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In den gegenwärtigen Debatten über politische Verantwortung und Wirkungsmöglichkeiten kultureller Formen wie Literatur und Theater, Film, Fernsehen und neue Medien, Performance-Kunst und Street Art ist ein gewandeltes, zivilgesellschaftlich erweitertes Verständnis des Politischen auffällig, das auch den erstarrten Dualismus von Engagement und Autonomie der Künste neu infrage stellt. Das Politische in der Literatur wird nicht mehr wie lange Zeit üblich von der ästhetischen Eigenart abgegrenzt und daher auch nicht auf unmittelbare und direkte Thematisierung impliziter politischer Bezüge reduziert. Im Mittelpunkt der Debatten stehen häufig die nicht zuletzt durch die jüngsten Medienentwicklungen, insbesondere die sozialen Netzwerke, bedingten Veränderungen im Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit, vor allem die Sorge um den Schutz der Privatsphäre vor allgegenwärtiger Überwachung und auch ästhetisch neuartige Strategien in der Herstellung von Öffentlichkeit für existenziell bedeutsame Problemlagen. Im nachfolgenden Beitrag soll gefragt werden, inwieweit das Verhältnis zwischen dem ästhetisch Eigenwertigen und dem politisch Wirkmächtigen auch in zeitgenössischen Literaturdebatten zur Sprache kommt, wie auch, welchen Anteil Literaturtheorie und -ästhetik an den Auseinandersetzungen um einen komplexeren Begriff des Politischen haben.
"wo ist dem Tier sein End?" : das Politische, das Poetische und die Tiere in Hofmannsthals "Turm"
(2016)
In Hofmannsthals "Turm"-Projekt gibt es viele Tiere. Dies gilt für alle vier Fassungen. Nimmt man Begriffe wie Jagd, Reiten und Kreatur hinzu, dann lassen sich allein in der zweiten Fassung ungefähr 170 Tiererwähnungen nachweisen. Die mit Abstand größte Tierdichte findet sich dabei im ersten Auftritt des ersten Aktes, gefolgt vom zweiten Auftritt des zweiten Aktes. Offenbar sind die Tiere für die Entfaltung der Problemlage, wie sie in der ersten Hälfte des Dramas vorgenommen wird, wichtiger als für die Lösungen des Problems, die mit den verschiedenen Enden des Dramas angeboten werden. Bei der Entfaltung der Problemlage spielen die Tiere deshalb eine so zentrale Rolle, weil in ihnen zwei Themen aufeinander bezogen werden, die zum Kernbestand des "Turm"-Projekts gehören: die Frage des Politischen und die Frage des Poetischen. Um die damit gegebene trianguläre Beziehung von Politik, Metapher und Tier wird es im Folgenden gehen.