnimmt als bei Angehörigen anderer Berufsgruppen. Diese Charakteristika der Arbeiterexistenz bleiben im wesentlichen bis in die 1970er Jahre hinein bestehen, auch wenn sich im ''Goldenen Zeitalter" die Lebensbedingungen der Arbeiter im Vergleich zur Vorkriegszeit deutlich verbessert haben. Auf der Folie dieser Lebensbedingungen lässt sich die Bedeutung der spezifischen Fernsehzuwendung der Arbeiter rekonstruieren. Fernsehen öffnet zum einen (medial) die Grenzen einer sozialen Klasse, in deren Lebenszusammenhang soziale Grenzen eine alltägliche Erfahrung darstellen und diese schwer zu überwinden sind. Fernsehen zeigt die Welt jenseits der eigenen Arbeiterexistenz und überwindet die Perspektive des ''unten", überwindet das Eingeschlossensein in den eigenen Verkehrskreis und den beschränkten (Erfahrungs)Horizont des Arbeiterviertels und der beengten Wohnung. Der Gebrauchswert von Fernsehen für Arbeiter ist so bedingt durch das Bedürfnis, wenn schon nicht die eigene soziale Lage überwinden zu können, so doch zumindest Anteil an der Welt jenseits der eigenen sozialen Grenzen zu nehmen. Der Gebrauchswert von Fernsehen ergibt sich dann aus seiner Eigenschaft als Medium, den Zugang zu Wissen zu ermöglichen und diese Eigenschaft gewinnt in Hinsicht auf den beschränkten Wissenszugang von Arbeitern eine klassenspezifische Relevanz. Via Bildschirm öffnet sich der Blick auf die Welt jenseits der eigenen sozialen Grenzen und ermöglicht damit die Kompensation von auch subjektiv so empfundenen Einschränkungen der Welterfahrung und Weltaneignung. Verbunden mit diesem Gebrauchswert und im Grunde auch nur für analytische Zwecke zu trennen ist zum anderen der Gebrauchswert des Fernsehens für Arbeiter im Kontext ihrer spezifischen Regenerationsbedürfnisse. Die soziale relevanten Eigenschaften des Fernsehens wie die Plazierung innerhalb der privaten Sphäre der Wohnung, die Verfügbarkeit und die geringen Kosten ergänzen sich durch den ''Fluß der Bil der" (Kracauer) und bieten so ein Medium, das ohne zusätzliche weitere Verausgabung wie Ortswechsel oder soziokulturelle Anstrengungen nach den Belastungen der Produktionsarbeit Entspannung und Erholung bietet. Als Äquivalent zu passiven Tätigkeiten auf niedrigem Aktivitätsniveau wie Dösen oder AusdemFensterSchauen fügt es sich optimal in die Regenerationsbedürfnisse von Arbeitern innerhalb der ''Freizeit" ein. Und der kollektiven Erfahrung einer sozialen Lage, die zwischen Fabrik und Familie, zwischen Produktion und Reproduktion wenig Spielraum für Weltaneignung lässt, entspricht die Zuwendung zu den Produkten der Kulturindustrie, die den Glanz einer vielfältigeren Welt jenseits von Betriebstoren und Wohnküchen anbieten. Arbeiter lassen sich kaum für sogenannte ''Arbeiterfilme" begeistern, die Verdoppelung ihrer tagtäglich erlebten Erfahrungswelt auf dem Bildschirm hat für sie keinen Gebrauchswert. Dem entspricht vielmehr, was schon Hofmannsthal über das Kino der Stummfilmzeit schrieb: Die Suche nach Lebensessenz, nach Bildern, die einem das Leben schuldig bleibt. Für die Angehörigen der sozialen Klasse der Arbeiter lassen sich die Gebrauchswerte von Fernsehen in Bezug auf das Mediennutzungsschema als zu dem kompensatorischen Pol hinneigen interpretieren. Was die soziale Lage und die ihr eingschriebenen sozialen Grenzen an Handlungsmöglichkeiten mindert, erfährt virtuelle Kompensation durch das Medium. Auf diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum geht die Frage nach den