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Es werden zwei bemerkenswerte Orobanche-Funde in Mitteldeutschland vorgestellt. Zum einen wird über einen Fund der in Sachsen-Anhalt seit Jahrzehnten verschollen geglaubten Panzer-Sommerwurz (Orobanche artemisiae-campestris) bei Wendelstein und zum anderen über einen weiteren Thüringer Nachweis der Böhmischen Sommerwurz (Orobanche bohemica) bei Hemleben berichtet.
Von den Schreiben, die Erich Rothacker und der Romanist Erich Auerbach (1892–1957) gewechselt haben, sind insgesamt siebenundzwanzig - achtzehn Briefe und neun Postkarten - erhalten. Sie stammen allesamt aus dem Zeitraum vom 1925 bis 1933 und von der Hand Auerbachs. Die Schreiben befinden sich im literarischen Nachlass von Rothacker an der Universitätsbibliothek Bonn und sind zu wissenschaftlichen Zwecken ohne Umstände einsehbar.
Seit der Publikation seiner Tagebücher besteht die Möglichkeit, die zeitgenössische Rezeption der Werke Arthur Schnitzler genauer zu erforschen. Manche wichtige Rezension zu seinen Buchveröffentlichungen wird - besonders wenn sie aus dem engeren Bekannten- und Freundeskreis stammt - im Tagebuch erwähnt und lässt sich aus den gelegentlich nur sporadischen Angaben Schnitzlers ermitteln. "Fräulein Else" – zunächst in Heft 35 der "Neuen Rundschau" vom Oktober 1924 erschienen - kommt schon am 25. November als Buch bei Zsolnay heraus. Am 23. November notiert Schnitzler ins Tagebuch: "Auf dem Heimweg zu Salten; ihm sagen, wie ich mich über das Else Feuilleton freute", und am Tag darauf heißt es über Salten, dass er am "Sonntag in der N. F. P. eine große Fanfare für Frl. Else blies". Die Fanfare, pünktlich zur Begrüßung der Buchfassung, findet sich als mehrspaltige begeisterte Rezension in der "Neuen Freien Presse" vom 23. November 1924 und ist eine der zahlreichen "Elogen über Frl. Else", die Schnitzler mit Stolz am 6. Dezember 1924 vermerken kann. "Therese. Chronik eines Frauenlebens" erscheint 1928 bei S. Fischer, vor dem 7. Mai 1928, denn unter diesem Datum lesen wir bereits: "Mit Vicki […] genachtm[ahlt]. Seine Kritik über 'Therese' in der Vossischen (herzlich und gescheidt)". Die Recherche führt hier zur "Literarischen Umschau", der Beilage der "Vossischen Zeitung" vom Sonntag, den 29. April 1928. Es sind selbstverständlich die Erstrezensionen, die Schnitzlers Interesse erregen, eine weitere Besprechung Victor Zuckerkandls Ende des Jahres in der "Neuen Rundschau" findet im Tagebuch keine Erwähnung mehr. In dieser zweiten Rezension gibt es im Übrigen keine redundanten Wiederholungen aus der ersten, beide entwickeln eine eigene Perspektive auf den Roman "Therese".
Vorgestellt werden zwei eingebürgerte Vorkommen des Rundblättrigen Labkrauts (Galium rotundifolium) in Fichtenforsten in Attendorn und Lennestadt (Kreis Olpe/Sauerland). Die Herkunft dieser im Süden Deutschlands heimischen Art ist ungewiss. Als Quelle kommt am ehesten forstliches Pflanzgut in Frage.
Bei Untersuchungen der Spinnenzönosen von Binnendünen im norddeutschen Tiefland (MERKENS in Vorb.) wurden an zwei Lokalitäten am Talrand der Elbaue Enoplognatha serratosignata, auf einer Binnendüne an der Oder Cheiracanthium gratum erstmalig in Deutschland nachgewiesen. Bisher war E. serratosignata aus Ungarn, China, Sibirien und der Schweiz bekannt (BOSMANS & VAN KEER 1999), Männchen von C. gratum sind in Ungarn gefunden worden (CHYZER & KULCZYNSKI 1897).
Im Jahr 2013 erhielten wir Kenntnis von zwei unabhängig voneinander erworbenen gestempelten Silberbarren, deren genaue Herkunft unbekannt ist, die jedoch aus dem südöstlichen Europa stammen sollen, was durchaus plausibel erscheint. Beide Barren wurden von uns 2014 in einer eigenen kleinen, von der Degussa Goldhandel GmbH (München) herausgegebenen Schrift veröffentlicht.
Aus ordovizischen Geschieben des Kies-Sand-Rückens ,Laer-Heide' (Landkreis Osnabrück; NW-Deutschland) werden 2 mißgebildete Pygidien von IlIaeniden (Trilobita) beschrieben: Ein vergleichsweise dünnschaliges Pygidium von lIIaenus jevensis HOLM 1886 weist eine Verletzung in Form eines dellenartigen Eindrucks auf. An einem Pygidium von Bumastus cf. nudus (ANGELIN 1854) läßt sich eine beulenförmige Verwachsung beobachten. Mögliche Entstehungsursachen beider Anomalien werden diskutiert.
Zwei neue Anophthalmen
(1895)
Zwei Brombeerarten der Sektion Rubus ser. Glandulosi (Wimmer & Grabowski) Fokke werden neu beschrieben. Beide sind in Thüringen und Nordbayern verbreitet: Rubus exarmatus H. E. Weber & W. Jansen spec. nov. und Rubus perlongus H.E. Weber & W. Jansen spec. nov. Die Arten sind durch Fotos ihrer Holotypen abgebildet, ihre bekannte Verbreitung ist durch Rasterkarten dargestellt.
In dieser zweiten Folge einer Artikelserie mit Neubeschreibungen von Arten von Draba subgen. Erophila werden D. droserifolia BOMBLE und D. glauca BOMBLE neu beschrieben. Draba droserifolia ist eine auffallend rundblättrige Art, die D. praecox und D. strigosula nahe steht. D. glauca ist eine graugrüne Art, die Merkmale von D. strigosula und morphologisch D. majuscula angenäherten Sippen kombiniert. Zu den bereits bekannten Arten D. acutidentata, D. majuscula, D. praecox und D. strigosula werden neue Fundorte aus dem Rheinland und den Niederlanden genannt.
Es werden die beiden neuen Federmilben Ingrassia aphrizae und Ingrassia americana (Pterolichoidea, Syringobiidae) beschrieben, die auf den amerikanischen Watvögeln, dem Gischtläuler (Aphriza virgata) und dem Großen Gelbschenkel (Tringa melanoleuca), vorkommen. Eine Differentialdiagnose zwischen den beiden neuen Arten und anderen Arten der Gattung Ingrassia wird durchgelührt.
Beschreibung der Arten: Trechus (Anophthalmus Strm.) vranensis n. sp. Lathrobium (Glyptomerus Müll.) Wingelmülleri n. sp.
Zwei neue Naturschutzgebiete
(1993)
Aus der Südslowakei wurden zwei neue Pflanzengesellschaften beschrieben. Das Cerintho-Vicietum villosae (Dauco-Melilotion) ist von zahlreichen Fabaceen geprägt und kommt typisch auf nährstoffarmen gestörten Böden (Straßenränder, Böschungen) in der Weinlandschaft der Kleinen Karpaten vor. Es wurde auch in der Südsteiermark gefunden. Das Sisymbrio orientalis-Xeranthemetum annui (Onopordion) ist eine thermophile Gesellschaft der Lößböschungen und -straßeneinschnitte in den wärmsten Gebieten der Südslowakei.
Auch Sarah Sander befasst sich in ihrem Beitrag mit der politischen Dimension des Kuratierens, die sie durch die Untersuchung der künstlerischen Strategie des Arrangements in der Arbeit von Forensic Architecture und bei Guillermo Galindo herausstellt. Beide, Künstler wie Kollektiv, arbeiten mit vorgefundenen Materialen und Bildern, die neu arrangiert werden, um "den massenmedialen Bildern und Diskursen etwas entgegenzustellen" (Sander). Jedoch verfolgt das Arrangieren jeweils unterschiedliche politische Ziele: Während das Forensic Architecture Kollektiv mit seinen Arbeiten Sichtbarkeit und Nachvollziehbarkeit erzeugt, geht es Galindo vielmehr darum, Hörbarkeit herzustellen; in ihrem Widerstand gegen fortwirkende rassistische Strukturen schreibe sich beide in eine Praxis ein, die Sander mit Christina Sharpe als 'wake work' beschreibt.
In den 60er Jahren entstand der Plan, die Flora Mitteleuropas nach britischem Vorbild zu kartieren. Als Probelauf erschien HAUEPLER (1976). Sein Atlas zur Flora von Südniedersachsen umfaßte auch den Kreis Höxter östlich des 9. Längengrades, also der Egge. Über 12 Jahre später lag das Hauptwerk noch rechtzeitig zu Weihnachten auf dem Tisch. Selbst die sonst zurückhaltende "Frankfurter Allgemeine" lobt es als Jahrhundertwerk. Wir wollen versuchen, die beiden Rasterkartenwerke zu vergleichen. Stützte sich der Verfasser damals auf 169 Feldbotaniker, so waren es diesmal schon über 1200, obwohl inzwischen das Arbeitsgebiet auf die Bundesrepublik beschränkt werden mußte, und man als Grundfeld statt eines Viertel- Meßtischblatts (TK 25) jetzt ein ganzes wählte. PREYWISCH u.a. (1981, 1982) konnten die Fläche des Kreises Höxter damals mit 51 Meßtischblattvierteln (Quadranten) einigermaßen abdecken. Heute ist man mit 17 TK 25 viel ungenauer.
Zweimal Palau : Imagewandel des Pazifikinsulaners in der Vorgeschichte des deutschen Kolonialismus
(2004)
Der Kulturrelativismus Herderscher Prägung, der das 18. Jahrhundert weithin bestimmte, dann aber im späteren Verlauf des 19. durch die kolonialistische Zivilisationsideologie überschattet wurde, hat in der zweiten Hälfte des 20. erneut Auftrieb bekommen im Zusammenhang postkolonialer Interessenrichtungen. In der unmittelbaren Gegenwart werden jedoch auch Stimmen laut, die den "Kult der Kulturen" als Affront gegen die zivilisatorischen Werte Europas verdächtigen. So namentlich Roger Sandall in seinem Buch 'The Culture Cult' (Westview, Boulder 2001), das auch in den deutschsprachigen Ländern ein starkes Echo ausgelöst hat (vgl. Merkur, November 2002, S. 1024–1028).
Die Vorgeschichte des deutschen Kolonialismus kennt diesen Konflikt sozusagen in Reinkultur.
Im Juli 1988 wurde eine floristische Untersuchung im Hamburger Hafen durchgeführt, hauptsächlich ausgerichtet auf die Verbreitung der Adventivpflanzen. Es werden 77 Arten, Unterarten und Varietäten synanthroper (besonders Adventiv-) Pflanzen (einschließlich der Moose) mit Aufzählung einzelner Lokalitäten angeführt. Außerdem wurde die Aufmerksamkeit auch der Verbreitung von Ruderal-Gesellschaften gewidmet.
