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Florenwerke und Verbreitungsatlanten der Gefäßpflanzen Deutschlands aus dem Zeitraum 1945 bis 2005
(2006)
In den letzten sechs Jahrzehnten wurden in Deutschland rund 200 nationale, regionale und lokale Florenwerke publiziert. Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über die in diesen Publikationen enthaltenen Daten und stellt eine Karte mit den Bearbeitungsgebieten regionaler Florenwerke vor. Ein bibliografischer Teil zeigt die wichtigsten Daten für jede Publikation. Oft durch qualifizierte Amateurbotaniker erarbeitet, bilden solche Florenwerke eine wichtige Datenbasis insbesondere für Programme zum Artenschutz sowie für die Erstellung von Roten Listen.
Die Reihe soll zukünftig in unregelmäßiger Folge über Fortschritte in der taxonomischen Forschung und über nomenklatorische Änderungen informieren, sofern Farn- und Samenpflanzen der deutschen Flora betroffen sind. Sie knüpft an die ähnlich strukturierten "Literaturberichte. Floristik und Systematik" in der Zeitschrift "Botanik und Naturschutz in Hessen" an, die von Heft 1 (1987) bis zu Heft 17 (2004) erschienen sind.
Die Redaktion möchte in Kochia ein Forum für die Publikation von Chromosomenzahlen bieten. Die Beiträge in dieser Reihe sind als eigenständige Publikationen zu betrachten und zu zitieren. Wir folgen im Aufbau bewusst eingeführten und bewährten Reihen wie derjenigen über Chromosomenzahlen mediterraner Pflanzen in „Flora Mediterranea“. Zählungen von Taxa werden beginnend mit dieser Folge durchnummeriert. Die Herausgeber hoffen, mit dieser Reihe die Ermittlung von Chromosomenzahlen an Taxa der heimischen Flora zu fördern und vorhandenes Material publik zu machen.
Als Ergebnis einer Herbarstudie wird erstmals eine deutschlandweite Verbreitungskarte für Arabis sagittata vorgestellt. Die zerstreuten Vorkommen liegen vornehmlich im Mittelgebirgsraum und in Beckenlandschaften nördlich bis zur Mittelgebirgsschwelle. Isolierte Einzelfundstellen gibt es zudem im Norddeutschen Tiefland. Die Ergebnisse weichen regional vom Datenstand publizierter Angaben ab. Dies dürfte teilweise auf Verwechslungen mit A. hirsuta beruhen, aber auch der unzureichenden Dokumentation von Herbarmaterial in öffentlichen und zugänglichen Privatherbarien. Insgesamt lässt die Studie jedoch vermuten, dass das Potenzial von Herbarien für die Erstellung von Verbreitungskarten kritischer Sippen bei weitem nicht ausgeschöpft wird.
(1) Rubus adscitus GENEV. kommt in Deutschland nicht nur im Saarland, sondern auch in Aachen (Nordrhein-Westfalen) und im Südschwarzwald (Baden-Württemberg) vor. (2) Für R. condensatus P. J. MÜLL. werden unpublizierte, überwiegend ältere Nachweise genannt. Die Art ist identisch mit dem aus der Schweiz beschriebenen R. densiflorus GREMLI. (3) Auf der Grundlage des Basionyms R. leucandrus subsp. belgicus H. E. WEBER wird R. hermes MATZK. als Art validiert. In diesem Zusammenhang wird das Synonym R. weihei LEJ. lectotypisiert. (4) R. palaefolius MATZK. wird als neue Art der Serie Discolores (P. J. MÜLL.) FOCKE beschrieben und abgebildet. Er kommt in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vor. Die Unterschiede zu R. flaccidus P. J. MÜLL., mit dem er bislang verwechselt wurde, sind dargestellt. (5) Die als R. praestans H. E. WEBER bekannte Art wurde bereits 1906 beschrieben, allerdings in der Rangstufe einer Varietät (R. pyramidalis var. insignis WIRTG. ex SUDRE). (6) Die Verbreitung von R. fimbriifolius P. J. MÜLL. & WIRTG. in Deutschland ist enger begrenzt als früher angenommen; eine mit dieser Sippe verwechselte Art der Serie Radula (FOCKE) FOCKE wird als R. roberti MATZK. neu beschrieben. Der letztere wächst in der Eifel, im östlichen
Hunsrück und im Nahebergland (Rheinland-Pfalz).
Der Name der Brenndolde
(2006)
In der oberen Mittelradde-Niederung wurden im Jahr 2005 das Ansiedlungsverhalten und der Bruterfolg von Wiesenlimikolen auf konventionell bewirtschafteten und geschützten Flächen mit angepasster Bewirtschaftung untersucht. Das konventionell bewirtschaftete Gebiet umfasste ca. 84 ha, das angrenzende Vertragsnaturschutzgebiet wies eine Fläche von ca. 120 ha auf. Durch wöchentliche Kontrollen wurden in beiden Gebieten zwischen Mitte März und Ende Juli die landwirtschaftliche Bewirtschaftung und die Brutvogelbestände ermittelt. Der Schlupferfolg von Limikolengelegen wurde im Vertragsnaturschutzgebiet durch Gelegekontrollen verifiziert, wobei gefundene Gelege mit Thermologgern ausgestattet wurden. Im konventionell bewirtschafteten Gebiet war eine Nestersuche nicht möglich. Hier sind stattdessen, wie im Vertragsnaturschutzgebiet auch, Küken führende Brutpaare gezählt worden.
Die landwirtschaftliche Bewirtschaftung beider Gebiete unterschied sich grundlegend: Im konventionell bewirtschafteten Kontrollgebiet wurden im Zeitraum Ende März/Anfang April alle Grünlandflächen gewalzt oder geschleppt, einige danach zusätzlich mit Gülle gedüngt. Im Vertragsnaturschutzgebiet erfolgte im Frühjahr keine maschinelle Bearbeitung der Grünländer. Fast alle Grünlandflächen wurden zunächst gemäht: Während im Kontrollgebiet ab dem 10.05. mit der Mahd begonnen wurde, erfolgte der erste Grasschnitt im Vertragsnaturschutzgebiet Ende Juni. Aufgrund des strukturellen Wandels in der Landwirtschaft sind im Kontrollgebiet viele Grünländer in Ackerflächen umgewandelt worden. Die feuchteren Ackerflächen wurden vor allem mit Sommergetreide und Mais bestellt, wobei die Einsaat in der zweiten Aprilhälfte erfolgte. Im Vertragsnaturschutzgebiet fehlten bewirtschaftete Ackerflächen völlig. Im Vertragsnaturschutzgebiet wurden 20 Kiebitzgelege gefunden, die von insgesamt 22 Brutpaaren stammten. Die Schlupfrate der Gelege lag bei 66 %. Gelegeverluste wurden fast ausnahmslos durch nachaktive Prädatoren verursacht.
Der Schlupf der Kiebitzgelege begann Ende April mit einem Höhepunkt in der ersten Maiwoche. Zu dieser Zeit wurden auch die meisten Küken führenden Kiebitzpaare beobachtet. Im konventionell bewirtschafteten Kontrollgebiet erfolgte im Laufe des Aprils zunächst eine auffällige Verlagerung der Kiebitzreviere. Wurden Anfang April noch etwa die Hälfte aller Paare auf Grünland angetroffen, so siedelten Anfang Mai fast alle Kiebitze auf frisch eingesäten Getreide- und Maisäckern. Der Schlupf der Kiebitzgelege setzte hier etwa 3-4 Wochen später ein als im Vertragsnaturschutzgebiet. Dies bedeutet, dass fast alle im Kontrollgebiet siedelnden Kiebitze ihre Erstgelege verloren haben müssen, vermutlich ganz überwiegend durch landwirtschaftliche Einflüsse. Dennoch lag der Reproduktionserfolg des Kiebitzes im Kontrollgebiet höher als im Vertragsnaturschutzgebiet (0,8 vs. 0,4 Küken pro Brutpaar). Auch Uferschnepfe und Großer Brachvogel siedelten in wenigen Paaren in beiden Gebieten. Schlupf- und Bruterfolge stellten sich bei ihnen ausschließlich auf Vertragsnaturschutzflächen ein.
This article focuses the expeditions of Maximilian Prinz Wied zu Neuwied and Johann Moritz Rugendas to Brazil. It discusses initially basic aspects of perception from the early colonial period up to the 19th century. It will then analyze the pictorial characterization of Brazil by both travelers and the reception of their work in Europe
Das bresilionische Deitsch unn die deitsche Bresilioner : en Hunsrickisch Red fo die Sprocherechte
(2006)
This paper is a contribution of the area of linguistic policies to the discussion of linguistic rights of speakers of minority languages in Brazil. The text, bilingual in Portuguese and Hunsrückisch, one of the varieties of German immigration languages spoken in Brazil, was presented by the authors (as native speakers and translators), in the Legislative Seminar on Creation of the Book of Language Registers, organized by the Institute of National Artistic Heritage (IPHAN), Institute of Investigation and Development in Linguistic Policies (IPOL) and Education and Culture Committee of the Chamber of Representatives, in Brasília, on March 2006. The idea of the Book of Languages contributes to the recognition of Brazilian linguistic diversity, represented by approximately 210 languages, from which 180 are autochthonous (indigenous) and around 30 are allochthonous (of immigration). Its recognition as an immaterial (virtual) cultural heritage is seem as an important act in favor of speakers’ linguistic rights and against linguistic prejudice that comes along with the use of minority languages in contact with the Portuguese language. This work is inserted in this perspective and it comes along with a supportive bibliography and a map of bilingual areas in the south of Brazil.
Wassergefiltertes Infrarot A (wIRA) als spezielle Form der Wärmestrahlung mit hohem Penetrationsvermögen in das Gewebe bei geringer thermischer Oberflächenbelastung vermag über thermische und nicht-thermische Effekte wesentliche, auch energetisch bedeutsame Faktoren der Wundheilung - messtechnisch belegt - zu verbessern.
wIRA kann sowohl bei akuten Wunden (prospektive, randomisierte, kontrollierte, doppeltblinde Studien der chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg bei frischen abdominellen Op-Wunden, n=94, und der Kinderchirurgie Kassel bei schwerbrandverletzten Kindern, n=45) als auch bei chronischen Wunden und Problemwunden (prospektive, randomisierte, kontrollierte Studie in Basel, n=40, sowie prospektive Studie der Universität Tromsø/Norwegen in Hillerød/Dänemark mit u. a. auch aufwendiger thermographischer Verlaufskontrolle, n=10, in beiden Studien chronische venöse Unterschenkel-Ulzera) einschließlich infizierter Wunden Schmerzen deutlich mindern und die Wundheilung beschleunigen oder bei stagnierender Wundheilung verbessern sowie eine erhöhte Wundsekretion und Entzündung mindern. Insbesondere ist auch ohne Wundheilungsstörung eine positive Beeinflussung der Wundheilung möglich. Bei chronischen Wunden werden vollständige Abheilungen erreicht, die zuvor nicht erreicht wurden.
wIRA ist ein kontaktfreies, verbrauchsmaterialfreies, leicht anzuwendendes, als angenehm empfundenes Verfahren mit guter Tiefenwirkung, das der Sonnenwärmestrahlung auf der Erdoberfläche in gemäßigten Klimazonen nachempfunden ist. Die Bestrahlung der unbedeckten Wunde erfolgt typischerweise aus ca. 25 cm Abstand mit einem wIRA-Strahler.
Wundheilung und Infektionsabwehr (z.B. Granulozytenfunktion einschließlich antibakterieller Sauerstoffradikalbildung der Granulozyten) hängen ganz entscheidend von einer ausreichenden Energieversorgung (und von ausreichend Sauerstoff) ab.
Die klinisch gute Wirkung von wIRA auf Wunden und auch auf Problemwunden und Wundinfektionen lässt sich u. a. über die Verbesserung sowohl der Energiebereitstellung pro Zeit (Steigerung der Stoffwechselleistung) als auch der Sauerstoffversorgung (z.B. für die Granulozytenfunktion) erklären. wIRA bewirkt als thermischen Effekt eine Verbesserung aller drei entscheidender Faktoren Sauerstoffpartialdruck im Gewebe, Gewebetemperatur und Gewebedurchblutung. Daneben wurden auch nicht-thermische Effekte von Infrarot A im Sinne einer Reizsetzung auf Zellen und zelluläre Strukturen mit Reaktionen der Zellen beschrieben.