Auswirkungen dieser spezifischen Fernsehzuwendung durch Arbeiter all das rezipierte Wissen z.B. über die Praktiken der Angehörigen anderer sozialer Klassen sich nicht in den Praktiken der Arbeiter niederschlagen. Denn dieses Wissen, dessen Gebrauchswert aus einer anderen sozialen Realität mit anderen Bedürfnissystemen entspringt, macht innerhalb der klassenspezifischen Handlungsmöglichkeiten der Arbeiter und ihrer Bedürfnissysteme schlicht keinen Sinn der Handlungspol bleibt sozusagen blockiert. Der Arbeiterhabitus bleibt wie empirische Studien aus den 1960er Jahren zeigen auch angesichts eines wachsenden, bis dahin nicht gekannten Wohlstandes des ''Goldenen Zeitalters" und auch angesichts der Rezeption von FernsehWissen, wie zu ergänzen ist, bestehen. Die These von der ''Verbürgerlichung der Arbeiterklasse", auch unter dem Einfluss des Fernsehens wie sie in den 1960er Jahren formuliert wurde, war nicht haltbar, von einer Verbürgerlichung im Sinne der Übernahme von Werten, Praktiken und Einstellungen der Mittelklasse konnte keine Rede sein. Arbeiter gingen auch nicht auf in einer großen Masse der Lohnabhängigen, sondern blieben eine unterscheidbare Großgruppe innerhalb einer Gesellschaft, die sehr wohl soziale Unterschiede kannte und von einer ''Nivellierten Gesellschaft" noch weit entfernt war und ist. Allerdings aber setzte zeitgleich mit der Verbreitung des Fernsehens ein Prozess der Privatisierung der Arbeiter ein, der sich im Rückzug auf die private Sphäre das Heim und die Familie äußerte und in der wesentliche Kompensationsmöglichkeiten für die Zumutungen aus der Arbeitswelt gesucht als auch wesentliche Identitätsbedürfnisse in diese Sphäre verlagert wurden. Diese Bindung des Arbeiters an das Heim ist nicht zuletzt den sozial relevanten Eigenschaften des Mediums Fernsehen zuzuschreiben, das innerhalb der ''eigenen vier Wände" die oben angeführten Gebrauchswertansprüche erfüllte. Das Wohnzimmer in den Arbeiterhaushalten und der darin zentral plazierte Fernsehapparat sind ein Symbol für diese neue Privatheit, die durch die Auflösung ehemals proletarischer Wohn und Nachbarschaftsverhältnisse bestärkt wird. Innerhalb dieser privaten Sphäre öffnen sich auch die relativ autonomen Handlungsmöglichkeiten des Arbeiters lassen sich Gebrauchswertansprüche an das Fernsehwissen der handlungsorientierten Funktion zuschreiben in den Bereichen des Körpers, des Konsums, der Familie und ihnen entspricht die Rezeption populärer Sendung vom Sport über Heimwerkertipps bis hin zur Darstellung menschlicher Schicksale. Von einer ideologischen Intergration der Arbeiter durch Fernsehen kann, zumindest was den Habitus anbetrifft, nicht gesprochen werden. Arbeiter bleiben Arbeiter und übernehmen nicht die Werte und Praktiken der Mittelklassen. Die medienzentrierte und ideologiethematisierende Sicht etwa des materialistischen Ansatzes als auch der frühen cultural studies aber auch die Thesen von einer ''nivellierenden" Wirkung des Fernsehens unterschätzen die Macht materieller Strukturen. Für die Integration der sozialen Klasse der Arbeiter in die Nachkriegsgesellschaft spielen die materiellen Verbesserungen der Lebensverhältnisse im ''goldenen Zeitalter" des Klassenkompromisses (relative Vollbeschäftigung über längere Zeiträume hinweg, erhöhtes Lohnniveau über der Schwelle der Existenzerhaltung, soziale Absicherung, schließlich vermehrte Bildungschancen etc.) eine ungleich größere Rolle als die ideologische Integration durch Massenmedien