Die Bedeutung des Hamburger Hafens, der seit jeher zur Spitzengruppe der europäischen Seegüter-Umschlagplätze gehört (1987 hatte der Hamburger Hafen einen Anteil von 41,7% am Güterumschlag aus 12 der größten Seehäfen der Bundesrepublik), ist für die Einschleppung von Adventivpflanzen unbestreitbar. Der Hafen ist Ausgangspunkt des sogenannten Elbeweges der Adventivarten.
Die bedeutsamsten Funde von Adventivpflanzen sind Salsola collina, Senecio inaequidens und Solanum carolinense. Bei Salsola collina wird die Verbreitung in den Häfen des Moldau-Elbe-Wasserweges während der letzten Jahrzehnte erörtert, bei Solanum carolinense eine Übersicht der ersten Funde in weiteren europäischen Ländern gegeben. Die Änderung des Namens Setaria faberi auct. in S. macrocarpa Lucznik wird begründet. Ferner wird darauf hingewiesen, daß in der jüngsten Vergangenheit im Hamburger Hafen stellenweise Begleiter des sog. Ostweges der Adventivarten festgestellt wurden, wenn auch im Vergleich mit den nordamerikanischen Arten nur spärlich (z.B. Bunias orientalis, Potentilla intermedia, Salsola collina). Besondere Aufmerksamkeit wurde auch der Verbreitung von Arten der Gattung Oenothera gewidmet — (Oenothera ammophila, O. biennis, O. erythrosepala, O. fallax, O. rubricaulis). Von den unlängst erkannten Taxa werden Anthemis tinctoria subsp. subtinctoria und Chenopodium pedunculare aufgeführt.
Im Gebiet des Hamburger Hafens wurden folgende Ruderal-Gesellschaften notiert: Funarietum hygrometricae typicum, Poetum annuae, Hordeetum murini, Calamagrostis epigejos-Gesellschaft, Carex hirta-Gesellschaft.
Der Beitrag behandelt die in Europa nachgewiesenen Zwergformen der Gattung Rubus L. Sechzehn Arten (alle nur Sekt. Rubus) bilden solche offensichtlich genetisch fixierten Abwandlungen aus, die als Varietäten der betreffenden Arten eingestuft werden. Neu beschrieben werden R. marssonianus H. E. WEBER var. pusillus H. E. WEBER, R. muenteri T. MARSS. var. pusillus H. E. WEBER und R. senticosus KÖHLER ex WEIHE var. pusillus H. E. WEBER & KIESEWETTER. Einen status novus erhalten R. gracilis J. & C. PRESL var. parvulus (HÜLSEN) H. E. WEBER, R. pyramidalis KALT. var. parvifolius (K. FRID. & GELERT) H. E. WEBER und R. silvaticus WEIHE & NEES var. microphyllus (K. FRID. ex ERICHSEN) H. E. WEBER. – Zwergformen sind meist etwa nur halb so groß wie die Normalform und weisen weitere charakteristische Merkmale auf. Ihre Häufigkeit nimmt von Norden nach Süden ab. Die meisten Zwergformen wachsen in Dänemark (13), es folgen Norddeutschland (9) und Mitteleuropa bis zur Donau (4). Weiter südlich und in Südeuropa fehlen sie. Von den Britischen Inseln sind vier Zwergformen bekannt.
Im Gebiet der Reinhäuser Buntsandsteinplatte, zwischen Göttinger Wald und Eichsfeld gelegen, sind anthropozoogene Zwergstrauchheiden und Sandmagerrasen nur noch sehr vereinzelt und kleinflächig erhalten. Aufgrund fehlender angemessener Nutzung und Pflege der Zwergstrauchheiden (Genisto-Callunetum) trifft man die einem Entwicklungszyklus unterworfene Calluna vulgaris meist im Reife- oder Degenerationsstadium an. In die lückigen Bestände dringen verstärkt Kräuter, Gräser und Holzarten ein, sodaß die Heiden vergrasen und verbuschen. Mögliche Pflegemaßnahmen für die am Weidenberg bei Ebergötzen verbliebene Zwergstrauchheide werden diskutiert. Die nur fragmentarisch ausgebildeten Sandmagerrasen (Sedo-Scleranthetea) zeigen deutlich lokalen Charakter. Sie siedeln auf unbeschatteten Felskuppen und auf mehr oder weniger stark nach Süd bis West exponierten, flachgründigen Hängen.
"Politische Korrektheit" ist als deskriptive wie als normative Kategorie in Bezug auf unterschiedlichste Kommunikations-, mediale und institutionelle Kontexte seit einigen Jahren allgegenwärtig. Zunehmend wird sie nun selbst zum Gegenstand der Debatte. Ursprünglich Ausdruck des Bemühens, ein Bewusstsein für sprachliche Diskriminierungen zu schaffen und auf eine diskriminierungsfreie Sprache hinzuwirken, befindet sich die politische Korrektheit mittlerweile im Spannungsfeld zwischen nahezu obsessiv betriebenen Versuchen einer Beschränkung des Sagbaren einerseits und ebenso programmatisch unternommenen Überschreitungen der Grenzen des Sagbaren andererseits. Verbot und Provokation grundieren nicht zuletzt das politische/ administrative Sprechen bzw. Schreiben sowie erhebliche Anteile von Äußerungsformen im Rahmen der Social Media. In einer historischen Perspektive verbindet die Forderung nach einer mehr oder weniger strikten Reglementierung des Sagbaren die politische Korrektheit mit der staatlichen oder kirchlichen Zensur vor- bzw. nicht-demokratischer Systeme. Während gegenwärtig in der Mehrzahl der westlichen Gesellschaften eine derart institutionalisierte Steuerung des Sagbaren nicht mehr stattfindet, also scheinbar nichts mehr "unsagbar" ist, lassen sich in verschiedenen sozialen Segmenten und Communities sehr wohl selbstauferlegte Sprach- und Verhaltenskodices beobachten, die nach wie vor oder wieder Grenzen des Sagbaren definieren. Als Sprachkodex in diesem Sinn fungiert bisweilen auch die politische Korrektheit. So fragwürdig eine zum Selbstzweck gewordene politisch korrekte Sprache allerdings auch sein mag, so besorgniserregend sind programmatische Verstöße gegen die politische Korrektheit, wo sie offensichtlich auf Diffamierung zielen und in letzter Konsequenz Prozesse der Entsolidarisierung befördern wollen. ...
Zu den wertenden Klassifikationen, die bereits zu einem frühen Zeitpunkt unter den Vorzeichen politischer Korrektheit thematisiert und problematisiert wurden, gehört die "Rasse". Im Folgenden soll es um Dimensionen des Sagbaren in einem Diskursfeld gehen, das unmittelbar an diese Klassifikation anschließt, nämlich das Diskursfeld des "Fremden", "Anderen", "Ausländischen", und zwar bezogen auf die Tagesproduktion des deutschsprachigen Theaters des 19. Jahrhunderts als einer spezifischen medialen Konstellation. Es lässt sich zeigen, dass sich innerhalb weniger Jahrzehnte erhebliche Verschiebungen hinsichtlich der Frage vollzogen, was und wie über Fremde und die Ferne im populären, also auf ein Massenpublikum zielenden Theater gesprochen werden könne. Diese Verschiebungen waren nicht das Resultat von konkreten, im Theater wirksamen staatlichen Zensurbestimmungen oder -maßnahmen. Sie reflektierten vielmehr grundsätzliche Entwicklungen der politischen Ideologie.
Zwischen 'Umwelt' und 'milieu' : zur Begriffsgeschichte von 'environment' in der Evolutionstheorie
(2014)
Wohl kaum ein Begriff ist derzeit ähnlich aufgeladen, belegt und machtvoll wie der des auch ins Deutsche übergehenden 'environment'. Er ist allgegenwärtig, zum theoriestrategischen wie handlungsleitenden Instrument geworden und geht über seine angestammten Fachgebiete im Bereich der Biologie und der Ökologie sowie die Vielfalt umweltpolitischer Programme weit hinaus. Die ersten Schritte auf diesem Weg der Ausweitung, die den Begriff derzeit auf unterschiedlichsten Gebieten plausibel macht, sollen im Folgenden nachvollzogen werden. Dabei wird besonderes Augenmerk auf sein Verhältnis zu zwei benachbarten Begriffen gelegt werden, die zwar häufig zur Übersetzung herangezogen werden, dadurch aber ihre eigene Spezifik und historische Tiefe zu verlieren drohen: 'Umwelt' und 'milieu'. Werden diese drei Ausdrücke füreinander ein- oder gar miteinander gleichgesetzt, vermischen sich ihre in entscheidenden Punkten voneinander abweichenden Theorietraditionen. Ein begriffsgeschichtlicher Blick auf die Etablierung von 'environment' in der britischen Evolutionstheorie des 19. Jahrhunderts soll diese bislang viel zu selten beachteten Komplikationen verständlich machen - angesichts seiner momentanen Ausweitung, in der alle drei Begriffe selbstverständlich zu werden drohen.
Symposiumsbeitrag zu: Georg Simmel, Gesamtausgabe. Herausgegeben von Otthein Rammstedt. Band 1: Das Wesen der Materie nach Kant's Physischer Monadologie. Abhandlungen 1882-1884. Rezensionen 1883-1901. Herausgegeben von Klaus Christian Köhnke. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2000, 527 S., kt. EURO 16,50 Band 12: Aufsätze und Abhandlungen 1909-1918, Band I. Herausgegeben von Klaus Latzel. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2001, 586 S., kt. EURO 18,- Band 13: Aufsätze und Abhandlungen 1909-1918, Band II. Herausgegeben von Klaus Latzel. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2000, 432 S., kt. EURO 15,- Band 15: Goethe. Deutschlands innere Wandlung. Das Problem der historischen Zeit. Rembrandt. Herausgegeben von Uta Kösser, Hans-Martin Kruckis und Otthein Rammstedt. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2003, 678 S., kt. EURO 18,- Band 19: Französisch- und italienischsprachige Veröffentlichungen. Mélanges de philosophie relativiste. Herausgegeben von Christian Papilloud, Angela Rammstedt und Patrick Watier. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2002, 464 S., kt. EURO 18,- Band 20: Postume Veröffentlichungen. Schulpädagogik. Herausgegeben von Torge Karlsruhen und Otthein Rammstedt. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2004, 627 S., kt. EURO 19,- Rezensent: Klaus Lichtblau, Prof. Dr., Universität Frankfurt, FB Gesellschaftswissenschaften, Institut für Gesellschafts- und Politikanalyse
The present contribution deals with the three most recent novels of the Romanian-born Swiss Author Catalin Dorian Florescu: Zaira [Zaira] (2008), Jacob beschließt zu lieben [Jacob Decides to Love] (2011) and Der Mann, der das Glück bringt [The Man who Brings Happiness] (2016). The author unfolds in these novels family sagas spanning centuries which make the destiny of migrants between the poles of east and west a subject of discussion. In contrast to Florescu’s three former novels the reader can detect in these family novels the tendency towards a folkloristic presentation of a multicultural ambience at the expense of an intercultural involvement in the narrative depiction.
