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Je nach Wirtschaftszweig und Betriebsgröße reagierten die Betriebe mit unterschiedlichen Kombinationen von Arbeitszeitinstrumenten, um ihre betriebliche Beschäftigungssituation an die konjunkturellen Veränderungen anzupassen. Betriebe des Verarbeitendes Gewerbes verringerten mit dem beginnenden Aufschwung ihre durchschnittliche Wochenarbeitszeit überdurchschnittlich. Der Anteil der Betriebe mit Kurzarbeit blieb mit Beginn des Aufschwungs unverändert.
Das Baugewerbe zeichnete sich dadurch aus, dass es den höchsten Anteil an Betrieben mit Überstunden im Jahr 2009 aufwies, was angesichts der konjunkturellen Förderprogramme nicht erstaunt. Darüber hinaus war in 85 Prozent der Betriebe die bedarfsabhängige Einbeziehung des Samstags als weiteres Flexibilisierungsinstrument üblich. Betriebe mit Vertrauensarbeitszeit verdreifachten sich fast innerhalb von zwei Jahren. Der Anteil der Betriebe mit Kurzarbeit verringerte sich bis Mitte 2010 im Baugewerbe am stärksten. Der Wirtschaftszweig Handel/ Reparatur stand 2009 bezüglich der geleisteten Überstunden an letzter Stelle. Der Anteil der Betriebe, der Arbeitszeitkonten einsetzte, verringerte sich in diesem Sektor zwischen 2009 und 2010 um 50Prozent. Weiterhin zeichnete sich diese Branche dadurch aus, dass in 68 Prozent der Betriebe ständig oder regelmäßig samstags gearbeitet wurde. Der Dienstleistungssektor zeichnete sich durch einen unterdurchschnittlich hohen Anteil an Betrieben mit Überstunden während der Krise aus. Die konjunkturelle Erholung führte dazu, dass der Dienstleistungssektor als einziger Wirtschaftszweig einen Anstieg der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit verzeichnete. Gleichzeitig hatte die Vertrauensarbeitszeit in dieser Branche eine hohe Bedeutung. Der Anteil der Kleinst- und Kleinbetriebe, in denen Überstunden geleistet wurden, verringerte sich nur geringfügig während der Krise. In keiner anderen Betriebsgrößenklasse lag der Anteil der Beschäftigten, der Überstunden ausbezahlt bekam, so hoch wie in den Kleinstbetrieben. Die kleinen Betriebe (10 bis 49 Beschäftigte) verzeichneten den stärksten Rückgang bezüglich des Einsatzes von Arbeitszeitkonten im Jahr 2010. Bei den Kleinst- und Kleinbetrieben fand mit der wirtschaftlichen Erholung auch eine Erhöhung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit statt. Der Anteil der mittleren und großen Betriebe, in denen Überstunden geleistet wurden, verringerte sich überdurchschnittlich im Jahr 2009. Nach dem Ende der Krise reduzierten die mittleren und großen Betriebe, im Gegensatz zu den Kleinst- und Kleinbetrieben, ihre durchschnittliche Wochenarbeitszeit. Die Großbetriebe nutzten das breite Spektrum der Arbeitszeitsteuerungen, das von ständiger Samstagsarbeit bis zu Vertrauensarbeitszeit und Arbeitszeitkorridoren reicht. Der Anteil der Großbetriebe, der Kurzarbeit einsetzte, halbierte sich nahezu zwischen 2009 und 2010
Mit Beginn des Aufschwungs und der Zunahme der Beschäftigung veränderten sich in Rheinland-Pfalz die verschiedenen atypischen Beschäftigungsverhältnisse in unterschiedlichem Ausmaß. Die Leiharbeit, die während der Krise einen Einbruch verzeichnete, erreichte bis Mitte 2010 fast wieder ihren Rekordwert, den sie vor der Wirtschaftskrise erzielt hatte. Der ansteigende Trend der Leiharbeit setzt sich somit weiter fort. Gemessen an den Gesamtbeschäftigten spielt sie jedoch bislang eine geringe Rolle.