"Ich soll nicht zu mir selbst kommen" : Werther, Goethe und die Formung des Subjekts in der Moderne
(2006)
Die Leiden des jungen Werther: Sie gehen aus einem neuen Reflexions- uns Ausgleichungsbedürfnis hervor, aus der Suche nach einem konsistenten Ich. Werther erlebt die kognitiven und affektiven Veränderungen, die die Moderne heraufführt, und aus diesen Erfahrungen geht sein Verlangen nach Einheit hervor (...). Die Suche nach dem einheitlichen, festen, verläßlichen Ich hält den Briefroman zusammen, und die Gattungswahl korrespondiert mit der Fragestellung, denn das Medium des Briefes hat im 18. Jahrhundert seine rasante Ausbreitung erfahren, weil ein historischneuer Individualitätstyp aufgetreten ist und das Bedürfnis nach einem entsprechenden anthropologischen Diskurs vorhanden war. Die übergreifende Frage nach der Identität verbindet auch die scheinbar so verschiedenen Themen im ‚Werther’: Natur, Liebe und Gesellschaft.
Im plurikulturellen Verständnis ist Differenz oder Andersheit ein Konstituens der Kultur und nicht ein Systemwiderspruch. Im adversialen Verständnis von Kultur stört die Differenz, oder sie wird in den Bereich des "Interessanten" gerückt. Deshalb werden Abgrenzungen vorgenommen, kulturelle Monaden werden konstruiert und zivilisatorische Hierarchien werden behauptet. Im günstigsten Falle kann es zu einer macht- und majoritätsgeschützten protektionistischen Toleranz kommen, die vom 'Wohlwollen' der Majorität abhängig ist. Sonst ist die Marginalisierung oder gar Ausmerzung der Differenz im politischen Prozess eher üblich.
Der vorliegende Aufsatz analysiert die Bildungsreformen, die in Venezuela seit Antritt der Regierung unter Hugo Chávez im Februar 1999 in die Wege geleitet wurden. Nach einem kurzen historischen Überblick bis 1999 folgt eine Erörterung der grundlegenden Linien der Bildungspolitik. Daran schließt die Darstellung des neuen Modells der Escuelas Bolivarianas (Bolivarianische Schulen) an sowie der Misiones (Missionen) genannten Sonderprogramme im Bildungssektor, welche einen Schwerpunkt der Umsetzung des Anspruchs „Bildung für alle“ darstellen: Die Misión Robinson I, II und III für die Alphabetisierung und den Grundschulabschluss und die Misión Ribas für die weiterführende Schule. Darauf folgt die Beschreibung der Umsetzung der in der 1999 verabschiedeten Verfassung garantierten kostenlosen „Höheren Bildung für alle“ mittels der Misión Sucre und der Universidad Bolivariana de Venezuela (Bolivarianische Universität Venezuelas, UBV) sowie des Berufsbildungsprogramms Misión Vuelvan Caras. ...
Das kolumbianische Magazin "Semana" wählte den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez jüngst zum "Mann des Jahres 2005". Damit war Chávez der erste Ausländer, dem diese Auszeichnung zuteil wurde. Er habe, so die Begründung, die "politische Landkarte" Lateinamerikas grundlegend verändert und die Möglichkeit anderer zwischenstaatlicher Beziehungen aufgezeigt. Dadurch sei Chávez zum inzwischen einflussreichsten Mann des Subkontinents avanciert. ...
Wenn wir eine Art Resümee versuchen, so könnte man folgendes sagen: 1. In einer ganz besonderen Weise, in der sich persönlicher Umgang und sachliche Themen vermischten, konnte Bertuch für Schiller in dessen ersten Weimarer Jahren eine wichtige Rolle spielen. Die durch Bertuch mögliche Beeinflussung des »Mercantilischen« hat nicht nur beträchtlichen Nutzen für Schiller gebracht, sondern auch sein Bewußtsein für die Probleme des literarischen Marktes geschärft. Mit wesentlich mehr Sachverstand konnte er in seinen künftigen Publikationsplänen, besonders bei den von ihm in den 90er Jahren herausgegebenen Periodica, also den Hören und dem Musenalmanach, die komplizierten Bedingungen des Marktes einschätzen und nutzen, wenn dies ihn auch nicht vor Illusionen und Enttäuschungen bewahrte. 2. Die Aktionen Bertuchs für Schiller bis zum Memoiren-Projekt Anfang der 90er Jahre erlauben einen lebendigen Einblick in eine Verlags- und Buchhandelslandschaft, die sich in einem faszinierenden, aber für alle Beteiligten schwierigen Entwicklungsprozeß befand. Persönliche Kontakte und Beziehungen sowie besonderes Verhandlungsgeschick spielten dabei noch eine größere Rolle als heute. Schiller respektierte ohne Zweifel diese besonderen Zusammenhänge, spricht er doch in seinem bereits zitierten Brief an Bertuch vom November 1784 bezeichnenderweise von Bertuchs »Zirkeln und Korrespondenten« und seinem daraus erwachsenden »Zusammenhang mit dem Publikum«. Bertuch erwies sich nicht zuletzt deshalb als nützlicher Partner Schillers, weil er mit diesen komplizierten Beziehungen souveräner als mancher Zeitgenosse umzugehen verstand. Wurde Bertuch auch nicht zum Verleger Schillers im strengen Sinne dieses Wortes, so gehören seine Aktionen für Schiller durchaus zum Thema »Schiller und seine Verleger«. Das bereits erwähnte vorzügliche neue Buch von Stephan Füssel zu diesem Thema könnte in dieser Hinsicht noch ergänzt werden. 3. Ordnet man die Beziehungen Schillers zu Bertuch generell in die Bilanz der ersten Weimarer Jahre von 1787 bis 1789 ein, so kann man ihnen einen doch recht beträchtlichen Stellenwert zubilligen. Neben den großen Zielen Schillers - wir haben diese Worte von »Größe, Hervorragung, Einfluß auf die Welt und Unsterblichkeit des Namens« eingangs zitiert - gibt es noch das reale, wenn man will alltäglich-banale Ziel, das Schiller gegenüber Körner im Januar 1788, genau in der Mitte seiner Weimarer Monate, so umschreibt: »Ich sehne mich nach einer bürgerlichen und häußlichen Existenz, und das ist das Einzige, was ich jezt noch hoffe«. Das für Schillers weiteren Weg eminent wichtige Ergebnis der ersten Weimarer Zeit ist die hart erarbeitete ideelle Position Schillers, seine schriftstellerischen Erfolge, die Anerkennung, die er sich zu erwerben begann. Doch kaum weniger wichtig erschien ihm die damit verbundene gesicherte »bürgerlichen Existenz«, - die »häußliche« wird 1790 durch die Heirat mit Charlotte von Lengefeld folgen. »Bürgerliche Existenz« bedeutet Existenzsicherung als freier Autor durch Erfolg im Publikum und somit die alles in allem gesicherte ökonomisch-finanzielle Lebensbasis. Mit dem, was Bertuch für Schiller tun konnte - ALZ und Allgemeine Sammlung historischer Memoires sind die wichtigsten Stichworte - hat er einen beträchtlichen Anteil an dieser Wende in Schillers schriftstellerischer Existenz wie in seinen realen Lebensbedingungen.
"Wie ein ungeheures Märchen" : Johann Caspar, Johann Wolfgang und August Goethe im Petersdom in Rom
(2006)
Die Baugeschichte des Petersdoms in Rom, wie er sich dem Blick des neuzeitlichen Betrachters darstellt, ist das Resultat eines großen Abbruchunternehmens ebenso wie eines gewaltigen Neubaus. Von „schöpferischer Zerstörung“ hat Horst Bredekamp mit Blick auf die Baugeschichte von Neu St. Peter in Rom seit 1506 gesprochen. Als Johann Wolfgang Goethe, den Spuren seines Vaters folgend, 1786 auf seiner „Hegire“ das antike Rom und den Petersdom erblickte und sich damit in die südliche Kunstwelt „initiiert“ fühlte, konnte er kaum einschätzen, dass sein Neubau der deutschen Litera-tursprache ein ähnlich gewaltiges und gewaltsames Abbruch- und Aufbauprojekt sein könnte, wie der sich über mehr als ein Jahrhundert erstreckende Neubau der Papstkirche in Rom. Die „römischen Glückstage“, deren Stimmung und Kunstgefühl sich Goethe noch 1829, bei der Edition des „Zweiten römischen Aufenthalts“, in die „kimmerischen“ Nächte des Nordens holte, versuchte sein Sohn August 1830 auch für sich zu reklamieren. Doch endete dessen zu spät unternommene Flucht in einer Tragödie. August von Goethe starb zehn Tage, nachdem er die Kuppel des Petersdoms im Glanz der Morgensonne gesehen hatte, an einem Schlaganfall in Rom. Von dem Schock, der ihn im November 1830 durch die Nachricht vom Tod des Sohnes ereilte, hat sich Johann Wolfgang Goethe nicht mehr erholt.
"Neobiota" ist ein biologischer Begriff zur Bezeichnung von nicht-einheimischen Arten, welche infolge direkter oder indirekter menschlicher Einwirkungen in neue geografische Gebiete eindringen. Biologische Invasionen durch neue gebietsfremde Lebewesen (Neobiota), die sowohl Tierarten (Neozoa) als auch Pftanzenarten (Neophyta) betreffen, wurden in den letzten Jahren zunehmend von Interesse, da ihre Anzahl und Ausbreitung ständig zunimmt. Solche Fremdlinge (Aliens) verändern oft ihre neue Umwelt, die einheimischen bodenständigen Planzen- und Tierarten müssen sich an diese ungewohnte Umgebung anpassen. Insbesondere invasive fremde Arten werden als eine der Hauptursachen für Verluste an Biodiversität erachtet. In der vorliegenden Arbeit werden für Südtirol einige markante Beispiele rezent einschleppter Tier- und Pflanzenarten erörtert. Es wird der bestehende Trend einer rezenten Zunahme von Neobiota aufgezeigt, als Folge einer Zunahme von Verkehr und Warenaustausch, und auf die Notwenigkeit hingewiesen, die Einschleppungswege und Zeiträume genau zu verfolgen und zu registrieren. Insgesamt werden hier 44 Tierarten behandelt: davon 40 Invertebraten und 4 Vertebrata, sowie 5 Pflanzenarten. Davon sind einige Arten auch Neumeldungen für Südtirol: Diptera: Rhagoletis alternata, Rhagoletis completa; Heteroptera: Leptoglossus occidentalis; Pisces: Rhodeus amarus, Pseudorasbora parva; Crustacea: Procambarus klarkii; Araneae: Atea triguttata und Araniella displicata (beides heimische Arten), Tegenaria atrica (adventiv).
Europäische Spinne des Jahres 2006: Die Veränderliche Krabbenspinne - Misumena vatia (Clerck, 1757)
(2006)
Mit der letztjährigen Spinne des Jahres, der Zebraspringspinne Salticus scenicus (Jäger & Kreuels 2005) wurde ein Weg beschritten, Europa arachnologisch zu einen. Ziel war es, möglichst viele Länder bei der Wahl einer europäischen Spinne des Jahres zu beteiligen. 2006 hat die Spinne des Jahres diesen Weg erfolgreich weiter verfolgt.