Der Beitrag konzentriert sich auf Identitätskonzepte, die Artur Becker in seinen Romanen "Das Herz von Chopin" und "Wodka und Messer" für eine Migrantenexistenz vorschlägt. Das herkömmliche Modell (Überdruss an der neuen, Sehnsucht nach der verlassenen Heimat) wird von Becker verworfen. Stattdessen entwickelt er das Konzept der Parallelität der Intensität, des gleichzeitigen Einwirkens der Erfahrungen aus verschiedenen Zeitebenen, das weder eine volle Integration noch die Rückkehr möglich macht. Diese Gespaltenheit wird in den Texten poetologisch als Poetik der Verdoppelung inszeniert, wobei die Raumsemantik eine eminente Rolle spielt. Der Zustand der Krise, in der sich die Protagonisten befinden, wird im Beitrag als "vorhybrider Zustand" apostrophiert, wobei das Erreichen einer hybriden Identität von Becker angezweifelt wird. Vielmehr handelt es sich hier um eine "Interferenzkrise", deren Überwindung zwar vom Autor in Aussicht gestellt, aber gleichzeitig als verdächtiges Idyll desavouiert wird.
Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass sich empirisch eine inklusive Schule oftmals als eine differenzierte und differenzierende Schule darstellt. Dies bezieht sich etwa auf die Ausdifferenzierung der ‚heterogenen Lehrgruppe‘. Im zeitgemäßen inklusiven Unterricht sind allgemein- und sonderpädagogische Lehrkräfte ebenso wie Schulbegleitungen anwesend. Auch Sozialpädagog*innen und Therapeut*innen gehören vermehrt zum Schulalltag.
Vorliegende Studien dokumentieren, dass die Gestaltung inklusiver Schulen bzw. von inklusivem Unterricht von nicht intendierten Effekten und Widerständigkeiten der Akteur*innen begleitet ist. Im Beitrag werden – basierend auf der ProFiS-Studie – zwei Herausforderungen von inklusiven Schulen in den Mittelpunkt gerückt. Zum einen wird auf das Spannungsfeld von Professionalisierung und Deprofessionalisierung eingegangen. Zum anderen stellt das Verhältnis von Kategorisierung und Dekategorisierung eine Herausforderung dar. Beide Relationen sind als Spannungsverhältnisse untereinander und zueinander zu denken, die sich nicht ‚einfach‘ in eine Richtung auflösen lassen, sondern die in ihrer Widersprüchlichkeit gerade konstitutiv für die Praxis ‚inklusiver Schulen‘ wirken. Zentrale Frage des Beitrags ist, wie dieses komplexe Spannungsverhältnis der wechselseitigen Bezogenheit de/kategorisierender und de/professionalisierender Prozesse in professionellen Aktivitäten hervorgebracht wird.
Mit der Verfasserangabe P. Josef erschien am 29. Januar 1870 in der Wiener "Presse" ein Artikel "Christliche Zeitrechnung", in dem es heißt:
In unserem merkwürdigen und edlen Zeitalter werden die Schranken immer mehr entfernt, die Classe von Classe, Race von Race trennen; die Mildthätigkeit und Barmherzigkeit kennt keine Parteiung und kein Lager mehr, dem Kriege selbst wird seine Grausamkeit immer mehr benommen; der Glaube wird idealisiert, der Irrthum nicht mehr für sträflich gehalten, der höchsten Wahrheitsliebe gesellt sich ein bescheidenes Bewußtsein der Mangelhaftigkeit unserer Erkenntniß und große Empfindungen arten nicht in Fanatismus oder Schwärmerei aus, denn in Eile folgt ihnen nüchternes Bewußtsein und concret gestaltende Kraft.
Diese unerschütterbare Fortschrittsgewissheit stammt von keinem Priester, wie das strategische, als Pater Josef zu lesende Anagramm nahelegt, sondern von dem Techniker Josef Popper, der sich allerdings noch vielfach unter dem Schutz der Anonymität oder von Pseudonymen wie Lynkeus oder Nestor öffentlich einmischen sollte.
Es gehört zu den Eigenarten der Romane Klaus Manns, daß ihre Handlung vorzugsweise in der Gegenwart oder zumindest der jüngsten Vergangenheit angesiedelt ist. Das war - um nur diese Beispiele zu nennen - der Fall in "Flucht in den Norden", in "Mephisto" und in "Der Vulkan". Es trifft in besonderem Maße für einen Fragment gebliebenen Roman "The Last Day" zu. Er sollte an einem einzigen Tag, dem 13. August 1947, spielen, und dies war auch der Tag, an dem Klaus Mann die ersten Notizen zu dem Roman niederschrieb. Ein hohes Maß an Aktualität war diesem Projekt also von Anfang an eigen, und dieses Maß verringerte sich bis zum April 1949, dem Zeitpunkt der letzten Arbeiten an dem Manuskript, nicht im geringsten, es nahm eher noch zu. Wie bekannt, handelt es von dem tragischen Untergang zweier Intellektueller im Kalten Krieg.
Das Wissen um eine antike Kultur ist nicht selten vom Stand der modernen Forschung geprägt. Auf dem Gebiet der Erforschung des antiken Westbalkan hat dieser keineswegs ein Optimum erreicht. Vielmehr haben der politische Umbruch in Osteuropa sowie die Kriege seit den 1990er Jahren in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien ein negatives Licht auf jene Länder und seine Menschen geworfen. Diese Bewertung wird darüber hinaus bis in die heutigen Tage paradoxerweise auch auf die Kulturen der Antike übertragen. Dabei bildet die Region an der Adria mit ihren archäologischen Denkmälern aus verschiedenen Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte eine der ältesten Kulturlandschaften Europas. In kaum einem anderen Teil des Kontinents finden sich Natur und Kultur derart eng beieinander. Die in albanischer, serbischer, kroatischer oder slowenischer Sprache verfassten wissenschaftlichen Abhandlungen sowie die von den Touristenrouten häufig abseits gelegenen Kulturgüter sind darüber hinaus in Westeuropa zumeist unbekannt. Aus diesem Grund soll dieser Aufsatz einen Beitrag zum kulturellen „Wiederaufbau“ des am Adriatischen Meer und im Dinarischen Gebirge gelegenen antiken Illyricum leisten. Zunächst wird zur allgemeinen Orientierung der geographische Rahmen abgesteckt. Des weiteren soll die geographische sowie topographische Situation der verschiedenen Kulturlandschaften entlang der Adria sowie des Dinarischen Hinterlandes exemplarisch aufgezeigt werden. Schließlich wird versucht, die sowohl historische als auch archäologische „Lücke“ zwischen Griechenland und Italien für die vorrömische Zeit zu schließen.
Ein Körper der Vergangenheit überdauert die Jahrtausende und erscheint in der Gegenwart als frappierend lebendiges Antlitz des Vergangenen. Die Mumie – der einbalsamierte und präparierte Körper des Toten vor allem in der ägyptischen Tradition (aber nicht nur dort) regte von je her die Phantasie an. Magische Kräfte wurden der überdauernden Leiche zugemessen, ihr Staub als medizinisches Pulver unter die Leute gebracht. Doch auch die Kontinuität früheren Seins im konservierten Körper ist es, die die ungebrochene Faszination der Mumie ausmacht. An ihm erkennen wir altertümliche Physiognomie, Körpertechniken und sogar Moden.
Schiller sagt in seinem - laut Thomas Mann - "tiefsten und glänzendsten Essay": "Der Dichter [...] ist entweder Natur, oder er wird sie suchen. Jenes macht den naiven, dieses den sentimentalischen Dichter." Der naive Poet könne sich auf die "Nachahmung des Wirklichen" beschränken und habe deshalb "zu seinem Gegenstand auch nur ein einziges Verhältnis"; Aufgabe des sentimentalischen Schriftstellers hingegen sei "die Darstellung des Ideals", und hierfür gebe es "drei [...] mögliche Arten": "Satyre, Elegie und Idylle". Schiller verwendet hier Bezeichnungen für literarische Gattungen, die aus der Antike stammen und im 18. Jahrhundert noch in hohem Ansehen standen, betont aber mehrfach, daß er diese Bezeichnungen "in einem weiteren Sinne [...] als gewöhnlich" verstehen wolle: nämlich als "Empfindungsweise[n]" oder "Dichtungsweise[n]". Der satirische Dichter schildere "die Entfernung von der Natur und den Widerspruch der "Wirklichkeit mit dem Ideale"; der elegische Dichter setze "die Natur der Kunst und das Ideal der Wirklichkeit [...] entgegen" und stelle dabei die "Natur" als "verloren" und das "Ideal" als "unerreicht" dar; der idyllische Dichter schließlich gestalte die "Uebereinstimmung" zwischen Ideal und Realität (20,436-467).
Schiller hat damit den in den drei literarischen Gattungen dominierenden Merkmalen eine übergreifende Bedeutung gegeben. Gewiss treten die einzelnen künstlerischen Verfahrensweisen nicht rein auf und sollten deshalb nicht verabsolutiert werden - der Dichter selbst hat in seinen Werken diese Elemente durchaus miteinander vermischt Dennoch hat er - wie schon bei der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen "naiver" und "sentimentalischer" Dichtung - heuristisch äußerst fruchtbare Distinktionen getroffen. Ich möchte seine Untergliederung zum Ausgangspunkt nehmen, um eine konkrete Problematik des Schillerschen Werkes zu untersuchen - nämlich das Verhältnis zwischen idyllischen und elegischen Zügen in seinem Antike-, insbesondere seinem Griechenbild - und darüber hinaus die Vielschichtigkeit dieses Bildes überhaupt herausstellen. (Satirische Elemente sind seinem Werk nicht fremd, spielen aber keine dominierende Rolle.)
Entgegen der Vielschichtigkeit und Komplexität pädagogischen Denkens und Handelns im Vormärz zeigen sich in der Forschungslage jedoch Desiderate. So wurden pädagogische Themen bis dato nur wenig wahrgenommen. Ausgehend von diesem Befund fokussiert der vorliegende Thementeil des Jahrbuchs das Thema "Zwischen Emanzipation und Sozialdisziplinierung. Pädagogik im Vormärz". In den folgenden Beiträgen werden pädagogische Handlungs- und Themenfelder aus verschiedenen disziplinären Perspektiven aufgegriffen. Dabei wird es deutlich, dass im pädagogischen Diskurs des Vormärz nicht nur verschiedene Positionen unter Aufnahme der gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Situation gegeneinander geführt, sondern dass auch verschiedene Modi und Medien der Artikulation genutzt wurden. Der vormärzliche Diskurs über Erziehung und Bildung ist daher Gegenstand verschiedener Disziplinen und geht über den Interessenbereich der Erziehungswissenschaft deutlich hinaus. Er ist auch ein geschichtswissenschaftliches, literaturwissenschaftliches, kulturwissenschaftliches, philosophisches und theologisches Thema, was sich in den Beiträgen dieses Jahrbuchs niederschlägt.
Der Versuch, die Erfahrungen Ernesto Guevaras nach dem Zerfall der Studentenbewegung von 1968 durch mythologische Verfremdungseffekte und andere literarische Strategien als utopisches "VorBild" libertären Aufbruchs in poetisierter Form präsent zu halten, wird von Weiss zwar […] andeutungsweise unternommen, sogleich aber wieder durchgestrichen.
[…]
Mit seinem Geschichtsdrama hat Volker Braun […] ein Lob der revolutionären Torheit geschrieben, in dem Ernesto Che Guevara mit seinem irrationalen, blinden Enthusiasmus die Rolle eines kommunistischen Don Quijote, eines "guerillero errante" zwischen Ideal und Wirklichkeit zufällt.