Drei Viertel aller Leiharbeitskräfte werden im Produzierenden Gewerbe eingesetzt. Die wichtigsten Gründe für den Einsatz von Leiharbeit sind weiterhin die voraussichtlich geringe Dauer des Einsatzes sowie die schnelle Verfügbarkeit der Arbeitskräfte. Andere Gründe, die zu einem längerfristigen Verbleib in der Leiharbeit führen können, vor allem die Vermeidung von Kosten für den Aufwand von Personalakquise und Trennung, sind jedoch ebenfalls von Bedeutung. Auf geringfügige Beschäftigung griffen Betriebe ebenfalls in den vergangenen Jahren verstärkt zurück. Obwohl ihr Anteil an den Gesamtbeschäftigten nach einem Anstieg während der Krise mit Beginn des Aufschwungs stagnierte, zeigt sich im längerfristigen Trend ein langsamer, aber stetiger Anstieg der geringfügigen Beschäftigung. Trotz des leichten Anstiegs der Midi-Jobs seit 2005 offenbart die Entwicklung der Midi-Jobs insgesamt einen vergleichsweise konstanten Verlauf, der durch die Krise und den beginnenden Aufschwung kaum beeinflusst wurde. Obwohl zu erwarten gewesen wäre, dass sich Teilzeitjobs mit Zeitverlauf nur langsam verändern, da sie überwiegend von Frauen in Anspruch genommen werden, um Beruf und familiäre Verpflichtung in Einklang zu bringen, stieg der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den Gesamtbeschäftigten nach der Krise deutlich an. Seit dem Beginn des Panels in Rheinland-Pfalz fand somit ein langsamer und stetiger Anstieg der Teilzeitarbeit statt, dessen Ende nicht absehbar ist. Die befristete Beschäftigung, die durch einen Rückgang während der Krisen gekennzeichnet war, erreichte mit der Belebung der Konjunktur einen neuen Rekordwert. Der Trend einer anhaltend steigenden Befristung der Arbeitsverhältnisse scheint somit ungebrochen. Der beginnende konjunkturelle Aufschwung nach der Wirtschaftskrise zeichnet sich somit durch differenzierte Auswirkungen auf die verschiedenen atypischen Beschäftigungsformen aus. Sie gewinnen zunehmend an Bedeutung; das Normalarbeitsverhältnis steht jedoch weiter im Vordergrund.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Trend zu immer größerer Flexibilisierung bei den Beschäftigungs‐ und Personalmaßnahmen in Hessen auch 2010 eine Fortsetzung fand. Der Anteil der befristeten Neueinstellungen nahm nochmals zu und liegt mittlerweile bei fast 50 Prozent. Mit anderen Worten: Fast die Hälfte aller Neueingestellten bekam zunächst nur einen befristeten Vertrag. Auch die Leiharbeit hat sich als Flexibilisierungsinstrument in Hessen etabliert, wenn auch auf niedrigerem Niveau: Nur in sieben Prozent der hessischen Betriebe finden sich Leiharbeitskräfte, diese machen derzeit rund zwei Prozent aller Beschäftigten aus. Vor allem in der Produktion (Verarbeitendes und Baugewerbe) ist Leiharbeit verbreitet, wobei die schnelle Verfügbarkeit der Beschäftigten und der zeitlich begrenzte Bedarf die Hauptgründe für deren Einsatz sind. Neben diesen langfristig wirksamen Entwicklungen war 2010 von besonderem Interesse, wie sich kurzfristige konjunkturelle Effekte auf die Personalbewegungen und die Personalpolitik auswirken.
Als Reaktion auf die Wirtschaftskrise setzten die Betriebe auf unterschiedlichste Maßnahmen, vor allem auf den Abbau von Überstunden und das Zurückstellen von Neueinstellungen. Der beginnende Aufschwung des Jahres 2010 spiegelte sich hingegen noch nicht durchgängig wieder. Die Zahl der Neueinstellungen blieb trotz Konjunkturbelebung auf vergleichsweise niedrigem Niveau; da zugleich auch recht wenig Entlassungen zu verzeichnen waren, konnte auch im Jahr 2010 in Hessen nur eine geringe Arbeitsmarktdynamik beobachtet werden. Allerdings gibt es auch Bereiche, in denen es 2010 zu einem deutlichen Aufwärtstrend kam. So stieg die Zahl der offenen Stellen um etwa 10.000 an, wobei vor allem der Dienstleistungsbereich eine höhere Nachfrage zeigte. Interessant ist hier, dass entgegen früherer Entwicklungen eine erhöhte Nachfrage vor allem nach einfachen Tätigkeiten bestand, während die Suche nach qualifizierten Beschäftigten noch verhalten blieb. Diese Momentaufnahme sollte aber nicht den Blick verstellen für das bereits bestehende Problem, Stellen für qualifizierte Arbeitskräfte nicht besetzen zu können. Dies betraf 2010 etwa sieben Prozent der hessischen Betriebe, in denen rund 23.500 qualifizierte Stellen nicht besetzt werden konnten. Gefragt, was die zentrale personalpolitische Herausforderung der nächsten Jahre sei, nennen die Betriebe folgerichtig die Rekrutierung von Fachkräften, während zu hohe Lohnkosten weniger bedeutsam sind als in der Vergangenheit. Der drohende Fachkräftemangel ist demnach ein übergreifendes Problem, dem durch gemeinsame Anstrengungen der Bildungs‐ und Arbeitsmarktakteure zu begegnen ist.