Remigius von Auxerre
(2006)
Im südlichen Ostfriesland werden seit September 2000 Langzeituntersuchungen zum Konfliktthema „Windkraft und Vögel“ durchgeführt, die auf einen Zeitraum von insgesamt sieben Jahren konzipiert sind. Es werden ausgewählte Ergebnisse aus den ersten fünf Untersuchungsjahren dargestellt. Durchgeführt wurden Bestandserfassungen von Brut- und Gastvögeln, Beobachtungen zu Verhalten und Raumnutzung, Bruterfolgskontrollen und Habitatanalysen. Die Analyse erfolgte u.a. nach dem BACI-Design (Before-After-Control-Impact, Vorher-Nachher-Untersuchung mit Referenzfläche). Die Bestandsveränderungen der untersuchten Arten verliefen unterschiedlich. Bei keiner untersuchten Art fand eine Verlagerung aus den Windparks (500 m Umkreis) in das Referenzgebiet statt. Beim Kiebitz als Brutvogel fand in einem Windpark eine signifikante Bestandsabnahme statt. Beim Vergleich von Brutpaarzahlen und Erwartungswerten, die aus den Beständen des Referenzgebietes abgeleitet wurden, fand sich beim Kiebitz als einziger Art eine signifikante Meidung des Nahbereichs der Anlagen (bis 100 m Entfernung). Beim Kiebitz als Gastvogel fand sich eine hochsignifikante Meidung bis ca. 400 m, die auch durch den Vorher-Nachher-Vergleich bestätigt wird. Raumnutzungsbeobachtungen auf Probeflächen in unterschiedlicher Entfernung zu den Anlagen ergaben hingegen keinen erkennbaren Einfluss. Verhaltensbeobachtungen beim Großen Brachvogel zeigten, dass die Anlagennähe bis ca. 50 m gemieden wurde und dass störungsanfälligere Verhaltensweisen wie Putzen oder Rasten erst ab einer Entfernung von ca. 200 m auftraten. Ein Einfluss der Windparks auf den Bruterfolg von Kiebitz und Uferschnepfe ist aus den bislang vorliegenden Daten nicht erkennbar. Univariate Habitatmodelle ergaben, dass die Nähe zu den Windkraftanlagen nur einen sehr geringen Erklärungsgehalt zur Verteilung der Reviere beiträgt. Andere Parameter, die die Habitatqualität beeinflussen, sind von wesentlich größerer Bedeutung. Multiple Habitatmodelle zeigten, dass Bereiche mit hoher Habitatqualität auch innerhalb von Windparks besiedelt werden, ein Unterschied in der Brutdichte zu Flächen gleicher Qualität im Referenzgebiet bestand nicht. Kiebitze haben jedoch auch bei dieser Analyse den 100 m-Bereich um die Anlagen signifikant gemieden. Bezüglich des Unterschiedes zwischen Brut- und Gastvögeln sowie bezüglich der Reichweite von Scheuchwirkungen besteht eine gute Übereinstimmung mit der Literatur (Übersichten in Hötker et al. 2006, Reichenbach et al. 2004). Die Untersuchungen werden noch bis Ende 2007 fortgesetzt. Schwerpunkte in den beiden letzten Untersuchungsjahren werden die Ausweitung der Bruterfolgskontrollen sowie eine Wiederholung der Habitatanalyse sein, um zeitliche Veränderungen in der Habitatqualität beurteilen und den Bestandsveränderungen der Vögel gegenüberstellen zu können.
Die Küken und Jungvögel des Großen Brachvogels zeigen im Vergleich zu den Altvögeln ein nahezu identisches Verhalten bei der Nahrungssuche. Die einzelnen Techniken des Nahrungserwerbs, wie das Stochern, entwickeln sich zu unterschiedlichen Zeiten im Verlauf der Aufzuchtzeit. Bei Küken und Jungvögeln wurde das Nahrungsspektrum durch Kotanalysen ermittelt und durch Direktbeobachtungen und Magenanalysen ergänzt. Insgesamt lässt sich bei Jungvögeln ein großes Nahrungsspektrum nachweisen. Die Hauptnahrung der Jungvögel bildeten Regenwürmer (Lumbricidae), Käfer (Coleoptera), Heuschrecken (Saltatoria), Zweiflügler (Diptera) und Raupen von Schmetterlingen (Lepidoptera) und Hautflüglern (Hymenoptera). Diese sechs Gruppen machen 91 % der Gesamtbeutetiere aus. Der Anteil der verschiedenen Beutetiere ist im Laufe der unterschiedlichen Entwicklungsphasen z.T. starken Veränderungen unterworfen. Die Küken und Jungvögel des Großen Brachvogels können als Nahrungsopportunisten bezeichnet werden, die ihre Nahrung entsprechend dem Angebot auswählen, gleichzeitig aber für einzelne Gruppen, z.B. Regenwürmer, verschiedene Käferfamilien und Heuschrecken, Präferenzen zeigen. Diese sind nicht ersetzbar z.B. durch einen höheren Spinnenanteil.
Die Art und Weise der landwirtschaftlichen Grünlandnutzung ist für die Landschaftsökologie im Allgemeinen und für den Wiesenvogelschutz im Speziellen von großer Bedeutung. Die neue GAP-Reform hat vielfältige direkte und indirekte Auswirkungen auf die zukünftige Nutzung des Grünlandes. Während im Falle der Milchviehhaltung die bestehende Intensivierungstendenz in der Grünlandwirtschaft verstärkt wird, kann sich die Weidemast kaum noch Chancen ausrechnen. Die Mutterkuhhaltung bleibt das für die Pflege von Extensivgrünland wichtigste Verfahren. Die Jungviehaufzucht kann bei entsprechendem Management eine Komponente extensiver Grünlandnutzung bleiben, vorausgesetzt, Mindestanforderungen an die Futterqualität werden erfüllt. Flächenarme bzw. -lose Schafhalter, wichtige Partner des Naturschutzes, zählen zu den Verlierern der Reform, Pferdehalter zu den Gewinnern. Trotz der Gewährung einer Grünlandprämie gehen von der Reform keinerlei Anreize zur Grünlandnutzung aus. Die Regeln zur Mindestpflege von Grünlandflächen, die nicht mehr der landwirtschaftlichen Produktion dienen, sichern zwar den Erhalt des Grünlandes als Vegetationsform im Landschaftskontext, sind jedoch keine Gewähr für eine naturschutzfachliche Habitatverbesserung.
Der vorliegende Beitrag beleuchtet die derzeitige Situation der landwirtschaftlichen Betriebe, die in den Dauergrünlandgebieten des norddeutschen Küstenraumes wirtschaften. Von großer Bedeutung ist aktuell die Milchviehhaltung und Jungrinderaufzucht. Es wird aufgezeigt, dass die Bewirtschaftung dieser Grünlandstandorte auch unter den geänderten Produktionsbedingungen der Europäischen Union eine Zukunft hat. Dies wiederum eröffnet auch Möglichkeiten für den Schutz von Wiesenvögeln durch ein gemeinsames Handeln von Landwirten und Naturschützern.
Die Untersuchung von vier bundesdeutschen Projektgebieten im Rahmen eines F&E-Vorhabens zum Schutz des Wachtelkönigs (Crex crex) zeigt auf, wie das Überleben von Wiesenvogelpopulationen mit der historischen Entwicklung der regionalen landwirtschaftlichen Nutzungssysteme insbesondere im Bereich der Rinderhaltung zusammenhängt. Ausgehend von der prognostizierten Weiterentwicklung dieser Systeme werden Schutzstrategien entworfen, um die vorgefundenen landwirtschaftlichen Rahmenbedingungen im jeweiligen Projektgebiet für den Wiesenvogelschutz gezielt zu beeinflussen. Flächenbezogener Vertragsnaturschutz reicht hierzu nicht aus. Er muss betriebsbezogen durch investive, langfristig wirksame Förderung ergänzt werden, die kommunikativ begleitet wird.
Innerhalb von sieben Jahren wurde die Populationsdynamik der Kleinsäugetiere auf zwei Fluss- Inseln untersucht. In den ersten Jahren vernichteten Winter-Überflutungen die Inselfauna. Es wanderten aber in jedem Jahr wieder bis zu 5 Kleinsäugetierarten auf die Inseln. In den letzten zwei Jahren blieben die Überflutungen aus, so dass Kleinsäugetiere auf den Inseln überwinterten und sich jeweils im nächsten Frühjahr Populationen aufbauten. Diese Gelegenheiten und ein Wiederansiedlungsprojekt der Sumpfmaus Microtus oeconomus im selben Gebiet ermöglichten Vergleiche. Die erfolgreichsten Pionierarten waren die Feldmaus Microtus arvalis und die Erdmaus Microtus agrestis. Deren Populationswachstum begann im Frühjahr mit einer Verzögerungsphase, an die sich eine exponentielle Dichtezunahme anschloss. Wie das Experiment der Wiederansiedlung der Sumpfmaus zeigte, lag auch ohne eine Flutkatastrophe eine Dichte-Depression im Winterhalbjahr. Aus dieser geringen Dichte heraus entwickelte sich im folgenden Frühjahr ein Populationswachstum. Daraus kann geschlossen werden, dass die Pionierarten in der Lage sind, mit wenigen immigrierten fortpflanzungsaktiven Tieren individuenreiche Populationen aufzubauen. Diese Kenntnisse sind von Bedeutung, um einschätzen zu können, welche Erfolge die Überflutungen zur Vernichtung von Kleinsäugetieren haben, um Prädatoren der Wiesenbrüter zu vergrämen. Offensichtlich kann mit dieser Methode ein Populationsaufbau der Pionierarten nicht verhindert sondern nur verzögert werden. Diese Verzögerung führt zu einer Gefährdung der Bruten der Wiesenbrüter, da aufgrund der geringen Nagetierdichten im zeitigen Frühjahr die Prädatoren während der Nahrungssuche häufiger auf Wiesenbrüter als auf Wühlmäuse treffen. Es sollte daher zukünftig in der Managementplanung mehr das Nahrungssuchverhalten der Prädatoren und die Populationsdynamik der Beutetier-Populationen berücksichtigt werfen.
Meadow birds on organic and conventional arable farms in the Netherlands: abundance and nest success
(2006)
Als eine der Hauptursachen für den Rückgang der Wiesenvögel in westeuropäischen Grünland- und Ackerbaugebieten wird die Intensivierung der Landwirtschaft gesehen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob eine weniger intensive Bewirtschaftung, z.B. in Form des ökologischen Landbaus, diese Abnahmen stoppen oder sogar wieder umkehren kann. Die hier präsentierte Studie beschäftigt sich vergleichend (1) mit den Siedlungsdichten von Wiesenvögeln auf konventionell und ökologisch bewirtschafteten Ackerflächen, sowie (2) mit dem Schlupferfolg von Kiebitzgelegen auf diesen Standorten. Die Studie wurde in zwei Poldergebieten (Oostelijk Flevoland, Noordoostpolder) durchgeführt, die erst in den 1950er bzw. den 1930er Jahren dem Meer abgerungen wurden. Beide Gebiete weisen homogene, großräumige Ackerflächen auf. Insgesamt wurden 20 „Hofpaare“ ausgewählt, wobei jedes Paar aus einem ökologisch und einem konventionell bewirtschafteten Betrieb bestand. Die beiden Betriebe eines jeden Paares wurden so gewählt, dass sich ihre Betriebsflächen in Landschaftsstruktur und Bodenverhältnissen nicht unterschieden. Alle ökologisch geführten Betriebe produzierten seit mindestens 5 Jahren in dieser Weise. Während die konventionell wirtschaftenden Betriebe mehr Kartoffeln, Zuckerrüben und Wintergetreide anbauten, wiesen die ökologisch arbeitenden Betriebe ein größeres Spektrum an Anbaufrüchten und mehr Flächen mit Sommergetreide auf. In 2004 und 2005 wurden die Brutvogeldichten auf Betriebsflächen von 10 bzw. 20 „Hofpaaren“ ermittelt. Dabei wurden insgesamt 6 Arten in größerer Dichte festgestellt: Schafstelze (Motacilla flava), Kiebitz (Vanellus vanellus), Wiesenpieper (Anthus pratensis), Feldlerche (Alauda arvensis), Wachtel (Coturnix coturnix), und Austernfischer (Haematopus ostralegus). In beiden Jahren war die Feldlerche auf ökologisch bewirtschafteten Flächen häufiger vertreten. Kiebitze traten in solchen Flächen ebenfalls in höherer Dichte auf, wenn auch nur in 2004 statistisch signifikant. Die Schafstelze dagegen siedelte in 2005 auf konventionell bewirtschafteten Flächen in höherer Dichte. Für alle anderen Arten konnten keine Abundanzunterschiede zwischen beiden Bewirtschaftungstypen ermittelt werden. Flächenunterschiede im Fruchtanbau zwischen ökologisch und konventionell wirtschaftenden Betrieben scheinen für die Abundanzunterschiede bei Feldlerche und Schafstelze verantwortlich zu sein. Feldlerchenreviere fanden sich vor allem in Sommergetreide, das stärker von ökologisch arbeitenden Betrieben angebaut wird. Schafstelzen besiedelten dagegen vor allem Kartoffeläcker und Wintergetreideflächen. Diese Früchte werden häufiger auf konventionell bewirtschafteten Äckern angebaut. Ein Vergleich der Siedlungsdichte beider Vogelarten auf der Ebene einzelner Feldfrüchte (z.B. Öko-Kartoffelfläche vs. konventionell bewirtschafteter Kartoffelacker) ergab keine Unterschiede. Es zeigt aber, dass die Feldfrucht für die Habitatwahl wichtiger ist als die Bewirtschaftungsweise. Beim Kiebitz gehen die Abundanzunterschiede zwischen ökologisch und konventionell bewirtschafteten Flächen nicht auf Flächenunterschiede im Anbau einzelner Feldfrüchte zurück. Vielmehr scheinen Unterschiede in der Bewirtschaftung einzelner Feldfrüchte wesentlich entscheidender zu sein. In 2005 wurde vergleichend der Schlupferfolg von Kiebitzgelegen auf ökologisch bewirtschafteten (n = 80 Gelege) und konventionell bewirtschafteten Ackerflächen (n = 45 Gelege) ermittelt. Die Überlebenswahrscheinlichkeit der Gelege war auf ökologisch bewirtschafteten Flächen deutlich niedriger. Ursächlich war der höhere Maschineneinsatz sowohl bei der Feldbestellung als auch beim Jäten der Flächen.