[…]
Enzensbergers Ballade [deutet] die bolivianische Expedition Che Guevaras als psychologisch motivierte Flucht in die Eindeutigkeit vertrauter Freund-Feind-Schemata.
In ihrem Buch "Cultivating Humanity" formuliert Martha Nussbaum folgenden Appell: "(…) die Welt um uns herum ist unausweichlich international. Themen vom Handel bis zur Landwirtschaft – über die Menschenrechte bis hin zu der Linderung von Hungersnöten – fordern uns dazu heraus, den Blick über eng gefasste Gruppenloyalitäten hinaus zu wagen und weit entfernte Lebenswirklichkeiten zu berücksichtigen. (…) Die Kultivierung unserer Menschlichkeit in einer komplexen und ineinander verflochtenen Welt, bedarf eines Verständnisses über die Art und Weise in der gemeinsame Bedürfnisse und Ziele in unterschiedlichen Lebensverhältnissen je verschieden identifiziert und verfolgt werden" (1997, 10). Diese Forderung, die das liberale westliche Individuum dazu aufruft, sich angesichts zunehmender globaler Interdependenzen für Belange verantwortlich zu zeigen, die über das jeweilige Eigeninteresse hinausgehen, erscheint auf den ersten Blick als ein überaus lobenswertes Unternehmen.
Glaubt man Hermann Parzinger, entsteht in Berlin das würdige Zentrum einer Art Welthauptstadt: "Das Humboldt Forum: 'So viel Welt mit sich verbinden als möglich'"– das ist der Titel des 2011 herausgegebenen Folianten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, deren Präsident Parzinger ist. Die markigen Worte umreißen das Ziel des "wichtigsten Kulturprojekts in Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts", wie es im Untertitel heißt. "So viel Welt mit sich verbinden als möglich". Von wem stammt dieses werbewirksame Schlagwort? Und: Wie ist dieses Verbinden zu denken? [...] Mich interessiert hier und im Folgenden der erste Kontakt, der sich im Verb "ergreifen" ausdrückt. Offensichtlich setzt die Etablierung einer möglichst engen Verbindung von 'Mensch' und 'Welt' ein initiales Moment voraus, ein aktives Zupacken durch das Subjekt, das in der Folge die Fusion beider allererst ermöglicht. Das Ergreifen von "so viel Welt, als möglich" bildet das Fundament für humanistische Allgemeinbildung im Humboldt’schen Sinne: "[D]iese Aufgabe löst sich allein durch die Verknüpfung unsres Ich mit der Welt zu der allgemeinsten, regesten und freiesten Wechselwirkung." Angesichts der kontrovers geführten Kolonialismus-Debatte um das Humboldt-Forum ist es bemerkenswert, dass Parzingers Werbetext das Ergreifen tilgt, negiert er doch damit auch ein mögliches Gewaltmoment. Schließlich wurden Kolonien zuerst ergriffen, gewaltsam ein-genommen, bevor es zu einem zumindest einseitig produktiven Austausch von Waren, Kunst und dergleichen, zu einer "Verknüpfung" kommen konnte. Indem der Text die Kontaktanbahnung, das Ausgreifen verschweigt, kaschiert er damit auch das preußisch-imperiale Erbe. Wie sehr aber wirkt in jener Humboldt’schen Verbindung von Bildungssubjekt und Welt die initiale Gewalt fort, die an ihrem Anfang steht? Wie ist das Verhältnis von der "freiesten Wechselwirkung", also einer reziproken Interaktion, zum aggressiven, aktiven Ergreifen? Diese Fragen und der imperiale Wunsch, Berlin möge mit dem Humboldt-Forum nun zur "Angelegenheit der gesamten Welt werden", führen zu 'dem' Modell und Phantasma einer Welthauptstadt – zu Rom, genauer zum Rom Johann Wolfgang von Goethes.
Trockenrasen (v. a. Klassen Koelerio-Corynephoretea und Festuco-Brometea) gehören zu den auf kleinen Flächen artenreichsten Pflanzengesellschaften überhaupt und stellen ideale Modellsysteme für die Analyse von Phytodiversitätsmustern und deren Ursachen dar. Ich gebe einen Überblick der in verschiedenen Trockenrasentypen Europas auftretenden Durchschnitts- und Maximalwerte der Artenzahlen von Gefäßpflanzen, Moosen und Flechten auf unterschiedlichen Flächengrößen zwischen 1 mm2 und 100 m2. Gesellschaften der Festuco-Brometea sind generell artenreicher als jene der Koelerio-Corynephoretea. Die bislang höchsten publizierten Artendichten stammen jedoch aus dem Gypsophilo fastigiatae-Globularietum vulgaris, einer basiphilen Felsgrusflur der schwedischen Insel Öland (Ordnung Alysso alyssoidis-Sedetalia, Koelerio-Corynephoretea). Sie betragen auf 4 m2 durchschnittlich 53,6 und maximal 80 Arten. Die geringsten Artendichten unter den Trockenrasen weisen das Caricetum arenariae und das Corniculario-Corynephoretum (beide Ordnung Corynephoretalia canescentis, Koelerio-Corynephoretea) mit durchschnittlich weniger als 10 Arten auf 4 m2 auf. Die Artenzahl-Areal-Beziehung von Trockenrasen lässt sich über den ganzen betrachteten Dimensionsbereich exzellent durch eine Potenzfunktion S = c • A z beschreiben. Dabei unterscheiden sich die z-Werte verschiedener Trockenrasentypen nur geringfügig und betragen im Mittel 0,21. Das führt dazu, dass die Reihung verschiedener Trockenrasengesellschaften hinsichtlich ihrer Artenzahl auf unterschiedlichen Skalenebenen nahezu unverändert bleibt, und eröffnet die Möglichkeit, Artenzahlen auf andere Flächengrößen zu extrapolieren.
Es folgt eine Erörterung der wichtigsten Faktoren, welche die Verteilung der Phytodiversität in Trockenrasen beeinflussen. Die größte Bedeutung hat hier die Bodenreaktion. Im Allgemeinen wurden stark steigende Artendichten mit zunehmendem pH-Wert, teilweise auch ein erneuter leichter Abfall oberhalb des Neutralpunktes gefunden. Eine Abnahme der Artendichte mit zunehmender Höhenlage im Gebirge konnte zumindest in zwei Fällen auch für Probeflächen gleicher Größe nachgewiesen werden. Abschließend diskutiere ich die Gründe für den überdurchschnittlichen Artenreichtum von Trockenrasen, weise auf Forschungsdefizite hin und unterbreite Empfehlungen für die Konzeption und Durchführung künftiger Studien der Biodiversitätsforschung wie auch der pflanzensoziologischen Datenerhebung allgemein. Als vordringliche Qualitätskriterien erachte ich die Arbeit mit standardisierten Probeflächengrößen und die sorgfältige Berücksichtigung von Moosen und Flechten.
Hofmannsthals Fragmente sollen hier nicht nach Grenzen und Gründen ihres Status abgesteckt werden. Die Beleuchtung einer "Ästhetik des Fragmentarischen" wirft ihr Licht wohl weniger auf die sogenannten Fragmente Hofmannsthals als auf den Teil seines oeuvres, den man als das vermeintliche Werk von den Fragmenten abzusetzen pflegt. Damit hängt zusammen, daß von einer Ästhetik des Fragmentarischen wohl nur in Verbindung mit einer Ethik des Fragmentarischen im Werk Hofmannsthals die Rede sein kann. Es geht daher auch um die Ortung einer fragmentarischen Identität bei Hofmannsthal. Die Gründe für eine solche, vielleicht paradox anmutende Umschreibung vom Ästhetischen zur Ethik, vom Fragment zum Werk scheinen gerade aufgrund auch editorischer Erfahrungen im Umgang mit Hofmannsthal gerechtfertigt: Es ist zunächst die zwar angesichts der großen Torsi wie "Andreas", "Silvia im 'Stern'", "Timon" oder "Kaiser Phokas" verständliche Frage nach den Gründen für den Abbruch der Arbeit, aber dann gerade ihre immer nur unbefriedigend - kann man sagen: unvollständig? - ausfallende Antwort, die zu einer resignativen Einstellung führt. Im Fall des "Andreas"-Romans, um hier das wertvollste aller Fragmente stellvertretend anzuführen, sind schon von den ersten Lesern die unterschiedlichsten Versuche unternommen worden, den Abbruch, die Brüchigkeit durch eine eindeutige Antwort zu glätten und damit den Fragmentcharakter zu nivellieren.
In diesem Beitrag werde ich versuchen, zwei auf den ersten Blick recht disparate Stränge des 'Kultur'-Diskurses miteinander in Beziehung zu setzen: den politisch-interdiskursiven Gebrauch von 'Kultur' und den begriffspolitisch interessanten Versuch populärer Evolutionsbiologen, den Kulturbegriff biologisch zu erden bzw. umzudefinieren. Beide Stränge partizipieren hierzulande nolens volens an den konnotativen Ladungen, die 'Kultur' angesammelt hat, und beide Stränge sind dabei, Gewicht und Verteilung dieser Ladungen erheblich zu verändern.
Gusel Jachina is a Russian writer. Her grandfather, a former German teacher in one of the villages along the Volga River, founded by German colonists, inspired her second novel “Wolgakinder” (Children of the Volga). She presents over 20 years of eventful history as it is seen by Jakob Bach, a German teacher in the village Gnadental on the banks of the Volga. It is an opulent novel of 600 pages, written in a rather baroque style, trying to not only present historic events from the beginning of the Soviet era but to recreate the atmosphere of those years full of Ups and Downs not only for the German speaking population.
Es ist wohl längst eine Binsenweisheit und bis in bildungsbürgerliche Kreise hinein bekannt, daß dem Fernsehen ein hoher Anteil bei der gesellschaftlichen wie kulturellen Modernisierung des "zivilisatorischen Weltprozesses" zugeschrieben werden kann. Als anerkanntes Leitmedium einer "zweiten Moderne" (Heinrich Klotz) steht es heute besonders im Mittelpunkt des Interesses - und der Begierde: Seine interdisziplinäre Erforschung, museale Aufarbeitung und kulturelle Nobilitierung trifft insofern den Zeitgeist, weil sich das vielgeschmähte Pantoffelkino längst gegenüber dem Film auch vom Sozialprestige her etabliert hat, zu einem enorm lukrativen Wirtschaftsfaktor geworden ist und mit der gegenwärtigen Digitalisierung, Ausweitung und Fragmentierung des globalen Programmangebots seine traditionelle Bedeutung als das vertraute Broadcast-Medium verliert.
