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Ziel der Untersuchung ist der Erwerb von aspektuellen Markierungen im Bulgarischen. Da Bulgarisch über ein nominales Artikelsystem und über eine verbale Aspektkategorie verfügt, liefert es eine ausgezeichnete Gelegenheit, die Verwendung von nominalen und verbalen Aspektmarkierungen im frühen Spracherwerb aufzuzeigen. Der Artikel präsentiert die Daten aus einer Langzeitstudie und einer experimentellen Testreihe. Die Ergebnisse belegen, dass die bulgarischen Kinder am Anfang vom Prinzip der Aspektkomposition Gebrauch machen. Aspektuell unmarkierte Verben werden durch definite Objekte ergänzt, um begrenzte Handlungen auszudrücken. Der schnelle Erwerb der Aspektmorphologie verschiebt die Gewichtung im Satz von den nominalen zu den verbalen Aspektmarkern. Im Alter von zweieinhalb Jahren beherrschen die bulgarischen Kinder die sprachspezifische syntaktische Anforderung, dass perfektiv markierte Prädikate quantitativ definite Argumente verlangen.
[I]n der folgenden Skizze [soll] argumentiert werden, dass eine Rückführung unterschiedlicher Lesarten auf unterschiedliche syntaktische Verhältnisse […] unangemessen ist. Vielmehr sol1 aufgezeigt werden, dass es sich um eine ausschließlich semantische Frage handelt, die syntaktische Struktur in jeder Hinsicht aber die immerselbe ist. […] Unser Gegenstandsbereich fasst somit Fälle zusammen, die unter anderen Gesichtspunkten differenziert werden. [...] Diese Gesichtspunkte, nach denen die Differenzierung erfolgt, sind semantischer Natur. Für unsere syntaktische Analyse nehmen wir in Anspruch, dass sie auf alle Adverbialstrukturen zutrifft, mit Ausnahme von Satzadverbialen und (den diesen strukturell gleichen) Adverbialsätzen. Gezeigt wird dies jedoch nur an Fallen wie oben, an Adjektiven in modaladverbialer Funktion. Diese Adjektive fassen wir im übrigen kategorial als das auf, was sie ihrer Form nach sind, nämlich unflektierte Adjektive.
Das Papier argumentiert anhand einer Reihe von Phänomenen für die Existenz einer ausgezeichneten Topikdomäne im Mittelfeld des deutschen Satzes. Deutsch ist somit Diskurs-konfigurational hinsichtlich Topiks. Die Beobachtung erlaubt die Beantwortung einiger grundlegender Fragen wie die nach der möglichen Anzahl van Satztopiks, nach der Möglichkeit von Satztopiks in eingebetteten Sätzen oder nach dem Zusammenhang von Scrambling und Topikstatus. Die These, die 'starke' Interpretation einer indefiniten Phrase impliziere deren Topikstatus, wird zurückgewiesen. Syntaktische Eigenschaften der Topik-Voranstellung im Mittelfeld werden herausgearbeitet und ihre Implikationen für die Theoriebildung werden erörtert.
Wortformen wie Berliner und Potsdamer treten in pränominaler attributiver Funktion auf: eine Position, in der sowohl Adjektive als auch Substantive stehen können. Substantive kommen in der Position vor als sächsische Genitive (Leos Auto), als vorangestellte Genitivattribute (des Vaters Pflicht) oder als Bestandteile einer engen Apposition (Bundeskanzler Schröder). Adjektive stehen an dieser Stelle als adjektivische Attribute (rotes Auto). Gegen jede dieser Interpretationen von Berliner sprechen jeweils formale Argumente, die im wesentlichen darauf hinauslaufen, daß Berliner in Berliner Ballen niemals flektiert wird - weder wie ein Substantiv noch wie ein Adjektiv.
Welcher Wortart sind Wortformen wie Berliner in Berliner Ballen also zuzuordnen? Zur Beantwortung dieser Frage folgen zunächst einige (kommentierte) Literaturstellen, anschließend werde ich die Bezeichnung 'Stadtadjektive' einführen, ich nehme also zum Zwecke der Benennung eine Entscheidung vorweg. Darauf folgt die Untersuchung: das Verhalten der Stadtadjektive in Bezug auf Flexion, Derivation, Komposition und Syntax.
Indefinita und ihre verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten sind seit längerem Gegenstand intensiver linguistischer Diskussion. Die folgenden Bemerkungen diskutieren einige in der Literatur häufig vertretene Thesen zum Zusammenhang der Positionierung einer indefiniten NP im deutschen Mittelfeld und ihrer Interpretation. Es wird argumentiert, daß diese Thesen den empirischen Gegebenheiten nicht gerecht werden. Dies gilt damit auch für einige Thesen zur Umstellung im Mittelfeld (Scrambling).
Der Beitrag referiert Ergebnisse eines mit Erwachsenen durchgeführten Experiments zum Verständnis des bestimmten Artikels. Das Testmaterial entstammt einem für Kinder konzipierten Blickpräferenzexperiment. Die Durchführung des Tests mit Erwachsenen diente als Kontrolle der Verwendbarkeit der Materialien und der Überprüfung folgender Hypothese: Die referentielle Grundfunktion des Artikels besteht im Verweis auf begrenzte Ganze bzw. einen bestimmten (=begrenzten) Umfang einer Entität. Der interessante Aspekt des Experiments war, dass die Entscheidung zwischen [+begrenzt] vs. [-begrenzt] innerhalb einer pluralischen Kondition fallen musste, die Begrenztheitslesart wurde also nicht durch einzahlig auftretende zählbare Objekte erzeugt. Die Ergebnisse zeigen, dass die pluralische Kondition sich auf das Antwortverhalten der Probanden auswirkte. Probanden mit durchschnittlich längerer Reaktionszeit entscheiden sich anders als Probanden mit vergleichsweise kurzer Reaktionszeit. Während von der Gruppe mit spontanerem Entscheidungsverhalten die Hypothese im Hinblick auf den Artikel bestätigt wurde, scheint sich die Gruppe mit höheren Reaktionszeiten für das prototypischere Bild innerhalb der Pluralkondition zu entscheiden.
Eine wesentliche morpho-syntaktische Eigenschaft pronominaler Formen ist ihre Kongruenz mit dem Nomen. In den Grammatiken werden die pronominalen Paradigmen deshalb anhand der Kategorien des Nomens konstruiert. So wird traditionellerweise im Deutschen für all die verschiedenen pronominalen Elemente wie bestimmter/unbestimmter Artikel, Negationsartikel, Possessiv- und Demonstrativpronomen, starke/schwache Adjektive ein und dieselbe Struktur des Paradigmensystems zugrundegelegt. Die 3 Genusklassen konstituieren je ein Paradigma im Singular sowie ein gemeinsames Pluralparadigma. Jedes dieser 4 Paradigmen hat 4 Kasuspositionen, Nom., Gen., Dat., Akk. Dies ergibt ein Paradigmensystem mit 16 Paradigmenpositionen. Jede Position beschreibt eine der möglichen syntaktischen Umgebungen von nominalen Einheiten auf der Äußerungsoberfläche. Nicht nur im Deutschen existiert nun aber keineswegs für jede dieser Positionen auch eine eigenständige pronominale Form. Die Diskrepanz ist bekanntlich beachtlich. Das Paradigmensystem des bestimmten Artikels - das hier exemplarisch diskutiert werden sol1 - weist mit 6 Formen noch den größten Formenreichtum auf. Das Demonstrativpronomen dies und der Negationsartikel kein z.B. haben 5 distinkte Formen, die schwachen Adjektive schließlich nur 2.
Die Frage, die sich unmittelbar aufdrängt, ist, welche (grammatische) Ratio steckt hinter diesem hohen Maß an Formidentitäten. Inwieweit haben wir es hier mit motivierten Synkretismen, d.h. auf inhaltlich begründeten Neutralisationen beruhenden Formidentitäten, und/oder zufälligen Homonymien zu tun?
Im Frühaltrussischen koexistierten die drei miteinander konkurrierenden aspektuellen Oppositionen, namlich die alten indoeuropäischen Aspekte (der imperfektive, der perfektive und der perfektische), die alte slavische Opposition Nicht-Iterativität/lterativität und die neuen slavischen Aspekte (=Opposition Imperfektivität/Perfektivitat). Im Laufe der Sprachentwicklung wurden die ersten zwei Oppositionen durch die dritte Opposition verdrängt. Der Verlauf und die Mechanismen dieser Entwicklung werden dargestellt und auf der Grundlage des Konzepts des natürlichen grammatischen Wandels erklärt. Es werden Markiertheitsprinzipien betrachtet, die den natürlichen grammatischen Wandel determinieren. Diese Prinzipien werden als generelle Faktoren typologischen Wandels angesehen, mit deren Hilfe die grammatischen Veränderungen im Sprachsystem erklärt werden können. Die Ausprägung der neuen slavischen Aspekte und die immer starker werdende Einbeziehung der Aspekte in das gesamte Verbalsystem haben entscheidend zur Herausbildung des neuen reduzierten aspektsensitiven Tempussystems beigetragen.
Maligne Tumore der Mundhohle und der Zunge stehen weltweit an sechster Stelle aller Krebserkrankungen (Becker, 1997; Werner, 2000). Neben einer Reihe therapeutischer Behandlungsmöglichkeiten nimmt die chirurgische Resektion der Tumore eine wichtige Stellung ein. Auf Grund der häufig sehr ausgedehnten Befunde führt der resektionsbedingte Verlust anatomischer Strukturen im Bereich des Kiefers, des Mundbodens oder der Zunge oft zu Störungen aller oraler Funktionen und Funktionsabläufe. Bei vielen Patienten sind das Kauvermögen, das Schlucken, das Sprechen; die Sensibilität, die Geschmacksempfindung, aber auch die Ästhetik im Kopf- und Halsbereich betroffen (Schroder, 1985; Grimm, 1990; Panje &. Morris, 1995; Reuther & Bill, 1998; Lenarz & Lesinski-Schiedat, 2001). Orale Tumore haben daher einen massiven Einfluss auf die postoperative Lebensqualität der betroffenen Patienten. Neben dem Bemühen das Überleben der Patienten zu sichern, nimmt daher das Bestreben die Lebenssituation der Patienten zu verbessern einen zunehmend wichtigeren Platz ein. Hierzu gehört zum einen, das medizinische Vorgehen so zu planen, dass ein maximaler Funktionserhalt angestrebt wird. Zum anderen ist postoperativ das gezielte sprachtherapeutische Vorgehen wichtig um funktionelle und artikulatorische Fähigkeiten gezielt schulen zu können (Stadtler, 1989). Dies ist jedoch nur möglich, wenn die postoperativen funktionellen Veränderungen bekannt sind. Um eine Prüfung der oralen Fähigkeiten zu ermöglichen, wurde am Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft ein Motorischer Bogen entwickelt, der eine gezielte und systematische Überprüfung ermöglicht.
Two main types of sentences are traditionally distinguished in the context of semantic theories of questions and answers: declarative sentences, corresponding to statements, and interrogative sentences, corresponding to questions. The interrogative forms can be further subdivided into dialectical ones (yes-no-questions) and non-dialectical ones (constituent questions). These distinctions are made for both root and embedded sentences. The predicates that select sentential complements fall into three classes: predicates that license only declaratives, those that allow only for interrogatives, and those that embed both types of sentences. In this connection, verbs of doubt are interesting in that they allow for declaratives as well as dialectical interrogatives, while non-dialectical interrogatives do not seem to be appropriate complements.
In what follows, our main concern will be with the German verb of doubt zweifeln and its possible sentential complements. Speaker intuitions as to which constructions are grammatical or acceptable vary, particularily with respect to rare expressions like zweifeln. Therefore, interviews and corpus analysis were applied as a means to acquire reliable linguistic data. These as well as data from historical sources and from some languages other than German (esp. English and Italian) are presented and analysed. In the last section, based on the notion of ‘subjective probability’, an attempt is made at explaining the observations.
In this paper we investigate the structure of specificational sentences like [Raskol'nikov]NP 1 - ėto [ubìjca staruxi]NP2 'Raskolnikov - that is the murderer of the old lady' in Russian and Polish, which - depending on the type of NP1 and NP2 - correspond to English pseudo-cleft-constructions (What Raskolnikov is is the murderer of the old lady) and specificational sentences (The person I like most is my father), respectively. We propose that the Slavic constructions can be analysed similarly to their English counterparts: the first fragment contains a semantic variable, which is specified in the second fragment.
We show that the pronouns "ėto" <Rus.> / "to" <Pol.>, which are obligatory in Slavic specificational sentences, have two functions. 1. the deictic function: "ėto/to" take an open proposition available in the discourse or reconstructed from it, and assign this open proposition to another proposition, which provides the value for the variable of the open proposition. 2. the operative function: "ėto/to" link two syntactically independent fragments, the first of which can be semantically interpreted as an indirect question comparable to the wh-clause in the English pseudo-clefts, and the second as an answer to this question.