Der "Feuerwehrtopf" für Wiesenvögel – ein erfolgsorientierter Ansatz beim Vertragsnaturschutz
(2006)
Landwirte und Naturschützer erproben im Grünlandgebiet Meggerkoog (Flusslandschaft Eider- Treene-Sorge, Schleswig-Holstein) eine neue, flexible Vertragsnaturschutzvariante zum Schutz wiesenbrütender Limikolen. Im Einzelnen erhalten Landwirte, auf deren Flächen Kiebitze, Uferschnepfen, Rotschenkel oder Große Brachvögel brüten, einmalige Ausgleichszahlung, wenn sie dem Brutgeschehen angepasst wirtschaften. In den ersten Jahren erfolgte die Finanzierung über Spendengelder, aber schon im Jahr 1999 übernahm das Ministerium für Umwelt, Natur und Landwirtschaft des Landes Schleswig-Holstein (heute Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein) die Kosten für die Ausgleichszahlungen. Die Ergebnisse der siebenjährigen Begleituntersuchung werden vorgestellt und diskutiert.
Durch die Realisierung von zwei Straßenbauprojekten wurden in der Wesermarsch (Landkreise Cuxhaven, Wesermarsch) Kompensationsmaßnahmen für Wiesenlimikolen im Umfang von ca. 560 ha erforderlich. Die Umsetzung der Maßnahmen erfolgte in sieben Grünlandgebieten in den Jahren 1997 – 1999, wobei ein Zonierungskonzept zum Tragen kam: Jedes Kompensationsgebiet wurde in drei etwa gleichgroße Zonen (Kernzone I, Kernzone II, Randzone) aufgeteilt, die sich in Bewirtschaftung und Wassermanagement unterschieden. Die umfangreichsten Nutzungseinschränkungen und höchsten Wasserstände während der Brutzeit wurden für die Kernzone I festgesetzt. Auch erfolgten hier im Winter partielle, temporäre Überflutungen. In den Randzonen beschränkten sich die Maßnahmen auf eine Extensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung (reduzierte Weideviehdichte, späte Mahdtermine, Düngung nach vorheriger Ermittlung des Bedarfs). Die Kernzone II nahm in Bewirtschaftung und Wassermanagement eine intermediäre Position ein. Auch hier erfolgte eine Optimierung der hydrologischen Verhältnisse durch Anhebung der Grabenwasserstände während der Brutzeit, doch wurde auf winterliche Überstauungen verzichtet. Im Rahmen von Funktionskontrollen sind die Auswirkungen dieses unterschiedlichen Managements auf die Brutdichten von Limikolen untersucht und mit dem Ausgangszustand verglichen worden. In allen Untersuchungsgebieten nahm die Dichte brütender Wiesenlimikolen mit Umsetzung der Kompensationsmaßnahmen über mehrere Jahre hinweg kontinuierlich zu. Einen deutlichen Einfluss auf die Bestandsentwicklung hatte dabei das praktizierte Wasser- und Bewirtschaftungsmanagement. Während die Bestandsdichten in den wiedervernässten Kernzonen I und II deutlich anstiegen, blieben sie in den lediglich landwirtschaftlich extensivierten Randzonen annähernd konstant. Die hier beschriebene Bestandsentwicklung wurde bei Kiebitz, Uferschnepfe und Rotschenkel beobachtet. Der Austernfischer profitierte dagegen von keiner der durchgeführten Kompensationsmaßnahmen.
Viele Untersuchungen zu Brutvogelarten in der Agrarlandschaft setzen die Abundanzen einzelner Arten in Beziehung zu bestimmten Eigenschaften (Parametern) der Landschaft. Nur wenige Studien berücksichtigen interspezifische Wechselwirkungen, wie etwa den Einfluss von Prädatoren auf die Habitatwahl. Im Allgemeinen wird angenommen, dass Beutetierarten ein Habitat mit geringem Prädationsrisiko bevorzugen, wobei allerdings die populationsbiologischen Konsequenzen für Beutetiere mit einem solchen Meidungsverhalten weitgehend unbekannt sind. Die Habitatwahl und Reproduktion des Neuntöters (Lanius collurio), eines in buschreichem Grünland lebenden Singvogels (Passeriformes), wurde über 7 Jahre hinweg untersucht. Dabei standen Einflüsse von potentiellen Gelegeräubern, insbesondere Corviden, im Mittelpunkt der Untersuchung. Verschiedene Experimente mit künstlichen „Neuntöternestern“ ergaben, dass hauptsächlich Elstern (Pica pica) als Gelegeprädatoren auftreten. Daneben konnten aber auch mit geringerer Intensität Nebelkrähen (Corvus corone cornix) und Eichelhäher (Garrulus glandarius) als Nesträuber nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der Experimente mit Kunstnestern bestätigten sich im Freiland dahingehend, dass Neuntöter bei der Brutplatzwahl die Nähe von Elstern und Nebelkrähen mieden. Darüber hinaus fand sich über die Jahre eine gegenläufige Beziehung zwischen den räumlichen Verteilungsmustern des Neuntöters und denen brütender Elstern und Nebelkrähen. Nahm etwa die Distanz zur nächsten brütenden Elster von einem zum nächsten Jahr hin ab, oder stieg die Brutdichte der Elster im Umkreis von einem km2 an, so wurden selbst gut geeignete, traditionelle Bruthabitate verlassen. Dieses Meidungsverhalten gegenüber Rabenvögeln hat einen hohen adaptiven Wert: Neuntöter, die in größerer Entfernung zu besetzten Elstern- und Rabenkrähennestern brüten, tragen ein geringeres Prädationsrisiko als in Nachbarschaft brütende Individuen. Die vorliegenden Ergebnisse widersprechen teilweise anderen Studien, wonach die Habitatwahl von Vogelarten der Kulturlandschaft nicht von Prädatoren beeinflusst wird. Darüber hinaus legen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit nahe, dass interspezifische Interaktionen (z.B. Risiko der Gelegeprädation) Individuen durchaus dazu veranlassen können, in Bruthabitate minderer Qualität zu wechseln. Es ist daher möglich, dass die festgestellten Populationszunahmen bei zahlreichen generalistischen Prädatoren (z. B. Corviden) sowohl direkt (z.B. geringerer Bruterfolg durch Prädation) als auch indirekt (z.B. Produktion von Küken geringerer Qualität in suboptimalen Habitaten) zur Abnahme von Vogelarten der Agrarlandschaft beitragen. Allerdings sind hier weitere detaillierte Studien an anderen Populationen und Arten der Agrarlandschaft notwendig um genauere Angaben zu einer möglichen Populationsregulation durch Nestprädatoren machen zu können.
Die vorliegende Studie thematisiert am Beispiel der Fließgewässerniederung der Drentse A, einem großflächigen Schutzgebiet im Nordosten der Niederlande, die Folgen einer langjährigen Heuwiesennutzung ohne Düngung. Im Einzelnen wurde von uns die Zusammensetzung der Vegetation und Bodenfauna auf fünf Grünlandflächen untersucht, die sich in der Dauer der Ausmagerung unterschieden. Getrennt betrachtet wurden dabei die bachnahen, moorigen Niederungsbereichen und die angrenzenden sandigen Geestbereiche. Die ausgewählten Grünlandflächen waren zum Zeitpunkt der Aufnahmen seit 5, 15, 25, und 32 Jahren gemäht aber nicht mehr gedüngt worden. Eine weitere, nach wie vor konventionell bewirtschaftete Wiesenfläche (incl. Düngung) diente als Kontrolle. Auf allen Flächen wurde die Vegetation und Regenwurmfauna in 10 Plots mit einer Größe von jeweils 4 m² bzw. 0.04 m² untersucht. Darüber hinaus wurden über 28 Jahre hinweg die Brutvögel des Gebietes mittels Revierkartierung erfasst. Die Pflanzenartendiversität hat sich mit Dauer der Ausmagerung signifikant erhöht. Sie stieg in den bachnahen Bereichen von 13 Arten in der Kontrollfläche (40 m²) auf 49 Arten in der am längsten ausgemagerten Grünlandfläche an. In den trockenen Geestbereichen war der Anstieg deutlich schwächer. Bezogen auf die Gesamtfläche von 40 m² wurden die meisten Arten hier in der 15 Jahre lang ausgemagerten Grünlandfläche gefunden, während bei Betrachtung der 4 m² großen Aufnahmepunkte die höchste Artenzahl ebenfalls in der ältesten Untersuchungsfläche lag. Die Diversität und Abundanz der Regenwürmer nahm mit Dauer der Ausmagerung ab. Die festgestellten Arten gehörten zu 4 Gattungen, wobei die Gattung Allolobophora am individuenreichsten vertreten war. Mit Dauer der Ausmagerung sank besonders im trockenen bachfernen Geestbereich der Boden-pH-Wert auf unter 3,8 ab. Die damit einhergehenden pessimalen Lebensbedingungen erklären hinreichend die geringe Diversität und Dichte von Regenwürmern in diesen Bereichen. An fast allen Standorten sank die Biomasse der Regenwürmer zum Sommer hin auf Werte unter 25 g/m², so dass für viele Limikolen zu dieser Zeit pessimale Ernährungsbedingungen bestehen. Die Zahl der Brutvogelarten war aufgrund des recht kleinen Untersuchungsgebietes insgesamt gering. Dennoch konnten auffallende Veränderungen in der Brutvogelgemeinschaft beobachtet werden. Während Limikolen wie Kiebitz (Vanellus vanellus) und Uferschnepfe (Limosa limosa) vollständig aus dem Gebiet verschwanden, wanderten der Große Brachvogel und die Bekassine ein. Allerdings sind auch sie aktuell nur noch selten im Gebiet vertreten. Dafür hat sich inzwischen das Schwarzkehlchen (Saxicola torquata) als Brutvogel eingestellt – möglicherweise eine Folge der sich ändernden Grünlandvegetation (hier: Zunahme von Pflanzenarten, die als Ansitzwarten fungieren können wie etwa Cirsium palustre) in Kombination mit einem verbesserten Nahrungsangebot an Makroinvertebraten. Eingewandert sind zwischenzeitlich auch eine Reihe weiterer Vogelarten, wie Pirol (Oriolus oriolus) und Kleinspecht (Dendrocopos minor), die charakteristisch für sich entwickelnde Bruchwälder sind. Letztere haben sich, meist kleinflächig, auf ehemaligen Feuchtgrünlandstandorten entwickelt.
