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Theatermetaphorik in Wissenschaft und Wissenschaftstheorie um 1700 : Gottfried Wilhelm Leibniz
(2005)
Francis Bacon schreibt 1620 im Novum Organum: „Es gibt endlich Idole, welche in den Geist der Menschen aus den verschiedenen Behauptungen philosophischer Lehrmeinungen wie auch aus den verkehrten Gesetzen der Beweisführung eingedrungen sind; diese nenne ich die Idole des Theaters [...].” Der Wegbereiter der empirischen Wissenschaften gebraucht die Theatermetapher zur Bezeichnung einer wissenschaftlichen Methode, die falsch ist und den Weg zur Wahrheit blockiert. Doch nicht immer stehen sich im 17. Jahrhundert Theater auf der einen, Wissenschaft und Wissenschaftstheorie auf der anderen Seite diametral gegenüber – es kommt vielmehr zu einer äußerst produktiven Begegnung zwischen ihnen.
Der französische Ausdruck ‚femme de lettres‘ (Literatin, Schriftstellerin) changiert, wörtlich genommen, zwischen den Bedeutungen ‚Frau – oder Herrin? – der Buchstaben‘, ‚Frau der Briefe‘ und ‚Frau der Literatur‘. Ihnen entsprechen die drei Aspekte Lesekompetenz, Epistolographie und Literatur. In diesem Dreieck situiert sich die aristokratische Frau im Frankreich des 17. Jahrhunderts, die in einer Zeit von weit verbreitetem Analphabetismus und fehlender Mädchenbildung lesen kann, der das Schreiben von Briefen und Briefromanen als geschlechtstypische Ausdrucksform zugeschrieben wird und die sich durch das Verfassen von Essays, Romanen, Erzählungen, Märchen, Gedichten und Porträts vielfältig literarisch betätigt.
Dagmar Leupold, Lyrikerin, Prosaistin, promovierte Komparatistin und Übersetzerin aus dem Italienischen, hat in den neunziger Jahren insbesondere durch drei Romane - Edmond: Geschichte einer Sehnsucht (1992), Federgewicht (1995) und Ende der Saison (1999) - auf sich aufmerksam gemacht. Darüber hinaus erschienen von ihr bisher zwei Gedichtbände - Wie Treibholz (1988) und Die Lust der Frauen auf Seite 13 (1994) - sowie der Band Destillate (1996), der Kurzprosa und Lyrik versammelt. Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit den Romanen, also mit einer Gattung, die schon oft und nun in der Postmoderne erneut totgesagt wurde, andererseits jedoch lebendiger denn je erscheint, vielleicht gar "zum eigentlichen Medium dessen geworden [ist], was unter dem Begriff 'Postmoderne' subsumierbar wäre". Wenn Leupolds Romane der Postmoderne zugerechnet werden, dann ist dieser oft als Passepartout missbrauchte Begriff kritisch auf seine Brauchbarkeit für die Beschreibung zeitgenössischer Prosa zu prüfen. Die Postmoderne-Debatten, die Forschung und Feuilleton seit Mitte der achtziger Jahre in Deutschland führen, sollen nicht aufgerollt, einige ihrer konstruktivsten Erkenntnisse aber einbezogen werden.
Der Titel einer poetischen Ökonomie von Heine und Marx bezieht sich durch Assonanz und Wissen auf die politische Ökonomie, deren Kritik die Hauptwerke von Karl Marx, insbesondere das Kapital, bekanntlich gelten. Auch aus einigen der wichtigsten Werke Heines, den Reisebildern, den Französischen Zuständen und der Lutetia (aber damit sind keineswegs alle benannt) ließe sich eine Kritik der politischen Ökonomie extrahieren, wenn man darunter die Kritik der politischen Konsequenzen wirtschaftlichen Handelns versteht.