Wie kann eLearning in einer Bildungseinrichtung wie einer Hochschule, Schule oder einem Unternehmen erfolgreich verbreitet werden? Welche mediendidaktischen eLearning-Ansätze passen zu der jeweiligen Einrichtung, ihrer Lernkultur, ihren Dozierenden, Lerngruppen und neuen Zielgruppen, und wie kann hierzu ein strategischer Ansatz entwickelt werden? Dieser Beitrag gibt Impulse aus der Perspetive der Organisationsentwicklung, wie eLearning durch geeignete Qualifizierungs-, Support- und Anreizstrukturen und den Aufbau einer vor allem auch horizontal vernetzten Community in Bildungseinrichtungen verbreitet und verankert werden kann. Dabei werden verschiedene eLearning-Formen ebenso berücksichtigt wie Lehrstile und -präferenzen und gerade dem Kompetenzerwerb von Lehrenden kommt eine sehr wichtige Rolle zu.
Der Einsatz Neuer Medien kann einerseits zur Qualitätsverbesserung der Lehre beitragen – unterliegt aber zugleich selbst bestimmten Qualitätsmasstäben, die es für eine Hochschule zu entwickeln und umzusetzen gilt. Dieser Beitrag verdeutlicht in einem ersten Schritt die durch den Einsatz Neuer Medien realisierbaren Qualitätsverbesserungen in der Lehre. Was unter dem Begriff „Mehrwert von eLearning“ beschrieben wird, unterteilt sich in 3 Kategorien: einerseits kognitive Lernprozesse, die durch den Einsatz multimedialer Möglichkeiten der neuen Medien unterstützt werden. Zudem eine bessere Unterstützung und Betreuung der organisatorischen Aspekte von Lerprozesse – ein Mehrwert, der gerade in Zeiten der Bachelor- und Mastereinführungen Vorteile verspricht. Und zuletzt auch die Realisierung neuer Nutzungspotentiale, die ohne den Einsatz neuer Medien gar nicht umsetzbar wären wie z.B. hochschulübergreifende Kooperationsprozesse und verteiltes Studium. Zur besseren Verdeutlichung der mit Hilfe dieser Anwendungen möglichen eLearning-Szenarien wird abschliessend eine von Bachmann et al entwickelte Beschreibung der Formen des eLearning-Einsatzes vorgestellt, die den Lesern eine Strukturierungshilfe in der Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten bietet. In einem nächsten Schritt wird die für das eLearning selbst angestrebte Qualitätsentwicklung thematisiert und dargestellt, wie die Konzeption, Umsetzung und Einfürhung von von eLearning unter qualitätssichernden Maßnahmen unter der Beteiligung verschiedener Akteure in einem TopDown/BottomUp-Prozeß möglich ist. Hintergrund ist eine Differenzierung der Qualitätsmaßstäbe und der Maßnahmen zu deren Sicherung nach den unterschiedlichen Ebenen (einzelnes Medienelement, komplettes Lernprogramm, Blended Learning-Veranstaltung) und entlang der Entwicklungsprozesses des Medieneinsatzes: Neben einer regelmäßigen Evaluierung bilden eine projektbegleitende Beratung und Unterstützung hier die greifenden Instrumente der Qualitätssicherung.
studiumdigitale, die zentrale eLearning-Einrichtung der Goethe-Universität Frankfurt, hat im Rahmen ihrer Beratungs- und Supporttätigkeit in den letzten Jahren zunehmend standardisierte Instrumente und Prozesse zur Einführung von eLearning entwickelt. Diese Instrumente werden inzwischen nicht nur im Hochschulkontext, sondern auch bei Unternehmen und Bildungseinrichtungen eingesetzt. Im Kontext von Kooperationsprojekten und Beratungen wendet studiumdigitale das in der Hochschule schon etablierte Vorgehensmodell AKUE auch außerhalb der Universität ein und entwickelt gemeinsam mit Partnern eLearning-Angebote oder begleitet Firmen und Bildungseinrichtungen bei der Einführung von eLearning durch Organisationsentwicklungsprojekte.
Entlang des Einsatzes Neuer Medien in der Hochschullehre entstehen neue Anforderungen an die Kompetenzen und Qualifikationen der Hochschullehrenden. Welche Kompetenzen Hochschullehrende zur Planung, Gestaltung, Erstellung und Durchführung netzbasierter Lehrveranstaltungen haben müssen, wird in der deutschsprachigen Literatur erst seit kurzem diskutiert. Gleichzeitig wird zunehmend deutlich, dass die erfolgreiche Einführung neuer Medien in der Lehre nicht ohne eine entsprechende Qualifizierung der Hochschullehrenden und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter funktionieren kann. Neben hochschuldidaktischen Qualifikationen sind Kompetenzen im Bereich der Planung, Gestaltung und Umsetzung multimedialer Lehrmaterialien notwendig, um eine medienadäquate Nutzung dieser Medien sicherzustellen. Dieser Beitrag beleuchtet, welche Kompetenzen Hochschullehrende in diesem Kontext erwerben müssen, um einen erfolgreichen Medieneinsatz gestalten zu können und welche Aufgaben sie im Bereich des Planungs- und Erstellungsprozesses neuer Medien in der Lehre letztendlich selbst übernehmen.
Das Partizip 1 im Deutschen
(2000)
It is controversial in the literature whether the First Participle in German ('Present Participle'; henceforth: Part I) is an adjective or a verbal form. Syntactically, it occurs exclusively in adjectival positions but it does not behave like an adjective in other respects. This paper provides an analysis of Part I starting from a diachronic perspective and arriving at a synchronic interpretation of its position in the field of 'finite verb + nonfinite verb constructions' in New High German. Against such positions as Paul's (1920), which regard Part I as an adjective only, it will be argued that, for an adequate description of its structural properties, its verbal character must be taken into account both diachronically and synchronically. It will be shown that Part I fits into and completes a paradigmatic structure together with other nonfinite verbal forms.
"Werden" plays an important role in German, especially as a copula and as an auxiliary verb. It constitutes the analytic (periphrastic) part of the verbal paradigm being used as an auxiliary by encoding the categories of Tense (Future), Mood (Conditional), and Diathesis (Passive).
The original meaning of PIE *uuerth- includes two basic readings – a terminative and an aterminative. Both of them have been used in the process of grammaticalisation of werden in constructions with participles and the infinitive. The terminative reading based on the feature "Change of a State" was originally the categorical marker of "werden" within the opposition "sein" vs. "werden", where "sein" indicated the meaning of "State". As a result of the further development which started in the later OHG period, the aterminative reading of "werden" in constructions with the Participle II mixed with the terminative one by establishing the Passive-Paradigm. This evolution forced "sein"+ Part. II into the periphery of the Diathesis where in NHG it is marked as a resultative (terminative) construction. On the other hand, werden + Participle I (later with Infinitive) did not establish aterminative readings due to the peculiarities of the semantics of the Participle I – form. In connection with the Infinitive the terminativity of werden developed in the process of its auxiliarisation to the prospective I prognostic reading in the future-tense perspective and to the epistemic reading in the perspective of the present tense. In the perspective of the past tense (cf. MHG "ward varen" {became ride}, "was ridden") it disappeared because in this perspective prospective or prognostic readings are impossible.
Einführung
(2000)
Der vorliegende Band setzt im Anschluss an den Band ZAS Papers in Linguistics 14 (1999) die Vorpublikation von Arbeiten fort, die innerhalb oder im Umkreis des von der DFG geförderten Projekts "Schnittstellen der Semantik: Kopula-Prädikativ-Konstruktionen" am ZAS entstanden sind. Das Rahmenthema, wie es in ZAS PIL 14 einleitend knapp umrissen wurde, wird derzeit im Projekt in drei Untersuchungssträngen bearbeitet.
Obwohl wir bereits nachweisen konnten, dass Exklusionen nicht sprachlich verursacht sind, können sie doch experimentell durch sprachliche Reize, nämlich durch eine spezifische Benennung von Exemplaren ausgelöst werden. Aus diesem Grund soll hier der sprachliche Einfluß auf das Auftreten von Exklusionen und Reduktionen detaillierter untersucht werden. Dabei interessiert vor allem, welche sprachlichen Reize die Art Verarbeitung befördern, die auf der Verhaltensebene als Exklusion oder Reduktion in Erscheinung tritt.
Wenn man die syntaktischen Eigenschaften des Hildebrandliedes betrachtet, so zeigen sich einerseits Eigenschaften, die auch für die Syntax des Nhd. charakteristisch sind: von Komplementierern eingeleitete Nebensätze, Deklarativsätze im Verb-Zweit-Format, Argumentstrukturen von Verben und Adjektiven, Attributions- bzw. Modifikationsverfahren. Andererseits werden Eigenschaften sichtbar, die im Nhd. verlorengegangen oder ausgedünnt worden sind: Deklarativsätze im Verb-End-Format, Pro-drop-Phänomene (in finiten Sätzen), nicht präpositional regierte Adverbiale (in Gestalt von NP mit reinen Kasus), artikellose Nominalphrasen (insbesondere solche mit definiter Interpretation). Die Betrachtung lehrt, dass auch über einen zeitlichen Abstand von mindestens zwölfhundert Jahren und trotz verschiedener Wandlungen, die zu syntaktischer Diskontinuität führen, syntaktische Kontinuität erkennbar bleibt, und zwar in einem Maße, das man angesichts der ungeheuer verfremdenden phonologischen, morphologischen und lexikalischen Veränderungen, die einem heutigen, sprachhistorisch nicht geschulten Muttersprachler das Hildebrandlied als einen Text von einem anderen Stern erscheinen lassen, nicht erwarten mag, in einem Maße, das allerdings denjenigen Linguisten nicht so sehr überraschen wird, dessen Blick durch universalgrammatische Einsichten der letzten Jahrzehnte geschärft worden ist für Invarianzen und Kontinuitäten.
Aus der Faktenlage ergeben sich folgende Probleme, die derzeit in der einschlägigen Literatur diskutiert werden bzw. bisher noch nicht zur Diskussion gelangt sind und die nun im vorliegenden Beitrag behandelt werden:
(i) Worauf sind Unterschiede in der Kodierung deontischer und epistemischer Lesarten von Modalverben durch (synthetische) Präsens- bzw. Präteritalformen und (analytische bzw. periphrastische) Perfekt- bzw. Plusquamperfektformen zurückzuführen? Worin liegt der genuine Beitrag des (periphrastischen) Perfekts/Plusquamperfekts bei der Manifestierung der kategorialen Funktion von Modalverben?;
(ii) Welches sind die Spezifika der Perfektformen von Modalverben in der Diachronie bzw.welchen kategorialen Wandel erfahren sie im Laufe ihrer Entwicklung?;
(iii) Wie ist die formale und funktionale Konstellation zwischen den Konstruktionen Modalverb + Infinitiv II und der Umschreibung würde + Infinitiv II synchron wie diachron zu beurteilen?;
(iv) Darf vor dem Hintergrund der Formenasymmetrie im Indikativ und Konjunktiv der Umschreibung werden + Inf. I/II (würde + Inf. I/II vs. *wurde + Inf. I/II) von einer "Lücke" im Verbalparadigma gesprochen werden?
Im folgenden wird zuerst das Modell vorgestellt, das als theoretische Grundlage für die Betrachtung der Semantik der Aspekt-Tempus-Formen dient (Abschnitt 2). Danach werden die syntagmatischen Markiertheitsrelationen der einzelnen aspektuell-temporalen Formen im Rahmen dieses Modells analysiert (Abschnitt 3). Im Abschnitt 4 werden die paradigmatischen Relationen zwischen den Aspekt-Tempus-Formen erörtert. Abschließend (Abschnitt 5) wird das Fazit aus der Untersuchung gezogen.
Der Umbau des Tempussystems und andere Veränderungen im russischen Verbalsystem wurden durch die Ausprägung der neuen slavischen Aspekte ausgelöst. Die Ausformung und die immer stärker werdende Einbeziehung der Aspekte in das gesamte Verbalsystem hat tiefgreifende Veränderungen der systemdefinierenden Struktureigenschaften des russischen Verbs hervorgerufen. Die Aspekte sind im Laufe der Sprachentwicklung zur eigentlichen Grundlage des gesamten russischen Verbalsystems geworden. Die Entwicklung der Tempora verläuft im präteritalen und im nichtpräteritalen Bereich gewissermaßen in entgegengesetzten Richtungen. Das Subsystem der Vergangenheitstempora wurde im Altrussischen maximal reduziert, während der Funktionsbereich der Nicht-Vergangenheit in Präsens und Futur aufgelöst wurde. Die beiden Entwicklungsrichtungen stehen in direktem Zusammenhang mit der Ausprägung der Aspekte. Ich betrachte deshalb die Entwicklung der Tempora und die Entwicklung der Aspekte parallel.
Seit mehr als 60 Jahren dominiert in der historisch-phonologischen Umlaut-Landschaft EIN Aufsatz, eine vierseitige Skizze des althochdeutschen Umlauts von W. Freeman Twaddell. Keller (1978: 160) nennt diese Theorie 'one of the finest achievements of American linguists'. Ähnliche Lobsprüche findet man mehrmals in der Literatur und der Artikel bleibt bis heute noch DER Eckpfeiler der Umlaut-Debatte (s. Krygier 1997, Schulte 1998).