Die Finanzmarkt‐ und Wirtschaftskrise hat auch bei den betrieblichen Arbeitszeiten in Hessen Spuren hinterlassen. So ist der langfristige Trend zu längeren Arbeitszeiten zunächst unterbrochen worden: Die durchschnittliche vereinbarte Wochenarbeitszeit lag 2010 bei durchschnittlich 39,1 Stunden. Dies ist eine knappe halbe Stunde weniger als noch vor zwei Jahren. Insbesondere hat der Anteil der Betriebe, in denen weniger als 36 Stunden gearbeitet werden, zugenommen, während weiterhin in einer Mehrheit der hessischen Betriebe eine Arbeitszeit von über 40 Stunden gilt. Ebenfalls rückläufig war die Zahl der Betriebe, die anfallende Mehrarbeit mit Überstunden begegnete, wobei vor allem Mittel‐ und Großbetriebe dies seltener nutzten. Kompensiert werden Überstunden weiterhin vor allem durch Freizeitausgleich; die kostenintensivere Bezahlung spielt eine geringere Rolle. Am deutlichsten zeigte sich der Kriseneffekt erwartungsgemäß bei dem Instrument, dass unmittelbar zur Dämpfung von konjunkturellen Schwankungen vorgesehen ist: der betrieblichen Kurzarbeit. Während im Jahr 2006 nur 0,8 Prozent der hessischen Betriebe Kurzarbeit einsetzte, traf dies in den Jahren 2009 und 2010 auf rund fünf Prozent zu. Betroffen hiervon waren kumuliert im ersten Halbjahr 2010 hochgerechnet noch immer 107.000 Beschäftigte, mehrheitlich aus dem Verarbeitenden Gewerbe, das besonders stark unter der Krise litt. Neben diesen Bereichen, in denen kurzfristige konjunkturelle Einflüsse zu verzeichnen sind, gibt es jedoch einige Aspekte der betrieblichen Arbeitszeiten, in denen die Entwicklung langfristig und strukturell wirksam ist bzw. die generell eine hohe Konstanz aufweist. Dies gilt beispielsweise für das Instrument der individuellen Arbeitszeitkonten, das weiterhin von nur etwa jedem vierten hessischen Betrieb genutzt wird, wobei es vor allem in den Dienstleistungsbranchen sowie den kleineren Betrieben kaum zur Anwendung kommt. Andere Flexibilitätsinstrumente der Arbeitszeitsteuerung, wie z.B. Samstagsarbeit oder versetzte Arbeitszeiten, finden häufigere Anwendung, wobei auch hier nur geringe Veränderungen im Zeitverlauf zu beobachten sind. Der Anteil der Betriebe, die Teilzeitkräfte beschäftigen, hat 2010 wieder zugenommen und liegt in etwa auf dem hohen Niveau der letzten Jahre. Gleiches gilt für die Teilzeitquote, die weiterhin vor allem in Kleinbetrieben und dem Dienstleistungsbereich hoch ist. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die Arbeitszeitinstrumente von den Betrieben flexibel eingesetzt werden, um konjunkturelle Effekte abzufedern; langfristige Trends bleiben hiervon meist unberührt.