"Feinde, es gibt keine Feinde!" : Derridas "Politiques de l’amité" als Replik auf die Wende 1989/90
(2007)
Die Überlegungen zu „Politiken der Freundschaft“ durchqueren die Wendezeiten 1989 und 1990, sie gehen in der Beschäftigung mit den Problemen des Nationalismus, des Fremden, des Theologisch-Politischen in die achtziger Jahre zurück. Diese Durchquerung macht diese Schrift zu einem ausgezeichneten Dokument der Wende, wenn auch, was wenigstens andeutungsweise geschehen soll, das unmittelbarste Zeugnis für eine vom Ereignis der Wende erzwungene Auseinandersetzung die beiden Vorträge vom April 1993 hinzuzuziehen sind, die unter den Titeln "Wither marxism?" und "Spectres de Marx", zu deutsch: Die Gespenster von Marx, aber auch die Spektren, im Sinn von die verschiedenen Facetten, von Marx eine Trauerarbeit und eine neue Internationale ankündigen.
Der Schriftspracherwerb wird heute – nach der kognitiven Wende und in Folge vor allem angloamerikanischer Untersuchungen – als Denkentwicklung aufgefasst, der in erster Linie durch eine vielfältige Auseinandersetzung mit Sprache und Schrift vorangetrieben wird. Begründet wird dies aus kognitiv-entwicklungspsychologischer sowie aus prozessorientiert-psycholinguistischer Sicht (vgl. Schneider, Brügelmann & Kochan 1995). Aus kognitiventwicklungspsychologischer Perspektive wurde verfolgt, wie sich Kinder – insbesondere ohne Instruktion, d.h. vor Schulbeginn – der Schrift nähern.
Sir Thomas Browne (1605-1682), der vielen Autoren angloamerikanischer Provenienz als einer der bedeutendsten englischen Prosastilisten galt und gilt, fungiert in W. G. Sebalds Prosa Die Ringe des Saturn als Identifikationsfigur des Erzählers, als Quelle sowie - unter vielen und vielem anderen - als Gegenstand der Rede. [...] Einer der Gegenstände, die unter diesem Gesichtspunkt in der Pseudodoxia epidemica abgehandelt werden, ist der Hundsstern. Im Zusammenhang mit W. G. Sebald, in dessen Text der Hundsstern ein wiederkehrendes Motiv ist, interessieren mich nun zwei Fragen: 1.) Was impliziert dieses Motiv bei Browne und Sebald; und wie läßt sich ein Zusammenhang mit der Topik der Melancholie herstellen? 2.) Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesem Motiv und der Art und Weise, in der Sebald zitiert - hier konkretisiert an seinem Umgang mit Brownes Texten?
Hebels Fälle
(2004)
So leichtfüßig zumeist die Erzählungen und Gedichte Johann Peter Hebels daherkommen, so geht es doch in vielen seiner Geschichten um wesentliche Weltfragen. Sei es in den naturphilosophischen Beschreibungen des Himmelsgebäudes, die auf undogmatische Weise Reste der Physikotheologie des 18. J ahrhunderts verwenden, sei es in den zeitgeschichtlichen Berichten zur Lage der Nationen, sei es in den jeweiligen Neuigkeiten von schrecklichen Un- und Zufällen, Kriegsgeschehnissen, Anekdoten von menschlicher Größe oder unmenschlicher Niedertracht, oder etwa in der einZIgartigen Reflexion Suwarows, der sich zum Empfänger seines eigenen Befehls macht.
In dem Beitrag wird der Prozeß der Professionalisierung der Linguistik beleuchtet, indem die Zusammenhänge beschrieben werden, die zwischen linguistisch-diskursanalytischer Forschung an der Universität, der praktischen Anwendung ihrer Ergebnisse im Berufsfeld Kommunikationsberatung und -training sowie der Gestaltung der universitären Ausbildung, d.h. von Lehre und Studium, bestehen. Es werden Möglichkeiten und Wege aufgezeigt, diese drei Elemente enger aufeinander zu beziehen, sie in eine positive Wechselwirkung miteinander zu bringen und dadurch Synergieeffekte zu erzeugen. Die Herstellung und Absicherung solcher positiven Wechselwirkungen ist eine wesentliche Voraussetzung für eine verbesserte Trainings- und Beratungspraxis und zugleich ein Beitrag zur Professionalisierung der Linguistik.