In den letzten paar Jahren haben wir mit einigen Kollegen – Anthony Buccini, Garry Davis, David Fertig, Dave Holsinger, Robert Howell, Regina Smith – einen neuen Ansatz entwickelt, die wir "ingenerate Umlaut" nennen. "Ingenerate" heißt hier ungefähr 'vorprogrammiert, inhärent, angeboren' und deutet darauf hin, daß wir die Wurzeln vom Umlaut in der Phonetik – noch genauer: in der Koartikulation – suchen. Auch meinen wir, die allmähliche Entfaltung des Prozesses in den "Ausnahmen" zum Umlaut sehen zu können, mit anderen Worten genau in den umlautlosen Formen, die in der Twaddellschen Tradition als willkürliche Ergebnisse der Analogie gesehen werden müssen.
An verschiedenen Stellen meiner Arbeit (Fuhrhop 1998/1999) bin ich auf den besonderen Einfluß von morphologischer Komplexität auf weitere morphologische Prozesse gestoßen. Insbesondere verhalten sich suffigierte Stämme anders als einfache, sowohl in der Komposition als auch in der Derivation. Im folgenden möchte ich die Fakten zusammenstellen, Überlegungen zur theoretischen Interpretation und Relevanz anstellen und das ganze mit dieser Vorveröffentlichung zur Diskussion stellen.
Die Ableitung des Passivs ist typologisch keine einheitlich konfigurierte Konstruktion. In den kontinental-westgermanischen Sprachen und dem Lateinischen setzt sie ein lexikalisch externes Argument (designiertes Subjektargument) voraus, im Englischen, Französischen und Russischen sowohl ein externes wie ein internes Argument (Subjekt und (direktes) Objekt). Gleichwohl sind Passive im Deutschen und Russischen - also quer zu dieser ersten Verbklassifikation – aspektuellen Beschränkungen unterworfen, Passive im Englischen dagegen nicht, jedenfalls auf den ersten Blick. Sehen wir in diesen Kreis von Sprachen noch historische Stufen hinzu, dann ist auch davon auszugehen, daß Sprachen wie das Deutsche von einer Stufe mit einem paradigmatisch einigermaßen systematisch gefestigten Aspektsystem ohne Passiv – dem Althochdeutschen – zu einer Sprache mit Passiv (und ohne Aspekt) wurde. Wir brauchen gar nicht die gemeinsame indoeuropäische Wurzel zu beschwören, um die folgenden Fragen plausibel erscheinen zu lassen: Was hat Aspekt mit Passiv zu tun? Und: Soferne solche Übergänge tatsächlich vorliegen – wie sehen die Schritte von Aspekt zum Genus verbi im einzelnen aus, und wo stehen die Sprachen heute im Vergleich zueinander, also auf einer Art Entwicklungsleiter, mit Vorläufer- gegenüber Nachläuferstufen in der relativen Diachronie von Aspekt zur Passivdiathese?
In contradistinction to main verbs copula verbs like 'sein', 'werden' or 'bleiben' ('be', 'become' or 'remain') can, though with some restrictions, take projections of all lexical categories as complements. Semantically 'werden' and 'bleiben' are considered to be dual operators, related to each other by inner and outer (= dual) negation. But there are contexts where 'bleiben' seems to assume the meaning of its dual 'werden'. What at first glance appears to be an idiosyncracy of German turns out to hold for Swedish, Brazil-Portuguese and other unrelated languages as well.
'Werden' is more restricted than 'sein' and 'bleiben', it cannot have a locative complement. 'Bleiben' has the widest distribution, it can also take infinitives of verbs of position as complement. But in this case 'stehen bleiben' is ambiguous between a "remain" -reading and a "become" -reading.
In 15th century the Swedish verb 'bliva' - a borrowing from German - has undergone a change from the "remain"-reading to the "become"-reading. The "become"-reading of 'bliva' (later form 'bli') is only blocked (as is the German verb 'werden') in the case of a locative complement, where the "remain"-reading has survived. The two readings of 'bli' do not produce any ambiguity, except when taking a verb of position as complement - much the same as in German.
The paper attempts to pinpoint the conditions that lead to this surprising shift of meaning between duals.
The paper addresses the longstanding question of whether the copular verb "werden" ('become') is a transitional, i.e. telic, or a nontransitional, i.e. atelic, verb, or verb that is unspecified with regard to telicity. By means of standard tests and historical considerations, it is argued that the verb is telic and refers to accomplishment situations. Nevertheless, there are two types of copular "werden"-clauses with regard to which this view may seem questionable at first sight. First, some "werden"-clauses appear to refer to achievements. This, however, is not a matter concerning the semantics of werden. Rather, the crucial cases are accidentally instantaneous because their predicative complements are absolute predicates. Hence, they do not allow for extended transitions from one state to another. Second, some other "werden"-clauses, expecially those with comparative complements, sometimes appear to refer to processes. However "werden" combined with a comparatival adjective can be shown to be able to refer to clear accomplishment situations. The process-effect is due to a common phenomenon of reinterpretation that leads to iterative transitions between degrees.
The copula "sein" "be" in German, together with its complements, refers to a stative situation. Besides offering argument positions in its Semantic Form SF, it has no other function. Stative verbs are not specified with respect to the beginning or the end of a described situation or with respect to the state before or after. I will take the verb "werden" "become, get" to be a copular verb as well. The only difference to "sein" is that "werden" refers to a nonstative or changing situation. I argue that "werden" is underspecified in two respects. Like motion verbs and successive patient verbs (SUK verbs in Krifka (1989)) "werden" switches between an unlimited and a limited process (accomplishment) dependent on its complement (cf. "älter werden" "get older" / "vorwärts gehen" "go forward" / "Tee trinken" "drink tea" vs. "alt werden" "get old" / "in das Zimmer gehen" "go into the room"/ "eine Tasse Tee trinken" "drink a cup of tea"). But "werden" is even more underspecified than these verbs; it is the only verb which covers all nonstative situations, not only processes and accomplishments but also punctual transitions (achievements), cf. "schwanger werden" "get pregnant". "Werden" is anything but stative. Whether there is a target state implied or not, or whether the transition to this target state is extensible or atomic, is the result of the composition of the meaning of "werden" and its intimal argument added by special meaning postulates. Hierarchically marked subtypes of situational arguments result as a side effect.
This contribution concerns the interaction of morphology, syntax and semantics. It treats German past participles and concentrates on their function as heads in attributive and adverbial modifier phrases. It is argued that participles have the same argument structure as the underlying verbs and can undergo passivization, perfectivization and conversion to adjectives. Since these three operations involve changes in the morphosyntactic categorization they are considered as zero affixation. Two affixless templates – without any categorical changes – convert participle constructions to modifiers relating to participants or to situations. These phrases do not have a syntactic position for the grammatical subject, an operator or an adverbial relator. The pertinent components are present only in the semantic structure. Two further templates serve the composition of participle constructions as modifiers with the modificandum. It is necessary to differentiate between modifiers which function as predicates and those which have the status of a propositional operator. In syntax, these different semantic functions correspond to different adjunct positions of the respective participle phrases.
Im vorliegenden Beitrag plädiere ich für ein Vorgehen, bei dem Kopulasätze generell als Beschreibungen von Situationen behandelt werden. Genauer nehme ich an, daß Sätze mit der Kopula 'sein' semantische Repräsentationen haben, die über eine darin vorkommende existenzquantifizierte Variable auf eine noch näher zu spezifizierende Situation referieren. Drei grundlegende Klassen von Fällen werden unterschieden: Erstens kann es sich bei der fraglichen Situation um einen durch das Prädikativ charakterisierten Zustand handeln, in dem sich das mit dem Subjektausdruck erfaßte Objekt befindet. Zweitens kann die Situation ein mit dem Subjektausdruck erfaßter Zustand sein, der über das Prädikativ eine zusätzliche Charakterisierung erhält. Und drittens kann die Situation auch ein Ereignis (im weiteren Sinne) sein, das nun entsprechend mit dem betreffenden Subjektausdruck erfaßt und durch das Prädikativ näher charakterisiert wird.
Within the Davidsonian paradigm copula-predicative constructions are commonly assumed to involve a state argument. Its source is taken to be either the copula 'be' (cf. e.g. Bierwisch 1988) or the predicative (cf. the ongoing stage level/individual level debate). Yet, a critical examination of copula-predicative constructions in contexts that call for Davidsonian arguments (locative modifiers, manner adverbials, perception verbs, etc.) reveals that they do not behave as expected. In fact, the data examined here do not support the assumption that copula-predicative constructions are equipped with a Davidsonian argument nor is there any evidence for a grammatically reflected distinction between temporary and permanent properties. The present paper argues alternatively for a grammatical distinction between states like' sit', 'stand', 'sleep', 'wait', 'live' and statives like 'resemble', 'know', 'hate', 'cost' which is invoked by the presence or absence of a Davidsonian argument. Copula-predicative constructions are shown to belong uniformly to the class of statives. The acceptability differences of copula-predicative constructions in combination with locative modifiers are accounted for pragmatically on the basis of conversational implicatures.
The present study offers an analysis of the Russian copular constructions with predicate nominals. In such copular sentences two cases may mark the predicate: the nominative and the instrumental as in 'Anna byla medsestra/medsestroj' - 'Anna was-3sg.fem.a nursenom/instr'. In the present tense the copula has a null-form and the predicate nominal can only be in the nominative. I argue that the case alternation corresponds to the distinction of Stage Level and Individual Level Predicates in the sense of Kratzer (1994) and Diesing (1992), but with some objections. The copula with Instrumental forms S-Predicates, which are analyzed as predicates applying to situations referring to time. The copula with nominative forms I-Predicates, which attribute properties to individuals without referring to time. I-Predicates have no situation argument. Data that show the (in-)compatibility of copular sentences with certain spatial or temporal modifiers provide a reason to assume a situation argument in byt' + Instr but not in byt' + Nom.
Byt' behaves differently in different grammatical contexts: in contexts of sentence negation, yes/no-questions and under focus byt' + Instr behaves like a lexical category, while byt' + Nom behaves like a functional category. As a functional category byt' + Nom is non-overt in the present and is always finite. The semantic distinction between nominative and instrumental predicate NPs is pegged to an opposition between a structure with a functional copula as the only tense and agreement marker with base position in TP and a lexical copula in VP (Franks 1995, Bailyn&Rubin 1991). To explain phenomena of the copula in Russian I propose an integrated syntactic model for two copulas. The two copulas may be conceived as distinct realizations of one verbal lexical entry which will be specified as a lexical or as functional category in the course of lexical insertion. The Model of Parallel Morphology might be used to explain this phenomenon.
Einführung
(1999)
[...] Was macht Kopula-Prädikativ-Konstruktionen unter dem Blickwinkel ihrer grammatischen Schnittstellen so attraktiv? Die kurze Einführung will darauf eine partielle Antwort geben, aber nicht indem sie versucht, unter Beachtung ausgewogener Erwähnungsfrequenz die einzelnen Aufsätze zusammenzufassen (was sich durch die jeweils vorangestellten Abstracts eh erübrigt), sondern indem sie – a field is defined by certain questions ! – die aus Titeln und Abstracts nicht sofort ersichtlichen theoretischen Koordinaten des hier gewählten Ausschnitts der Kopula-Forschungslandschaft skizziert, um darin einige in den Beiträgen vorgeschlagene Antworten zu orten. So kommen die Relativität des Erreichten, aber auch das Potential, das in z.T. kontrovers geführten Argumentationen und konkurrierenden Analysen steckt, gleichermaßen zur Geltung.
Lernziele und Inhalte
(2002)
Koreferenzielle Pro-Formen im Deutschen und Italienischen : Analyse von Korpora gesprochener Sprache
(2011)
Gegenstand dieses Beitrags ist die vergleichende Untersuchung von deutschen und italienischen verweisenden Pronomen. Für das Deutsche wird die Alternanz zwischen der/die/ das (im Folgenden d-Pronomen; vgl. Ahrenholz 2007 und Wiltschko 1998) und Personalpronomen betrachtet. Für das Italienische werden Demonstrativ- und Personalpronomen (freie und klitische) untersucht. In vorherigen Forschungsarbeiten wurde auf semantische, syntaktische und pragmatische Bedingungen hingewiesen, die das Vorkommen von d-Pronomen anstatt anderer Pronominalformen wie z.B. den Personalpronomen im Deutschen stark begünstigen (vgl. dazu Ravetto 2009). Ziel dieser Arbeit ist, zu überprüfen, ob in den zwei Vergleichssprachen ähnliche Tendenzen bzw. Bedingungen zu beobachten sind, die mit der Wahl der jeweiligen verweisenden Form verknüpft sind.
In vielen Metaphern ist das Leben als Zielbereich enthalten. In einer idiombezogenen kognitivlinguistischen Untersuchung wurden diejenigen Ausgangsbereiche gesucht, auf die bei der Konzeptualisierung des Lebens zurückgegriffen wird, wenn deutsche metaphorische Idiome verwendet werden. Die metaphorischen Lebens-Idiome wurden dabei aus zwei verschiedenen Datenquellen, aus Wörterbüchern und aus dem Mannheimer IDS-Korpus gesammelt, mit Rücksicht auf die Problematik der introspektiven bzw. korpuslinguistischen Methoden (Kispál 2010). Als Ergebnis dieser Untersuchung ist eine Liste von 152 metaphorischen Lebens-Idiomen sowie eine Liste von 20 konzeptuellen Metaphern aufgestellt worden. Die metaphorischen Lebens-Idiome sind durch eine mehrfache Motiviertheit geprägt. Die Motiviertheit mehrerer Idiome kann dabei u. a. durch konzeptuelle Metaphern aufgezeigt werden, die die Konzeptualisierung des Lebens als Zyklus darstellen.