Frühe Leser von Kafkas Erzählung 'In der Strafkolonie' verwarfen ihre schockierende, perverse Offenheit. Wie Hans Beilhack schon 1916 schrieb, sei Kafkas Erzählung sadistisch, und ihr Autor sei ein "Lüstling des Entsetzens". Otto Erich Hesse ging einen Schritt weiter, indem er behauptete, Kafka und seine Leserschaft seien "Ekel erzeugen[de]" sexuelle Scheusale, die "sich an derartigen Quälereien erlustier[en] und aufgeil[en]." Selbst Kafkas Bewunderer fühlten sich verpflichtet, sich von den sexuellen Exzessen zu distanzieren, wie auch von der Beschuldigung, daß sie perverses Vergnügen aus ihr zögen. Kurt Tucholsky, der erste öffentliche Verteidiger der Erzählung, befürchtete, Kafkas Beschreibungen von Nadeln, die einen nackten Körper durchdringen, würden Vergleiche zu den allgemein bekannten sadomasochistischen Schriften des "parfümierten Salonsadisten" Hans Heinz Ewers ziehen. Doch Tucholsky betonte, daß man weder Kafka noch den Protagonisten seiner Erzählung, einen Offizier, korrekterweise als einen "Sadist[en]" bezeichnen könne. Zwar mag der Text einem perverse sexuelle Phantasien ins Gedächtnis rufen, aber das eigentliche Thema von In der Strafkolonie ist politischer Natur: Es geht um die Schilderung eines militärischkolonialen Regimes, das Amok läuft.
Zwischen Fremdheit und Vertrautheit : Heinrich von Kleist in der neueren polnischen Literatur
(2013)
Im Folgenden werden die Texte der beiden polnischen Lyriker Marcin Świetlicki und Jacek Podsiadło unter die Lupe genommen, die sich mit Kleist auseinandersetzen. Dies soll dann mit den Kleist-Bezügen bei Stefan Chwin in 'Hanemann' (1995) und bei Krzysztof Niewrzęda in 'Czas przeprowadzki' [Umzugszeit) (2005) verglichen werden. Der Sammelband Niewrzędas, der Kurzprosa, Essays und Gedichte enthält, erschien ein Jahrzehnt nach 'Hanemann' und stellt ein Beispiel einer sich allem Anschein nach dank Chwins Darstellung ausbreitenden Kleist-Rezeption in der polnischen Gegenwartsliteratur dar.
Über das Vorkommen stabilisierter Zwischenformen zwischen Geranium purpureum und G. robertianum in Aachen wird berichtet. Sie entsprechen im Habitus, in der Pollengröße sowie in der Farbe der Staubbeutel G. purpureum, unterscheiden sich aber in Kronblattfarbe und -maßen, Kelchfarbe und -behaarung sowie der Fruchtoberfläche. Es handelt sich offenbar um durch introgressive Hybridisation von G. robertianum in G. purpureum entstandene Sippen, die als G. urbanum und G. alboroseum neu beschrieben werden. Aufgrund der Pollengröße ist eine (annähernd) diploide Chromosomenzahl zu erwarten. Selten konnten intermediäre Hybriden G. purpureum × G. robertianum und G. urbanum × G. robertianum beobachtet werden, die heterogen große Pollenkörner ausbilden, keine reifen Früchte bilden und vermutlich triploid sind.
Zwischen giri und ninjo : der Yakuza-Mythos in Paul und Leonard Schraders Roman und Film THE YAKUZA
(2003)
Für Leonard Schrader war es ein langer Weg bis zu seinem ersten Roman The Yakuza, der in zwei Stufen entstand. Zunächst hatte er bloß eine Story: die Idee zu einer Geschichte, in der ein cleverer, aber tapsiger Amerikaner nach Japan kommt, wo er 20 Jahre zuvor schon einmal war, und dort zwischen alle Regeln und Riten fällt. Ihren besonderen Charakter sollte die Geschichte durch die mythische Dimension erhalten, die Schrader im yakuza-eiga, dem Genre des japanischen Gangsterfilms, vorgefunden hatte.
My paper will explore the interrelation between past, present and identity, as well as the dynamics of social change in contemporary German and Romanian literature, as exemplified by Jana Hensel’s Zonenkinder (2002) and Ioana Bradea’s Scotch (2010). Both authors belong to a new generation of writers who, having experienced the collapse of the communist regime as adolescents, investigate the traumatic experience of change and adjustment to the social, economic and cultural realities of post-communist societies. While Hensel aims at recreating the lost Heimat (motherland) as an Erinnerungsraum (space of remembrance) and portraying the social tensions of the post-unification decade from an Eastern German perspective, Bradea focuses on depicting the desolate post-communist industrial landscape, as well as the everyday lives of anonymous Romanians caught in the vagaries of transition.
Für das Kunstgespräch schöpfte Büchner aus Lenz "und" Goethe, und zwar positiv aus deren ästhetischen Sturm- und -Drang-Positionen sowie – in negativer Abgrenzung – aus Goethes klassischer Ästhetik. Von hier aus ließ sich der Weg begehen, den wir als Selbstverständigung des Autors charakterisiert haben […]. Die Probleme, die im Kunstgespräch angeschnitten werden, lassen sich auf zwei Hauptaspekte zurückführen […].
1. Welche Konsequenzen ergeben sich angesichts der für Büchner zentralen politisch-sozialen Problematik für die in der Kunstperiode ästhetizistisch verengte "Gegenstandswahl"?
2. Wie ist, gegenüber einer traditionell "idealistischen" Kunstpraxis eine neue "realistische" "Technik" zu finden?
Das sogenannte Kunstgespräch, nimmt in Büchners "Lenz" insofern eine Sonderstellung ein, daß Büchner es nicht einer seiner Quellen entnommen, sondern fingiert hat. Lenz wird zum Sprachrohr Büchners, das zunächst einmal der Selbstverständigung des Autors dient, ähnlich wie das Theatergespräch zwischen Camille Desmoulins und Danton in Dantons Tod (II,3) und der Brief an die Familie vom 28. Juli 1835.
Hubert Sauper verfügt über eine individuelle filmkünstlerische Handschrift; er ist ein ‚auteur‘ im besten Sinn des Wortes. Seine Interpretationen der Vorkommnisse beruhen auf dem Wissen, dass es keine objektive Realität gibt und schon gar keine neutrale Reproduktion der - selben. Er desavouiert Klischees über den Zustand der Wirklichkeit, indem er nicht nur einen Plot schafft, in dem es um wirtschaftspolitische Machenschaften des internationalen Großkapitals geht, sondern auch für eine emotionale Logik und Motivation der Geschichte sorgt. Sein Werk besticht durch eine Bildsprache, die weit über die filmische Gestaltung des Augenblicks hinausgeht. Tansania erscheint letztlich als ein Mikrokosmos, der eine konzentrierte, weil überspitzte Erfassung und Darstellung genereller Strukturen der menschlichen Gesellschaft in unserer Zeit erlaubt. Selbstverständlich ist Darwin’s Nightmare kein ‚objektiver‘ Film geworden – was wäre denn das über haupt, noch dazu bei einem solchen Thema? Der Regisseur hat viel - mehr Partei ergriffen für Menschen, die im großkapitalistischen Getriebe völlig unter die Räder zu kommen drohen. Er profiliert sich als konzeptionelles Zentrum eines Schaffensprozesses, in dem mit Hilfe technischhand werklicher und ästhetischer Strategien aus den Wahr nehmungen, Stellungnahmen, Handlungen und Fähigkeiten der Beteiligten etwas entsteht, das dem Rohmaterial der Wirklichkeit eine ganz bestimmte Aussage abringt. Dieses Etwas ist lediglich durch Sauper selbst, seine Crew und Interviewpartner verbürgt verbürgt; ein Film wie Darwin’s Nightmare öffnet neue Seh- und Hörräume, die über das Gezeigte hinausweisen, das wie ein Spiegel unsere eigene Existenz reflektiert. Auf eine paradigmatische Weise wird vorgeführt, dass heute die Produktion des Authentischen und Glaubwürdigen nicht ein für allemal erfolgt, sondern höchstens in einem relativen Sinn – wie im vorliegenden Fall etwa in Bezug auf unsere europäische, postkoloniale Bewusstseins geschichte. Nicht zuletzt dafür werden der Regisseur, Mitwirkende des Films und deren Familien oft ange griffen, hand greiflich verfolgt, verhaftet und eingesperrt, des Landes Tansania verwiesen oder sonst in einer Weise bedroht, dass im Sommer 2006 sogar eine diplomatische Intervention des österreichischen Außenministeriums not wendig wurde.18 Seien es also Eliza, die die Fertigstellung des Films nicht mehr erlebt hat, oder Raphael, der seine Pfeile wie ein Kämpfer in archaischer Ver gan gen heit mit Gift bestreicht, oder die Buben, die sich den Mund schnell mit ein paar Fäusten Reis voll stopfen, den sie im täglichen Überlebenskampf gerade ergattert haben: Sie alle repräsentieren in Rede und Bild einen spezifischen Wahrheitsgehalt, der diesseits fiktionalen Geschichtenerzählens liegt und den konkreten Zustand der westlichen Gesellschaft mitbetrifft. Das Bedürfnis nach dieser Art von investigativer Aufklärung wird von den primären Nachrichten- und Informationsmedien Fernsehen und Tageszeitungen offensichtlich nicht mehr bzw. nur unzulänglich befriedigt, weshalb der Dokumentarfilm überall auf der Welt eine neue Wertschätzung erfährt. Jeder gelungene Film ist, so meinte Hubert Sauper einmal, eine „innere Reise, auf der man mehr findet, als man sucht.“ (Der Standard, 1.2.2006) Besser kann man das ästhetische und ideologische Programm von Darwin’s Nightmare nicht beschreiben.
An die "Privatisierung des öffentlichen Lebens" der "städtischen bürgerlichen Gesellschaft" knüpft Martina Lauster mit ihrer vergleichenden Studie über Frankreich, England und Deutschland unter dem Titel "Zwischen Karikatur und Genre. Die Suche nach dem Staatsbürger in Skizzen des Vormärz" an. Dabei befaßt sie sich vor allem mit der Form der Genre- und Sittenbilder und deren "intensive(r) Auseinandersetzung mit Lebensformen und Sozialtypen" und zeigt, daß einerseits nationale Identität und ein eigenes Selbstverständnis und andererseits die neue Holzstichtechnik Grundlage waren für die Erstellung eines weit verbreiteten enzyklopädischen Sittengemäldes. Dieses führt allerdings in den deutschen Territorien, anders als in Frankreich z.B. mit "Les Français peints par eux-même" und England z.B. mit "Heads of the People", zu keiner sozialen Enzyklopädie, zu keinem nationalen Typus. An die Stelle des Staatsbürgers tritt stattdessen die Figur des Michel bzw. in der zwischen Genrebild und Karikatur liegenden Form der Skizze eine regionalsoziale Typologie urbaner Zentren wie Königsberg, Hamburg, Berlin und Frankfurt, eine Typologie, die von Lauster in sehr genauen und detaillierten Interpretationen untersucht wird. So entstehen zwar Bilder von Volkstypen wie der "Frankfurter Borjer" oder der Berliner Eckensteher Nante, aber keine Skizzen eines deutschen Staatsbürgers.