In dem folgenden Beitrag beschäftigen wir uns mit den Merkmalen und Besonderheiten diskursanalytischer Fortbildungskonzepte. Unter diskursanalytischen Konzepten verstehen wir solche, die sich auf die Dokumentation, Transkription und Analyse authentischer Diskurse stützen. Wir beziehen uns hier im wesentlichen auf Fortbildungen im beruflichen Bereich und beschränken uns auf solche, die mündliche Kommunikationsformen zum Gegenstand haben. Maßnahmen für die schriftliche Kommunikation ("Schreibseminare") werden hier also nicht berücksichtigt. Im ersten Teil werden wir allgemeine Merkmale diskursanalytischer Fortbildungskonzepte vorstellen; im zweiten Teil folgt dann eine Darstellung des Standardverlaufs, nach dem diskursanalytische Fortbildung konzipiert und durchgeführt wird.
Wir wollen im folgenden das Verfahren der Simulation authentischer Fälle (SAF) etwas ausführlicher vorstellen. Es handelt sich um eine Methode, die das Potential diskursanalytischer Trainingskonzeptionen in spezifischer Weise nutzt und die wir bereits mehrfach mit Erfolg verwendet haben. Sie verbindet die Zwecke und Möglichkeiten traditioneller Simulationen, Plan- und Rollenspiele mit spezifischen diskursanalytischen Methoden und deren Vorteilen. Das Verfahren SAF und seine Zwecke werden zunächst allgemein charakterisiert. Dann wollen wir am Beispiel unseres Seminars, das wir 1995 durchgeführt haben, illustrieren, wie wir konkret vorgegangen sind. Schließlich werden einige weitergehende methodische Fragen diskutiert.
Es wurden Interviews mit hauptberuflichen KommunikationstrainerInnen geführt, um herauszufinden, inwieweit diese sprachwissenschaftliche Theorien, Methoden und Ergebnisse kennen und für ihre Trainings nutzen, wie sie das Verhältnis von Theorie und Praxis der Kommunikation sehen und welche Methoden der Diagnose von Kommunikationsproblemen, Veränderung und Evaluation sie einsetzen. Wie die Befragung zeigt, ist die Distanz zwischen Trainingspraxis und Sprachwissenschaft noch immer sehr groß und haben nur wenige Theorien und Ergebnisse in den Trainingsbereich Eingang gefunden. Die diskursanalytischen Methoden zur Analyse kommunikativer Probleme werden hier bislang kaum genutzt. Eine Konsequenz daraus sollte u.E. sein, daß die Linguistik für eine Kooperation in aktiver Weise attraktive und auf die Adressaten zugeschnittene Angebote machen muß.