Neue Vorschläge in der Valenzlexikographie am Beispiel des spanisch-deutschen Verbvalenzwörterbuchs
(2011)
Die folgenden Ausführungen beleuchten anhand ausgewählter Beispiele die Art und Weise, wie Smyrna/Izmir, die Ägäis und "Kleinasien" in der deutschen Literatur dargestellt werden. Sie stehen damit zunächst im Kontext der Imagologie, die sie aber im Sinne einer kritischen interkulturellen Literaturwissenschaft erweitern. Denn es geht hier nicht (nur) darum, "Bilder" des ägäischen Raums und seiner Metropole nachzuzeichnen, sondern der Frage nachzugehen, wie die Diskurse über den fremden Ort und die fremde Region mit Fragen und Problemen des Eigenen, des Deutschen, zusammenhängen, das heißt, welche Funktion die Bilder des Fremden im Hinblick auf das Eigene haben. Die Stichproben, die ich vornehme, bezieht sich nach einem kurzen Blick auf Wielands 'Agathon' (erste Fassung 1766/67), den wichtigsten Roman der deutschen Aufklärung, zunächst vornehmlich auf Hölderlins 'Hyperion' (1797/99). Weder Wieland noch Hölderlin […] haben […] das Objekt ihrer Beschreibung niemals in Augenschein nehmen können. Insofern ist klar, dass vor allem das Bild Wieland auf Stereotypen beruht, die aber ihrerseits von einem nicht unerheblichen Interesse sind. Wie wir zeigen werden, ist Hölderlin mehr als Wieland auf eine solide Dokumentation bedacht, und er schöpft aus zeitgenössischen Reiseberichten, zumal er ja nicht wie Wieland das antike Smyrna, sondern das Smyrna/Izmir seiner Epoche darstellt. Als reizvollen Kontrast zu den Klassikern der deutschen Literatur wenden wir uns dann Feridun Zaimoglu zu, dem "Star" und enfant terrible der deutsch-türkischen Gegenwartsliteratur, der in seinem Roman 'Liebesmale scharlachrot' (2000) seinen Protagonisten Serdar von Kiel an die türkische Ägäisküste versetzt. Dabei ist sowohl beim Protagonisten als auch beim Autor die Konstellation Eigenes-Fremdes in Bezug auf die Ägäis und die Region komplex, denn für beide ist die Türkei und damit auch "Kleinasien" fremd und eigen zugleich: Sie sind nämlich in Deutschland aufgewachsen und eher mit den deutschen Verhältnissen vertraut und kommen einerseits durchaus als Fremde in das Land ihrer Vorfahren, dem sie dennoch in spezifischer Weise verbunden sind.
Neben der Bewertung des Romans als modern wider Willen durchzieht die Forschungsliteratur eine weitere communis opinio. Vischer habe sich beim Schreiben des Romans längst von den idealistischen Grundsätzen seines theoretischen Hauptwerkes, der siebenbändigen "Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen" (1846-1857), abgewandt, ohne doch den künstlerischen Neubeginn der sich bereits abzeichnenden literarischen Moderne recht wahrzunehmen. Der Roman sei Produkt und Ausdruck der ästhetischen Orientierungslosigkeit Vischers, dem die "lnsuffizienzen seiner eigenen Theoriebildung, systematisch-wissenschaftlicher Argumentation überhaupt" bewußt geworden seien. Gegen diese Auffassung soll hier gezeigt werden, daß der Roman sehr wohl mit Gewinn im Zusammenhang der "Ästhetik", insbesondere der dort entwickelten Ästhetik des Zufalls und des Komischen, verstanden werden kann, wenn man den deskriptiven Gehalt von Vischers Ausführungen bewahrt, sie aber ihres idealistischen Vokabulars entkleidet und mit Bezug auf neuere literaturwissenschaftliche Begriffe reformuliert. Der Roman weist ungeachtet sonstiger Schwächen eine durchgängige künstlerische Konzeption auf, in die seine heterogenen Bestandteile funktional eingebunden und in diesem Sinne ästhetisch gerechtfertigt werden können. "Auch Einer" ist keine krisenhafte Kompilation vorausweisender Verfahren, sondern Zeugnis einer eigenständigen, in sich geschlossenen künstlerischen Idee, die weitgehend mit Überlegungen der" Ästhetik" übereinstimmt. Diese Grundidee ist insbesondere an der Motivierung des Geschehens ablesbar. Sie gibt dem Roman heute noch Interesse.
"His ignorance", so lesen wir im zweiten Kapitel von Conan Doyles 'A Study in Scarlet', das den Titel "Science of Deduction" trägt, "his ignorance was as remarkable as his knowledge". Sherlock Holmes, seines Zeichens Meisterdetektiv und Fürsprecher exakten Detailwissens, überrascht seinen Freund durch eklatantes Nicht-Wissen: von Gegenwartsliteratur, Philosophie und Politik; "he appeared to know next to nothing", schreibt Watson, und seine Überraschung erreicht ihren Höhepunkt, als er herausfindet, dass Holmes nichts über die Zusammensetzung unseres Sonnensystems weiß: "[H]e was ignorant of the Copernican Theory". Wie kann es sein, so fragt sich Watson, dass ein zivilisierter Mensch des neunzehnten Jahrhunderts nicht weiß, dass sich die Erde um die Sonne dreht? Wie kann sich ein Sherlock Holmes derartige Lücken im Feld des Allgemeinwissens leisten? Die Antwort, die Holmes seinem Freund gibt, setzt Nicht-Wissen und Wissen in ein strategisches Verhältnis, das unter dem Vorzeichen einer professionalisierten, dem Gesetz der Ökonomie gehorchenden episteme steht: Nur das nützliche Wissen – das Wissen, das für die spezielle Arbeitsaufgabe eines consulting detectives nötig ist – erhält überhaupt Zugang zu seinem Gedächtnis, wobei dieses, topologisch nicht allzu originell, als Dachboden eines oikos beschrieben wird, in dem – hier wird das Grundgesetz der Ökonomie, die Verknappung, auch in räumlicher Hinsicht in Anschlag gebracht – nur wenig Platz ist. […]Der 'brain-attic' ist mithin nicht nur dem ökonomischen Dispositiv knappen Raums, sondern auch einem pragmatischen Prinzip der epistemischen Auslese unterworfen, das quasi darwinistische Züge trägt: Nur das nützliche Wissen überlebt. Dieser Verdrängungskampf der Gegenstände des Wissens, eine Antizipation dessen, was Peirce und Popper später als 'evolutionary theory of knowledge' propagieren werden, offenbart den strategischen Aspekt des Nicht-Wissens: Angesichts begrenzter Raumkapazitäten wird das Leerräumen überfüllter Wissensspeicher zur Voraussetzung dafür, dass sich neues Wissen einrichten kann. Anders gewendet: Nur das Vergessen von Bereits-Gewusstem schafft Raum für zukünftiges Wissen – und unter dieser Prämisse wird das Nicht-Wissen zu einem ebenso bemerkenswerten Phänomen wie das Wissen.
Der Aufsatz von 1976 geht der Frage nach, wie weit Walter Benjamins "Wahlverwandtschaften"-Aufsatz als philologische Studie aufgefasst werden darf. Das Ergebnis ist in wesentlichen Teilen negativ und lädt zu Überlegungen ein, welches Ziel Benjamin in seiner Studie verfolgt und welcher methodologischen Mittel er sich dabei bedient.
Wie ersichtlich gehört Saiko zu jener Schriftstellergeneration der Zwischenkriegszeit, deren Jugendjahre in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg fallen. Mit seiner Romandarstellung unterscheidet er sich trotz der prinzipiellen Ähnlichkeiten in wichtigen Punkten von seinen Zeitgenossen. Diese Details werden von Klaus Kastberger in seinem Artikel Einsam auf dem Floß. Wohin treibt George Saiko (Kastberger 2003: 9) in folgenderweise hervorgehoben: Obwohl die Autoren Robert Musil, Franz Kafka und James Joyce oftmals Bezugsautoren für George Saiko bildeten, grenzt Saiko sich in den wichtigsten Einzelheiten von ihnen ab, denn wie Kastberger auch erwähnt, wird alles, was in die Figuren 'hineingepackt' ist, im Laufe der Darstellung erzählerisch 'ausgepackt'. Treffender lässt es sich sagen, George Saiko hätte nicht wie Musil, Kafka und Joyce geschrieben, sondern er versucht in seinem Roman Auf dem Floß (Saiko 1980), ein Seelenpanorama der Hauptfigur zu zeichnen. Mit dem Leitgedanken der Freudschen Theorien schildert Saiko eine andere Realität und zeichnet sie in seinen Romanen nach. Das Aufschließen der menschlichen Seele, die Gründe und Abgründe des menschlichen Verhaltens werden anhand von Saikos Romancharakteren ans Licht gebracht. In seinem Roman wird der Zerfall anhand menschlicher Triebe dargestellt.
Der Aufbau des zweiten Romans der Braunschweiger Trilogie "Stopfkuchen" gründet sich auf eine Zweipoligkeit, die durch das Gegenüberstellen des Romanhelden Heinrich Schaumann und seines Gegenspielers Eduard entsteht. Diese zwei Figuren gehören gegensätzlichen Welten an. Dem Antagonisten wird nur ein Name gegeben, und zwar der Vorname: Eduard! Der Protagonist wird mit beiden Namen vorgestellt: Heinrich Schaumann! Der Name des Helden hat symbolische Bedeutung, wie man es oft bei Raabe findet: Schaumann ist der Mann, der schaut. So wird dieses Kennzeichen seiner Funktion gerecht. Der Held beobachtet etwas. Seine Beobachtungen gelten der Gesellschaft. Er beobachtet eine Gesellschaft, die er nicht gutheißt, in die er sich nicht integriert. Vom geographischen Standpunkt aus betrachtet: Der Held Schaumann ist einer der Einwohner des am Fuße des Berges Rote Schanze gelegenen Ortes namens Maiholzen.
[W]elche Rolle spielen […] Mythen in der Literatur? D.h. welche Funktionen sind mit der Rezeption von Mythen verknüpft? Diese allgemeine und einfache Fragestellung wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit dahingehend präzisiert, dass die Bedeutungsgehalte der Mythenkomplexe in den beiden Nachkriegsromanen 'Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende' (1946) von Alfred Döblin und 'Nekyia. Bericht eines Überlebenden' (1947) von Hans Erich Nossack auf ihre Affinität zum Geschlechteraspekt hin befragt werden. Dieser Ansatz bietet sich ganz besonders an, weil Mythen als Teil des kulturellen Gedächtnisses und somit als kulturelle Repräsentationsformen überhaupt Geschlechterverhältnisse sowie Geschlechterrollen mitprägen und demzufolge bei der Erzeugung der Geschlechterdifferenz mitbestimmend werden. Diese beiden Romane behandeln zunächst zeitgeschichtliche Problemfelder, d.h. sie setzen sich primär mit der Kriegs- bzw. Schuldfrage auseinander. Allerdings erfährt diese Fragestellung eine tiefgreifende Transformation, denn bemerkenswerterweise werden hier mithilfe der Rezeption von bestimmten Mythenkomplexen Geschlechterdiskurse, genauer Weiblichkeitsdiskurse zum Tragen gebracht, die der anfänglichen Thematik von Krieg und Schuld einen gänzlich anderen Akzent verleihen.
Im Folgenden soll es zunächst darum gehen, den Mythos aus kulturwissenschaftlicher sowie mythostheoretischer Perspektive einzuordnen. Anschließend werde ich mich auf die Analyse der genannten Romane konzentrieren.
Zur Übersetzung literarischer Titel : Titelübersetzungen aus sprachwissenschaftlicher Perspektive
(2013)
Literarische Titel dienen nicht nur zur Identifizierung und Anpreisung eines Werkes, sondern sie geben oftmals auch direkte Hinweise zur Aufschlüsselung des Geschehens, des Themas oder des Werksinnes, ehe noch eine Aufklärung des Lesers durch den Text stattgefunden hat (vgl. Hellwig 1984: 6, Lämmert 1993: 144 u. Schweikle 1990: 465). Bei der Wahl der Überschrift für sein Werk zeigt der Autor daher größte Sorgfalt, um die Bedeutung und Aussagekraft zu intensivieren. Auch bei der Titelübersetzung sind diese Aspekte zu berücksichtigen. Die Übersetzungen von literarischen Titeln werden jedoch meist kritisiert, weil sie angeblich dem Original nicht entsprechen (vgl. Tanış Polat 2007a: 580ff.). Das Ziel der vorliegenden Studie besteht darin, anhand einer qualitativen und quantitativen Analyse Titelstrukturen nach Form, Frequenz und Distribution zu untersuchen, um Aufschluss über besondere übersetzungsstrategische Entscheidungen bei Werken der zeitgenössischen Literatur zu liefern und auf diese Weise mit einer wissenschaftlichen Argumentation der erwähnten Kritik entgegen zu treten. Der Beitrag ist folgendermaßen strukturiert: zunächst werden relevante Eigenschaften der literarischen Titel umrissen, danach folgt die Darstellung der Probleme, die die Titelübersetzung von literarischen Texten betrifft. Im Anschluss werden mit Hilfe einer Korpusanalyse, die sich auf übersetzte Titel aus dem Deutschen ins Türkische konzentriert, übersetzungsstrategische Entscheidungen untersucht. Die Analyse stützt sich auf die Gegenüberstellung von 270 zeitgenössischen Titeln. Mit einer Auswertung der Analyseergebnisse wird die Untersuchung abgeschlossen.