wie dem Fernsehen. Die Dominanz der materiellen Strukturen zeigt auch der Vergleich der möglichen Auswirkungen der Umwälzung des WissensZuganges durch Fernsehen in den beiden deutschen Staaten. Gegeben, dass mit Meyrowitz und somit auch weitgehend unabhängig von den Inhalten, dem Fernsehen in der DDR und in der Bundesrepublik der gleiche Effekt in Bezug auf einen veränderten WissensZugang zuzuschreiben ist, entwickeln sich die Sozialstrukturen der beiden deutschen Staaten unterschiedlich. Während in der Bundesrepublik die Zahl der Arbeiter abnimmt und sich die soziale Klasse in Teilen modernisiert, zeichnet sich die Sozialstruktur der DDR durch einen nach wie vor hohen Anteil an Arbeitern aus. Die ''pluralistische Klassengesellschaft" der Bundesrepublik zeichnet sich gegenüber der ''blockierten Klassengesellschaft" der DDR durch einen ab den 1960er Jahren stattfindenden Modernisierungsprozess bzw. der ''Öffnung des sozialen Raumes" aus. Diese Öffnung des sozialen Raumes meint u.a. auch eine Modernisierung der Erwerbsstruktur, in dessen Verlauf Berufe zunehmen, zu deren Ausübung ein vermehrter Erwerb von Bildung bzw. kulturellem Kapital erforderlich ist. Von den neuen Bildungs und Berufschancen profitieren vor allem die Kinder der (Fach)Arbeiter und unteren Angestellten. Während in der Bundesrepublik durch die Öffnung des sozialen Raumes Handlungsmöglichkeiten entstehen, in denen das FernsehWissen in kulturelles Kapital gewandelt werden konnte, ist die Sozialstruktur der DDR dadurch gekennzeichnet, dass aufgrund des unterbliebenen Modernisierungsprozesses die Entwicklung hin zu modernisierten Fraktionen der einzelnen Klassen und zu einer modernisierten Mitte unterblieb. FernsehWissen blieb somit aufgrund fehlender Handlungsmöglichkeiten auf der materiellen Ebene ohne Bedeutung. Während in der Bundesrepublik sich Kinder aus Arbeiterhaushalten durch Wechsel in andere Berufspositionen auch in andere Positionen des sozialen Raumes begeben konnten, die soziale Klasse der Arbeiter rein zahlenmäßig schrumpfte und sich in Teilen modernisierte und sich das Fernseh-Wissen sozialstrukturell als prinzipielle Unterstützung dieses Bildungsaufstieges niederschlagen konnte, blieb in der DDR die soziale Klasse der Arbeiter bzw. der Anteil der Bevölkerung mit Arbeiterhabitus als Indikator für eine blockierte Klassengesellschaft vergleichsweise groß. Die Auswirkungen von FernsehWissen zeigen sich somit abhängig von der Eröffnung von Handlungsmöglichkeiten auf der materiellen Ebene hier: die Öffnung des sozialen Raumes in der Bundesrepublik seit den 1960er Jahren und lassen sich als eine Verstärkung von Entwicklungstendenzen des sozialstrukturellen Wandels interpretieren.
Schemaevolution in objektorientierten Datenbanksystemen auf der Basis von Versionierungskonzepten
(2000)
Gegenstand dieses Kapitels ist zunächst die Zusammenfassung der in dieser Arbeit erreichten Ergebnisse im Hinblick auf die ursprüngliche Zielsetzung, also die Unterstützung von Schema evolution in objektorientierten Datenbanksystemen. Anschließend folgen Überlegungen, welche der erzielten Ergebnisse zur Lösung von Problemen in anderen Arbeitsbereichen herangezogen werden können und auf welche Weise dies geschehen kann. Die Arbeit schlie?t mit einem Ausblick auf weitere Arbeiten im von uns bearbeiteten Themengebiet. Erreichte Ziele Ausgangspunkt unserer Arbeit war die Beobachtung, dass die Evolution von Datenbankschema ta, welche zur Anpassung an sich ändernde