In unserem Beitrag gehen wir der Frage nach, wie Erwachsene neue Fähigkeiten und Fertigkeiten zum mündlichen Kommunizieren erwerben, d.h. aneignen. Ziel ist es, die beteiligten Prozesse für Analyse-, Beratungs- und Vermittlungszwecke zu systematisieren, um Antworten auf die folgenden Fragen zu finden: Welche Teilfähigkeiten werden zum mündlichen Kommunizieren überhaupt benötigt? Welche lassen sich leicht – welche nur schwer oder vielleicht gar nicht vermitteln bzw. aneignen? Welche Methoden eignen sich für die Vermittlung welcher Fähigkeiten? Ausgangspunkt unserer Überlegungen sind praktische Fragen des Kompetenzerwerbs, d.h. des Erwerbs der Fähigkeit, angemessen mündlich kommunizieren zu können. Wir gehen davon aus, dass es sich hierbei um eine spezifische Kompetenz handelt, die sich von anderen Kompetenzen unterscheidet (vgl. Fiehler/ Schmitt i.d.Bd.). Ihre Besonderheit liegt in den spezifischen Bedingungen der mündlichen Kommunikation begründet: Gespräche und Diskurse sind immer das Resultat aller daran Beteiligter, so dass die Anteile und beteiligten Kompetenzen des Einzelnen weniger offensichtlich sind als bei individuellen Tätigkeiten. Mündliche Kommunikation ist durch ihre Flüchtigkeit, Prozesshaftigkeit, Interaktivität und Musterhaftigkeit gekennzeichnet (vgl. Deppermann i.d.Bd., Abschn. 3). Die Bewältigung mündlicher Kommunikation erfordert ein spezifisches Ensemble von Wissen und Fertigkeiten, die sich zusammenfassend als Gesprächskompetenz beschreiben lassen. Auch wenn wir uns in diesem Beitrag auf die Gesprächskompetenz konzentrieren, sind wir nicht der Auffassung, dass der faktische Gesprächsverlauf ausschließlich eine Funktion dieser Kompetenz ist. Vielmehr spielen andere Faktoren wie Emotionen und Affekte, Beziehungs- und Rollenfragen ebenfalls eine Rolle.
Beginnen möchte ich mit einigen allgemeinen Überlegungen zum Verhältnis von Genus und Sexus. Wie allgemein bekannt ist, handelt es sich beim Genus, dem GRAMMATISCHEN GESCHLECHT um eine Klassifikation von Ausdrücken, insbesondere Substantiven, während Sexus für eine naturgegebene Unterscheidung, das NATÜRLICHE GESCHLECHT steht. In Saussurescher Terminologie ist Genus eine Klassifikation von SIGNIFIANTS, Sexus dagegen eine Klassifikation von SIGNIFIES.
In letzter Zeit haben trennbare Verben, meist "Partikelverben" genannt, groß es Interesse gefunden, insbesondere solche, bei denen der trennbare Teil eine Präposition darstellt. Ich werde mich im folgenden auf Verbindungen konzentrieren, die sich aus einem Substantiv als Erstglied und einem Verb als Zweitglied zusammensetzen. Es soll gezeigt werden, daß es sich bei Verbindungen wie Auto fahren, Klavier spielen um komplexe Prädikate handelt, die sich in ihren Eigenschaften deutlich von parallelen syntaktischen Strukturen unterscheiden, in denen dem Substantiv der Status einer selbständigen Konstituente zukommt.
Der Ausgangspunkt ist die These, daß die verschiedenen Adverbialklassen im Deutschen unterschiedliche Basispositionen aufweisen und daß sich diese durch unterschiedliche strukturelle Anforderungen an die Klassen ergeben. Es soll gezeigt werden, daß sich die plausible Vermutung, daß die Adverbialklassen in Sprachen wie dem Deutschen und dem Englischen entsprechenden strukturellen Bedingungen unterliegen, bestätigt. Unterschiede im Verhalten der Adverbiale in den beiden Sprachen werden demnach nicht durch unterschiedliche Eigenschaften der Adverbiale erfaßt, sondern diese ergeben sich durch die unterschiedlichen Satzstrukturen und die unterschiedlichen Weisen der Argumentverwaltung. Dies wird illustriert anhand von Adverbialen der Art und Weise, Lokal- und Temporaladverbialen, Adverbialen der Subjekthaltung und Satzadverbialen.
Adverbien der Art und Weise im Deutschen und Englischen: zu ihrer Stellung und Interpretation
(2002)
Während es für das Englische seit langem bekannt ist, dass die Interpretation bestimmter ambiger Adverbien von ihrer Stellung abhängt, soll hier gezeigt werden, dass ähnliche Fakten auch im Deutschen zu beobachten sind. Sie können als Hinweis darauf genommen werden, dass bestimmte Adverbialtypen bestimmte Grundpositionen im deutschen Satz haben. Als Beispiel werden in diesem Aufsatz Adverbien der Art und Weise herangezogen, deren Stellungsregularitäten im Englischen und Deutschen auf den ersten Blick völlig unterschiedlich sind. Es wird gezeigt, dass die Stellung dieser Adverbien einer sprachübergreifenden Regularität folgt und dass die zu beobachtenden Unterschiede in der Stellung auf die unterschiedlichen Satzstrukturen des Deutschen und des Englischen zurückzuführen sind.