Der Titel dieses Beitrags variiert den berühmten Titel eines der Hauptwerke Nietzsches "Also sprach Zarathrustra". In seiner englischen Übersetzung lautet der Titel meist wie folgt: "Thus spoke (spake) Zarathrustra". Thus kennzeichnet Konklusivität, eine Schlussfolgerung aus einem zuvor genannten Umstand oder Sachverhalt. Das englische also, in seiner Schreibung dem deutschen also identisch, beinhaltet semantisch keine Konklusivität, sondern drückt Additivität aus. Der formgleiche Konnektor ist also (!) semantisch unterschiedlich im Deutschen und Englischen. Um diesen Unterschied und seine Bedeutung für türkische DaF-Lerner soll es im folgenden Artikel gehen.
Im Zentrum der Poetik-Vorlesungen von Orhan Pamuk, die der Autor 2009 an der Universität Harvard (Norton Lectures) hielt, bewegen sich die Begriffe Leben, Roman und Literatur, und zwar entlang der Schillerschen Beschreibung der naiven und sentimentalischen Dichtung. Diese türkisch-deutsche Literaturbeziehung über die englisch-amerikanische Sprach- und Literaturschleife ist aus einer türkischen Germanistikperspektive betrachtet interessant, da die Schillersche Abhandlung aus ihren theoretischen Grundlagen so plötzlich enthoben und auf einen lebendigen, das Leben berührenden Boden verortet erscheint.
In unserer allmählich kleiner werdenden Welt und "in der Literatur und Wissenschaft, die auf einer Vielzahl von Ortsveränderungen beruhen" (Ette 2001: 21), ist "die Verortung des Fremden im Dialog der Kulturen" von einer großen Bedeutung. Der Dialog der Kulturen war schon längst ein Thema vieler Kulturarbeiten und der Humanwissenschaften, wobei mehrmals vergessen wurde, wo das Fremde in diesem Dialog liegt und wer für wen fremd ist. Meist spielt eine eurozentrische Betrachtungsweise eine wesentliche Rolle, um diesen interkulturellen Dialog zu definieren, auch wenn der Dialog sich zwischen zwei Elementen oder Personen gleicher Rechte in der sprachlichen, kulturellen und sozialen Repräsentation verwirklichen sollte, sonst geht der Dialog von vornherein verloren. "Es lohnt sich in der Tat zu fragen, inwieweit man wirklich bereits von einem global-gleichrangigen Dialog zwischen den Völkern sprechen kann, der nicht selten von verschiedenen Seiten beschworen wird" (Bräsel 1999: 77).
In 'Mein Jenseits', der dritten Novelle innerhalb Walsers umfangreicher literarischer Produktion, werden uns von Walsers früheren Büchern bekannte Themen aus einer neuen, einem "Spätwerk" entsprechenden Perspektive dargeboten, wie im Laufe dieser Analyse gezeigt werden soll. In diesem Zusammenhang soll besonders die zentrale Rolle, die hier einem Bild für das Textganze zukommt, beleuchtet werden.
Wie bekannt, besitzt neben der literarischen Übersetzung auch die fachsprachliche Übertragung einen wichtigen Platz in der übersetzungswissenschaftlichen Forschung. In Rahmen des Themas Übersetzung und Bearbeitung soll in diesem Beitrag festgestellt werden, welche satzstrukturelle Abwandlungen das neue Strafgesetzbuch der Türkei (YTCK) vollzogen hat.
Einen Witz oder eben auch eine Geschichte gut zu erzählen ist ein risikoreiches Unterfangen und verlangt nach bestimmten Kompetenzen. Literaturwissenschaftliche wie auch sprach- und übersetzungswissenschaftliche Beiträge haben sich mit dem Erzählen beschäftigt, und das Fazit scheint berechtigt, Erzähltexte als Schnittstelle fachlicher Entwicklungen anzusehen. Sie erweisen sich als besonders günstige Anschlussstelle für Fragestellungen, die intradisziplinäre Grenzziehungen überschreiten. Dies soll in der folgenden kleinen Skizze aus linguistischer Sicht genauer entfaltet werden.
Es sind zahlreiche Studien vorhanden, in denen die kulturelle Begegnung, die infolge der Arbeitsmigration nach Deutschland entstanden ist, unter diversen Aspekten behandelt wird. Im vorliegenden Beitrag wird es darum gehen darzulegen, wie sich in einem der ersten Filme, die die Arbeitsmigration bzw. die kulturelle Begegnung zu ihrem Gegenstand haben, nämlich im Film 'Otobüs' (1974) von Tunç Okan die kulturelle Begegnung realisiert, inwiefern von einer Kulturberührung, einem Kulturkontakt, Kulturzusammenstoß und einer Akkulturation bzw. Kulturverflechtung im Sinne von Bitterli die Rede sein kann und mit welchen kinematographischen bzw. nichtkinematographischen Mitteln die betreffende Begegnung zur Darstellung gebracht wird.
Zweifelsohne gehören Fußnoten nicht zum Ideal einer literarischen Übersetzung [...]. Dennoch gibt es nicht wenige solcher Literaturübersetzungen. Ein Beispiel besonderer Art stellt die von Nijad Akipek erstellte und im Jahre 1949 veröffentlichte türkische Erstübersetzung von Theodor Fontanes Roman Effi Briest (1894) dar. Besonders auffallend bei dieser Erstübersetzung sind die mehr als 220 Anmerkungen des Übersetzers in Form von Fußnoten. Dass ein Übersetzer in einem Roman Fußnoten in diesem Umfang einfügt, stellt einen Sonderfall dar und soll darum übersetzungskritisch analysiert werden. Auch in der fast 60 Jahre später von Kasım Eğit erstellten Neuübersetzung2 des Romans im Jahre 2007 finden sich ebenso noch einige Anmerkungen in Form von Fußnoten, jedoch in der Anzahl außerordentlich weniger. Auf welche Anmerkungen auch Eğit nicht verzichten will bzw. kann, soll im Anschluss weiter unten analysiert werden.
Die Rhetorik, die im Türkischen als "Belagat/Belagat Sanatı" (Hitabet Sanatı) bezeichnet wird, ist ein mehr oder minder ausgebautes System gedanklicher und sprachlicher Formen, die dem Zweck der vom Redenden in der Situation beabsichtigten Wirkung dienen können (Lausberg 1990: 13). In vielen verschiedenen Bereichen wie Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Theologie und Werbung wird in großem Maße von der Rhetorik profitiert. Der Anwendungsbereich der Rhetorik ist jedoch nicht nur auf das Reden begrenzt; die Rhetorik liefert ein detailliertes Modell zur Herstellung von Texten und kann deshalb auch als Texttheorie verstanden werden (Braungart 1997: 290). In diesem Zusammenhang wird die Rhetorik als Instrument der Textbeschreibung und –analyse bezeichnet (Braungart 1997: 290). Laut Gero von Wilpert (2001: 687) übt die Rhetorik durch die künstlichen Schmuckformen einen starken Einfluss auf die schriftlichen Texte, insbesondere auf die Literatur, aus, da die Dichter oder Schriftsteller ihre Werke mit der ästhetischen Kraft der Sprache erstellen. In den Texten wird die Rhetorik durch die sprachlichen Formen und Figuren präsentiert, die im Deutschen als "Rhetorische Figuren" und im Türkischen "Edebi Sanatlar" bezeichnet werden.
Die folgende Untersuchung hat das Ziel, die deutschen rhetorischen Figuren mit den türkischen zu vergleichen und Ähnlichkeiten sowie Unterschiede zwischen den rhetorischen Figuren anhand von den Beispielsätzen in beiden Sprachen aufzudecken und zu analysieren.
Mit den sich wandelnden Anforderungen an den Fremdsprachenunterricht, die jeweilige Fremdsprache so zu unterrichten, dass sie schriftlich wie mündlich auch außerhalb schulischer Aufgabenstellungen verwendet werden kann, wandeln sich auch dementsprechend die Methoden. Diese variierenden Methoden nehmen häufig auf, was zuvor vielleicht von den vorausgegangenen Methoden vernachlässigt wurde und gehen auf aktuelle Bedürfnisse der Gesellschaft ein. Zudem berücksichtigen diese Methoden neueste Ergebnissen der unterschiedlichen Bezugswissenschaften. Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache ist von dieser Entwicklung der Methoden des Fremdsprachenunterrichts nicht auszunehmen. Ausgehend von diesen Festlegungen soll im Folgenden die Methode der Dramapädagogik und deren Bedeutung für den Erwerb der Fremdsprache kurz besprochen werden.
Ein besonders geeignetes Werk für die exemplarische Darstellung der stormschen Novellistik und Erzählkunst in seinen Ich-Erzählungen stellt die 78-seitige historische und gattungsgetreu geschlossene Novelle "Aquis Submersus" aus dem Jahre 1876 dar, die seiner "mittleren Schaffensperiode angehört, und damit zwischen seiner Früh- und Spätphase" (Kunze 1978: 283) angesiedelt ist. Sie weist eine prägnante Struktur und einen strengen Aufbau auf, der in insgesamt vier Teile mit zwei Hauptteilen untergliedert ist und eine Rahmenstruktur enthält. Dies zeigt sich auch darin, daß Storm die eigentliche Novellenhandlung in eine Rahmenerzählung einbettet, die eine weitere Rahmenkonstruktion umschliesst. Bevor jedoch auf die erzähltechnischen Besonderheiten eingegangen werden soll, ist es an dieser Stelle unumgänglich, zunächst einen kurzen Überblick über die Novelle folgen zu lassen, die die erzähltechnische Analyse unterstützen wird.
Else Lasker-Schüler, Tino und Jussuf, viele Namen, die sie sich selber gab, führen zu einer einzigartigen, starken Frau, die ihr Leben in Literatur umgesetzt hat. Zu einer Frau, die einer der führenden expressionistischen Persönlichkeiten wurde, ihr Leben literarisierend vermarktete und doch im wahrsten Sinne des Wortes nie mit sich und der Umwelt zufrieden werden konnte und auch werden wollte.
Sprechen über Emotionen und Gefühle: neurobiologisch und alltagssprachlich - Das Beispiel "Angst"
(2012)
Gelegentlich hat Thomas Mann den besonderen Charakter seiner Novelle hervorgehoben. Ein knappes Jahr nach der Veröffentlichung scheint ihm, "daß mir hier einmal etwas vollkommen geglückt ist, – ein glücklicher Zufall, wie sich versteht. Es stimmt einmal Alles, es schießt zusammen, und der Kristall ist rein". Ein Jahrzehnt später schreibt Mann dem französischen Übersetzer der Novelle: "'Der Tod in Venedig' hat Glück in der weiten Welt. [ ... ] Diese Geschichte ist eigentlich der 'Tonio Kröger' noch einmal, auf höherer Lebensstufe erzählt. Hat dieser den Vorzug der größeren Frische, der jugendlichen Empfindung, so ist 'Der Tod in Venedig' ohne Zweifel das reifere Kunstwerk und die gelungenere Komposition. Ich vergesse nicht das Gefühl der Befriedigung, um nicht zu sagen: des Glückes, das mich damals beim Schreiben momentweise anwandelte. Es stimmte einmal alles, es schoß zusammen, und der Kristall war rein." Sieben Jahre später wiederholt Mann im "Lebensabriß" die Metapher vom zusammenschießenden Kristall ein weiteres Mal. […] Und noch vierzig Jahre nach der Abfassung meint Mann, daß seine Novelle "doch wohl der fazettenreichste Kristall ist, der mir zusammengeschossen". Die über vierzig Jahre hinweg verwendete Kristallmetapher ist nicht nur für den Briefeschreiber Mann, sondern auch für das Verständnis von "Der Tod in Venedig" aufschlußreich. Sie charakterisiert die Novelle als geschlossenes, alle Textelemente funktionalisierendes System interner Bezüge. Wenn Mann schreibt, das "Bedeutende" sei "nichts weiter als das Beziehungsreiche", so leitet er die 'Semantik' des Textes von seiner 'Syntax' ab. Tatsächlich wird die Sinnherstellung der Novelle durch die Leitmotivtechnik geprägt, die konnotative 'Bedeutungen' durch symbolische, metonymische und metaphorische 'Beziehungen' herstellt. Nahezu alle Einzelelemente werden in das syntaktische Netz einbezogen und dadurch sekundär semantisiert.