Als Leitfrage wurde eingangs formuliert, ob die Wirtschaftskrise auch im Jahr 2010 noch Auswirkungen auf die hessischen Betriebe hatte. Dies kann zusammenfassend bestätigt werden; bei fast allen untersuchten Indikatoren, die konjunkturellen Einflüssen unterliegen, liegt die Vermutung nahe, dass 2010 noch Kriseneffekte zu spüren sind, wenn diese auch häufig moderat ausfallen. Eine unmittelbare Bestätigung findet dieser Befund, wenn man die krisenbetroffenen Betriebe nach dem gegenwärtigen Status befragt. Für nicht einmal jeden zehnten Betrieb ist die Krise vollständig überwunden. Fast 30 Prozent befinden sich nach eigenen Angaben noch inmitten der Wirtschaftskrise, und für fast zwei Drittel der Betroffenen sind die Auswirkungen noch spürbar. Einschränkend ist hierbei festzuhalten, dass nur eine Minderheit der hessischen Betriebe direkt von der Krise betroffen war. Falls dies der Fall war, waren die Auswirkungen in der Regel negativ, insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe sowie den exportorientierten Betrieben. Es gibt jedoch auch „Krisengewinner“, die von der konjunkturellen Lage und den Krisenmaßnahmen profitieren konnten, dies gilt vor allem für das Baugewerbe. Die betriebliche Einschätzung der Ertragslage des Geschäftsjahres 2009 liegt unter den Vorjahreswerten, aber noch immer deutlich besser als in den Jahren 2001 bis 2005. Die Erwartungen waren für 2010 eindeutig positiv: in Umkehrung der letztjährigen Daten rechnen deutlich mehr Betriebe mit einem steigenden Geschäftsvolumen im nächsten Jahr, besonders häufig im Verarbeitenden Gewerbe. Auch der Wettbewerbsdruck, dem sich die hessischen Betriebe ausgesetzt sehen, hat gegenüber 2009 abgenommen, wird aber noch immer höher empfunden als im Vorkrisenjahr 2008. Für hochgerechnet knapp 18.300 hessische Betriebe ist der Konkurrenzdruck derart hoch, dass er nach Einschätzung der Betriebe den Fortbestand gefährdet; dies sind knapp 4.000 weniger als im Vorjahr. Ein Rückgang an betrieblichen Aktivitäten lässt sich rückblickend bei den Investitionen beobachten. Der Anteil der investierenden Betriebe lag im Jahr 2009 auf dem niedrigsten Wert der langfristigen Betrachtung, wobei im Jahr der Krise vor allem die Investitionen in Anlagen und Betriebsausstattung zurückgingen. Die Investitionsplanungen sehen je doch für 2010 bei vielen Betrieben eine Erhöhung des Investitionsvolumens vor. Relativ unbeeinflusst von konjunkturellen Einflüssen zeigt sich allein das Innovationsverhalten der hessischen Betriebe. Sowohl der Anteil der innovativen Betriebe als auch die Art der Innovationen und organisatorischen Änderungen liegen innerhalb der langjährigen Beobachtung.
Ausgangsfrage des Reports war, ob das Ausbildungsverhalten der Betriebe in Hessen 2010 noch unter den Folgen der Wirtschaftskrise litt oder schon vom beginnenden Aufschwung geprägt war. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass der Ausbildungsmarkt tatsächlich ein Spätindikator der wirtschaftlichen Entwicklung ist: Das Ausbildungsverhalten der Betriebe reagiert mit Verzögerung auf negative konjunkturelle Effekte, weswegen 2010 viele Ausbildungskennziffern noch unter dem Einfluss der Wirtschaftskrise stehen. Im Einzelnen trifft dies sowohl auf die Ausbildungsbeteiligung, die Ausbildungsintensität sowie die Übernahmebereitschaft der Betriebe zu, die allesamt etwas niedriger sind als im Jahr zuvor. Die Veränderungen sind jedoch nicht so massiv, dass von großen konjunkturellen Effekten auszugehen ist; insgesamt ist der Ausbildungsmarkt von strukturellen Faktoren und langfristigen Entwicklungen geprägt. Der Anteil der hessischen Betriebe, der 2010 ausbildete, lag bei nur noch 31 Prozent und damit vier Prozentpunkte niedriger als zwei Jahre zuvor. Insbesondere im Dienstleistungsbereich bilden viele Betriebe nicht aus, wobei das ungenutzte Potenzial, d.h. der Anteil der Betriebe, der trotz Berechtigung nicht ausbildet, im von der Krise besonders betroffenen Produzierenden Gewerbe noch höher liegt. Die Zahl der Auszubildenden insgesamt ging 2010 ebenfalls zurück, erneut vor allem im Produzierenden Gewerbe. Da zugleich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wieder anstieg, lag die Ausbildungsquote Hessens bei nur noch 4,9 Prozent und somit einen ganzen Prozentpunkt unter dem Vergleichswert von Westdeutschland.