Daß das Deutsche eine sterbende Sprache sein könnte, scheint auf den ersten Blick eine sehr gewagte These, da die meisten von uns diese Sprache täglich benutzen und auch nicht vorhaben, dies in nächster Zeit zu ändern. Hier soll der Frage nachgegangen werden, ob die massive Fremdwortübernahme, vor allem aus dem Englischen, dahingehend gedeutet werden kann, daß das Deutsch eine sterbende Sprache ist.
Sätze mit Verberststellung können im Deutschen eine kausale Bedeutung haben, wobei sie jedoch eine Besonderheit aufweisen. In diesen Sätzen tritt immer unbetontes doch auf, dem der Status einer Modalpartikel zugeschrieben werden kann. Dabei handelt es sich um eine Randerscheinung, die in den Grammatiken häufig vernachlässigt wird.
Für die Bildung von freien Relativsätzen existieren in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Regeln. In einer Reihe von Sprachen muß der Kasus des Relativpronomens mit dem Kasus übereinstimmen, den das Matrixverb für die NP fordert, an deren Stelle der freie Relativsatz auftritt. Diese sogenannten "Matching-Effekte" sind jedoch nicht in allen Sprachen vorhanden. Es gibt Sprachen, in denen Matching generell nicht oder unter bestimmten Bedingungen nicht erforderlich ist. Deutsch wird im allgemeinen zu den Sprachen gerechnet, in denen freie Relativsätze Matching-Effekte aufweisen müssen. Ein Ziel dieses Aufsatzes ist, zu zeigen, daß dies nicht uneingeschränkt gilt. Auch im Deutschen gibt es freie Relativsätze, die kein Matching aufweisen. Bei dem Kasuskonflikt zwischen dem vom Matrixverb und dem Verb innerhalb des freien Relativsatzes geforderten Kasus kann ersterer unrealisiert bleiben, wenn er höher auf der Kasushierarchie rangiert als der vom Verb im freien Relativsatz geforderte Kasus. Unabhängige Evidenzen für diese Hierarchie werden aufgezeigt. Abschließend werden die Konsequenzen dieses Befunds für die Struktur von freien Relativsätzen diskutiert.
Hier sollen verschiedene Möglichkeiten, die Valenz von AcI-Verben zu analysieren, diskutiert werden. Dabei werden nicht nur Ansätze berücksichtigt, die sich explizit auf den Valenzbegriff beziehen, sondern auch neuere Vorschläge im Rahmen der generativen Syntax zur Analyse der AcI-Konstruktionen. Es handelt sich im wesentlichen um drei verschiedene Analysemöglichkeiten, die auf ihre empirische Adäquatheit und die theoretischen Probleme, die sie aufwerfen, untersucht werden. Als adäquateste Lösung wird sich eine Analyse von AcIVerb und infinitem Verb als Verbalkomplex erweisen, wobei für die Wahrnehmungsverben, kausatives und nicht-kausatives lassen ein unterschiedlicher Grad an Auxiliarisierung vorliegt.
Ziel dieses Artikels ist es, allgemeine Frage- und Problemstellungen bei der Untersuchung des Phänomens Fokus in ausgewählten Gur- und Kwasprachen vorzustellen, d.h. unsere Forschungsvorhaben kurz zu skizzieren, ohne dass wir bereits auf Ergebnisse eingehen können. Dieser Aufsatz gibt einen Überblick über das Forschungsfeld, damit verbundene Problemstellungen und die von uns anvisierten Aufgaben und Methoden: - Was verstehen wir unter Fokus? - Warum sind die Gur- und Kwasprachen für diese Untersuchung von Relevanz? - Welche Korrelationen lassen sich zwischen Struktur und semantisch/pragmatischen Merkmalen erkennen? - Welche Entwicklung haben Fokusstrukturen genommen? - Welche methodischen Grundlagen liegen unseren Untersuchungen zugrunde?