Zum Schluß ein vergleichendes Resümee der Einzelinterpretationen und ein paar allgemeinere Überlegungen zum historischen Ort der 'doppelten Welten'. In der Gruppe der untersuchten Werke steht Goethes Roman nicht nur in zeitlicher Hinsicht zuerst. Von den "Wahlverwandtschaften" aus lassen sich die anderen Werke als Modifikationen eines Paradigmas beschreiben. Dafür ist es nur von zufälliger Bedeutung, daß Hoffmann in "Der Zusammenhang der Dinge" auf die "Wahlverwandtschaften" ausdrücklich verweist und daß Mann während der Arbeit an "Der Tod in Venedig" Goethes Roman mehrmals gelesen hat. Es geht hier nicht um genetische Abhängigkeiten, sondern um Unterschiede innerhalb des systematischen Rahmens einer Textsorte. Auf dieser Basis stellen sich die anderen vier Werke als Ästhetisierung (Hoffmann), ridikülisierende Psychopathologisierung (Vischer), phantastische Psychologisierung (Mann) und tendenzielle Trivialisierung (Perutz) der paradox verdoppelten Motivationsstruktur der "Wahlverwandtschaften" dar.
Wenn "Der Marques de Bolibar" hier […] in eine Reihe mit bedeutenderen Texten gestellt wird, bedarf das einer Begründung. Die erzähltheoretische Frage nach der Motivation von Geschehen betrifft den narrativen Aufbau literarischer Werke, nicht ihren ästhetischen Wert. In den vier bislang untersuchten Texten war der Aufbau einer doppelten Welt beziehbar auf umfassendere metaphysische, ästhetische, sozialhistorische und psychologische Probleme. Auch im "Marques de Bolibar" werden zwar gewichtige Themen und Motive verwendet – der Ewige Jude tritt auf, es geht um Apokalypse und kollektiven Wahn. Diese Elemente werden jedoch nur als Versatzstücke verwendet und erschöpfen sich in ihrer narrativen Funktion. Andererseits: Gerade weil er kein "Loch in den Bauch der Welt reden" wollte und sich auf das Handwerk einer durchdachten Handlungsfügung beschränkte, gelang es Perutz, unter allen fünf Autoren die doppelte Motivationsstruktur am prägnantesten auszuarbeiten. Während die Erzählstruktur der doppelten Welt bei Goethe der Auseinandersetzung mit romantisch-metaphysischem Wirklichkeitsverständnis diente, bei Hoffmann eine verdeckte Poetik ausdruckte, bei Vischer psychopathologischen und bei Mann regressiven Hintersinn er-öffnete, ist sie bei Perutz nurmehr Instrument zur Befriedigung gehobenen Unterhaltungsbedürfnisses. Diese unterschiedlichen Funktionen derselben narrativen Struktur werden am Schluß noch ausführlicher zu erörtern sein.
Hoffmanns erstaunliche (und erstaunlich vernachlässigte) Erzählung "Der Zusammenhang der Dinge", 1819 geschrieben und zunächst separat in der "Wiener Zeitschrift für Kunst, Litteratur, Theater und Mode" veröffentlicht, 1821 dann in den vierten Band der "Serapionsbrüder" aufgenommen, beginnt mit einer Grundsatzdiskussion zwischen den Freunden Ludwig und Euchar. […]Mit den beiden Protagonisten sind zugleich zwei bildliche Vorstellungen vom Zusammenhang der Dinge einander gegenübergestellt: Uhrwerk (Ludwig) und roter Faden (Euchar). Beiden gemeinsam ist offenbar die Weigerung, den Lauf der Welt als blinde Kontingenz, als disparate Folge von Zufällen anzusehen. Worin aber ihre positive Doktrin besteht, in welchem Sinn der Lauf der Dinge als zweckhaft eingerichtetes Ganzes aufzufassen sei, das bleibt zunächst, bei Ludwig wie bei Euchar, undeutlich.
Die meisten neueren Interpretationen der "Wahlverwandtschaften" beruhen auf einem realistischen Verständnis des Romans – 'realistisch' in dem Sinn, daß die Interpreten von einer grundsätzlichen Ähnlichkeit der im Roman beschriebenen Welt zu unserer Alltagswelt ausgehen. Was uns im Rahmen heutiger Auffassungen in einem lebensweltlich-praktischen Sinn als notwendig, wahrscheinlich oder möglich gilt, wird wie selbstverständlich als Erklärungsrahmen für die erzählte Welt des bald zweihundert Jahre alten Romans eingesetzt. Was immer als unwahrscheinlich oder unmöglich aus dem Rahmen des empirisch Möglichen herausfällt, wird in den realistischen Interpretationen anhand mehr oder weniger akrobatischer Konstruktionen als uneigentlicher, symbolischer Ausdruck eines eigentlich gemeinten realitätskompatiblen Gehalts aus dem Weg geräumt – offenbar in der Meinung, man brauche die für ein realistisches Verständnis unbequemen Teile des Romans "allzu wörtlich [...] nicht verstehen". So kann dann behauptet werden: "the principle of verisimilitude [...] controls every detail of the text", und: "no real miracles occur in 'Die Wahlverwandtschaften'".
Diesen Versuchen steht ein Interpretationsansatz entgegen, der eine radikale Verschiedenheit unserer modernen Welt von der in den "Wahlverwandtschaften" dargestellten behauptet und die erzählte Welt des Romans als eine mythische auffaßt. Das entschiedenste Beispiel hierfür ist Walter Benjamins Essay, in dem es heißt, in der Romanwelt herrsche eine Ordnung, "deren Glieder unter einem namenlosen Gesetze dahinleben, einem Verhängnis, das ihre Welt mit dem matten Licht der Sonnenfinsternis erfüllt". "Das Mythische ist der Sachgehalt dieses Buches: als ein mythisches Schattenspiel in Kostümen der Goethezeit erscheint sein Inhalt." Vor allem mit Bezug auf die Ottilie-Figur und auf Goethes Begriff des Dämonischen haben auch andere, meist ältere Interpretationen gemeint, im Romangeschehen sei einiges "nicht geheuer".
Ziel des Buches ist es, einen bestimmten Typ literarischen Erzählens zu bestimmen und an einigen Beispielen zu untersuchen. Dieser Typ ist durch eine besondere narrative Struktur gekennzeichnet. Das in ihm dargestellte Geschehen ist auf paradoxe Weise doppelt motiviert: kausal und final. Die so konstituierte erzählte Welt ist insofern 'doppelt', als in ihr zwei miteinander unvereinbare Arten erzählter Welten kombiniert werden.
"DER ZECH. So heißt ein in Kohlenbergwerken lebender Höhlenkäfer, wo er das einförmige Geräusch. der Spitzhacke mit seinem guten Takte begleitet. In den belgischen Gruben nannten die dortigen Leute den Zech auch Verhaeren." Als Franz Blei 1922 in seinem "Großen Bestiarium der modernen Literatur" den Schriftsteller Paul Zech karikierte. konnte er voraussetzen. daß seine Leser die Anspielung auf Zechs charakteristisches Thema verstanden. Wie kein anderer in Deutschland galt Zech Anfang der zwanziger Jahre als Dichter der industriellen Arbeitswelt, besonders des Bergbaus. Doch seine literarische Laufbahn ist durch die nationalsozialistische Herrschaft unterbrochen. die Wirkung des Werks nachhaltig gestört worden. Heute ist er aus dem allgemeinen literarischen Bewußtsein fast verschwunden und, wenn überhaupt, eher durch Neuveröffentlichungen des späteren Exilwerks bekannt.
Seit dem sogenannten 'spatial turn' hat die Reflexion unterschiedlicher Raumkonzepte in den Kulturwissenschaften Hochkonjunktur. Dabei wird immer wieder auf einen Aspekt verwiesen, der gleichwohl merkwürdig randständig bleibt: der Zwischenraum als materielle oder imaginäre Grenze. Sei es die häusliche Schwelle (Bachelard) oder der Schwellenritus (van Gennep), der postkoloniale 'in-between-space' (Bhabha), die paratextuelle 'zone intermediaire' (Genette) oder eine assoziative Ikonologie des Zwischenraums (Warburg). All diese Aspekte verweisen auf ein besonderes Feld von Praktiken im Raum, die in einem Zwischenbereich stattfinden, nämlich die Bewegungen im Zwischenraum. Ausgehend von den Hypothesen, dass erstens Räumlichkeit durch Bewegungen im Raum konstituiert und zweitens durch Zwischenräumlichkeit definiert wird, stellen sich die folgenden Fragen: Wie bewegt man sich im 'Dazwischen'? Gibt es spezifische 'zwischenräumliche Bewegungspraktiken' – und wie wirken sich diese sowohl auf die Konstitution des Raums als auch auf die Repräsentation des Zwischenraums aus?
"Was wäre ein Zeichen, das nicht zitiert werden könnte?", fragt Jacques Derrida in seinem 1972 erschienen Aufsatz 'Signature evenement contexte', um kurz darauf festzustellen: "Jedes Zeichen, sprachlich oder nicht, gesprochen oder geschrieben (im geläufigen Sinn dieser Opposition), als kleine oder große Einheit, kann zitiert – in Anführungszeichen gesetzt – werden; von dort aus kann es mit jedem gegebenen Kontext brechen und auf absolut nicht sättigbare Weise unendlich viele neue Kontexte zeugen." Zitieren wird hier als eine Bewegung des Herausnehmens aus einem Kontext und Einfügens in einen anderen Kontext beschrieben - und für diese doppelte Geste, die dem Akt des Zitierens zugrunde liegt, verwendet Derrida die Metapher der Pfropfung: "Auf dieser Möglichkeit möchte ich bestehen", heißt es in 'Signatur Ereignis Kontext': der "Möglichkeit des Herausnehmens und des zitathaften Aufpfropfens [greffe citationelle], die zur Struktur jedes gesprochenen oder geschriebenen Zeichens gehört". Damit wird die Pfropfung zu einer Figuration, zu einer Verkörperung dessen, was im Akt des Zitierens und durch den Akt des Zitierens geschieht, wobei den Anführungszeichen eine besondere Funktion zukommt: Sie signalisieren, dass das Zeichen oder die Zeichenkette, die zwischen Anführungszeichen gesetzt wurden, anders interpretiert werden soll als sie bisher interpretiert wurde. Anführungszeichen signalisieren also einen Wechsel des "Deutungsrahmens". Das gilt für einfache Anführungszeichen, die eine ironische Distanzierung signalisieren ebenso wie für die doppelten Anführungszeichen. Die doppelten Anführungszeichen zeigen nicht nur einen Wechsel des Deutungsrahmens an, sondern sie zeigen auch an, dass das, was zwischen die doppelten Anführungszeichen gesetzt wurde, nicht von dem stammt, der spricht oder schreibt. Sie zeigen ein 'von jemand anderem' an: sei es, um diesem anderen damit die Ehre der Urheberschaft zu geben und damit zugleich sein Copyright zu respektieren; sei es, um dem anderen die Verantwortung für das, was zwischen den Anführungszeichen steht, zuzuschreiben. Insofern zeigen doppelte Anführungszeichen zugleich die Distanz und die Differenz zwischen zitierendem Subjekt und zitiertem Subjekt an.
"Alle Museen, nur nicht die Kunstmuseen, sind Friedhöfe der Dinge", schreibt Boris Groys in seinem Buch 'Logik der Sammlung', denn was in Museen gesammelt wird, "ist seiner Lebensfunktion beraubt, also tot. Das Leben des Kunstwerks beginnt dagegen erst im Museum". Doch gilt dies auch für das literarische Kunstwerk? Offensichtlich nicht. Literarische Kunstwerke muss man lesend erfassen: unter einem Baum sitzend, auf einem Sofa liegend, im Stehen, während man auf den Bus wartet. Literatur kann man nicht betrachten wie ein Bild, wie eine Skulptur – sie besitzt als ein Objekt, das sich erst im Vollzug von Leseakten konstituiert, zunächst einmal überhaupt keinen Bildcharakter und mithin überhaupt keinen Ausstellungswert: Ein Buch, das man nur anschaut, bleibt tot. Erst wenn man es aufschlägt, darin blättert, darin liest, wird es lebendig. Mit einem Wort: Bei einem Text gibt es nichts zu sehen! Ein Umstand, der auch von einigen Ausstellungsmacherinnen schmerzlich bemerkt wird. [...] Umso dringlicher stellt sich die Frage, wie sich Literatur – sei es in Form von Büchern, sei es in Form von Texten, die vor, nach oder neben der Buchwerdung von Literatur existieren - im musealen Bühnenrahmen in Szene setzen lässt: Wie kann das Museum zu einem "Schauplatz" von Literatur werden?
Was zeigt man, wenn man 'Literatur' zeigt – und was zeigt sich im Rahmen dieser "Schau"?
Logik der Streichung
(2011)
Was meinen wir eigentlich, wenn wir sagen: Ein Wort, ein Satz, ein Abschnitt, eine Seite wurde gestrichen. Was ist, mit anderen Worten, das Synonym dessen, was wir als Streichen bezeichnen? Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Man kann das Streichen als ein Löschen, als ein Tilgen begreifen. Oder aber als Spur eines korrigierenden Überarbeitens: eines Umschreibens im Sinne des Ersetzens und Kürzens, aber auch im Sinne eines Überschreibens.
Schreiben hat den Charakter eines intentionalen Aktes – es setzt die willentliche Entscheidung zur Produktion und zur Positionierung einer Buchstabenfolge voraus. Auch das Streichen hat den Charakter eines intentionalen Aktes – nämlich die bereits produzierten Buchstabenfolgen willentlich zu verneinen, sie zu verwerfen. Almuth Gresillon spricht im Kapitel "La rature " ihres Buchs "La mise en ceuvre" von der "existence double", die der graphischen Materialitat der Streichung einen ambivalenten Charakter verleiht.