funktionale und nichtfunktionale Anforderungen 130 der Diskurswelt benötigt wird, durch die gegenwärtig verfügbaren Modelle und Systeme nicht adäquat unterstützt wird. Wir stellten daraufhin die Hypothese auf, dass ein Modell auf der Basis der Versionierung von Schemata mit einer entsprechenden Abbildung der Änderungen auf die Objektebene dies leisten kann. Wir konnten in dieser Abhandlung zeigen, dass das nach diesen Gesichtspunkten entworfene COASTModell die daran gestellten Erwartungen erfüllt und Sche maänderungen in Gegenwart existierender Objekte und Applikationen erfolgreich realisierbar sind. Die einzelnen Arbeitsschritte und Ergebnisse ergaben sich dabei wie folgt: - Problemanalyse und grober Modellentwurf: Die Notwendigkeit einer Unterstützung für Schemaevolutionsprozesse ergab sich aus der Beobachtung, dass vor allem moderne An wendungsbereiche eine flexible Anpassung an ständig veränderliche Umstände erfordern. Während des Betriebs einer Datenbank aufkommende Änderungsanforderungen lassen sich zur Entwurfszeit nicht vorhersehen und sind im Rahmen fest vorgegebener Datenbanksche mata nur schwerlich adäquat umsetzbar. Wir konnten in diesem Zusammenhang bei den vorhandenen Systemen zur Unterstützung der Schemaevolution das Fehlen einer Berück sichtigung im Betrieb beøndlicher Datenbankapplikationen feststellen. Gleichzeitig blieben Anforderungen an flexibel koppelbare Datenbankzustände für verschiedene Schemaausprä gungen bisher unberücksichtigt. Das an dieser Stelle grob skizzierte Modell zur Lösung des Problems beruhte folgerichtig auf dem Einsatz von Versionierungskonzepten auf der Ebene der Datenbankschemata. Solche Versionierungskonzepte hatten ihre Fähigkeiten zur Unterstützung von Evolutionsprozessen insbesondere auch im Zusammenhang mit Entwurfsaufgaben bereits zuvor sowohl auf der Ebene kompletter Datenbanken als auch auf der einzelner Objekte nachgewiesen. - Untersuchung bestehender Lösungsansätze: Wir konnten für das Lösungsmodell vier ele mentare Aspekte identiøzieren: Durchführung von Änderungen auf Schemaebene unter Verwendung von Versionierungskonzepten, Erzeugung und Verwaltung der Abhängigkeits beziehungen zwischen den Schemaversionen, Abbildung der Änderungen auf die Objekt ebene sowie flexible Konzepte zur Steuerung und Durchführung der Objektpropagation. Da kein Modell existierte, das all diese Punkte berücksichtigt, mussten wir uns in der Literatur recherche auf Ansätze beschränken, die sich mit einzelnen Aspekten unserer Aufgabenstel lung befassen. Aus dieser Perspektive stellt sich unser Modell zu einem Teil als Integration früherer Arbeiten dar. Zum anderen Teil beruht unser Modell in den grundlegenden Aspek ten der Behandlung von Ableitungsbeziehungen sowie der Steuerung und Durchführung der Objektpropagation auf gänzlich neuen Ansätzen. Die wesentliche Erkenntnis dieses Arbeitsschrittes ist somit die Feststellung, dass einerseits verschiedene Konzepte bestehen der Ansätze übernommen werden konnten, obwohl keine Arbeit alle Anforderungen an unser Modell erfüllte, und andererseits einige Aspekte bislang nahezu vollständig ignoriert wurden. - Detaillierte Modellbildung: Aufgrund der Erkenntnisse über bestehende Arbeiten entwarfen wir in diesem Arbeitsschritt COAST als Modell zur Durchführung von Schemaänderun gen in Anwesenheit von Objekten und Applikationen. Grundbestandteile unseres Ansatzes sind die Schemaversionen, die vergleichbar einer Konøgurationsverwaltung semantisch in