Ausgehend vom Kreis um den seit 1827 in München lehrenden Joseph Görres und seinen Sohn Guido mobilisierten die etwa 60 Zweigvereine des "Vereins für konstitutionelle Monarchie und religiöse Freiheit" in der Endphase der Revolution - vor allem in den altbayerischen Regierungsbezirken - weite Teile der Bevölkerung für die gegenrevolutionäre Politik des Ministeriums von der Pfordten und trugen somit erheblich zum Scheitern der Reichsverfassungskampagne bei. Umso erstaunlicher ist es, dass weder die Revolutionsforschung noch die Katholizismusforschung den bayerischen Revolutionsgegnern bislang größere Aufmerksamkeit gewidmet haben. [...] Vor diesem Hintergrund zielt der Aufsatz zum einen darauf ab, einen Überblick über die Entwicklung der katholischen Vereine 1848/49 zu geben und ihre geographische und soziale Reichweite zu vermessen. Zum anderen rücken in einem zweiten Schritt die Selbstvergewisserungen, Mobilisierungsmechanismen und Praktiken in den Fokus, ohne die der Erfolg der katholischen Volksbewegung in Bayern nur unzureichend erklärt werden kann. Wenn der Ultramontanismus "Revolution und Freiheit fürchtete wie der Teufel das Weihwasser", wie rechtfertigten dann die führenden Kirchenmänner - sich selbst, aber auch ihren Anhängern gegenüber - die aktive Teilnahme an der Revolution? Somit geht es darum, einen konkreten Einblick in das Phänomen zu gewinnen, das Wilfried Loth treffend als eine "moderne Bewegung gegen die Moderne" charakterisiert hat. Darüber hinaus bleibt zu fragen, inwiefern der Katholizismus bereits im Vormärz auf 'moderne' Mittel gesetzt hatte oder ob diese Entwicklung erst im März 1848 begann.
Erst allmählich wird der Autor Alexander Lernet-Holenia wiederentdeckt. Dabei war er in der Zwischenkriegs- und Nachkriegszeit einer der bekanntesten österreichischen Schriftsteller. Sein weitgehendes Verschwinden aus der literarischen Öffentlichkeit und der literaturwissenschaftlichen Diskussion der letzten Jahrzehnte dürfte wohl vor allem seinem politischen Konservatismus - manche bezeichnen ihn als reaktionär, er selbst hat sich einmal einen konservativen Revolutionär genannt - wie seiner ihm von den Interpreten wiederholt attestierten Zwitterstellung zwischen 'hoher' und unterhaltender bzw. Trivialliteratur geschuldet sein. Daß er nicht zu den kanonisierten österreichischen Autoren des 20. Jahrhunderts gehört, hat sicherlich auch mit der bis heute von Literaturwissenschaftlern vertretenen Einschätzung zu tun, daß sich an seiner Prosa nicht ähnlich innovativ wie bei Musil, Broch und anderen die Formproblematik des modernen Erzählens erörtern läßt. Wenn sein Prosa-Werk ernsthafte Berücksichtigung erfährt, dann vor allem in der Forschung zur literarischen Phantastik zwischen dem fin de siècle und den dreißiger Jahren. In diesem Zusammenhang ist oft von einem zentralen Charakteristikum seines Schreibens die Rede. Bezug genommen wird dabei auf die von Lernet-Holenia selbst verwendete Metapher des 'Zwischenreichs'. So heißt es in einer häufig zitierten Studie von Franziska Müller-Widmer, daß Lernet-Holenia "das Ineinanderfließen von Wirklichkeit und Fiktion, von Realität und Traumwelt, Leben und Tod zum wesentlichsten Prinzip seiner schriftstellerischen Arbeit erhoben hat". Allein schon dieses Zitat belegt, wie aktuell sein Werk, das die Aufhebung bzw. die Ununterscheidbarkeit solcher Gegensätze und darüber hinaus ihr Zwischen zum zentralen Thema hat, in einer Zeit (wie der unsrigen) sein müßte, in der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion unscharf werden. Neben der auch kürzlich wieder vorgenommenen Abwertung des Autors und seines Werkes gibt es gleichwohl auch Stimmen, die die Modernität der Texte Lernet-Holenias andeuten.
Zwischen Macht und Gerechtigkeit : Zustand und Perspektiven des nuklearen Nichtverbreitungsregimes
(2008)
Das nukleare Nichtverbreitungsregime weist eine erstaunliche Erfolgsstory auf. Die Zahl der Staaten, die kernwaffenorientierte Aktivitäten in verschiedenen Stadien des Fortschritts aufgegeben haben, ist weitaus größer als die der Kernwaffenstaaten. Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs droht dem Regime jedoch Ungemach aus zwei Richtungen: Eine kleine Anzahl von „Ausbrechern“ und „Außenseitern“ unterminiert seine zentrale Zielsetzung, die Weiterverbreitung dieser Waffen aufzuhalten. Die Verweigerungshaltung der Kernwaffenstaaten gegenüber ihrer Abrüstungspflicht verstößt gegen den im Regime eingelassenen Gerechtigkeitsgrundsatz und zerstört damit seine Legitimität. Diese Erkenntnis ist mittlerweile aus dem „Ghetto“ der unverdrossenen Abrüstungsenthusiasten in den sicherheitspolitischen Mainstream vorgedrungen. Von ihrer Durchsetzungsfähigkeit wird letztlich die Zukunft des Regimes abhängen – mit weitreichenden Konsequenzen für die globale Sicherheit.
Welchen Stellenwert hat der Glaube im Bereich der menschlichen Überzeugungen? Wie verhalten sich Wissen und Gewissheit zueinander? Die moderne Wissenschaft wird oft mit Faktenwissen gleichgesetzt, doch ohne die Reflexion über die Welt ist Wissenschaft nicht denkbar. Sie findet z.B. statt in der Religionsphilosophie.
Die Gründung von Hoftheatern im Kontext der Neubewertung, des
neuen Selbstverständnisses und der Selbstdarstellung des monarchischen Systems begann früh, noch bevor der Wiener Kongreß das monarchische Prinzip formuliert hatte. Fraglich ist, ob das Weimarer Hoftheater von 1791 schon so zu begreifen ist, später hat es die neue kommunikative Funktion mit Sicherheit erfüllt. Sicherlich ist aber die Gründung des
Karlsruher Hoftheaters 1810 vor dem Hintergrund der Rangerhöhung der Landesherrschaft zum Großherzogtum zu verstehen. Auch die Neuordnung der Berliner Theaterverhältnisse 1811 mit der Wiederbegründung der Hofoper und der Gesamtinstitution der Königlichen Schauspiele unter Ausschluß des Nationaltheater-Begriffs ist nicht nur als
pragmatisch notwendige Reform des höfisch unterhaltenen residenzstädtischen Theaterwesens zu begreifen, sondern als bewußte Neuschöpfung einer königlichen Institution zur Selbstrepräsentation des sich aus der Niederlage der Koalitionskriege regenerierenden preußischen Königtums. Gerechnet ab der Zeit unmittelbar nach dem Wiener Kongreß,
vom Stichjahr 1817 bis zur Jahrhundertmitte, hat es in den monarchischen Staaten des Deutschen Bundes nicht weniger als 19 Hoftheater gegeben, d.h., gut die Hälfte der deutschen monarchischen Staaten waren in ihren Residenzen mit einem Hoftheater versehen. Freilich verbergen sich dabei hinter dem ansehnlichen Titel 'Hoftheater' teilweise recht verschiedene Institutionstypen, bei denen man manchmal fragen muß, was sie eigentlich berechtigte, den Titel 'Hoftheater' zu führen.
Bald nach der Wende zum 19. Jahrhundert taucht im deutschen Theaterwesen nach 'Nationaltheater' und 'Hoftheater' ein neuer Begriff für die Bezeichnung eines stehenden Theaterbetriebs auf, der Begriff 'Stadttheater'. Bis heute scheint nicht eindeutig geklärt zu sein, wann und wo der Begriff erstmals angewendet wurde und mit welcher genauen Bedeutung.
Die Analyse von E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Magnetiseur (1814) will textimmanente Komponenten mit kontextanalytischen Teilen verbinden. Die textimmanente Analyse umfasst konventionelle erzähltextanalytische Fragen wie z.B. diejenigen nach den Erzählsituationen und der Figurenanlage und Figurenkonstellation. Der Magnetiseur ist in der Forschung eher marginal behandelt worden, vielleicht nicht zuletzt, weil Der Magnetiseur hinsichtlich des Merkmals der Poetizität als eher minderwertig eingeschätzt wurde. So finden sich in der Sekundärliteratur auch häufig eher vereinzelte Hinweise über die Komposition und das Thema des Kunstwerks Der Magnetiseur. Eine kohärente, nach literaturwissenschaftlichen Maßstäben vorgenommene Gesamtinterpretation, welche auch kontextuelle Fragen berücksichtigt, steht noch aus. Die rein textimmanent verfahrende Analyse sollte aber, um den wünschenswerten Analyseertrag zu erbringen, durch eine Kontext-Analyse ergänzt werden, welche um den Themenbereich des Mesmerismus bzw. Magnetismus und der Traumforschung der Anthropologie der Romantik kreist. Ein innovativer Aspekt des Aufsatzes liegt demnach darin, dass dezidiert und en detail ein wesentliches Element des Kontextes der Hoffmann-Erzählung in die Analyse einbezogen wird. Der angesprochene Kontext besteht aus Schuberts Magnetismus-Theorie, welche Hoffmann nachweislich bekannt war und ihm in schriftlicher Form vorgelegen hat. Die hier vorgenommene Kontext-Analyse berücksichtigt folglich Schuberts wissenschaftliche Arbeiten zum Thema des Magnetismus, bezieht sie auf den Hoffmann’schen Text und zeichnet sich somit für einen guten Teil der Gesamtinterpretation verantwortlich.
Considering the sixty years long existence of the German weekly in Braşov an exhaustive research of the publication on the way from a centralized to a globalized socio-political system becomes imperious. Our article represents a first approach to pinpoint the choice of poetry published by the German weekly Karpatenrundschau during the nineteen eighties and nineteen nineties as a consequence of both political compromise and aesthetic demand. In this respect the article analyses the German weekly as one of the main promoters of German poetry written in Romania. The article is based on our research done in the archives of the weekly in Braşov.
Considering the sixty years long existence of the German weekly in Braşov an exhaustive research of the publication on the way from a centralized to a globalized socio-political system becomes imperious. Our article represents a first approach to pinpoint the choice of poetry published by the German weekly Karpatenrundschau during the nineteen eighties and nineteen nineties as a consequence of both political compromise and aesthetic demand. In this respect the article analyses the German weekly as one of the main promoters of German poetry written in Romania. The article is based on our research done in the archives of the weekly in Braşov.
Internationale Gerichte sollen Konflikte zwischen Staaten befrieden. Dass es dabei nicht immer nur um das Völkerrecht geht, zeigt der Streit zwischen den USA und dem Iran. Die gegenwärtige US-Regierung lehnt den Internationalen Gerichtshof als politisch gelenkt ab – und schadet sich damit vor allem selbst.
Zwischen 1843 und 1888 veröffentlichte Fanny Lewald 24 teils mehrbändige Romane, 27 Bände Novellen und Erzählungen, eine sechsbändige Autobiographie, fünf Reisetagebücher, zahlreiche Feuilletons, Erinnerungen an bekannte Persönlichkeiten, frauenemanzipatorische Schriften und soziale Appelle in Zeitungen und Zeitschriften - ein umfangreiches Werk. Über den Zeitraum von annähernd einem halben Jahrhundert spiegeln ihre Schriften die wechselvolle deutsche Geschichte wider - Vormärz, Märzrevolution 1848, Restauration, Reichseinigung, Kaiserreich - ebenso wie die Geschichte der deutschen Literatur von jungdeutscher Tendenz- und Reflexionsliteratur bis hin zum poetischen Realismus und Naturalismus. Denn mit zahlreichen romantheoretischen Äußerungen, die sich sowohl in ihren Prosawerken wie in Briefen und anderen nichtfiktiven Schriften finden lassen, macht Fanny Lewald wie wenige andere Autorinnen des Vormärz ihren poetologischen Standpunkt deutlich. Früh- und Spätwerk der Autorin sind, bezogen auf ihr erzählerisches Konzept und die Gestaltungsweise, sehr unterschiedlich. Doch in einem Punkt bleibt sich Fanny Lewald treu - ihre Prosa bleibt lebensnah, zeitlebens favorisiert sie den sozialen und psychologischen Roman.