Diese doppelte Existenz der Streichung - worin besteht sie?
Erstens: Streichungen hinterlassen sichtbare Spuren auf dem Papier.
Zweitens: Schreibspuren werden durch eine Streichung nicht annulliert.
Im 48. Kapitel von Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften" lesen wir folgende Beschreibung des deutschen Finanzmagnaten und 'Großschriftstellers' Paul Arnheim: "Die Ausflüge in Gebiete der Wissenschaften, die er unternahm, um seine allgemeinen Auffassungen zu stützen, genügten freilich nicht immer den strengsten Anforderungen. Sie zeigten wohl ein spielendes Verfügen über eine große Belesenheit, aber der Fachmann fand unweigerlich in ihnen jene kleinen Unrichtigkeiten und Mißverständnisse, an denen man eine Dilettantenarbeit so genau erkennen kann, wie sich schon an der Naht ein Kleid, das von der Hausschneiderin gemacht ist, von einem unterscheiden läßt, das aus einem richtigen Atelier stammt. Nur darf man durchaus nicht glauben, daß das Fachleute hinderte, Arnheim zu bewundern." Auch wenn es so scheinen mag, als werde mit diesem Zitat der Rahmen der romantischen Schöpfungsästhetik gesprengt: Hier klingen einige Leitmotive nach, die 'um 1800' die Auseinandersetzung um den 'wahren Künstler' bestimmen. So könnte man fragen, ob der Großschriftsteller Arnheim in der zitierten Passage nicht nur als Dilettant, sondern auch als Virtuose markiert .wird. Als dilettantischer Nicht-Fachmann genügt er nicht immer den "strengsten Anforderungen", zeichnet sich aber durch ein "spielendes Verfügen" über sein angelesenes Wissen aus. Deutet der Umstand, dass ihn die Fachleute bewundern, darauf hin, dass Arnheims "spielendes Verfügen" als virtuose Verbindungsgabe Ansehen findet, auch wenn die Nahtstellen die Dilettantenarbeit erkennen lassen? Und warum wird die Dilettantenarbeit mit der Naht der Hausschneiderin in Analogie gesetzt? Ganz abgesehen davon, dass mit der Maßschneiderei generell das Problem der Angemessenheit aufgeworfen wird: Warum sollte die Hausschneiderin schlechter nähen als das richtige Atelier?
"'Ironie haben wir nicht' – rief Nannerl, die schlanke Kellnerin, die in diesem Augenblick vorbeisprang, – 'aber jedes andre Bier können Sie doch haben.' Daß Nannerl die Ironie für eine Sorte Bier gehalten", fährt Heinrich Heine im dritt en Kapitel seiner Reisebilder Von Münch en nach Genua fort, "war mir sehr leid, und damit sie sich in der Folge wenigstens keine solche Blöße mehr gebe, begann ich folgendermaßen zu dozieren: 'Schönes Nannerl, die Ironie iska Bier, sondern eine Erfindung der Berliner, der klügsten Leute von der Welt, die sich sehr ärgerten, daß sie zu spät auf die Welt gekommen sind, um das Pulver erfinden zu können, und die deshalb eine Erfindung zu machen suchten, die ebenso wichtig und eben denjenigen, die das Pulver nicht erfunden haben, sehr nützlich ist.'" Die Erfindung, die Heine hier anspricht, soll ein Mittel sein, das es erlaubt, Dummheit in Ironie zu verwandeln. In diesem Zusammenhang entfaltet Heine eine fiktive Genealogie der Dummheit, gefolgt von einer Genealogie der Strategien, wie sich Dummheit verhindern lässt – beides mit unverkennbar polemischem Unterton […]. Hatte man zunächst den Eindruck , das "rück wirkende Mittel", von dem Heine sprich t, sei ein Pharmakon, vielleicht auch eine Art Pulver, mit dem man die Dummheit wie eine lästige Migräne-Attacke neutralisieren kann, wird kurz darauf deutlich , dass das 'ganz einfache Mittel', das Heine im Sinn hat, ein sprachliches ist: Anstelle des Pulvers hat man in Berlin einen Sprechakt erfunden, mit dem sich jede Dummheit in Weisheit umgestalten lässt. Genau genommen handelt es sich bei diesem Sprechakt um ein Deklarativ. Deklarative Sprechakte begegnen uns häufig in der Kirche und im Krieg. So, wenn ein Priester sagt, "hiermit erkläre ich Euch zu Mann und Frau", oder wenn ein Präsident einem anderen Land den Krieg erklärt. […] Damit derartige deklarative Sprechakte gelingen, muss man – das gilt für alle bisher genannten Fälle – ein gewisses Maß an institutioneller Rückendeckung respektive ein gewisses Maß an Souveränität haben.
Der Beitrag nimmt kritisch Stellung gegen das populäre Konzept der 'Gefühlsübertragung', mit dem sowohl realweltliche Empathieprozesse als auch das Verhältnis zwischen literarischer Figur und Leser oft beschrieben werden. Am Beispiel der Emotion Mitleid werden vier Kategorien psychischer Prozesse unterschieden: (a) eine emotionale Reaktion auf einen (literarisch) präsentierten Stimulus, (b) emotionale Ansteckung, (c) sentimentale Rührung und (d) Empathie (verstanden als eine beliebig komplexe kognitive Operation, die zu einer mentalen Repräsentation eines fremden Gemütszustands führt). Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der sinnlichen Qualität empathischer Vorstellungen, von der das Missverständnis der 'Gefühlsübertragung' seine intuitive Plausibilität gewinnt und die seit der Entdeckung so genannter Spiegelneuronen oft mit Empathie gleichgesetzt wird. Im Unterschied zu einigen populärwissenschaftlichen Verlautbarungen vertrete ich die Ansicht, dass neuronale Spiegelungsprozesse wahrscheinlich stärker an Ansteckungs- als an Empathieprozessen beteiligt sind.
Das Phänomen Pornografie hat viele Seiten. Man kann die soziale Zirkulation von Pornografie untersuchen, kognitive Voraussetzungen und Folgen ihres Konsums erklären, Rechtsnormen für den Umgang mit ihr aufstellen oder Darstellungsverfahren und Inszenierungsformen pornografischer Werke beschreiben. Dem letztgenannten Aspekt gelten die folgenden Überlegungen. […] Es wird keiner der üblichen Gründe in Anspruch genommen, um sich mit Pornografie zu beschäftigen – nämlich die Pornografie insgeheim in etwas anderes, Unproblematischeres zu verwandeln oder sie ästhetisch oder politisch aufzuwerten oder aber sie ideologiekritisch zu entlarven. Ich möchte Pornografie weder feiern noch verwerfen, sondern beschreiben. Mein Interesse gilt der Art und Weise, wie schlichte pornografische Interneterzählungen von Amateur-Autoren gemacht sind. Die Machart von Pornografie ist von ihren gesellschaftlichen Funktionen und psychologischen Wirkungen zu unterscheiden und verlangt nach eigenständiger Untersuchung. Denn die Zuweisung von Funktionen und Wirkungen hängt davon ab, wie Pornografie als sinnhaftes Phänomen konstituiert und angeeignet wird.
Figur
(2011)
Wenn literarische Geschichten ('mythoi') gemäß der Bestimmung des Aristoteles "menschliche Handlungen" darstellen ('mimesis praxeōs'; Aristoteles 1982, 1449b), dann sind die Akteure dieser Handlungen zweifellos ein zentrales Element von Erzählungen, genauer gesagt: eine Grundkomponente der erzählten Welt (Diegese). Die Bewohner der fiktiven Welten fiktionaler Erzählungen nennt man 'Figuren' (engl. 'characters'), um den kategorialen Unterschied gegenüber 'Personen' (oder 'Menschen') hervorzuheben. Autoren fiktionaler Texte erfinden Figuren, Autoren faktualer Texte berichten von Personen. Aus diesem Unterschied folgen einige Besonderheiten, die Figuren. Fiktionaler literarischer Welten sowohl von der Darstellung realer Personen in faktualen Texten wie auch von der Wahrnehmung realer Personen in unserer Alltagswelt unterscheiden.
Figuren müssen nicht menschlich oder menschenähnlich sein. Viele literarische Akteure besitzen phantastische Qualitäten, die mit dem Begriff einer Person unvereinbar sind – man denke an die tierischen Handlungsträger in Fabeln. Selbst unbelebte Dinge wie Roboter in der Science Fiction oder die titelgebenden Protagonisten des Grimmschen Märchens "Strohhalm, Kohle und Bohne" können in der Fiktion zu Handlungsträgern und damit zu Figuren werden. Gibt es überhaupt eine notwendige Voraussetzung dafür, dass ein Textelement als eine Figur gelten kann? Das einzige unerlässliche Merkmal für den Status einer Figur ist wohl. dass man ihr Intentionalität, also mentale Zustände (Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle, Wünsche, Absichten) zuschreiben können muss.
Erzählen
(2011)
Was ist Erzählen? Erzählen ist eine sprachliche Handlung: Jemand erzählt jemandem eine Geschichte. An dieser Handlung lassen sich – in Analogie zu der linguistischen Grundeinteilung zwischen der Pragmatik, Semantik und Syntax der Sprache – drei Dimensionen unterscheiden.
(a) Erstens ist das Erzählen eine Sprachhandlung, die in einem bestimmten Kontext zwischen einem Erzähler und einem oder mehreren Rezipienten stattfindet. Diese Kommunikation kann unterschiedlich gestaltet sein, beispielsweise als mündliches Erzählen mit kopräsenten Gesprächsteilnehmern oder zerdehnt als schriftlicher Kontakt zwischen räumlich und zeitlich voneinander entfernten Autoren und Lesern. Die Praxis des Erzählens kann unterschiedlichen Funktionen dienen: Man kann erzählend informieren, unterhalten oder belehren, moralisch unterweisen, geistlich stärken oder politisch indoktrinieren, Erzählgemeinschaften bilden, individuelle oder kollektive Identität en stiften usw. Pragmatische Aspekte des Erzählens stehen insbesondere bei der Untersuchung nicht-literarischer ›Wirklichkeitserzählung en‹ (Klein/Martínez 2010) im Vordergrund, also beim Erzählen in institutionellen, quasi-institutionellen und alltäglichen Situationen, etwa Gerichtserzählungen, Predigten, Krankheitsgeschichten beim Arzt oder Therapeuten, journalistischen Reportagen oder dem Klatsch unter Arbeitskollegen.
(b) Eine zweite Dimension der Erzählhandlung umfasst das, was mitgeteilt wird: den Erzählinhalt, nämlich bestimmte Figuren, Schauplätze und Ereignisse, die sich zu einer Geschichte zusammenfügen.
(c) Drittens schließlich ist das ›Wie‹ des Erzählens von Interesse, die Gestaltungsweise der Erzählung. Dazu gehören rhetorische und stilistische Mittel, aber auch die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten der Erzählstimme, etwa der aus dem Text erschließbare ›Standort‹ des Erzähler s (der sich innerhalb innerhalb oder außerhalb seiner eigenen Geschichte befinden kann), das Verhältnis zwischen dem Zeitpunkt des Erzählens und dem Zeitpunkt der erzählten Handlung oder auch die Perspektive der Darstellung. Während die erste Dimension den pragmatischen Kontext des Erzählens umfasst, betreffen der Erzählinhalt (das ›Was‹) und die Erzählweise (das ›Wie‹) textinterne Aspekte.
Erzählen ist eine grundlegende Form unseres Zugriffs auf Wirklichkeit. In den verschiedensten Bereichen der alltäglichen Lebenswelt und nicht zuletzt auf den Gebieten wissenschaftlicher Erkenntnis orientieren und verständigen wir uns mit Hilfe von Erzählungen. Reportagen des investigativen Journalismus, Selbstdarstellungen von Politikern im Wahlkampf, Erlebnisberichte in Internetblogs, Anamnesen im medizinischen Patientengespräch, Plädoyers vor Gericht, Vermittlungen von Verhaltensnormen in populärer Ratgeberliteratur, Heilserzählungen im Gottesdienst, Fallgeschichten in juristischen Lehrbüchern, ökonomische Prognosen von Kursverläufen – all diese Kommunikationen erfolgen wesentlich in erzählender Form. Anders als in den erfundenen Geschichten der Literatur bezieht man sich in diesen Erzählungen direkt auf unsere konkrete Wirklichkeit und trifft Aussagen mit einem spezifischen Geltungsanspruch: 'So ist es (gewesen)'. Solche Erzählungen mit unmittelbarem Bezug auf die konkrete außersprachliche Realität nennen wir Wirklichkeitserzählungen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die referentielle Leistung sprachlicher Kommunikation im Zeichen strukturalistischer und poststrukturalistischer Theorien allzu oft zugunsten eines pauschalen 'Panfiktionalismus' unterschlagen. Zweifellos 'konstruieren' Wirklichkeitserzählungen in erheblichem Maße eine Realität; aber sie sind eben auch auf eine intersubjektiv gegebene Wirklichkeit bezogen. Wirklichkeitserzählungen sind sowohl konstruktiv als auch referentiell – darin liegt ihre besondere erkenntnistheoretische Bedeutung. Es gilt, den referentiellen Aspekt von Wirklichkeitserzählungen angemessen zu berücksichtigen, ohne deren konstruktive Elemente zu vernachlässigen.