Seit 2001 wird in einer Langzeitstudie der Frage nachgegangen, welchen Einfluss unterschiedliche Managementmaßnahmen auf den Reproduktionserfolg des Kiebitzes besitzen. Untersuchungsgebiet ist die Stollhammer Wisch, ein ca. 3.000 ha großes küstennahes Grünlandgebiet in der Wesermarsch (Niedersachsen, Deutschland). Im Einzelnen wurden Schlupferfolg und Überlebensraten von Küken in 3 unterschiedlich bewirtschafteten Teilgebieten von jeweils 25-46 ha untersucht. Bei Untersuchungsgebiet I (Großer Schmeerpott) handelte es sich um ein konventionell bewirtschaftetes Gebiet, in dem lediglich Gelegeschutzmaßnahmen durchgeführt wurden. Die Untersuchungsgebiete II und III (Flagbalger Sieltief, Zwickweg) dagegen wurden im Vertragsnaturschutz bewirtschaftet, d.h. hier lagen unter anderem Einschränkungen hinsichtlich Weideviehdichte und Terminierung des ersten Grasschnittes vor. Die Untersuchungsgebiete II und III selbst unterschieden sich vor allem im Wasserhaushalt: Untersuchungsgebiet III wies zur Brutzeit hohe Grabenwasserstände und temporäre Gewässer auf. Abgesehen von der Brutsaison 2005 wiesen die 3 Untersuchungsgebiete keine signifikanten Unterschiede im Schlupferfolg der Gelege auf. Dagegen traten zwischen den Jahren deutliche Unterschiede zutage: Während in den Jahren 2001 und 2005 im Mittel jeweils weniger als 20 % aller Gelege schlüpften, lag der Schlupferfolg in den Jahren 2002-2004 mit 53-64 % deutlich höher. Es war nicht möglich, das Überleben von Kiebitzküken in Relation zu Unterschieden im Gebietsmanagement zu analysieren, da fast alle Küken die Untersuchungsgebiete kurz nach dem Schlupf verließen. Grundsätzlich nahm die Überlebenswahrscheinlichkeit besenderter Küken (n = 288) mit dem Alter zu. Die Überlebensrate der Kiebitzküken schwankte zwischen den einzelnen Untersuchungsjahren erheblich, wobei die niedrigsten Werte (erneut) für die Jahre 2001 und 2005 ermittelt wurden. In Hinblick auf die Verursachung von Gelege- und Kükenverlusten war die Prädation in der Stollhammer Wisch der wichtigste Faktor. Prädation bedingte 67.4 % alle Gelege- und 74.2 % aller Kükenverluste. Anhand von Thermologger-Aufzeichnungen konnten Raubsäuger als die bedeutendsten Nestprädatoren identifiziert werden. Das Prädationsrisiko der Küken war während der ersten Tage nach dem Schlupf am höchsten. Insgesamt konnten in der vorliegenden Studie 12 Prädatorenarten nachgewiesen werden, wobei über alle Beobachtungsjahre hinweg der Mäusebussard (Buteo buteo) die größten Kükenverluste verursachte. Viehtritt war die Hauptursache für landwirtschaftlich bedingte Gelegeverluste. Auch zahlreiche Kükenverluste gingen auf diesen Faktor zurück. Darüber hinaus kamen Kiebitzküken in steilwandigen Drainagegräben mit geringem Wasserstand ums Leben. Eine Änderung der Grabenunterhaltung reduzierte letztere Verluste deutlich. Für die Jahre 2002-2004 konnte für die Stollhammer Wisch ein Reproduktionserfolg von 0,83-1,31 Küken pro Brutpaar ermittelt werden, was nach Literaturangaben für eine stabile Kiebitzpopulation ausreichend ist. In den Jahren 2001 und 2005 allerdings wurde eine bestandserhaltende Reproduktionsrate nicht erreicht.
Die Fläche des Feuchtgrünlandes in Schweden hat sich im letzten Jahrhundert durch Nutzungsaufgabe und Kultivierung drastisch verringert. Zeitgleich sind auch erhebliche Veränderungen in der Wiesenvogelfauna feststellbar. Die vorliegende Studie beleuchtet die Bestandsentwicklung von 33 in schwedischen Grünlandgebieten auftretenden Brutvogelarten. Von diesen weisen 16 Arten abnehmende Bestände auf. Bei 7 Arten konnte eine Bestandszunahme festgestellt werden. 10 weitere Arten schließlich sind im Bestand stabil. Allerdings ist bei dieser Analyse zu berücksichtigen, dass einige dieser Arten auch in anderen Habitaten vorkommen. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass die Populationsveränderungen im Grünland bei einigen Vogelarten möglicherweise weit reichender sind als es die landesweiten Trends vermuten lassen. Allgemein zeigt sich derzeit, dass alle auf eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung angewiesene Brutvogelarten (z.B. viele Limikolen) deutliche Populationseinbußen verzeichnen. Singvögel dagegen, die auch eine gewisse Bindung an bestimmte Brachestadien besitzen, sind im Bestand stabil oder nehmen sogar zu. Seit den 1980er Jahren hat der Schutz von Wiesenvögeln in Schweden Priorität. Dies äußert sich u.a. in einer Zunahme restaurierter Feuchtgrünlandgebiete. Monitoringdaten legen den Schluss nahe, dass bestimmte Arten (hier: Kiebitz, Schafstelze, Großer Brachvogel und Rotschenkel) zumindest in einigen dieser restaurierten Gebiete zugenommen haben. Allerdings erfolgte keine grundsätzliche Zunahme aller Zielarten nach erfolgter Restauration. Wir präsentieren Belege für vier Hypothesen, die diesen Befund zu erklären suchen: (1) Eine Zunahme bei Zielarten ist wahrscheinlicher, wenn diese vor Durchführung der Restaurationsmaßnahmen noch als Brutvögel im Gebiet vertreten sind. (2) Restaurationsmaßnahmen führen bei Zielarten dann nicht zum Erfolg, wenn vorhandene Landschaftsstrukturen den Habitatansprüchen der Zielarten entgegenstehen. (3) Da Beweidung und Mahd, praktiziert in unterschiedlichen Intensitäten, auch zu unterschiedlichen Grünlandtypen in Struktur und Pflanzenartenzusammensetzung führen, kann die vor Ort praktizierte Grünlandnutzung durchaus nicht mit den Habitatansprüchen bestimmter Zielarten im Einklang stehen. (4) Die fehlende Effektivität von Restaurationsmaßnahmen auf bestimmte Brutvogelarten des Feuchtgrünlandes steht möglicherweise in Verbindung mit einer ungenügenden Optimierung des Wasserhaushaltes. Letztere resultiert vielfach aus früheren Eingriffen an schwedischen Flüssen und Seen. Es wird empfohlen, die Auswirkungen von Restaurations- und Managementmaßnahmen im Grünland stärker als bisher wissenschaftlich zu begleiten, da belastbare Daten in diesem Bereich nach wie vor selten sind.
Wiesenvögel zählen zu den in Mitteleuropa am stärksten gefährdeten Vogelgilden. Monitoring-Daten der im Grünland brütenden Watvogelarten Austernfischer, Kiebitze, Alpenstrandläufer, Kampfläufer, Bekassine, Großer Brachvogel, Uferschnepfe und Rotschenkel zeigen erhebliche Bestandsveränderungen in den letzten Jahrzehnten. Sowohl in den Niederlanden, dem wichtigsten „Wiesenvogelland“ Europas, als auch in Deutschland und in anderen Ländern gehen die Bestände fast aller Arten zurück. Lediglich Rotschenkel weisen keine negativen Trends ihrer Gesamtpopulation auf. Die Brutpopulationen von Kampfläufern und Alpenstrandläufern in Mitteleuropa stehen offensichtlich kurz vor ihrem Erlöschen. In den Niederlanden hat sich der Rückgang fast aller Arten in den vergangenen Jahren noch einmal beschleunigt. Auch in Deutschland gibt es keine Hinweise auf eine Verbesserung der Situation in jüngerer Zeit. Die Bestandsveränderungen weisen in beiden Ländern große regionale Unterschiede auf. In Deutschland ist das Binnenland am stärksten vom Rückgang betroffen, während der Nordsee-Küstenbereich vergleichsweise stabile Bestände aufweist. Die Verbreitung etlicher früher häufiger Arten wird lückenhaft.
Die Beobachtungen der ringförmigen Sonnenfinsternis vom 3.10.2005 in Spanien und der totalen Sonnenfinsternis am 29.3.2006 an der türkischen Mittelmeerküste bei Side werden beschrieben. Neben langbrennweitigen Aufnahmen wurden Spektren aufgenommen, Temperatur-, Luftfeuchte- und Beleuchtungsstärkeverlauf erfasst.
Im westlichen Teutoburger Wald (Riesenbecker Osning) wurden in bodensauren Kiefernbeständen als floristisch-vegetationskundliche Grundlage für interdisziplinäre Daueruntersuchungen detaillierte Erhebungen in einem 10 cm x 10 cm-Quadratraster durchgeführt. Einige erste Ergebnisse aus den untersuchten Transekten werden hier vorgestellt. Es handelt sich um von Pinus sylvestris beherrschte, vertikal wenig gegliederte Bestände, die sich in der Krautschicht durch eine typische Artenausstattung bodensaurer Waldstandorte auszeichnen. Die relativ einheitliche floristische Grundstruktur wird vom Vorkommen des Neubürgers Ceratocapnos claviculata im Gebiet überlagert, mit dessen Hilfe Bestände mit bzw. ohne den Rankenden Lerchensporn unterschieden werden und in Rasterkarten gegenübergestellt sind. Einzelheiten der floristischen Feinstruktur der Krautschicht werden an horizontalen Verbreitungsmustern der vorkommenden Arten erläutert. Die Ausbreitungspotenzen („Strategien“) von Ceratocapnos und Verbreitungsmuster von Ceratocapnos, Deschampsia flexuosa und Vaccinium myrtillus werden vor dem Hintergrund einer veränderten Konstellation der Standortfaktoren (N-Deposition, milde Winter, Lichteintrag, Hemerochorie, Mineralisierung) im Untersuchungsgebiet für Vorkommen und Vitalität des Lerchensporns diskutiert. Allerdings ermöglichen erst Wiederholungsinventuren auf den Dauerflächen eine kausale Deutung der erkannten Strukturen.
Bisher in Nordwestdeutschland seltene oder sogar unbekannte Unkräuter treten im Raum Vechta zerstreut in Maisfeldern auf. Echinochloa muricata und Setaria faberi wurden erstmals 2003 beobachtet. Die bereits früher im Raum Vechta nachgewiesenen Setaria verticillata und S. verticilliformis sind heute deutlich häufiger als in den 1980er und 1990er Jahren.
Im Wiehengebirge und dem gesamten westlichen Niedersachsen-Becken zeichnen sich die Oxford- und Kimmeridge-Sedimente durch einen starken Fazieswechsel aus. Das gilt sowohl für die im Anstehenden ca. 120 m mächtige Abfolge als auch für die Ausbildung der einzelnen Horizonte im Becken. Auffällig sind vor allem im Kimmeridge-Profil Fazieswiederholungen einzelner Bänke, aber auch von Gesteinsfolgen mit charakteristischen Faziesverknüpfungen. In einem Modell werden die sedimentologischen Zusammenhänge dieser Sequenzen aufgezeigt und beschrieben als Stadien vollständiger Zyklotheme mit der Ingression, Stagnation und Regression des Meeres sowie schließlich der Bodenbildung im trockengefallenen Becken.
Der Rekonstruktionsversuch der Werkgenese und der Editionsgeschichte des ersten in Druck erschienenen deutschsprachigen Schriftstellerlexikons der siebenbürger Sachsen mag angesichts des derzeitigen Forschungsstandes gewagt erscheinen, ist jedoch mehr als notwendig. Das 18. Jahrhundert ist – was Siebenbürgen betrifft – keine bevorzugte Epoche der Literaturgeschichtsschreibung, stellt Stefan Sienerth in der Geschichte der siebenbürgisch-deutschen Literatur im achtzehnten Jahrhundert resigniert fest. Als beinahe unüberwindbares Hindernis tut sich die Gattungs-, Formund Gehaltvielfalt der Texte aus der Zeit des Pietismus und der Aufklärung auf, infolge dessen meistens nicht die Literaturwissenschaft, sondern die verwandten Disziplinen mit den schriftlichen Zeugnissen des 18. Jahrhunderts sich auseinandersetzen; aber auch das fehlende, da unerforschte und unedierte Quellenmaterial erschwert die (literatur)wissenschaftliche Erforschung der Epoche. Besonders deutlich manifestiert sich dies am Beispiel des Johann Seivert.