Zusammenhang stehende Klassenversionen zu konsistenten Teilstrukturen zusammenset zen. Für die Durchführung von Schemaänderungen haben wir zwei grundsätzlich verschiedene Wege analysiert und resultierende Konsequenzen studiert. Dem internen Ansatz folgend wird eine von dem jeweiligen Einsatzgebiet des Systems unabhängige, fest vorgegebene und konzeptionell vollständige Taxonomie von Schemaänderungsprimitiven bereitgestellt, de ren Semantik a priori bekannt ist und demzufolge bei allen weiteren Schritten auf Schema und Objektebene berücksichtigt werden kann. Der externe Ansatz, als Alternative, erlaubt die Durchführung applikationsspezifischer Schemaänderungen und erhöht damit die Flexi bilität. Der Prozess des Einbringens extern erstellter Schemaversionen in das System kann dabei in vielfältiger Weise unterstützt werden. Bemerkenswerterweise fanden sich die auf Schemaebene angewandten Konzepte analog auf Instanzenebene wieder und zwar bei den Objektversionen, deren Zusammenhang sich in Form von Propagationsgraphen widerspiegelt ähnlich den Ableitungsbeziehungen auf Sche maebene. Die Steuerung der Objektpropagation sowohl zum Zeitpunkt der Schemaände rung als auch später, als Reaktion auf verändernde Datenbankzugrioee ist im behandelten Umfeld mit Sicherheit einzigartig. - Validierung des Modells: Aussagen zur Tauglichkeit des Modells im Hinblick auf seine Kon zeptionsziele konnten wir durch eine Evaluierung anhand unserer sehr detailliert beschrie benen Vorgaben erhalten. Damit ist gleichzeitig ein Vergleich mit bisherigen Lösungswegen insgesamt und mit einzelnen Vertretern davon gegeben. Die Evaluierung konnte in allen Aspekten belegen, dass das COASTModell zur Unterstützung von Schemaänderungen in Benutzung befindlicher Datenbanksysteme gut geeignet ist. Wir möchten an dieser Stelle nochmals betonen, dass COAST in vielerlei Hinsicht einfach erweitert werden kann und im Vergleich zu bisherigen Systemen durch erheblich flexiblere Möglichkeiten der Einflussnahme und eine verbesserte Tauglichkeit ausgezeichnet wird. Zu nächst sind sowohl die hier vorgestellte Schemaänderungstaxonomie als auch die damit ver bundene Propagationssprache vielfältig um komplexe Operationen erweiterbar. Weiterhin kann die Menge verwendbarer Propagationsflags insbesondere mit Blick auf das Verhalten bei komplexen Schemaänderungen hin ergänzt werden. Aber bereits die hier dargestell ten Möglichkeiten der Propagationssteuerung decken das gesamte Spektrum von isolierten Schemaversionen am einen Ende bis hin zur kompletten Propagation am anderen Ende ab. In Erweiterung der Konzepte auf der Basis von Sichtenmechanismen können durch die Objektversionierung beliebige Änderungen des Datenbankzustandes durchgeführt wer den. Damit wird ein erheblicher Beitrag für die Transparenz der Schemaevolution für die Applikationsentwickler geleistet. Die für die Tauglichkeit wichtigste Eigenschaft besteht zweifelsfrei in der Möglichkeit, be stehende Applikationen auch noch nach der Durchführung von Schemaänderungen ohne Anpassung weiterverwenden zu können. Damit erweitert sich der Einsatzbereich von Sche maänderungen auf sehr große, komponentenbasierte Systeme auf der Basis zahlreicher Einzelapplikationen. - Hinweise für den Datenbankentwurf: Um den Schemaversionierungmechanismus adäquat einsetzen zu können, erweisen sich Aussagen über den Schemaänderungsprozess als notwen dig. Daher haben wir diesen Prozess systematisch in Teilschritte zerlegt, die nacheinander