Der Zug der republikanischen Deutschen demokratischen Legion aus Paris im Frühjahr 1848 in das aufständische Baden und ihre Zerschlagung bei Dossenbach waren unzweifelhaft eine Gelenkstelle im Leben ihres Präsidenten, des Dichters Georg Herwegh (1817-1875). [...] Ob tatsächlich "Verrat" die zentrale Rolle bei der Niederlage der Legion spielte, wie Georg Herwegh in seinem Brief von 1870 verbittert behauptet und wie es auch Stephan Reinhardt in der jüngsten Herwegh-Biographie wieder übernimmt, das war die Frage, die sich dem Verfasser dieses Aufsatzes stellte. Daraufhin vorgenommene Recherchen führten zu gedruckten, inzwischen digitalisierten, bisher übersehenen Materialien zur Legion. Diese sind in den für das juristische Tagesgeschäft gedachten "Annalen der Großherzoglich Badischen Gerichte" zu finden. Es handelt sich um die breit unterfütterten Anklageschriften "wegen Hochverraths" gegen Adelbert von Bornstedt (1807-1851), den zentralen Aktivisten der Pariser Legion, und gegen Joseph Fickler (1808-1865), umtriebiger Demokrat und Redakteur der radikalen "Seeblätter" in Konstanz. In den Anklageschriften sind zwei konspirative Briefe - von Herwegh und Bornstedt an Fickler sowie dessen Antwort darauf - zur Planung einer republikanischen Erhebung von besonderem Interesse, und Briefe von Georg und Emma Herwegh vom Abend des Gefechts bei Dossenbach geben Einblicke in das Geschehen und verdeutlichen die Stimmung nach dem Kampf und gelungener Flucht. Während die Briefe zwischen Herwegh/Bornstedt und Fickler zur Aktions-Strategie aus dem Gerichtsverfahren heraus eine gewisse öffentliche Wahrnehmung fanden, blieben die stark von Emotionen und subjektiven Einschätzungen geprägten Briefe von Georg und Emma Herwegh unbeachtet. "Eine detaillierte Untersuchung zur Geschichte der Deutschen demokratischen Legion, die vorhandenes Aktenmaterial umfassend auswertet, existiert nicht." Das stellte Ingo Fellrath 1999 fest, und das gilt bis heute. [...] Die gegebene Forschungs-Lücke lässt sich gerade angesichts des Umfangs der vorhandenen Akten nicht auf die Schnelle füllen. Selbst eine Suche nach den Originalen der gedruckt in den Gerichts-Annalen gefundenen Briefe ist mit vertretbarem Aufwand kaum zu leisten.Dennoch sollen diese mitten aus dem Geschehen um die Legion stammenden Schreiben nach der greifbaren Quelle im Wortlaut vorgestellt und um einige weitere Materialen und Hinweise ergänzt werden. Im Rahmen einer inhaltlichen Einbettung und Kommentierung dieser Materialien werden einige Untersuchungsaspekte besonders in den Blick genommen. Dazu gehören die unterschiedlichen Republikanisierungs-Konzepte bei Herwegh und Fickler, Fragen von Gewaltanwendung und Todesbereitschaft sowie das Verhältnis des Freiheits-Dichters Herwegh zu Freunden und Gegnern und zum - manchmal recht eigenwilligen - "Volk". Letztlich geht es auch um das Verhältnis zwischen Revolution und Emotion.
Aktuelle wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit dem Sinnerleben Beschäftigter thematisieren vor allem die Problematik eines belastungsbedingten Sinnverlustes. Danach leiden immer mehr Beschäftigte darunter, ihre Arbeit nicht mehr als sinnvoll empfinden zu können. Eine solche Perspektive lässt allerdings die subjektiven Gestaltungsleistungen und Aneignungsformen von Arbeit aus dem Blick geraten. Diesen wendet sich der Beitrag zu, indem er danach fragt, inwieweit sich unterschiedliche Formen der Aneignung von Arbeit identifizieren lassen. Auf der Basis von Interviews mit vierzig hochqualifizierten Beschäftigten werden drei unterschiedliche Aneignungsmodi mit ihren inhärenten Ambivalenzen identifiziert. Jeder Modus steht für eine spezifische Sichtweise auf die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten und für eine Form der primären Sinnzuschreibung in der Arbeit. Differenziert werden drei Idealtypen – „progressive Sinngestaltung“, „widerständige Sinnbewahrung“ sowie „pragmatische Sinnbewahrung“ –, anhand derer die Heterogenität und die Ambivalenzen der Aneignung professioneller Arbeit deutlich werden. Der Beitrag liefert so Erkenntnisse über die subjektiven Praktiken des Bedeutsam-Machens von Arbeit und trägt zur Erforschung des Zusammenspiels von Arbeit und Subjektivität bei.
In einer diachronen Vergleichsstudie sollen die Probleme des frühneuzeitlichen Seehandels Dänemarks und der Hansestädte gegenüber den Barbaresken beschrieben und verschiedene Lösungsmodelle wie auch die Implementierung derselben herausgearbeitet werden. Die Gefährdung der Schifffahrt auf dem vogelperspektivisch konzipierten Raum Meer mit einem nach Süden hin steigenden Risiko führte zu einer kartographischen Einteilung von Risikozonen. Die institutionelle Antwort auf diese Entwicklung kann mit den Begriffen Sklavenkasse und Türkenpässe idealtypisch zusammengefasst werden.
Müssen Lebens- und Krankenversicherer die unterschiedliche Eingruppierung von Männern und Frauen aufgeben und »Unisex-Tarife « anbieten? Die Europäische Kommission hat mit ihrem Antidiskriminierungsprogramm auch die Privatversicherungen ins Visier genommen: Ein Richtlinienentwurf aus dem Jahr 2003 zur »Gleichbehandlung beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen« will das Geschlecht von Versicherungsnehmern als Tarifierungsmerkmal von Versicherungsverträgen verbieten. Die in der Öffentlichkeit intensiv diskutierte Frage, ob die Spezialtarife für Männer und Frauen eine zulässige Ungleichbehandlung oder eine unzulässige Diskriminierung darstellen, berührt auf der einen Seite Grundlagen der Versicherungstechnik und des Privatversicherungsrechts und auf der anderen Seite grundlegende Prinzipien des Gemeinschafts- und des nationalen Verfassungsrechts, wie die Autoren anschaulich darlegen – nicht ohne selbst Position zu beziehen.
Das Rollenfachsystem als Ordnungsprinzip, das die Theaterpraxis über Jahrhunderte hinweg in entscheidender Weise geprägt hat, ist in der neueren Theater- und Literaturwissenschaft als Forschungsgegenstand nicht etabliert. Es ist das Verdienst von Anke Detken und Anja Schonlau, mit ihrer Tagung "Rollenfach und Drama - Europäische Theaterkonvention im Text" an der Universität Göttingen im Jahr 2012 Optionen für eine Anknüpfung an die grundlegenden Forschungsarbeiten zum Rollenfach aus dem frühen 20. Jahrhundert eröffnet zu haben. Nur auf den ersten Blick eine ausschließlich ästhetische Kategorie, erweisen sich Rollenfächer in ihrer je spezifischen Ausgestaltung und aufgrund der Modifikationen, die sie durchliefen, als Reflex auf soziale Rollen. Entsprechende Zusammenhänge sollen im Folgenden anhand der Fächer der Soubrette und der munteren Liebhaberin skizziert werden.
Der Aufsatz beschäftigt sich mit den bisher von der Forschung kaum wahrgenommenen Kriegsschilderungen in E. G. Kolbenheyers Paracelsus-Trilogie (1917-1925), die, historische Analogien nutzend, einen bemerkenswert ambivalenten Blick auf den Ersten Weltkrieg wirft. Dabei beleuchtet sie Kriegseuphorie und mystische Momente des soldatischen Kampferlebnisses ebenso wie die verheerenden gesellschaftlichen Auswirkungen des Totalen Krieges. Ob sie aufgrund dieser, auch auf der Ebene der Darstellung nachweisbaren Vielschichtigkeit noch als antimodern zu bezeichnen ist, soll im Verlauf des Aufsatzes kontextualisierend geklärt werden.
George Sand (1804-1876) zählt zu den herausragenden Figuren der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts. [...] Auch in Deutschland gehörte Sand, legt man die Präsenz ihrer Romane im Bestand der zeitgenössischen Leihbibliotheken als Maßstab zugrunde, zu den meistgelesenen französischen Autoren. Da heute nicht mehr von einer vergleichbar breiten Kenntnis ihres Werks ausgegangen werden kann, erscheint es sinnvoll, einleitend einen Abriss des literarischen Schaffens der Schriftstellerin voranzustellen, dessen übersetzerische Vermittlung im Vormärz Gegenstand der folgenden Untersuchung ist. [...] Ein Blick auf die beteiligten Übersetzer zeigt ein heterogenes Bild. [...] Eine breite Vermittlung der Texte als Unterhaltungsliteratur wird durch ästhetisch und politisch gebundene Deutungsdiskurse einer intellektuellen Avantgarde ergänzt, die in vielen Fällen direkt an bestimmte Übersetzungen geknüpft sind, in Form von Einleitungen, Vorworten oder erläuternden Artikeln in verlagseigenen Zeitschriften, offenbar mit dem Ziel, die Rezeption in eine bestimmte Richtung zu lenken. Die folgende Studie möchte diesen Steuerungsprozessen im Rahmen der übersetzerischen Rezeption nachgehen und untersuchen, inwiefern sie tatsächlich Ausdruck einer doppelten Vermittlung der Sand-Übersetzungen sind, zum einen ausgerichtet auf das Unterhaltungsbedürfnis eines entstehenden Massenlesepublikums, zum anderen eingepasst in den Ideenkampf bestimmter, tonangebender Milieus.