1998 erschien in Ungarn ein Gedichtband von Endre Kukorelly unter dem Titel H.Ö.L.D.E.R.L.I.N. Es kam nicht von ungefähr, dass Attila Bombitz, seiner Besprechung den vielsagenden Titel In Hölderlin (Hölderlin ist in) gab, denn in den 90er Jahren haben sich neben Kukorelly auch andere Autoren produktiv mit dem Hölderlinschen Werk auseinandergesetzt, außerdem sind mehrere selbstständige Hölderlinausgaben erschienen, gleichsam als Manifestationen einer zwar unerwarteten, aber wohl kaum abstreitbaren ungarischen Hölderlinrenaissance. Alle Rezensenten des Gedichtbandes konzentrierten sich auf die Deskription der poetischen Verfahren, mittels deren Kukorelly die die ungarische Hölderlinrezeption beherrschenden romantischen Hölderlintopoi gewissermaßen zu dekonstruieren versuchte.
Werner Herzog : Filmabend I
(2006)
Anfang der siebziger Jahre etablierte sich der abenteuerlustige Filmemacher Werner Herzog als eine einzigartige Erscheinung innerhalb der deutschen Filmlandschaft. In zahlreichen Filmen, oft kongenial mit Klaus Kinski besetzt, erzählte er von der “Eroberung des Nutzlosen” (Bernd Kiefer), einem monumentalen aber tragischen Scheitern fiktiver und historischer Abenteurer. Den prominentesten Versuch dieser Art unternahm Herzog in einem unvergesslichen Klassiker von 1971: "Aguirre – Der Zorn Gottes". Die Amazonasexpedition einiger spanischer Konquistadoren gerät hier zum Himmelfahrtskommando – in dem Wahn, das legendäre Goldland Eldorado zu entdecken, dringt Aguirre mit seinen Leuten immer tiefer ins “Herz der Finsternis” vor. Wenn man Werner Herzogs eigenen Aussagen glauben darf, verschmolzen Dreharbeiten und Film zu einer irrwitzigen Melange, die sich deutlich in der fieberhaften Intensität der Inszenierung spiegelt.
Während der Achtziger Jahre in den USA war der Traum vom großen Geld für viele zum Greifen nah. Diese Wunschvorstellung zerplatzte allerdings an der wirtschaftlichen Lage. Es war „ein Jahrzehnt in dem der Yuppie-Wahn und die unzähligen Aufstiegsträume in der Rezession zerkrachten. Man fühlte sich sozial und wirtschaftlich höchst verunsichert.“ Der Autor Bret Easton Ellis beschreibt die Lage der Nation anhand eines Individuums in seinem Roman American Psycho. Die Hauptfigur des Buches mit dem Namen Patrick Bateman ist Bestandteil der in diesem Jahrzehnt aufkommenden Yuppie-Kultur. Niemand erkennt, dass sich hinter dieser wirtschaftlich erfolgreichen Person ein Serienmörder verbirgt. Der Protagonist mit zutiefst antagonistischen Zügen beschreibt sich selbst folgendermaßen: „Mein Ich ist künstlich, eine Anomalie. Ich bin ein unkontingentes menschliches Wesen. Meine Persönlichkeit ist rudimentär und ungeformt, meine Herzlosigkeit geht tief und ist gefestigt[…] Niemand ist sicher, nichts ist gesühnt.“ Diese Erkenntnis spiegelt die gewinnorientierte und gefühlskalte Mentalität der amerikanischen Gesellschaft in jener Zeit wider. Gleichzeitig beschreibt sie die heillose Suche der Amerikaner nach Sicherheit. Bateman verkörpert den amerikanischen Drang nach Freiheit und Erfolg, er geht dafür sogar über Leichen.
Die Filme von Mario Bava wurden über einen langen Zeitraum hinweg übersehen. Er ist vor allem ein Filmemacher, der von anderen Regisseuren geschätzt wird. So beschreiben zum Beispiel Künstler wie Martin Scorsese, John Carpenter, Joe Dante, Dario Argento oder auch Tim Burton, Bava als einen großen Einfluß für ihre Filme. Erst in den letzten Jahren, durch das digitale Medium der DVD, sind Bavas Filme wieder der Öffentlichkeit zugänglich. Immer mehr Werke des italienischen Filmemachers gelangen an die Oberfläche und machen den immensen Einfluß seiner Filme auf das Horrorgenre offensichtlich.
Catherine Breillat wurde am 13. Juli 1948 in Bressuire (Südwest- Frankreich) geboren. Sie wuchs in einem kleinbürgerlichen Elternhaus auf, wo sie eine strenge Erziehung zu tugendhaftem, moralischem Verhalten erfährt. Während der Pubertät begegnen die Eltern ihr mit Misstrauen und versuchen sie von allen Versuchungen fernzuhalten. Die Unterdrückung ihrer eigenen Sexualität, die aus dieser Erziehung resultierte, beeinflusste maßgeblich Breillats spätere Haltung zum Umgang mit Sexualität sowie ihr filmisches Schaffen.
Das Phänomen des geplanten Lustmordes - bei dem der triebhafte Impuls und die sorgfältige Inszenierung scheinbar zusammentreffen - wird oft dem medialen Zeitalter zugeschrieben. Dagegen gibt es einiges einzuwenden. Im Falle des realen Kannibalen von Rotenburg ist die Rolle der modernen Kommunikationsmedien jedoch besonders deutlich, da die Tat zunächst nur als aufgeschriebene Phantasie in einem Internetforum existierte. Das Internet machte auch ihre Verwirklichung möglich, da sich unter den potenziell unzähligen Usern einer gefunden hat, der sich dadurch angesprochen fühlte.
Killerspiele
(2006)
Seit Wochen sind sie in aller Munde, aber was sind überhaupt: "Killerspiele"? Die Debatte über "Killerspiele" verschärft sich und es steht eine Gesetzesinitiative vor der Tür. Damit die Antragsteller nicht unversehens vor Definitionsprobleme gestellt werden, soll im Folgenden versucht werden zu klären, was "Killerspiele" eigentlich sind.
Armin Meiwes hat durchgesetzt, dass der Spielfilm "Rohtenburg" vorerst nicht ins Kino kommt, weil er Persönlichkeitsrechte verletze. Die Frage, inwiefern etwaige Übereinstimmungen im Film unentscheidbar fiktiv oder real sein könnten und ob durch das Verbot ein notwendige kulturelle Verarbeitung verhindert wird, war nicht Gegenstand der Verhandlung. Imitiert die Kunst das Leben oder das Leben die Kunst? Diese Frage stellten sich die Richter des OLG Frankfurt in der vergangenen Woche wohl nicht, als sie der einstweiligen Verfügung Armin Meiwes', des so genannten "Kannibalen von Rothenburg", entsprachen, der den Film "Rohtenburg" (Originaltitel: "Butterfly – A Grimm Love Story") als Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte sah.
Dieser Artikel behandelt zwei deutsche Schriftstellerinnen – Fanny Lewald und Franziska Gräfin zu Reventlow. Sie sind Repräsentantinnen verschiedener Epochen innerhalb der Deutschen Literatur. Beide hinterließen uns ihre Autobiografien, Anekdoten und wir können heute ihre Entwicklung nachvollziehen und ihr heftiges Ringen um Freiheit, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung gegen geschlechtsspezifische Rollenzuweisungen, Abstammung und sozialen Stand miteinander vergleichen.
In diesem Artikel soll einer der strittigen Vertreter der deutschen Romantik auf zwei verschiedene Weisen analysiert werden, erstens durch Untersuchung des historischen Rahmens seiner antiken Tragödie "Penthesilea", und zweitens, durch den Vergleich des Werkes mit seiner persöhnlichen romantischen Veranlagung, um die traditionellen und historischen Grenzen des Begriffs "Romantik" zu erweitern.
In the Solling mountains (Southern Lower Saxony, Germany) the fauna was sampled for one year with stem eclectors in adjacent spruce, mixed (spruce/beech), and beech stands. The tree age was more than 90 years. Four sampling treatments were established: eclectors on spruce stems in the spruce stand (1), on beech stems in the beech stand (2), and on spruce (3) and beech stems in the mixed stand (4). The following harvestmen species, with 1601 individuals in total, were found: Mitopus morio, Oligolophus tridens, Platybunus bucephalus, Leiobunum blackwalli, and Leiobunum rotundum. The number of individuals was highest on spruce stems in the more open spruce stand, mainly due to Mitopus morio, whereas number of species was highest on beech stems in the mixed stand. Both the number of individuals and species were lowest on beech stems in the beech stand. Here, additional information about the phenology of the harvestmen species is given.
The wolf spider Pardosa schenkeli Lessert, 1904 was since long regarded as occurring in Germany and Poland but is excluded from the recent checklist of spiders found in these countries. Re-examination of material collected in Germany and Poland, respectively, verifies its presence in both countries. Characters for distinguishing P. schenkeli and its ally P. bifasciata (C.L. Koch, 1834) are given and illustrated.
Im Solling (Süd-Niedersachsen, Deutschland) wurden in einer Blockdesign-Studie 18 alte (> 90 Jahre) und mittelalte (58 - 89 Jahre) Fichten-, Misch- (Fichte/Buche) und Buchenbestände untersucht, die in sechs Blöcken angeordnet waren; jeder Block bestand aus einem Fichten-, einem Misch- und einem Buchenbestand. Es sollte überprüft werden, welchen Einfluss der Bestandestyp auf die Diversität und die Struktur von Populationen der epigäischen Bodenmakrofauna hat. In jeder Altersstufe wurde die Fauna über ein Jahr mit Streu- und Bodenproben, Bodenphotoeklektoren und Bodenfallen erfasst; die in diesem Beitrag dargelegten Ergebnisse zu den Weberknechten beziehen sich überwiegend auf Bodenfallenfänge. In beiden Altersstufen waren die Individuendichten der Arten und die Artendichte sowie der Deckungsgrad und die Diversität der Krautschicht in den lichteren Fichten- oder Fichten- und Mischbeständen signifikant am höchsten (nach einer nichtparametrischen zweifaktoriellen Varianzanalyse). Wichtige extrinsische Faktoren, die Diversität und Struktur der Weberknechtgemeinschaften beeinflussen, sind die Habitatdiversität, die Stratifikation der Vegetation und der für Populationen verfügbare Aktivitätsraum. In der vorliegenden Studie wird außerdem über die Phänologie der Weberknechtarten informiert. Im Solling wurden bisher 16 Weberknechtarten nachgewiesen.
The genus Araeoncoides Wunderlich, 1969, containing a single species A. berolinensis Wunderlich, 1969, is revised and transferred to the genus Moebelia Dahl, 1886 (nov. syn.). The female is described for the first time. All six known records are reported. Distribution, habitat and phenology are discussed. Until now, records are known exclusively from Germany.
The first two records of Zoropsis spinimana (Dufour, 1820) in Germany are presented together with a further discovery of the species in Central Switzerland. A spreading of the species from South to North along traffic routes is supposed and climate change is suggested as a possible reason for the species establishing itself in Central Europe.
The development and present status of arachnology at the Senckenberg-Museum (Frankfurt) are critically reviewed. Extended periods of care and maintenance were followed, from 1955 onwards, by flourishing decades, including considerable enlargement of the collections. One of the most complete libraries in the field originated from this time. Progress culminated in the arrangement of meetings and finally of international congresses, including the foundation of what is now the International Society of Arachnology (formerly C.I.D.A.). Data on some relevant authors such as Roewer and Wiehle are included.
In winter 2000/01 and in June 2001 branch-beating methods were used for sampling spiders in canopies of spruce (Picea abies) and Douglas-fir (Pseudotsuga menziesii) in SW-Bavaria (Germany). Differences in spider assemblages between the two tree species are discussed with particular emphasis on the dominant species and taxa. For the rare species Theridion boesenbergi Strand, 1904 remarks on their occurrence in Bavaria, Germany and Europe are given. For Cinetata gradata (Simon, 1881) we present an update to the entire known distribution including a new map. For both species new records are specified and discussed concerning habitat preference, phenology and distribution. Both species seem to be obligate tree colonisers, C. gradata primarily in the canopy stratum. Adults of C. gradata are to be found during all months of the year; T. boesenbergi exhibits an abundance peak in June, males are known to occur from May to August and females the whole year round. The distribution of both species is restricted to Europe, excluding the northern and western parts (Arctic and Atlantic climate) and the Mediterranean zone.