betrachtet werden können. Bereits während der Modellbildung haben wir dort, wo sich ei nem Schemaentwickler Alternativen im Umgang mit COAST bieten, diese aufgezeigt und ihre jeweiligen Konsequenzen untersucht. Im Ergebnis resultiert für den Schemaentwick ler im Vergleich zu unversionierten Systemen ein zusätzlicher Spezifikationsaufwand. Dies ist jedoch für die Erreichung unserer Ziele unvermeidbar und der Gesamtaufwand für die Durchführung einer Schemaänderung reduziert sich dem Versionierungskonzept folgend er heblich, nicht zuletzt, weil aus der Sicht der Applikationsentwickler die volle Transparenz gewährleistet wird. - Realisierungsbetrachtungen: Um Erkenntnisse über den Realisierungsaufwand sowie die zu erwartenden Leistungsmerkmale zu erhalten, haben wir zweierlei Ansätze für eine pro totypische Realisierung untersucht. Zum einen haben wir einen Schemaversionierungsme chanismus als Aufsatz auf dem kommerziellen Objektdatenbanksystem O 2 implementiert. Auch wenn sich dies konzeptionell als möglich erwiesen hat, so haben sich dort an mehre ren Stellen erhebliche Einbußen bezüglich der Transparenz gezeigt [Wöh96]. Daher haben wir uns verstärkt mit dem zweiten, deutlich aufwendigeren Weg beschäftigt: die Eigenent wicklung eines kompletten, objektorientierten Datenbankmanagementsystems, bei dem die Konzepte von COAST transparent und von Anfang an im Kern integriert werden konnten. Die Realisierung der verzögerten Propagation kann bei realistischen Zugriffsprofilen mit einer gewissen Lokalität bezüglich der Schemaversionen größenordnungsmäßig mit unver sionierten Systemen vergleichbare Laufzeiten erreichen. Konzeptionell bedingt muss zwar ein größerer Platzbedarf als bei einem statischen System (ohne Schemaänderungen) in Kauf genommen werden. Im Vergleich zu anderen Konzepten der Schemaevolution, etwa den Ansätzen auf der Basis von isolierten Datenbanken oder mit materialisierten Sichten tritt aber kein Mehraufwand auf. In all diesen Varianten wird, ähnlich wie bei Puffern absichtlich Platz zugunsten einer erhöhten Zugriffsgeschwindigkeit investiert. Je ähnlicher sich verschiedene Schemaversionen sind und je intensiver die Propagation zwischen ihnen demnach ausfällt, desto besser sind die Voraussetzungen für platzsparende Mechanismen auf der Basis von mehreren Schemaversionen gemeinsam genutzter Objektversionen. In die sem Zusammenhang konnten wir eine Reihe von Verbesserungsmöglichkeiten identifizieren, die den COASTPrototyp Systemen auf der Basis von Sichtenmechanismen gleichstellen würden. Übertragbarkeit der Ergebnisse Die Tragfähigkeit der Konzepte des COASTModells für die Unterstützung evolutionärer Sche maänderungen haben wir erfolgreich belegen können. Im folgenden sprechen wir noch einige Möglichkeiten an, die in dieser Abhandlung gewonnenen Erkenntnisse auch im Zusammenhang mit anderen Konzepten einzusetzen. - Abschnitt 2.2 hatte allgemeine Versionierungskonzepte vorgestellt, wie sie typischerweise auf Objekte angewendet werden, um deren inhaltliche Evolution abzubilden. Wir haben dieselben Konzepte in der vorliegenden Arbeit auf Schemata als Instanzen der Metaebene angewendet, um deren evolutionäre Entwicklung zu unterstützen. Dabei hat sich die Ver wendung versionierter Datenbankobjekte ebenfalls als sehr hilfreich erwiesen. Die Versio nen eines Objektes bei der Schemaversionierung repräsentieren ein Objekt in verschiedenen Datentypen. Von Situationen abgesehen, in denen das Modifikationsflag abgeschaltet