Fokus im Aja
(1998)
Im folgenden Beitrag sollen die verschiedenen Möglichkeiten der Markierung von Fokus im Aja dargestellt werden. Das Aja, oder Ajagbe, umfaßt eine Gruppe von Varietäten, die zum Gbe-Kontinuum, von Westermann als Ewe bezeichnet, gehören. Die im Beitrag herangezogenen Daten stammen aus dem Hwe- sowie dem Dogbo-Dialekt (Daten von Tchitchi 1984) des Aja, die im Süden Benins und Togos gesprochen werden.
Kleist, so der Ausgangspunkt meiner folgenden Überlegungen, interessiert sich nicht nur für Zeit als Machtfaktor im Krieg, für Beschleunigung und die Taktik des Partisanen, sondern er analysiert – umfassender – Zeit als Medium für gesellschaftliche Wirklichkeitskonstruktionen. Zum einen geht es in seinen Texten um Zeitknappheit in Szenen von Kampf und Gewalt. Es greift meines Erachtens zu kurz, diese auf ein Plädoyer für den Partisanenkrieg zu reduzieren. Denn ausgeblendet bleibt dann deren Analysepotential im Hinblick auf die Frage, welche Konsequenzen Zeitknappheit für Kommunikation hat – und umgekehrt: wie Kommunikation Zeitknappheit produziert. Zum anderen geht es in Kleists Texten um die Zeit institutioneller Macht, d.h. um Machtwirkungen, die sich im Rahmen organisierter und strukturierter Zeit entfalten. Das Recht etwa braucht nicht nur Zeit für die Verfahren, auf deren Legitimation es im modernen Staat mehr und mehr beruht, sondern es garantiert auch Zeiten, etwa wenn es darum geht, Identitäten festzustellen oder vergangene Sachverhalte zu rekonstruieren.
Der folgende Beitrag handelt nicht eigentlich über Theodor von Neuhoff (1694 bis 1756), jenen Sproß einer westfälischen Adelsfamilie, der sich in den Aufstand der Bevölkerung Korsikas gegen die Republik Genua verwickeln ließ, 1736 als Theodor I. zum König gewählt und gekrönt wurde und, nach Jahren scheiternd, bis kurz vor seinem Tod in einem Londoner Schuldgefängnis leben mußte. Dieser Mann, den so unterschiedliche Literaten wie Voltaire, Karl August Varnhagen von Ense und Theodor Heuss – um nur je einen Namen pro Jahrhundert anzuführen – als einen ›Abenteurer‹ entweder verspottet (Voltaire) oder mit Sympathie gezeichnet haben (Varnhagen und Heuss), hat nicht nur die Historiographen, sondern auch die Romanciers und Librettisten inspiriert. Der folgende Beitrag handelt über eben diese Fiktionen, zu denen die Lebensgeschichte des Barons und Königs schon im 18. Jahrhundert (und übrigens noch jüngst in einem deutschen Roman) Anlaß gegeben hat.1 Er beginnt mit zwei knappen Abschnitten über Neuhoffs fiktionale Existenz vor dem Zugriff von Christian August Vulpius auf den Stoff (Abschnitt 1) und über die Semantik des Abenteuerlichen in Nachschlagewerken des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts (Abschnitt 2). Die Analyse von Theodor König der Korsen unter der im Titel formulierten Fragestellung macht naturgemäß den Hauptteil aus (Abschnitte 3 und 4). Abgeschlossen werden Analyse und Beitrag durch eine Deutung der von Vulpius in den Roman eingefügten Figur des Ewigen Juden (Abschnitt 5).