Verantwortlich für den geringeren Anteil an Auszubildenden war unter anderem der Rückgang des Angebots an Ausbildungsstellen. 2010 boten hessische Betriebe deutlich weniger Ausbildungsplätze an als noch 2009. Zudem konnten nur knapp 83 Prozent dieser Stellen auch be‐
setzt werden, was den niedrigsten Wert seit Beginn der Panelbeobachtung darstellt. Besonders groß waren die Besetzungsprobleme bei den Kleinbetrieben und in den Bereichen Handel und Sonstigen Dienstleistungen. Ob hier bereits erste Anzeichen für die Effekte des demografischen Wandels zu verzeichnen sind, wir sich in den nächsten Jahren zeigen. Als weiterer Grund für die geringere Zahl an Auszubildenden ist schließlich die hohe Zahl an erfolgreichen Ausbildungsabschlüssen zu nennen. 2010 beendeten rund 36.500 Auszubildende ihre Ausbildung, was langfristig betrachtet ein sehr hoher Wert ist. Rund 51 Prozent hiervon waren Frauen, womit die weiblichen Auszubildenden zum zweiten Male die Majorität der erfolgreichen Absolventen stellen. Von diesen Absolventen wurden jedoch nur 58 Prozent in den Betrieb übernommen, was den niedrigsten Wert der letzten Jahre darstellt. Hierbei ist anzumerken, dass die Gründe häufig bei den Auszubildenden selbst zu suchen sind, die eine andere berufliche Orientierung suchen. Wirtschaftliche Gründe seitens der Betriebe sind nur recht selten maßgeblich für die Nicht‐Übernahme. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass auf dem hessischen Ausbildungsmarkt die Krise 2010 noch nicht überwunden war. Für die Zukunft sollte bei anhaltendem Wachstum jedoch wieder mit positiveren Zahlen zu rechnen sein.
Eine differenzierte Analyse der Stellenbesetzungsprobleme nach Berufsgruppen in der Region Rhein-Main hat gezeigt, dass in einigen Bereichen die Stellenbesetzungsproblematik gegen über dem Jahr 2009 deutlich zugenommen hat. Dies gilt tendenziell für fast alle hier unterschiedenen Berufsgruppen, in besonderem Maße jedoch für Naturwissenschaftler, Ingenieure und Informatiker sowie für Fachkräfte im Fertigungsbereich. Etwas erstaunlich ist, dass inzwischen scheinbar auch im geringqualifizierten Bereich bei einigen Betrieben Probleme bestehen, offene Stellen zu besetzen. Wie bereits im letzten IWAK-Report berichtet (vgl. IWAK-Report 2/2011), erwarten inzwischen fast 30 Prozent der Betriebe in der Region Rhein-Main Auswirkungen aufgrund des demographisch bedingten Rückgangs an Arbeitskräften. Betriebliche Strategien dagegen konzentrieren sich auf verstärkte betriebliche Aus- und Weiterbildung, innerbetriebliche Reorganisationsmaßnahmen sowie der verstärkten Rekrutierung von Arbeitskräften aus dem Ausland. Die differenzierte Analyse im vorliegenden Report zeigte, dass die Betriebe je nach Wirtschaftzweigzugehörigkeit sehr unterschiedliche Strategien bevorzugen. Das Baugewerbe und der Bereich Verkehr und Lagerei setzen überwiegend auf eine Rekrutierung von Arbeitskräften aus dem Ausland, die Finanzbranche fast ausschließlich auf verstärkte Ausbildung, der öffentliche Sektor verstärkt auf innerbetriebliche Reorganisation. Zudem wurde deutlich, dass ein hoher „Problemdruck“ seitens der Betriebe nicht automatisch zu der Entwicklung von Maßnahmen und Aktivitäten zur Reduktion eines befürchteten Arbeitskräftemangels führt. Einen möglichen Fachkräftemangel durch einen effektiveren Einsatz bislang unterwertig Beschäftigter zu reduzieren, scheint aus betrieblicher Sicht nur bedingt möglich. Nur recht wenige Betriebe sind der Ansicht, dass ein Teil ihrer Beschäftigten für ihre aktuelle Tätigkeit überqualifiziert seien. Untersuchungen anhand der Befragung von Erwerbstätigen kommen allerdings zu teilweise anderen Schlüssen (vgl.OECD 2011).