ist und Änderungen daher gewollt nicht propagiert werden, repräsentieren die Versionen eines Objektes denselben logischen Objektwert. Damit unterscheiden sich die hier verwendeten Objektversionen von denen der klassischen Objektversionierung. Letztere stellen nämlich verschiedene logische Objektwerte dar, die allerdings alle demselben Datentyp entsprechen. Die vorangegangene, vergleichende Betrachtung zeigt einerseits, dass die beiden Formen der Versionierung unterschiedliche Ziele verfolgen, und andererseits legt sie die Vermutung nahe, dass es sich um orthogonale und damit gewinnbringend kombinierbare Ansätze han delt. Verschiedene Typen zur Darstellung desselben logischen Objektwertes hier stehen verschiedenen Objektwerten desselben Typs dort gegenüber. Tatsächlich lässt sich unser Ansatz um Mechanismen zur Objektversionierung erweitern, indem jede unserer Objektversionen nun durch verschiedene klassische Objektversionen ersetzt wird. Damit entsteht ein zweidimensionaler Raum von Objektversionen: entlang der einen Dimension liegt jeweils ein logischer Objektwert in verschiedenen Typen, entlang der anderen Dimension liegen jeweils verschiedene logische Zustände eines Objektes, die durch denselben Typ repräsentiert werden. Um die Kombination der beiden Versionierungskonzepte zu erreichen, sind allerdings noch einige Fragen näher zu untersuchen. Diese beschäftigen sich beispielsweise mit dem Zu sammenhang zwischen den Objektversionen entlang der beiden Dimensionen und mit der Propagation versionierter Objekte. Hier ist beispielsweise zu klären, ob alle, oder wenn nicht welche der logischen Objektwerte eines Objektes in andere Schemaversionen zu pro pagieren sind. Schließlich bietet die Realisierung des integrierten Gesamtkonzeptes zahl reiche Ansatzpunkte für technische Optimierungen und erfordert diese auch, um sowohl den Zeitaufwand für die Propagation als auch den Platzbedarf für die Speicherung der zweidimensional versionierten Objekte zu reduzieren. - Wir waren in der Literaturrecherche auf das Sichtenkonzept als Grundlage zur Simulati on von Schemaänderungen eingegangen und hatten dabei einige Deøzite bei der Lösung der hier betrachteten Aufgabenstellung identiøziert. Dies impliziert jedoch keine Aussa ge über die Tragfähigkeit von Sichten in dem Umfeld, für das sie ursprünglich konzipiert worden waren. Aufgrund der mit COAST erzielten Transparenz, die eine Schemaversion nach außen hin wie ein Schema eines unversionierten Systems erscheinen läßt, kann ein Sichtenkonzept auf dem COASTModell aufgesetzt werden. Konzeptionelle Schwierigkei ten sind durch die Kombination von Sichten und Schemaversionen nicht zu erwarten: Beim Ableiten neuer Schemaversionen können auf den Vorgängern definierte Sichten bei Bedarf mitintegriert werden und das Anlegen, Ändern und Löschen von Sichten kann durch die Primitive des Sichtenmechanismus erfolgen. In einem beide Konzepte integrierenden System kann entsprechend der gestellten Anforderungen entschieden werden, ob diese besser durch Anlegen einer neuen Sicht oder durch Ableiten einer neuen Schemaversion erfüllt werden. - Einen Schritt über die Integration eines separaten Sichtensystems hinaus geht die Über legung, ob Sichten nicht sogar durch Schemaversionen simuliert werden können. Damit wäre dann auch eine vollständig homogene Integration beider Konzepte in einem System erreicht. Um diese Überlegung zu verfolgen, betrachten wir die konzeptionellen Kompo nenten eines