Daß die Deutung eines Textes meist vor einem anderen Text erfolgt, den der Deutende schon verstanden hat, dieses Phänomen (von der hermeneutischen Konstellation, daß immer auf einen Fragehorizont hin gedeutet wird, klar zu unterscheiden) läßt sich in der schmalen Forschungsgeschichte zu Goethes »Unterhaltungen« darum besonders gut erkennen, weil die »Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten« selbst bei denen, die sie schätzen, als ein Werk geringeren Gewichts gelten und also der Anlehnung auf jeden Fall bedürfen.
Für den Zeitraum von 1770 bis 1790, in dem sich die moderne Literaturgesellschaft herausbildet, ist es typisch, daß überlieferte Denk- und Wertvorstellungen in Frage gestellt und neue Konzeptionen oft stürmisch und kontrovers entwickelt werden, die dann um und nach 1800 in umfassenden Systemsynthesen gebändigt werden. Dies trifft auch für die Festlegung männlicher und weiblicher Rollenbilder zu: mit Recht wurde gesagt, daß die bis weit in unser Jahrhundert hinein gültigen psychosozialen Geschlechtercharakteristika „[...] im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts erfunden´“ wurden [1]. Zuvor waren einzelne Aspekte der Geschlechterbestimmung - sieht man von der Satire, der Komödie und ihren einschlägigen Thementopoi ab - innerhalb der moralischen Naturlehre, Verhaltenskasuistik und der Reformerziehung behandelt worden; an der Festlegung einer generell gültigen ‘Geschlechtercharakteristik’ bestand kein Interesse [2]. Ab ca. 1770 ändert sich das Bild. Die singulären, bisher auch mit Berufung auf Konvention und Tradition begründeten, stets streng standesbezogenen Pflichten von Mann und Frau werden von der jungen bürgerlichen Bildungselite innerhalb des neu expandierenden moralessayistischen Schrifttums generalisiert und in standesübergreifende und möglichst ‘natur’-begründete Werte umgewandelt, für die breite, wenn nicht universale Geltung beansprucht wird. Gegen Ende des Jahrhunderts markieren Bezeichnungen und Titel wie „Charakter des Geschlechts“, „Charakteristik dieses Geschlechts“ (I. Kant) [3]; „Charakteristik des weiblichen Geschlechts“ bzw. „Der Mann. Ein anthropologisches Charaktergemälde seines Geschlechts“ (C. Fr. Pockels) [4], „Der Charakter und die Bestimmung des Mannes” (Fr. Ehrenberg) [5] dieses neue Interesse an prinzipieller Festlegung der Geschlechterrollen.
Die Allgemeine Literatur-Zeitung (A.L.Z.) war insbesondere in ihrer Jenaer Periode zwischen 1785 und 1803 (anschließend erschien sie bis 1849 in Halle) das auflagenstärkste und wohl auch verbreitetste wie einflussreichste Rezensionsorgan im deutschsprachigen Raum. Ihr ambitioniertes Ziel war es, die gesamte aktuelle Literaturproduktion aus allen Wissensgebieten kritisch zu begleiten. Der vorliegende Aufsatz ordnet die Erschließung der A.L.Z in den Kontext der Weimarer bibliographischen Projekte ein und stellt die Erfassungsgrundsätze sowie Einzelheiten der Recherchemöglichkeiten dar. Das Projekt begann als eine Gemeinschaftsarbeit der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar und des Sonderforschungsbereichs 482 „Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800“.
Für Bibliotheken gehört der Umgang mit elektronischen Ressourcen zu den größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Die Sammlung, Erschließung und dauerhafte Aufbewahrung elektronischer Ressourcen erweitert das Aufgabenfeld von Bibliotheken heutzutage enorm. Auch mit dem Aufbau von Langzeitspeichern müssen Bibliotheken sich auseinandersetzen.