Drassodes lapidosus und Drassodes cupreus (Araneae: Gnaphosidae) - eine unendliche Geschichte
(2006)
Drassodes lapidosus and Drassodes cupreus (Araneae: Gnaphosidae) – a never-ending discussion. According to PLATNICK (2006) the taxa Drassodes lapidosus (Walckenaer, 1802), the type species of the genus Drassodes (Westring, 1851), and Drassodes cupreus (Blackwall, 1834) are two valid species. However, GRIMM (1985) merged them into one taxon. Different taxonomists have separated these species by the positions of the teeth in the frontal margin of the chelicerae and by the proportions of the palpal segments in males. Females are separated by the proportions of different features in the epigyne. The altitude at which they occur is used for separation, too. The aim of this paper is to discuss whether these characteristics really allow the separation of these two taxa. In order to solve this taxonomical problem, 116 male and 108 female specimens from Central Europe were examined. The variation of the mentioned characters is shown. Spearman’s rho correlations and factor analyses are presented. The results show that there are transitions between the two taxa D. lapidosus and D. cupreus and, thus, they cannot be separated using the diagnostic features currently available.
Eines der gut belegten syntopen Vorkommen der beiden in Morphologie und Lebensweise sehr ähnlichen Atypus- Arten A. affinis und A. piceus befindet sich im Kaiserstuhl (Südwestdeutschland). Dies konnte im Rahmen einer seit 1979 kontinuierlich laufenden Langzeitstudie über die Wiederbesiedlung von Weinbergsböschungen nach großflächiger Flurbereinigung gezeigt werden. Die Männchen der beiden Arten sind zu unterschiedlichen Jahreszeiten an der Oberfläche aktiv, sie sind auch in der Größe klar verschieden. Für beide Arten konnte die Besiedlungsgeschichte nachvollzogen werden: Wie für einen typischen K-Strategen zu erwarten, erfolgt der Populationsaufbau langsam und ist heute noch nicht abgeschlossen. Die Atypus-Arten werden als geeignet angesehen, beispielhaft für Fragestellungen des Naturschutzes zu dienen. Auf Grund ihres langen Entwicklungszyklus sind diese Arten durch drastische Biotopveränderungen besonders gefährdet, am Kaiserstuhl wäre dies das neuerdings wieder erlaubte Flämmen zur Böschungspflege.
In Ralf Rulands Verfilmung der Kafka Erzählung "Ein Bericht für eine Akademie" werden verschiedene intermediale Markierungen verwendet, die eine Verweisstruktur zwischen literarischer Vorlage und Film aufbauen. Beispielsweise sind im Film Fotographien, Gemälde und Gegenstände zu sehen, die direkt oder indirekt auf Sprache und Inhalte der Erzählung Kafkas anspielen und eine sehr textorientierte Vorgehensweise des Regisseurs erkennen lassen. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass der gesamte Kafkatext als Monolog von einem Schauspieler gesprochen wird. Dennoch wählt man durch jede Bebilderung von Literatur eine spezifische Interpretation, die den Grad der fiktionalen Abstraktionsmöglichkeiten gegenüber dem Text reduziert und ihm eine zwar ebenfalls fiktionale, aber dennoch bildlich reale Ebene gibt. Das heißt jedoch nicht, dass der Rezipient einer Literaturverfilmung zwangsläufig einer abgeschlossenen und offensichtlichen Deutung eines Textes gegenüberstünde, die zu weiteren Anschlussüberlegungen einlädt.
Ang Lees Cowboy-Film "Brokeback Mountain" war der Favorit der Oscar-Saison 2006. Zwar gewann schließlich das Sozial-Drama "L.A. Crash" die meisten Preise, aber drei Oscars, den Goldenen Löwen von Venedig und ein paar Golden Globes hat der Streifen schließlich doch abräumen können; Kritiker lieben ihn, das Publikum streitet und äußert sich ebenfalls überwiegend positiv. Wieder einmal hat das große, massenkompatible Kino seine Innovationskraft bewiesen: Schwule Cowboys vor Postkartenlandschaft, das gab es bisher nicht. Ang Lee erzählt den ur-amerikanischen Mythos vom Cowboy neu und beweist damit, wie sich längst totgeglaubte, fest im kulturellen Gedächtnis verankerte narrative Systeme erfolgreich reanimieren lassen.
Galt David Lynch lange Zeit lediglich als „Enfant terrible“ des amerikanischen Cinema, hat er sich im Laufe der Jahre auch den Ruf eines „Bild-Magiers“ erarbeitet. Weil die verstörende Intensität seiner Filme ohne die drastische Darstellung von Sexualität und Gewalt kaum denkbar ist, hielten Lynch viele in den 1980er-Jahren für einen reinen Provokateur und Gesellschaftskritiker. Diese Einstellung relativierte sich jedoch, als in den 1990er-Jahren mediale Gewalt stetig zunahm und zum Fernsehalltag wurde. Lynchs Werke sorgten nun nicht mehr für einen Sturm der Entrüstung, denn die Zuschauer hatten sich durch Genres wie Horror, Action und Soft-Pornographie an eine viel explizitere Darstellungsweise gewöhnt und richteten ihr Augenmerk nun stärker auf die filmsprachliche und -technische Kunstfertigkeit. Auch für die Wissenschaft steht seitdem nicht mehr die Suchenach einer intellektuellen Botschaft im Vordergrund, sondern das Entschlüsseln von Lynchs ganz eigener Bildwelt, die eine so ungewöhnliche Sogkraft besitzt und von Fans – als Pendant zum Begriff ‚kafkaesk’ – ‚Lynch-World’ getauft wurde. Ein Grund mehr, sich mit jenem Film näher auseinanderzusetzen, der Cineasten als repräsentativ für Lynchs filmisches Schaffen gilt: „Blue Velvet“.
Dieser Artikel versucht die Philosophie des Films "Irreversible" von Gaspar Noe zu beleuchten, der "den Skandal" der Filmfestspiele von Cannes 2002 darstellte. Dabei wird auf die Darstellung von Gesellschaft ebenso eingegangen, wie auf die Verbindung von Sexualität und Gewalt oder den filmüberspannenden Gedanken der zerstörerischen Zeit.
Martin Scorseses "No Direction Home" : his Bobness begins oder Wie ich lerne den Dylan zu lieben
(2006)
Martin Scorsese hat sich in seiner Dokumentation “No Direction Home“ den frühen Anfängen des Mythos Bob Dylan anzunähern versucht. Gepaart mit Dylans Autobiographie „Chronicles“ wird dabei eines klar: Je mehr wir glauben über Dylans Anfänge zu wissen, desto weniger kommen wir dem eigentlichen Mythos näher. His Bobness ist undurchdringbar und auch deshalb unerreicht. Erst dadurch erinnern wir uns letztlich auch daran, was ein Mythos eigentlich ist: ein kaum überprüfbares, verführbares und verführendes Faszinosum.
Die Kunstbeschreibung unterliegt um die Mitte des 18. Jahrhunderts einigen einschneidenden Wandlungen. Sie wird nachdrücklicher als je zuvor ästhetisch und sie wird mehr denn je geschichtsbewußt. Die Ästhetisierung der Kunst, der der sprachliche Nachvollzug in der Beschreibung Rechnung zu tragen hat, will die Absonderung des Schönen vom Guten und Wahren. Dieses Schöne soll sich als eigengesetzlich, als autonom erweisen lassen und nicht mehr nur Vehikel sein für außerästhetische, begriffliche oder moralische Gehalte. Und dem Eigenen der Kunst, dem Individuellen der Werke, wächst auch die Dimension der Zeit zu: Es wird als Besonderheit des Vergangenen tendenziell fremd und will durch neue Anstrengungen des Verstehens, der Hermeneutik, in die Gegenwart herübergerettet werden. In dem Maße aber, in dem dies Eigene und das Befremdliche und nicht allzeit Verfügbare daran ins Bewußtsein tritt, stellt sich die Frage nach der Möglichkeit sprachlicher Aneignung. Ist ein System selbstbezüglicher Zeichen, eine auf Sichtbarkeit hin strukturierte eigene Kunstwelt, der Beschreibungssprache, also einer Annäherung in einem anderen Medium, überhaupt zugänglich? Und ist das Frühere, und wenn ja, unter welchen Bedingungen, überhaupt zu vergegenwärtigen?
Als Uwe Johnson im Frühjahr 1980 in seinen "Begleitumständen", der Buchfassung der im Jahr zuvor an der Frankfurter Universität gehaltenen Poetik-Vorlesung, erstmals mitteilte, er sei von seiner Frau seit 1961 mit einem Agenten des tschechoslowakischen Staatssicherheitsdienstes betrogen und von beiden einvernehmlich ausspioniert worden, war die Ratlosigkeit unter seinen Lesern groß. Welches Interesse konnte der tschechische Staatssicherheitsdienst an Johnsons dichterischem Werk gehabt haben oder haben, und welches Interesse im besonderen daran, den Autor am Abschluss der "Jahrestage" zu hindern?
Der Beitrag behandelt diminuierte Partikeln, etwa „Hallöchen“, „Tschüssi“ oder „Jaui“. Die Diminuierung von Partikeln durch -chen und -i ist ein produktives und häufig auftretendes Phänomen im Deutschen, wird in grammatischen Beschreibungen jedoch weitgehend vernachlässigt; diese konzentrieren sich in erster Linie auf nominale Kontexte der Diminuierung. Betrachtet man jedoch die vollständige Distribution von -chen und -i, so ergibt sich ein interessantes Problem für die morphologische Beschreibung, da sie auf einen hybriden Status der Suffixe zwischen Kopf und Modifikator hinweist. Ich diskutiere die Implikationen dieses Befundes für die Charakterisierung des morphologischen Systems und zeige, dass ein verbindendendes Moment der Distribution auf der morphopragmatischen Ebene liegt, nämlich in der Expressivität von Diminutivsuffixen. Im Fall diminuierter Partikeln geht dies so weit, dass der Bedeutungsbeitrag ein rein pragmatischer ist, auf Kosten der semantischen Komponente. Ich zeige, dass die Diminuierung von Grußpartikeln wie „Tschüssi“ zudem wesentlich durch einen metrischen Aspekt motiviert ist, nämlich die Anpassung an das in Grüßen vorherrschende trochäische Muster, das durch die Diminutivsuffigierung ermöglicht wird, und argumentiere, dass diese metrische Anpassung durch den Status von Grüßen als sozialen Ritualen ausgelöst wird. Partikeldiminuierung weist damit auf ein komplexes Zusammenspiel grammatischer, pragmatischer und genereller kognitiver Aspekte hin.
„Ich mach dich Messer“ ist eine jugendsprachliche Wendung, die als ritualisierte Drohung im Sinne von „Ich greife dich mit einem Messer an.“ zu verstehen ist. Diese Wendung, bei der sowohl die semantische Bleichung („semantic bleaching“) des Verbs als auch das Fehlen des Determinierers in der NP auffällt, verweist auf Merkmale morpho-syntaktischer Reduktion, wie man sie häufig in Kontaktsprachen findet. Wie ich zeigen werde, handelt es sich hierbei jedoch nicht um eine bloße sprachliche Simplifizierung, sondern um ein komplexes und produktives grammatisches Phänomen: In „Ich mach dich Messer“ manifestiert sich ein spezifisches Zusammenwirken syntaktischer und semantischer Phänomene, das ich im folgenden als sprachliche Arbeitsteilung nach dem Muster von Funktionsverbgefügen beschreiben werde.