Erzählen im Journalismus
(2009)
Gibt es bestimmte soziale Funktionen des Journalismus, aus denen man Merkmale journalistischer Wirklichkeitserzählungen ableiten kann? Niklas Luhmann hat vorgeschlagen, den Journalismus als Teil der Massenmedien zu verstehen, die ein eigenständiges soziales System innerhalb unserer funktional differenzierten Gesellschaft bildeten. Der spezifische Code, der das System der Massenmedien von seiner Umwelt abgrenze, sei die Unterscheidung zwischen Information und Nichtinformation. Die Massenmedien, so Luhmann, stünden unter einem dauernden Erneuerungsdruck wegen der "ständigen Deaktualisierung von Information" […] Im Einzelnen ordnet Luhmann den Massenmedien (nicht im Sinne einer "geschlossenen Typologie", sondern "rein induktiv") drei "Programmbereiche" zu: "Werbung", "Unterhaltung" und "Nachrichten und Berichte". Bernd Blöbaum beschreibt den für "Nachrichten und Berichte" zuständigen Journalismus nicht als Teil des sozialen Systems der Massenmedien, sondern als ein eigenständiges soziales System, dem, so wie den Massenmedien insgesamt bei Luhmann, als primäre Funktion die "aktuelle Selektion und Vermittlung von Informationen" zukomme. In beiden Fällen wird der Journalismus jedenfalls systemtheoretisch durch die Leitdifferenz zwischen Information und Nichtinformation bestimmt. Obwohl selbstverständlich nicht nur im Journalismus, sondern auch in der Werbung und in der Unterhaltung erzählt wird, geht es im vorliegenden Beitrag, der engeren Bestimmung Blöbaums folgend, um Formen und Funktionen des Erzählens im Journalismus, und zwar um das rein sprachliche Erzählen im Printjournalismus von Zeitungen und Zeitschriften.
At the time when the East appears as sunrise in Insayif's novel, when it appears as Arabic word, as text image in the German text, memories gain contour in the same way as words do. It is all about words and memories in the text, it is about (not) being able to speak, it is about losing language and memory, it is about writing, speaking and reciting within the realm of the in-between of languages and cultures. Emanating from the first-person narrator the text unfolds nuances and facets of life stories as textures of memories, as language- and sound tissues quasi. Referring to those poetic and rhetorical aspects of the text, I undertake a reading that is based on postcolonial and deconstructive approaches as well as on theories of memory. My reading tries to both react to the demands and specificities of Insayif's text in all of its various facets of betweenness as well as to fathom perspectives that might be significant for the 'Zeitenwende'.
Bruchstückhaft und enigmatisch gibt sich Kleists unermüdlich erforschtes Textstück "Über das Marionettentheater". Kleists Text ist gekennzeichnet durch wenig kohärente Passagen, durch verwirrende An- und Zusammenschlüsse, durch Risse innerhalb der Narration, durch dezentrierte, verwundete, fragmentierte, ersatzstückhafte, maschinenhafte Körper (der "Dornauszieher", die Marionetten, die Figuren aus Prothesen) oder durch Figuren, die die Grenzen des 'Menschlichen' aufbrechen, wie zum Beispiel der fechtende Bär. Die Komplexität des Textes wird unter anderem darüber beschrieben, dass er, wie z.B. William Ray herausstellt, zu viel bedeutet. Dieser Befund ergibt sich nicht zuletzt daraus. dass der Text eine große Zahl an wissenschaftlichen Feldern und Themen berührt, wie zum Beispiel "aesthetics, theology, the mechanics of marionettes, history, consciousness, affectation, the self, and the Fall". Was diese Felder dabei leitmotivisch durchzieht, ist der Bezug auf den Körper.
Uns geht es […] darum, über eckig und rund, einem Oppositionspaar, Formen, Formate, De-Figurationen und De-Konstruktionen von Geschlecht. aber auch von anderen Kategorien. die die Identität bestimmen, auszuloten. Mit welchem Oppositionspaar haben wir es hier zu tun? Oben […] im Netz. hieß es schon, dass wir das Eckige brauchen. um das Runde zu definieren, und umgekehrt. Oder aber auch, dass beide Kategorien gar nicht so leicht voneinander zu trennen sind, denn selbst der rundest geschliffene Kristall basiert auf der eckigen Struktur des Kristallgitters. Es scheint nicht so einfach zu sein. die Opposition eckig und rund aufrechtzuerhalten. Warum wird dann über dieses Paar versucht, die Kinder- und Jugendliteratur zu vermessen? Die Antwort liegt scheinbar auf der Hand – mit rund wird z.B. das Weiche. das Anschmiegsame. Kindliche oder eben das Weibliche. assoziiert. mit eckig das Härtere, Widerspenstigere, Kantigere, eben das Männliche zusammengedacht. Also 'rund' als das weibliche Prinzip? 'Eckig' als das männliche?
Judith Butlers Konzept der Performativität, das sie in "Das Unbehagen der Geschlechter" (1990) und "Körper von Gewicht" (1993) entwickelt. beleuchtet den Prozess der Konstruktion der Geschlechtsidentität und zugleich deren Destabilisierung über Begriffe und Strategien wie 'Parodie', 'drag' oder 'cross-dressing', die auf eine wiederholende Imitation dieser Identität verweisen. Der performative Akt der Nachahmung wird von Butler als kulturelle Simulation gefasst. die die Vorstellung eines 'natürlichen' Originals allererst hervorbringt. Ähnlich und ebenso signifikant ist dieses Moment der Imitation als Simulation Homi Bhabhas Konzeption der kolonialen mimikry eingeschrieben. In seinem Aufsatz "Von Mimikry und Menschen" geht es darum aufzuzeigen. wie die verschiebende Wiederholung europäischer Normen durch die Kolonisierten – der Vorgang. den er als 'mimikry' bezeichnet – die imaginäre Identität der KolonisatorInnen destabilisiert und damit auch in gewissem Maße subvertiert.
Dem Begriff feministische Literaturtheorie liegt demzufolge ein breites und heterogenes Spektrum an Forschungsansätzen zugrunde, deren gemeinsamer Fokus die Kritik an einer androzentrischen Perspektive auf die Literatur ist. Diese genuine Pluralität feministischer Literaturtheorie, illre Inter- bzw. Transdisziplinarität, führt jedoch auch zu Widersprüchen und Kontroversen und erfordert einen kontinuierlichen Verständigungsprozess. Die Entwicklung der letzten 40 Jahre hat aufgrund der Vielfalt des feministischen intellektuellen wie politischen Projekts weitere disziplinäre Verschränkungen erfahren. Es weitete sich auf Film- und Videoforschung aus, auf naturwissenschaftliche Ansätze ebenso wie auf philosophische. Feministische Theoriebildung nimmt einen bedeutenden Stellenwert innerhalb der Theoriebildung der letzten Jahrzehnte insgesamt ein. Vielleicht auch deshalb, weil es keinen Raum, außerhalb, der Theorie gibt – außer die ForscherInnen würden im Rückgriff auf persönliche, d.h. vortheoretische Erfahrung argumentieren und damit eine Position außerhalb wissenschaftlicher Argumentationsschienen einnehmen.
Nicht nur literarische Werke und Figuren, Schriftsteller und Festschriftempfänger – auch Verben können zu Grenzgängern werden. Während das Grenzgängertum in der ersten Gruppe meist äußeren Umständen wie z.B. Migration geschuldet ist, gibt es bei Verben eigentlich keinen Grund, zu Grenzgängern zu werden. Dennoch kommt es immer wieder zu solchen Phänomenen. Dies impliziert, dass es überhaupt Grenzen gibt, die die Verben in bestimmte Rubriken verweisen; dies sind üblicherweise die sog. Flexionsklassen, etwa in Gestalt der starken und schwachen Klasse. Dieser Beitrag befasst sich mit Grenzen im Verbalbereich, illustriert anhand einiger skandinavischer Verben. In einem weiteren Schritt sollen auch Grenzziehungen, Grenzveränderungen und Grenzauflösungen beleuchtet werden. Dabei stellt sich die Frage, wie unverbrüchlich Grenzen sind, und insbesondere, warum es überhaupt Flexionsklassen gibt und warum sie sich oft so hartnäckig erhalten. Solche Fragen wurden bisher viel zu selten gestellt. Schließlich werden temporäre und dauerhafte Grenzüberschreitungen von Verben beleuchtet. Dabei verharren bestimmte Verben über Jahrhunderte hinweg als Grenzgänger zwischen wohletablierten Klassen. Speziell solche Phänomene verlangen eine Begründung, denn Grenzen, so steht zu vermuten, sollten dazu dienen, eine gewisse Ordnung zu garantieren.
Der Gedanke, dass Kunstverhalten ein Ausdruck menschlichen Spielverhaltens sei, entspricht einem alten Konsens in Philosophie und Geisteswissenschaften. Er hat erneute Plausibilisierung erfahren von Seiten der Evolutionspsychologie, die nicht nur das Postulat vom menschlichen 'Spieltrieb' als einer angeborenen Eigenschaft auf festere Füße gestellt, sondern überdies auch eine Erklärung für die offenkundige Lust am Spielen geliefert hat. Kernthema meines Beitrags wird indes nicht diese allgemeine Parallele von Kunst und Spiel sein, sondern die spezifische Ausprägung des Spielerischen in einem bestimmten Typus von Literatur. Denn wenn es korrekt ist, dass sich die Lust am Lesen der Aktivierung angeborener Verhaltensprogramme durch literarische 'Attrappen' verdankt, dann stellt sich die Frage, welche Programme dies im Einzelnen sind.
Hoffmanns erstaunliche Erzählung "Der Zusammenhang der Dinge" beginnt mit einer Grundsatzdiskussion zwischen den Freunden Ludwig und Euchar. [...] Mit den beiden Protagonisten sind zugleich zwei Bilder über den Zusammenhang der Dinge einander gegenübergestellt: Uhrwerk (Ludwig) und roter Faden (Euchar). Beiden gemeinsam ist offenbar die Weigerung, den Lauf der Welt als blindes Geschehen, als disparate Folge von Zufällen anzusehen. Worin aber ihre positive Doktrin besteht, in welchem Sinn der Lauf der Dinge als zweckhaft eingerichtetes Ganzes aufzufassen sei, das bleibt zunächst, bei Ludwig wie bei Euchar, undeutlich.
Professionelle Fehlerkompetenz von Lehrkräften – Wissen über Schülerfehler und deren Ursachen
(2011)
Die Ergebnisse nationaler und internationaler Vergleichsstudien rücken das Thema Bildungsqualität in den letzten Jahren vermehrt in den Blickpunkt öffentlicher und wissenschaftlicher Diskussion und führen zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit Bedingungen des Ge- bzw. Misslingens von Schülerlernen. Als bedeutsamer Einflussfaktor auf den Lernerfolg wird dabei die Lehrperson bzw. deren Kompetenz ausgemacht (vgl. bspw. Blömeke, Kaiser & Lehmann 2008; Lankes 2008; Schaper & Hochholdinger 2006; Zlatkin-Troitschanskaia, Beck, Sembill, Nickolaus & Mulder 2009). In der Folge dieser Diskussion werden deshalb nicht mehr nur Leistungs- und Kompetenzerwartungen als Standards für Lernende, sondern auch für Lehrende definiert (vgl. bspw. Terhart 2006). Die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen sind allerdings nicht neu (vgl. z.B. Cochran-Smith 2001), stellt doch das Expertenparadigma bereits seit den 1980er Jahren eine der zentralen Leitlinien der empirischen Bildungsforschung dar. ...
Die Vorgeschichte von "Des Minnesangs Frühling" als einem Gemeinschaftswerk von Karl Lachmann und Moritz Haupt reicht in den Herbst 1934 zurück. Im Oktober dieses Jahres trafen Haupt und Lachmann das erste Mal im Hause von Karl Hartwig Gregor von Meusebach [...] zusammen. [...] Ein Ergebnis der überlieferungshistorisch orientierten Debatte der letzten Jahre liegt, wenn ich richtig sehe, in der Einsicht, daß eine so gut wie ausschließlich auf formale und ästhetische Urteile gegründete Philologie zu sehr diachrone, entwicklungsgeschichtliche Gesichtspunkte favorisiert. [...]) Eine Ausgabe von "Des Minnesangs Frühling", die sich [...] stärker von der Tradition verabschieden, als dies schon durch die Neubearbeitung geschehen ist, müßte [...] wohl ohne die namenlosen Lieder auskommen.
Nicht Gedichte, gedacht zur privaten, stillen Lektüre im mehr oder weniger trauten Kämmerlein, sondern Lieder, bestimmt zum gesungenen öffentlichen Vortrag vor einem (exklusiv) höfischen Publikum stellen das mittelalterliche Pendant dessen dar, was unter dem Begriff „Lyrik“ subsumiert wird (...) Vielleicht ist dies eine gute Möglichkeit, (...) das die „Lese“- Rezeption im modernen Sinn und ihr Eingehen in den lyrischen Text doch auch bis zum heutigen Tag oft genug den „Vortrag“, zumindest im Sinne des gesprochenen, wenn schon nicht gesungenen oder rezitierten Wortes evoziert (...).