Insgesamt zeigt sich für die Gesamtheit der Betriebe in Rheinland-Pfalz hinsichtlich der Einschätzung der Ertragslage eine positive Entwicklung. Seit Beginn des Panels schätzten die Betriebe in Rhein-land-Pfalz die Ertragslage nie so positiv ein wie 2010. Rund 44 Pro-zent der Betriebe beurteilten ihre Ertragslage als sehr gut oder gut. Dies ist ein Anstieg um 12 Prozentpunkte im Vergleich zum Krisen-jahr 2009. Am positivsten bewertete der Bausektor seine Ertragslage im Jahr 2010, was vor allem auf die Konjunkturprogramme zurückzuführen sein dürfte. Das Verarbeitende Gewerbe, das sich offensichtlich noch nicht ganz von der Krise erholt hat, beurteilte die Ertragslage am negativ-sten. Betriebe mit Stellenbesetzungsproblemen weisen vergleich-bare Werte wie die Gesamtheit der Betriebe auf. Hingegen liegt der Anteil der Betriebe ohne Stellenbesetzungsprobleme, der seine Ertrags-lage als sehr gut oder gut einstuft, mit 71 Prozent weit über dem Durch-schnitt.Somit belegt die Auswertung, dass auch im Bereich der Ge-schäftspolitik, der Innovation, der Investitionen sowie der Planungen in verschiedenen Bereichen sich die Betriebe ohne Stellenbesetzungs probleme durch ein größeres Engagement, eine stärkere Zukunfts orientierung und eine höhere Innovationskraft auszeichnen. Möglicher-weise tragen diese in ihrer Gesamtheit dazu bei, dass die erwarteten
Fachkräfteprobleme deutlich besser zu bewältigt werden.
Nachdem der erste große Krieg der Moderne Ende Juli 1914 seinen Anfang genommen hatte und innerhalb weniger Monate immer mehr Nationen in ein Kampfgeschehen von bis dahin unerreichtem Ausmaß eingetreten waren, ließ es sich – so wird in ausgewählten Puppenspielen der Zeit berichtet – alsbald auch ein altbekannter Spaßmacher und berühmtberüchtigter Spitzbub nicht nehmen, im weltumspannenden Kriegsgetümmel mitzumischen. Mit dem Kasper(l) unserer Tage, der wohl in vielen Menschen kraft seiner herzerwärmenden Kindlichkeit und seiner schalkhaften Harmlosigkeit Assoziationen an die eigene Kindheit hervorruft, hat der Lustigmacher des Ersten Weltkriegs wenig gemeinsam. Vorausgeschickt sei an dieser Stelle ein wesentlicher Aspekt: beim Kriegskasper(l) der Jahre 1914 bis 1918 handelt es sich nicht um eine für ein Kinderpublikum konzipierte Figur. In weiterer Folge differieren beispielsweise die Inhalte, die Figurenkonzeption oder die Darstellungsmittel in erheblicher, ja mitunter frappierender Weise von dem, was der unbedarfte Rezipient von heute sich vermutlich von einem Kasper(l)theater erwarten würde. Zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschungen wurde der Spaßmacher des Ersten Weltkriegs allerdings äußerst selten erklärt: Sowohl die Literatur-, die Theater- und die Sprachwissenschaften als auch die historisch-volkskundlichen Disziplinen schenkten diesem Randphänomen des Literatur- und Kulturbetriebs bisher spärlich Beachtung. [...] Programm und zugleich Ziel dieser Masterarbeit ist eine Annäherung an das Phänomen des Kasper(l)s der Weltkriegszeit auf mehreren Ebenen unter Rückgriff auf ein interdisziplinäres Instrumentarium, wobei der philologische Zugang zu den Primärtexten durch die zusätzliche Einbeziehung sozialhistorischer wie auch soziologischer Theorien und Methoden maßgeblich bereichert werden kann. Diese fächerübergreifende Herangehensweise wurde gewählt, da die Kasper(l)stücke der Weltkriegsjahre 1914 bis 1918 eine Fülle von Anspielungen auf politische Ereignisse und soziale Zustände in sich bergen wie auch auf ihre sehr spezifische Weise die Gesellschaft bzw. die nationale Gemeinschaft der damaligen Zeit samt ihren Charakteristika, Anforderungen und Problemen widerspiegeln.