Am 19. Juni 1787 erhielt der gebürtige Ire Robert Barker in Edinburgh ein Patent auf seine Maltechnik "nature at a glance" bzw. "la nature à coup d’oeil", das ihn in den darauffolgenden Jahren weltberühmt machen sollte. Sein erstes Rundbild, das diesem Konzept entsprechend fertig gestellt worden war, präsentierte er am 31. Januar 1788 in Edinburgh. Damals kannte noch niemand das Wort "Panorama", und kaum jemand ahnte wohl, dass diese Erfindung die Art und Weise der Wahrnehmung im ausgehenden 18. Jahrhundert grundlegend verändern sollte. Die Verleihung des Patents erlaubt eine Datierung - was äußerst wichtig ist im Streit darüber, wer als wirklicher Erfinder des Panoramas angesehen werden kann, denn in Deutschland beanspruchte Johann Adam Breysig diese Innovation für sich. Bemerkenswert dabei ist, wie Stephan Oettermann in seiner Monographie zu diesem Thema hervorhebt, dass die Zeitgenossen hier "eine Kunstform für eine technisch-naturwissenschaftliche Neuerung" hielten. Zwar war Robert Barker der Schöpfer des Malkonzepts, doch fehlte ihm noch der passende Name für seine Erfindung. Der Begriff "Panorama" tauchte dann zum ersten Mal in einer Werbeanzeige der Times vom 10. Januar 1791 aus Anlass von Barkers zweitem Rundbild auf, welches er gemeinsam mit seinem Sohn vollendet hatte. In einer Zeit technischer Neuschöpfungen war dieser Begriff nicht der einzige, der dem Griechischen entlehnt wurde, obwohl das Bezeichnete völlig neuartig war - andere Beispiele sind "Diorama" und "Pleorama", wie später dann "Telephon" und "Telegramm".
Das Museum Giersch scheint manchmal weit ab vom Schuss, gerät es doch im Schatten der großen Frankfurter Galerien ein ums andere Mal in Vergessenheit. Umso wichtiger ist es, diesem Umstand entgegenzuwirken – denn derzeit präsentiert das Ausstellungshaus am Museumsufer mit der Schau Frobenius – Die Kunst des Forschens ein Stück Frankfurts kultureller Identität. Konträr zum vielbesuchten Städel, erwartet das villenartige Museum den Besucher mit gedimmtem Licht und warmem Holz: Eine ruhige Stimmung breitet sich aus, die nicht nur der Konzentration beim Lesen der ausführlichen Erklärtexte, sondern der Wirkung von mehr als 200 gezeigten Werken zuträglich ist. ...
The IR-spectra of BaCO3 (80% 13CO32-, 90% 13CO32-) shows small bands in the ν2-region, which are assigned to short waves of 12CO32--chains with three, five or six carbonate ions.
Der normalerweise diözisch vorkommende Gagelstrauch Myrica gale L. wird manchmal monözisch angetroffen. Äußerst selten werden auch Zwitterblüten ausgebildet. In einem ehemaligen Moorgebiet Bramsches wurde ein solches Exemplar entdeckt. Dessen Blüten, die in Anzahl, Ausprägung und Anordnung der Blütenorgane eine große Variabilität aufweisen, werden hier beschrieben.
Im Wiehengebirge und dem gesamten westlichen Niedersachsen-Becken zeichnen sich die Oxford- und Kimmeridge-Sedimente durch einen starken Fazieswechsel aus. Das gilt sowohl für die im Anstehenden ca. 120 m mächtige Abfolge als auch für die Ausbildung der einzelnen Horizonte im Becken. Auffällig sind vor allem im Kimmeridge-Profil Fazieswiederholungen einzelner Bänke, aber auch von Gesteinsfolgen mit charakteristischen Faziesverknüpfungen. In einem Modell werden die sedimentologischen Zusammenhänge dieser Sequenzen aufgezeigt und beschrieben als Stadien vollständiger Zyklotheme mit der Ingression, Stagnation und Regression des Meeres sowie schließlich der Bodenbildung im trockengefallenen Becken.
Morphologische und zytologische Untersuchungen haben eine Korrelation der Chromosomenzahlen von Bromus benekenii (2n = 28) und B. ramosus (2n = 42) mit ihren morphologischen Merkmalen ergeben. Die eindeutige Unterscheidung ist Voraussetzung für einen vegetationskundlichen, bodenkundlichen und mikroklimatischen Vergleich an Standorten in Hessen. Danach ist B. benekenii häufiger in Wäldern (Fagetalia sylvaticae), B. ramosus dagegen in Schlagfluren (Atropetalia) und mesophilen Saum-Gesellschaften (Trifolion medii) vertreten.
Beide Arten stellen während ihrer Wachstumsphasen ähnliche, relativ hohe "Ansprüche" an den Standort (z.B. Lichtverhältnisse, Wasserhaushalt, Stickstoffgehalte und pH-Werte der Böden). Die günstigen Bedingungen sind jedoch an B. benekenii-Standorten aufgrund früh einsetzender Trockenheit oder Beschattung von kürzerer Dauer als an den Standorten von B. ramosus. B. benekenii ist hieran durch eine früher abgeschlossene Entwicklung angepasst.
Die Möglichkeit einer Bastardierung ist infolge der abweichenden Blütezeiten gering.
Ergebnisse physiologischer und anatomischer Untersuchungen von Reaktionen der Arten auf Wasserstress und abgestufte Lichtintensitäten deuten daraufhin, daß B. ramosus etwas besser an höhere Lichtintensitäten und Wasserstress angepasst ist als B. benekenii. B. ramosus besitzt dadurch einen Konkurrenzvorteil.
Die durchgeführten Untersuchungen erweisen B. benekenii und B. ramosus als zwei gut geschiedene Arten. Auf Standorten mit optimalen Wuchsbedingungen ist B. ramosus in der Wettbewerbssituation überlegen und verdrängt B. benekenii auf Standorte mit verkürzter, relevanter Wachstumszeit.
Osteocalcin (auch Bone 6 la Protein [B G P] genannt), ein 49 Aminosäuren enthaltendes Knochenmatrixprotein, wird in den Osteoblasten synthetisiert und bei gesteigertem Knochenumsatz im Serum erhöht gefunden. Osteocalcin im Serum kann mittels eines Hadioimmunoassays gemessen werden. Die Werte steigen mit dem Lebensalter an und zeigen einen zirkadianen Rhythmus. Beim primären Hyperparathyreoidismus sind die Osteocalcinwerte erhöht. Bei Patienten mit Mammacarcinom zeigt ein Osteocalcinanstieg stets eine Metastasierung im Knochen an. Die Hyperthyreose geht mit erhöhten Osteocalcinwerten einher. Über den diagnostischen Wert einer Osteocalcinbestimmung beim Plasmozytom läßt sich zur Zeit noch keine sichere Aussage machen. Patienten mit einer histomorphometrisch gesicherten „low-turnover'"Osteoporose weisen niedrige Osteocalclnspiegel auf. Die stark erhöhten Osteocalcinwerte bei der renalen Osteopathie (sekundärer Hyperparathyreoidismus, Osteomalazie) sind z.T. auch au feine verminderte renale Elimination von Osteocalcin bei eingeschränkter glomerulärer Filtrationsrate zurückzuführen. Zusammenfassend stellt die Osteocalcinbestimmung eine Bereicherung der diagnostischen Möglichkeiten zur Beurteilung des Knochenumsatzes darf sollte vorerst jedoch noch vorwiegend wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten sein.
In Namibia, der ehemaligen deutschen Kolonie Südwestafrika, findet alljährlich ein großes Spektakel statt: Die Gemeinde der deutschen Namibier feiert in der Hauptstadt Windhoek Karneval. Während dieser "fünften Jahreszeit", die nota bene in den Monat Mai fällt, geht es ähnlich närrisch wie in Deutschland zu. Es gibt eine Karnevalsgesellschaft, ein Prinzenpaar nebst Prinzengarde, Festsitzungen mit Büttenreden und natürlich einen Straßenumzug. In den letzten Jahren nahmen daran im Schnitt an die 30 Wagen teil, von denen es "Kamelle" und "Strüßche" regnete ("Bonbons" und "kleine Blumengebinde"). Die "tollen Tage" von Windhoek sind eine Miniaturausgabe des Kölner Modells. Für einige Tage dreht sich alles um Tanz und Tabubruch. ...
Bu çalışmada Almanya'ya işçi olarak giden ilk Türk neslin torunları olan üçüncü ve dördüncü kuşak gençlerin Alman toplumunda yaşadıkları sosyo-kültürel ve psikolojik sorunları saptanmaya çalışılacaktır. Araştırma nesnesi olarak "kurmaca" dalında 2007 Adolf Grimme ödülünü alarak Türk-Alman sinemasında önemli bir başarıya imza atmış bulunan yönetmen Züli Aladağ'ın 2006 yılında çektiği, Almanya'daki Türk gençliğini konu alan "Öfke" adlı filmi incelenecektir. Almanya'da çok kültürlü ortamda yetişen gençlerin, toplumda egemen kültür dışında kendi aralarında oluşturdukları dia-kültür ve bu alt kültürleri oluşturmaya iten sorunlar film çerçevesinde nitel yöntemle gözlemlenecektir. Almanya'daki Türk gençliğin dâhil olduğu dia-kültürleri bağlamında yapılan incelemede gençlerin toplandıkları mekânlar, kullandıkları dil ve ifade biçimleri, dinledikleri müzikler, giyim tarzları ve takıları esas alınacaktır. Belirlenen sorunlar incelenirken nesiller arası çatışmaya, aile içi ilişkilere, iki kültür arasında bocalama ve yaşanan bunalımlara, toplumdan uzaklaşarak özgür olma düşüncelerine ve buna bağlı paradoksal durumlarına, suç ve uyuşturucuya olan eğilimlerine neden-sonuç ilişkisi bağlamında filmden alıntılar yapılarak örnekler verilecektir. İncelemede filmin çekildiği 2006 yılından günümüze kadar yaşanan süreçteki sorunlar ve günümüze yansımaları karşılaştırılarak buna yönelik çözüm yolları önerilecektir.
In diesem Verzeichnis werden Biotoptypen gemäß §32 Naturschutzgesetzes Abs. 1 in Baden-Würtemberg wiedergegeben. Die Unterteilung erfolgt in Gewässer, Terrestrisch-morphologische Biotoptypen, Gehölzarme terrestrische und semiterrestrische Biotoptypen, Gehölzbestände und Gebüsche, Wälder und Biotoptypen der Siedlungs- und Infrastrukturflächen mit Angaben der jeweiligen Flächen und Naturschutzstatus.
Peter Suhrkamp und sein Verlag stehen für den kulturellen Wiederaufbau: Suhrkamp erhält 1945 die erste Verlagslizenz, sein Programm prägt die geistige Identität der jungen Republik. Der Verleger wirkt im Stillen als Katalysator bei der Entstehung von Werken, er gibt Autoren die intellektuelle Heimat, in der entstehen kann, was zur literarischen Signatur Nachkriegsdeutschlands werden wird. Die Frage nach seinem Erfolgsrezept beantwortet Wolfgang Schopf mit einem Blick auf die Schätze des »Archivs der Peter Suhrkamp Stiftung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität«.
Die Kreativwirtschaft beschäftigt in Frankfurt etwa ebenso viele Menschen wie das Kreditgewerbe, trägt bislang allerdings lediglich 4,6 Prozent zum städtischen Gesamtumsatz bei. Seit einigen Monaten richtet die Frankfurter Wirtschaftsförderung ihr Augenmerk besonders auf den Kreativsektor. Der »1. Frankfurter Kreativwirtschaftsbericht«, den Wirtschaftsdezernent Boris Rhein (CDU) im Sommer der Öffentlichkeit vor stellte, wurde von Humangeografen der Goethe-Universität unter Leitung von Christian Berndt, Pascal Goeke und Peter Lindner erarbeitet.
»Die Stadt so grau wie die Gesichter…?« : Frankfurt als Impulsgeber zweier zeitgenössischer Romane
(2009)