Zwischen 2001 und 2003 wurden umfangreiche Daten zur phytophagen Käferfauna des östlichen Westfalen (Schwerpunkt) unter Berücksichtigung ihrer Wirtspflanzen erhoben. Bisher nicht publizierte Daten aus dem angrenzenden Niedersachsen sowie dem Bergischen Land und weiteren Regionen wurden ebenfalls berücksichtigt. Im Mittelpunkt der Erhebungen standen infolge der Klimaerwärmung sich ausbreitende Arten. Darüber hinaus wurde gezielt nach verschollenen Arten gesucht, da angenommen wurde, dass aufgrund des wärmeren Großklimas eine bessere Chance bestehen müsste, verschollene Arten der überwiegend wärmeliebenden phytophagen Käfer wieder nachzuweisen. Die Grunde für das Auffinden zahlreicher neuer oder verschollener Arten werden diskutiert. Die wichigsten Ursachen sind rezente Einwanderung bzw. Wiederausbreitung, Seltenheit (bzw. zeitlich und räumlich limitiertes Auftreten), aber auch Übersehen oder bisherige Verwechslung mit ähnlichen Arten. Behandelt werden 21 Nitiduloidea-, 5 Phalacridae-, 3 Cerambycidae-, 67 Chrysomelidae-, 2 Bruchidae- und 207 Curculionoidea-Arten. 15 Arten sind neu für Westfalen, davon sind 3 Arten gleichzeitig neu für NRW. Als Wiederfunde werden für Westfalen 25 Arten aufgeführt. Für 17 Arten, die in der älteren westfälischen Literatur genannt werden, wird die Streichung aus der westfälischen Fauna aufgrund von Fehldetermination bzw. Verschleppung diskutiert. Phänologien werden für folgende Arten dargestellt: Squamapion atomarium, Squamapion oblivium, Otiorhynchus laevigatus, Trachyphloeus alternans, Trachyphloeus asperatus, Orthochaetes setiger, Smicronyx swertiae, Mitoplinthus caliginosus. Rezente Ausbreitungsvorgänge werden bei Coptocephala rubicunda, Chrysolina hyperici (Wiederausbreitung), Phyllotreta procera, Longitarsus dorsalis (Wiederausbreitung), Malvapion malvae (Wiederausbreitung), Sirocalodes mixtus, Rh/nusa asel/us, Olibrus pygmaeus, Phalacrus fimetarius, Longitarsus lewisil, Larinus turbinatus, Rhinocy/lus conicus und Bradybatus fallax erörtert.
Die Themen Sprachrichtigkeit und Sprachidentität haben in Deutschland seit einiger Zeit Hochkonjunktur. Der 'Sprachpfleger' Bastian Sick, in der massenmedialen Berichterstattung stereotyp als gleichermaßen "kompetent" wie "lustig" und "gar nicht oberlehrerhaft" angepriesen, verkauft seine Kolumnensammlungen millionenfach und füllt bei seinen Lesungen mühelos ganze Konzertsäle. Der Verein Deutsche Sprache, Speerspitze der Anglizismenkritik im deutschsprachigen Raum, hat nach eigenen Angaben mittlerweile fast 30.000 Mitglieder. Betrachtet man diese Protagonisten des öffentlichen Sprachdiskurses aus linguistischer Perspektive, so stellt man fest, dass sich die von ihnen propagierte Sprachauffassung in der Regel an einer alten Metapher orientiert – der biologistischen Metapher von Sprache als einem Organismus: Ein Organismus kann geboren werden und sterben; er kann krank werden und verfallen, er ist – um es mit einem Ausdruck von Jürgen Spitzmüller zu sagen – eine klar "abgrenzbare Einheit". Ein Sprachsystem erscheint somit als ein abgeschlossenes organisches Gebilde, welches es zu erhalten gilt und das durch schädliche Einflüsse von außen in seiner Identität gefährdet ist.
Ziel des vorliegenden Aufsatzes ist es, zu einer neuerlichen Diskussion der Begriffe 'Medium' und 'Kommunikation' in der Linguistik beizutragen. Dabei versuche ich insbesondere, den philosophisch-kulturwissenschaftlichen Diskurs, in welchem die Themen 'Medialität' und 'Perfonnanz' seit längerer Zeit intensiv diskutiert werden, zu dem in der Angewandten Linguistik geläufigen Modell der Kommunikationsformen in Beziehung zu setzen und Möglichkeiten einer Verbindung dieser beiden Diskurse zumindest anzudeuten. Der Aufsatz gliedert sich in vier Abschnitte: Zunächst werden einige geläufige Mediendefinitionen vorgestellt. Im zweiten Kapitel stelle ich dann die Frage 'Ist Kommunikation ein Transportvorgang?', um auf dieser Grundlage im dritten Kapitel eine alternative Medienkonzeption vorzustellen. Im letzten Kapitel wird dieser Medienbegriff dann sowohl vom Begriff des Zeichensystems, als auch von dem der Kommunikationsform abgegrenzt.
Als ich im Juli 2002 vor der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf meinen Habilitationsvortrag über populäre Anglizismenkritik hielt, ahnte ich noch nicht, zu welchen Aufgeregtheiten ich damit bzw. mit der Veröffentlichung im Sprachreport (4/2002: 4-10) und im Internet (http://www.phil-fak.uniduesseldorf.de/germ1/mitarbeiter/niehr/anglizismen. html) Anlass geben würde. Ich hatte in dieser Veröffentlichung aufgezeigt, dass die Kriterien, die der Verein deutsche sprache (VDS) zur Grundlage seiner sprachkritischen Beurteilung von Anglizismen heranzieht, nicht nur einer linguistischen Überprüfung nicht standhalten, sondern auch für die Sprachpraxis völlig ungeeignet sind.
Bisherige Untersuchungen über die Religiosität des Dichters Rainer Maria Rilke zeigen zwei stark divergierende Ergebnisse: Während der Religionspädagoge Anton Bucher auf der Basis einer strukturgenetischen Analyse Rilkescher Schriften zu dem Schluss kommt, Rilke sei eine sehr reife religiöse Persönlichkeit gewesen, sieht der Literaturwissenschaftler Eudo C. Mason, der mit psychodynamischen Kriterien arbeitet, in Rilke einen reinen Narzissten und Atheisten. Die folgende Untersuchung vergleicht diese beiden Zugänge und versucht, eine Brücke zu schlagen zwischen dem "religiös reifen Rilke" und dem "atheistisch-narzisstischen Rilke".
Nichts als Kunst : archäologische Forschungen zur früheisenzeitlichen Nok-Kultur in Zentral-Nigeria
(2006)
Das Dorf Omutiuanduko in einem "Herero-Homeland" im mittleren Nordwesten Namibias hat wie viele Kommunen in dieser wüstenreichen Region mit Wasserproblemen zu kämpfen. 2002 erhielt Omutiuanduko von Namwater, der staatlichen Wasserversorgung, ein Bohrloch und eine Dieselpumpe sowie praktische Anleitung zum organisatorischen Aufbau einer Wasservereinigung (orutu yorwi), in der die Herero ihre Belange selbst verwalten müssen. Danach zogen die Experten ab, die Gemeinde musste allein zurecht kommen – ein typisches Beispiel, wie lokale Entwicklungshilfe abläuft. Doch was passiert, wenn die Experten das Feld räumen? Wie wird externes Wissen angeeignet und umgesetzt? Wie verträgt sich das mit den lokalen Sprachen und der sozialen und kulturellen Dynamik vor Ort? Um solche Phänomene wissenschaftlich zu untersuchen, hat die Volkswagen-Stiftung im Schwerpunkt "Schlüsselthemen der Geisteswissenschaften" im Juni 2003 das Forschungsprojekt "Language, Gender, Sustainability" angestoßen: In multidisziplinär orientierten Studien sollen lokale Entwicklungsprojekte in der Elfenbeinküste, Indonesien und Namibia soziolinguistisch untersucht werden. Ausgangspunkt der Forschung ist die Beobachtung, dass zwar die Arbeit von Entwicklungsprojekten sehr gut dokumentiert ist und regelmäßige Kontrollen zur Durchführung vorgenommen werden. Lokale Prozesse können aus unserer Sicht erst dann verstanden werden, wenn berücksichtigt wird, wie sie in den lokal verwendeten Sprachen formuliert werden.
In einer vernetzten Welt machen Epidemien nicht an Ländergrenzen Halt. Mit der zunehmenden Verfügbarkeit von wirksamen Therapien in Entwicklungsländern wird nun auch das Wissen, das in den Industrieländern durch klinische Forschung gewonnen wurde, für Afrika und Südost-Asien interessant. Das Wissen um eine verbesserte Behandlung HIV-Infizierter mit benachteiligten Regionen in Afrika zu teilen, ist auch das Anliegen einer Klinikpartnerschaft zwischen dem Frankfurter HIVCENTER und der Karabong Klinik des Mafeteng Government Hospitals in Lesotho. Durch die Einbeziehung der Universitätsklinik in Stellenbosch, Südafrika, die eine Hochschulpartnerschaft mit der Universitätsklinik Frankfurt unterhält, soll zudem der Süd-Süd-Austausch zwischen den afrikanischen Partnern gestärkt werden.
Vom Weiler zur Großsiedlung : das erste vorchristliche Jahrtausend in der Sahelzone von Nigeria
(2006)
Europäer, die zum ersten Mal ein Dorf in der Sahelzone Westafrikas betreten, kommen sich manchmal wie Zeitreisende vor. Als stünde die Zeit seit Jahrtausenden still, so wirken die aus Lehm gebauten Häuser und mit Muskelkraft bestellten Felder. Doch der Eindruck täuscht. In Wirklichkeit durchlief gerade die Sahelzone Entwicklungen mit einer Dynamik, für die es nur wenige Parallelen in der frühen Geschichte der Menschheit gibt. Mit einer solchen Entwicklung beschäftigten sich Frankfurter Wissenschaftler in der DFG-Forschergruppe "Ökologischer Wandel und kulturelle Umbrüche in West- und Zentralafrika".
Die afrikanische Literatur existiert genau so wenig wie die europäische, zu vielfältig und vielschichtig sind die beteiligten Gesellschaften, Sprachen, Kulturen und Nationen. Afrika als einheitlicher Kulturraum wurde historisch von Europa erfunden: als Inspirationsquelle zivilisationsmüder Avantgarde-Bewegungen und als Projektionsfläche europäischer Phantasien und Exotismen. Tatsächlich sind auf dem Boden wirtschaftlicher Ausbeutung, religiöser Missionierung und politischer Allmachtsvorstellungen überall in Afrika höchst unterschiedliche postkoloniale Kulturen und Literaturen entstanden, die "afrikanische Identität" permanent überdenken und auf neue Weise zum Ausdruck bringen. Die Konturen dieser afrikanischen Vielfalt werden vor dem Hintergrund der Einbindung und Vernetzung der afrikanischen Literatur in der globalisierten Welt besonders deutlich.
Obwohl die reiche Artenvielfalt der westafrikanischen Savannenlandschaften erst in Ansätzen erforscht und dokumentiert ist, geht aus Beobachtungen der ansässigen Bevölkerung hervor, dass viele Pflanzenarten bedroht sind. Dies ist nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein soziokulturelles Problem. So werden beispielsweise in Nord-Benin etwa 80 Prozent aller vorkommenden Pflanzen zu medizinischen Zwecken herangezogen und stellen damit die Basisgesundheitsversorgung besonders für die ländliche Bevölkerung dar. Neben der Verwendung der Pflanzen in der traditionellen Medizin kommt ihnen auch in der täglichen Ernährung, als Baumaterial und zur Herstellung von Kosmetika eine entscheidende Rolle zu. Das interdisziplinäre BIOTA-Projekt der Universitäten Frankfurt und Mainz, des Forschungsinstituts Senckenberg und der Universitäten Ouagadougou (Burkina Faso) und Abomey-Calavi (Benin) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die biologische Artenvielfalt und das damit verbundene lokale Wissen zu erforschen, zu schützen und zu erhalten. Erste Erfolge konnten bereits durch die Anpflanzung besonders bedrohter Arten und die Einrichtung eines Medizinalpflanzengartens, gemeinsam mit lokalen Heilkundigen in Nord-Benin, erzielt werden.
Wissenschaftsvermittlung in der Wiege der Menschheit : das Cultural & Museum Centre Karonga, Malawi
(2006)
Karonga, der "Fossiliendistrikt" im Norden Malawis, ist reich an versteinerten Resten aus der Urzeit des Menschen. Doch wo einst die Wiege der Menschheit stand, leben Menschen heute an der Peripherie der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung. Der Paläoanthropologe Friedemann Schrenk, der dort mit seinen amerikanischen Kollegen Timothy Bromage die raren Relikte unserer Vorfahren, Hominidenfossilien, entdeckte, hatte die Idee, das kulturelle und naturhistorische Erbe für die einheimische Bevölkerung in einem ungewöhnlichen Museumsprojekt erfahrbar zu machen. Das Cultural & Museum Centre Karonga präsentiert 240 Millionen Jahre Erdgeschichte "From Dinosaurs to Democracy" zum Anfassen, Erkunden und Hinterfragen.