Sichtensystems und analysieren kurz, wie diese auf die Konzepte von COAST abgebildet werden können. Die für den Schemaentwickler zu verwendende Schnittstelle eines Sichtensystems ist durch die Sichtendefinitionssprache gegeben. Die dort zur Verfügung stehenden Konstrukte die nen zunächst der Definition des Sichtschemas und sind insoweit durch die Primitive der COASTODL abgedeckt. Darüber hinaus bestimmt eine Sichtendefinition die Extension der Sichtklassen durch Angabe je einer Anfrage, wobei das Ergebnis dieser Anfrage dem Schema der definierten Sichtklasse entsprechen muss bzw. dieses implizit erst bestimmt. Um diesen Teil eines Sichtenkonzeptes zu simulieren, sind in COAST zwei Erweiterungen not wendig. Zum einen wird eine Anfragesprache benötigt. Diese wäre für die Vervollständigung von COAST sowieso erforderlich und könnte sich konzeptionell sehr stark an bestehenden objektorientierten Anfragesprachen orientieren. Ein Anfragesystem muss zu jeder Anfrage zunächst das Schema ihres Resultates ermitteln und dieses könnte dann mit den Primiti ven der COASTODL erstellt werden. Daraufhin muss das Anfragesystem die eigentliche Durchführung der Anfrage auf der Datenbank erledigen. Dies beschreibt gleichzeitig die zweite in COAST erforderliche Erweiterung. Für die Durchführung der Anfrage und ins besondere der darin ggf. enthaltenen Selektion von Objekten müsste eine entsprechende Erweiterung der Propagationssprache von COAST vorgenommen werden. Änderungen von Objekten in Sichtklassen sind aufgrund des Sichtenänderungsproblems i.Allg. nicht durchführbar, da in der Sichtendefinitionssprache keine Möglichkeit besteht, die Auswirkungen einer solchen Änderung auf die Objekte des Basisschemas zu spezifi zieren. Daher bieten einige Konzepte Erweiterungen an, die man in COAST durch Ver wendung von Rückwärtskonvertierungsfunktionen bereits hat. Durch die Vorwärts und Rückwärtskonvertierungsfunktionen können beide Richtungen von Abbildungen zwischen (simuliertem) Basisschema und (simuliertem) Sichtschema sogar homogen durch dasselbe Konzept spezifiziert werden. Die Propagationsflags wären zur Simulation alle eingeschaltet und durch die Verwendung der verzögerten Propagationsmechanismen von COAST liefert die Simulation von Sich ten durch Schemaversionen zusätzlich ein optimiertes Konzept der Materialisierung von Sichten. - Das Konzept der direkten Schemaevolution hatte sich bei der Anwendung in dem hier beschriebenen Einsatzgebiet als zu restriktiv erwiesen. Nichtsdestotrotz kann die direkte Schemaevolution in Einzelfällen für die Durchführung von Schemaänderungen genügen, insbesondere solange noch keine Applikationen für eine Schemaversion implementiert sind. Folgerichtig können Situationen entstehen, wo selbst eingefrorene Schemaversionen noch in eingeschränktem Umfang änderbar wären, auch wenn dies i.Allg. nicht der Fall ist. Daher haben wir eine Kombination der direkten Schemaänderung mit dem Versionierungsansatz auf der Basis des Datenmodells von O 2 untersucht [FL96] (siehe Abschnitt 5.4.2). Dort konnten wir durch eine Klassiøkation der Schemaänderungsprimitive feststellen, ob den im Einzelfall gegebenen Umständen zufolge die Ableitung einer neuen Schemaversion erfor derlich ist oder nicht. Auf diesem Wege kann die Zahl entstehender Schemaversionen und damit auch der sich ergebende Verwaltungsaufwand reduziert werden. - Die in Datenbanksystemen benötigten Änderungsoperationen lassen sich drei elementaren Kategorien zuordnen: