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Frank Hethey zeigt am Beispiel Harro Harrings, wie zwiespältig das Bild der Neugriechen bei aller Begeisterung für den Befreiungskrieg war: Ähnlich wie bei Jakob Philipp Fallmerayer ist auch Harrings positives Bild der griechischen Zeitgenossen zeitweise stark eingetrübt. Gleichwohl sind auch Harrings Lebens- und Denkwege ein Beispiel dafür, dass der Philhellenismus geistesgeschichtliche und politische Entwicklungen im Vormärz überaus stark geprägt hat.
Anastasia Antonopoulou bietet eine stoffgeschichtliche Untersuchung mit ihrem Beitrag zur griechischen Revolutionsheldin Laskarina Bouboulina, die in der deutschsprachigen Literatur in auffälliger Weise domestiziert und verharmlost wird. Die Hauptfrage, die bei der Interpretation der philhellenischen Texte über Bouboulina im Rahmen dieser Studie gestellt wird, lautet folgendermaßen: Wie wird die Tat der Frau in diesen Texten legitimiert, wie wird die Motivation zur Tat dargestellt? Als gemeinsamer Punkt hat sich in allen Werken die Hervorhebung bzw. die Verabsolutierung des Rachemotivs erwiesen. Die philhellenische Literatur stellt Bouboulina weniger als bewusste Freiheitsheldin dar und vielmehr - in dieser Hinsicht stark von der historischen Realität abweichend - als Rächerin ihres Gemahls und ihrer Kinder.
Silke vom Berg liefert eine imagologische Studie, in der sie den überwiegend xenophoben Türken-Bildern in lyrischen Texten nachgeht und das nicht nur im Vormärz negative Image dieser Besatzer historisch herleitet. Mit dem 2005 erschienen Corpus "Philhellenische Gedichte des deutschsprachigen Raums", zusammengetragen und herausgegeben von Michael Busse, liegt nun eine rund 670 Gedichte, Balladen und Lieder umfassende Sammlung vor. Die Fülle mag nicht nur angesichts der thematischen Engführung auf das historische Ereignis verwundern, sondern auch hinsichtlich der zeitgenössischen Beliebtheit des künstlerischen Klein-Formats. Der vorliegende Beitrag nähert sich diesen Phänomenen auf den Pfaden philhellenischer Selbst- und Fremdbilder. Letztere figurieren in der Lyrik der Philhellenen vornehmlich als Orientalen und Türken, welche in auffälliger Häufung als Kannibalen, Dämonen und Kindsmörder verunglimpft und entmenschlicht werden. Hingegen hebt sich das zu verteidigende 'Selbst', repräsentiert durch Deutsche, Philhellenen, Hellenen und Neugriechen, als edel, tugendhaft und heldenmütig ab. Der vorliegende Beitrag soll jedoch nicht erneut dazu beitragen, dichotome Freund-Feindbilder figurativ und motivisch zu unterfüttern - das Material böte hierfür schier endlose Möglichkeiten -, sondern er richtet sein Augenmerk auf Knotenpunkte, in denen historische und zeitgenössische Diskurse zusammenlaufen und eine innerdeutsche Gemengelage in Relation zu ethnisch-kulturellen Konzepten tritt.
Korinna Schönhärl und Florian Kerschbaumer fokussieren praktische Formen von Solidarität, indem sie das Engagement des Schweizer Bankieres Eynard für die griechische Sache beleuchten. Schönhärl und Kerschbaumer fragen auch, wie der Wiener Kongress Formen des europäischen Philhellenismus beeinflusste. Die historische Situation in Wien war auch im Hinblick auf restaurative und liberale Tendenzen sehr viel offener als bisher angenommen. Auch wenn die Furcht vor einer Revolution wie der in Frankreich sich bei den meisten Diplomaten fest eingebrannt hatte, so vertraten doch einige von ihnen durchaus im moderaten Rahmen liberale Ideale und Überzeugungen. Manche unterstützten später, nach Ausbruch des griechischen Unabhängigkeitskrieges im Jahr 1821, die griechische Sache oder traten sogar als überzeugte Griechenfreunde hervor. Trat diese philhellenische Bewegung, die sechs Jahre später eine enorme gesellschaftliche Dynamik in ganz Europa entfalten sollte, auf dem Treffen der führenden europäischen Politiker in Wien bereits in Erscheinung? Wurde in Wien die Frage nach dem weiteren politischen Schicksal Griechenlands diskutiert? Wer setzte sich für die Belange der Griechen ein? Inwiefern vernetzten sich diese Persönlichkeiten während des Kongresses? Zur Klärung dieser Fragen soll im Folgenden paradigmatisch eine Persönlichkeit aus der Finanzelite Genfs untersucht werden: Der Bankier Jean Gabriel Eynard, der als Sekretär der Genfer Gesandtschaft in Wien dabei war und dort seine politische Sozialisation erfuhr. Die These des Aufsatzes lautet, dass der Grundstein von Eynards überzeugtem Philhellenismus auf dem Wiener Kongress gelegt wurde.
Wie Projektionen der eigenen politischen Vorstellungen auf literarischem Gebiet funktionieren, wie mittels Auto- und Heteroimages in der Lyrik politisch Stellung bezogen wird, zeigt Heiko Ullrich. Von Bedeutung ist in der Literatur nicht nur der Bezug zum alten Griechenland, sondern auch zum Christentum. Mit Kreuzzug-Motiviken verleihen deutschsprachige Poeten dem griechischen Unabhängigkeitskrieg eine religiöse Motivierung und Rechtfertigung.
"In Hellas geht die Sonne der Freiheit auf!" : studentische Griechenland-Begeisterung seit 1820
(2013)
Harald Lönnecker nimmt in seinem Beitrag die wichtige Rolle der Burschenschaften in den Blick. Verstanden als Avantgarde der deutschen Nationalbewegung ist das Engagement von Burschenschaftlern für Griechenland auch als stellvertretendes Engagement für Einheit und Freiheit in deutschen Landen zu bewerten. Eigene politische Vorstellungen werden auf das südosteuropäische Land projiziert.
Jürgen Kilian beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der Hellenenverehrung zweier prominenter Wissenschaftler des Vormärz, Jacob Philipp Fallmerayer und Friedrich Thiersch. Kilian zeigt, dass und wie Antikekult und Heroisierung durch diese beiden Vertreter eines aufstrebenden und akademisch gebildeten Bürgertums mitgeprägt werden und zu divergierenden Einschätzungen der Neugriechen führen.
Einen Gipfelpunkt findet die Begeisterung für das Griechentum bekanntlich in der Weimarer Klassik, doch ist der Philhellenismus auch in späteren Jahrzehnten, so im Vormärz, aktuell. Die Gründe dafür liegen erstens in gesellschaftlichen Strukturen und Traditionen, durch die Wissen um die Antike weiter vermittelt wird. Dazu tragen das obligate Studium griechischer und lateinischer Sprache an den höheren Schulen und die Verbreitung antiker literarischer Texte und Mythen durch Übersetzungen ins Deutsche bei. [...] Zweitens ist vor allem der europaweit beobachtete griechische Unabhängigkeitskrieg ein Bezugspunkt politischen Denkens. Griechenland-Bilder werden im Vormärz nicht mehr nur wegen ihrer spezifisch ästhetischen, als überzeitlich geltenden Merkmale in bildender Kunst, Literatur, im Kunsthandwerk und in der Architektur (re-)konstruiert, sondern gewinnen zeitgeschichtlich an Aktualität. Dies umso mehr, als im Vormärz Forderungen nach dem Gegenwartsbezug von Kunst und Literatur unüberhörbar werden. [...] Die Auseinandersetzung mit dem antiken griechischen Erbe und den politischen Entwicklungen im zeitgenössischen Griechenland wird zu einem Kennzeichen des Vormärzes - in Wissenschaft, Literatur und Publizistik ebenso wie in politischen Vereinigungen, kulturellen Zirkeln und unter Studenten.
Einen Gipfelpunkt findet die Begeisterung für das Griechentum bekanntlich in der Weimarer Klassik, doch ist der Philhellenismus auch in späteren Jahrzehnten, so im Vormärz, aktuell. Die Gründe dafür liegen erstens in gesellschaftlichen Strukturen und Traditionen, durch die Wissen um die Antike weiter vermittelt wird. Dazu tragen das obligate Studium griechischer und lateinischer Sprache an den höheren Schulen und die Verbreitung antiker literarischer Texte und Mythen durch Übersetzungen ins Deutsche bei. [...] Zweitens ist vor allem der europaweit beobachtete griechische Unabhängigkeitskrieg ein Bezugspunkt politischen Denkens. Griechenland-Bilder werden im Vormärz nicht mehr nur wegen ihrer spezifisch ästhetischen, als überzeitlich geltenden Merkmale in bildender Kunst, Literatur, im Kunsthandwerk und in der Architektur (re-)konstruiert, sondern gewinnen zeitgeschichtlich an Aktualität. Dies umso mehr, als im Vormärz Forderungen nach dem Gegenwartsbezug von Kunst und Literatur unüberhörbar werden. [...] Die Auseinandersetzung mit dem antiken griechischen Erbe und den politischen Entwicklungen im zeitgenössischen Griechenland wird zu einem Kennzeichen des Vormärzes - in Wissenschaft, Literatur und Publizistik ebenso wie in politischen Vereinigungen, kulturellen Zirkeln und unter Studenten.
Allein in einer entlegenen Klassikerausgabe des Jahres 1921 findet man, was man in der Forschungsliteratur vergeblich sucht: den Versuch, Friedrich Hölderlins „Hyperion“ und Carl Rottmanns griechische Landschaftsbilder einander anzunähern oder zumindest zu vergleichen. Rottmanns Gemälde und Hölderlins Roman werden zu Recht zu den eigenwilligsten und produktivsten Schöpfungen des deutschen Philhellenismus gezählt, und doch ist – soweit ich sehe – in der literaturwissenschaftlichen und kunsthistorischen Forschung noch nie nach einem engeren Zusammenhang zwischen beiden Werken gefragt worden. Trennt Hölderlins Roman, der in zwei Teilen 1797 und 1799 erschien, und Rottmanns Gemäldezyklus, der in den Jahren 1838 bis 1850 entstand, tatsächlich ein allzu großer zeitlicher Abstand? Zeichnen beide Werke gänzlich verschiedene Bilder Griechenlands, sodass sich jeder Vergleich verbietet?