Testamente fungieren als Mittler zwischen Vergangenheit und Zukunft. Sie organisieren Memoria und Nachleben, beeinflussen Verwandtschaftsordnungen und bestimmen deren Reproduktion, sie verursachen oder lösen rechtliche, familiale, ökonomische Konflikte. Insofern zählt das Testament zu den wichtigsten kulturellen Formen des geregelten Übergangs von Leben zu Leben, durch den Tod getrennt.
Ulrike Vedders Studie analysiert das Testament im Spannungsfeld von Recht, Ökonomie und Kultur sowie im Zusammenhang mit Konzepten von Erbschaft, Vererbung und Nachleben. Sie entwickelt eine Poetologie des Testaments anhand der Literatur des 19. Jahrhunderts (von Jean Paul, Kleist, E.T.A. Hoffmann, Balzac, Heine, Droste-Hülshoff, Stifter, Melville, Keller, Storm, Fontane, Zola, James u.a.) und erforscht zudem das Testament als eine Form der Übertragung von Eigentum, Dingen, Rechten, Identität, Schuld, Leidenschaften. Als ein Medium für weitreichende - literarische und außerliterarische - Erbe- und Transferprozesse bildet das Testament eine zentrale Figur der kulturellen Tradierung sowie des Austausches zwischen verschiedenen Wissensfeldern, zwischen Literatur, alltäglicher Praxis und Wissenschaften.
Mit dem wachsenden Interesse für die Vorgänge des Lebendigen im 19. Jahrhundert rückten auch subjektive Erfahrungen in den Bereich lebenswissenschaftlicher Forschung. Damit wurde nicht zuletzt die Frage nach der adäquaten Perspektive virulent, von der aus sich ein Wissen über diese Innerlichkeiten generieren ließe. Das Buch nimmt in drei Fallstudien das neurologische Selbstexperiment Henry Heads, Jacques-Joseph Moreau de Tours' psychiatrische Versuche, den Wahnsinn mit Haschisch zu modellieren, und Benjamin Paul Bloods philosophisch ambitionierten Lachgaskonsum in den Blick, deren Protagonisten sich allesamt dafür entschieden die Innenperspektive einzunehmen und an sich selbst zu experimentieren.
Nach 1989 ist Europa – wieder einmal – in Bewegung geraten und die Mitte des Kontinents hat sich "ostwärts" verlagert. Diese Verschiebung Europas, die Frage nach neuen und alten Grenzen und Zentren, ist Anlass, sich mit jener vergessenen Himmelsrichtung und ihren Gebieten zu befassen, die 'plötzlich' wieder auf der Landkarte und in den Köpfen aufgetaucht sind. Wird der Osten zum Standort gemacht, von dem aus Europa zu konturieren ist, so erschließt sich dieser Osten in seinen unterschiedlichen geographischen, historischen und imaginären Mehrdeutigkeiten. Europa wird dabei zu einem dezentralen Gebilde, für dessen kulturelle Semantiken gerade die Peripherien von entscheidender Bedeutung sind.
In den Beiträgen des Bandes werden diese "schmerzenden Nähte" (Jurij Andruchowitsch) aufgesucht: von Vilnius über den Balkan, den Kaukasus, die Schwarzmerregion bis nach Istanbul, Alexandria oder Beirut. Es eröffnen sich plurale Kulturen, deren Umgang mit Sprachen, Religionen, Bild- und Zeichensystemen in vielem quer zu westlich-europäischen Ordnungskonzepten liegen. Zugleich liegt die Brisanz dieser Kulturen darin, dass sie auf vielfältige Weise mit modernen kulturellen Homogenisierungsstrategien verbunden sind und immer wieder auf die auch diesen inhärenten, verdeckten oder getilgten Pluralitäten verweisen. Die Beiträge zeigen, wie die Vermessung dieser Orte zu allen Zeiten zu einem beträchtlichen Teil in Literatur und Kunst stattfindet. Hier werden territorial-kulturelle Zugehörigkeiten verhandelt, wird ein nuanciertes Spiel mit geopolitischen Verschiebungen, Verwerfungen und Umkodierungen von Topographien, mit ironischen oder melancholischen Wahrnehmungen "fremder" Räume und Gepflogenheiten betrieben.
Nicht erst seit der Wahl in Berlin 2011 ist die Piratenpartei in aller Munde. Doch trotz des großen Medienechos ist bisher relativ wenig über das Innenleben der Partei bekannt. Daher wurden im Frühjahr 2011 alle damals rund 12.000 Parteimitglieder eingeladen, an einer umfangreichen Befragung teilzunehmen.
Rund ein Viertel der Piraten folgte dem Ruf und gab Antworten auf Fragen zu ihrem Engagement, ihrem Demokratieverständnis, zur programmatischen Entwicklung, zur innerparteilichen Demokratie, Kommunikation und Partizipation. In dieser Studie zum Selbstverständnis der Partei werden die Ergebnisse anschaulich dargestellt und zusammengefasst. Abgerundet wird das Bild durch eine ausführliche Beschreibung zur Entwicklung der deutschen Piratenpartei und ihres internationalen Umfelds.
Tobias Neumann ist Jahrgang 1981 und hat Soziologie, Politologie und Philosophie studiert. Der Wahl-Frankfurter ist seit 2009 Mitglied der Piratenpartei, in der er seine Leidenschaft für Politik auslebt.
Eines der zentralen Konzepte, auf das sich die Sowjetunion in ihrem Selbstverständnis als neue Zivilisation berief, war das Konzept der "Völkerfreundschaft" (družba narodov). Über den naheliegenden Zusammenhang mit der sowjetischen Nationalitätenpolitik (insbesondere stalinscher Prägung) hinaus verweist es auf die propagierte sowjetische Ethik – die Gleichheit aller Sowjetbürger nach der Abschaffung der Klassengesellschaft. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wird dieses Modell des gemeinschaftlichen Zusammenlebens bezogen auf den Raum der Sowjetkultur vor allem als machtpolitische Strategie bzw. in seiner mythenhaften Dimension betrachtet. Anliegen des Workshops ist es, ausgehend vom sowjetischen Freundschaftsbegriff unterschiedliche Facetten und Implikationen der Freundschaft im interkulturellen Vergleich zu diskutieren. So haben Länder und Regionen im Süden und Osten Europas (wie Georgien) beispielsweise die Gastfreundschaft als kulturelle Praktik zu ihrem "Markenzeichen" erklärt. Die Art und Weise, wie die Gastfreundschaft in Literatur und Kunst verhandelt bzw. repräsentiert wird, ist ein Indiz für die nachhaltige Bedeutung des Paradigmas, das bis in aktuelle Konflikte und juristische Diskurse (wie etwa die Frage nach dem Gastrecht oder das ethnisch begründete Restitutionsgesetz im heutigen Abchasien) hineinreicht. Gefragt wird u.a. nach den politischen Implikationen des Freundschaftsbegriffs, nach der Übertragung des interpersonellen Konzepts Freundschaft auf Völker im (sowjetischen) Konzept der Völkerfreundschaft, nach Politisierungsstrategien, nach unterschiedlichen Praktiken der (Gast-)Freundschaft (u.a. im Kontext der Derridaschen Ethik oder der Positionen von C. Schmitt, P. Klossowski oder M. Mauss) oder etwa nach der Bildung formeller und informeller Netzwerke in unterschiedlichen kulturellen und historischen Kontexten. Schwerpunktmäßig im 20. und 21. Jahrhundert angesiedelt, wird im Rahmen des Workshops auch die Genese der (sowjetischen) Konzepte und Praktiken der Freundschaft aus der Antike bzw. der Vormoderne thematisiert.
Die Themenschwerpunkte Lehr-Lern-Forschung und Professionalisierung werden aus Sicht aktueller Forschungsprojekte sowohl empirisch als auch theoretisch analysiert. Im Vordergrund stehen die Wirksamkeit spezifischer Unterrichtsmethoden und Fördermaßnahmen sowie professionelle Kompetenzen des Bildungspersonals.