Die Herausforderung der digitalen Langzeitarchivierung betrifft alle Gedächtnisorganisationen - Bibliotheken, Archive, Museen - und kann effektiv und bezahlbar nur kooperativ bewältigt werden. Aus diesem Gedanken heraus wurde 2003 in Deutschland das Kompetenznetzwerk für digitale Langzeitarchivierung „nestor“ mit den Arbeitsschwerpunkten Qualifizierung, Standardisierung, Vernetzung gegründet.
Die dokumentarische Aufarbeitung des 'Dritten Reichs' stößt auf ein grundsätzliches Dilemma: Sie ist auf Bilddokumente aus der NS-Zeit angewiesen, deren starke Suggestivkraft häufig im Widerspruch zur Aufklärungsabsicht eines Filmbeitrags steht. Bis in die 1980er Jahre stand die filmische Vergangenheitsbewältigung unter dem Einfluss des 'Kalten Krieges': Was im einen Teil Deutschlands im Vordergrund der Darstellung stand, wurde im anderen verdrängt. So konzentrierte man sich in der BRD auf Hitlers NSDAP und die Judenverfolgung, in der DDR auf die Verflechtung des Regimes mit kapitalistischen Wirtschaftsinteressen und die Kontinuität von Nazi-Karrieren in der Bundesrepublik. Peter Zimmermann analysiert in diesem Beitrag ausgewählte Filmdokumente von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart und fordert die Dekonstruktion der erstarrten filmischen Ikonographie des 'Dritten Reichs'.
Propagandafilme der NSDAP
(2005)
Dass dokumentarische Filme auch Propagandazwecken dienen können, war in den 20er und 30er Jahren international akzeptierter Konsens. Der nationalsozialistische Propagandafilm war, so gesehen, keine ausgesprochene dokumentarische Entgleisung. Wie die nationalsozialistische Partei und später der NS-Staat den Dokumentarfilm nutzten, um ihre Ideologie und Ziele zu verbreiten, untersucht Peter Zimmermann in diesem Beitrag. Er behandelt den nationalsozialistischen Propagandafilm von den Anfängen der Wahlwerbung über die Parteitagsfilme bis zur Verbreitung der arischen Rassenideologie. Besonderes Augenmerk legt er auf die Ästhetik der Riefenstahl-Filme mit ihrer idealisierenden Verklärung Hitlers und der NSDAP und auf die filmische Konstruktion von Feindbildern wie in Hipplers Propagandafilm "Der ewige Jude". Die einzelnen Kapitel sind Auszüge aus Band 3 des Sammelwerks "Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland".
Der Aufsatz "Zwischen Sachlichkeit, Idylle und Propaganda. Der Kulturfilm im Dritten Reich" von Peter Zimmermann beschäftigt sich mit der Nazi-Propaganda in den Filmen des Dritten Reiches. Dabei analysiert er typische Kulturfilme dieser Zeit und stellt die These auf, dass der Kulturfilm des Dritten Reichs vielfältiger, widersprüchlicher und in weiten Teilen weniger propagandistisch gewesen zu sein scheint, als es das kritische Stereotyp wahrhaben möchte.
Polemik und rhetorische Verkörperung in Jelineks Das Werk, Der Tod und das Mädchen, Bambiland
(2008)
Sagen, was sonst kein Mensch sagt : Elfriede Jelineks Theater der verweigerten Komplizenschaft
(2008)
TheaterSport : Einar Schleef bewegt Elfriede Jelinek ; zum Verhältnis von Bild, Raum und Sprache
(2008)
Anlehnung und Differenz : zum Verhältnis der Theaterästhetik von Elfriede Jelinek und Bertolt Brecht
(2006)
Durch den Text gehen
(2006)
Objektrelativsätze mit haben
(2006)
Objektrelativsätze mit dem Vollverb haben sind im gesprochenen Deutsch vergleichsweise häufig. Sie treten als einfache Objekt-Subjekt-Verb-Strukturen auf, z.B. die ich habe, und auch erweitert durch Modalisierungen und/oder Adverbialphrasen etc., z.B. wie in die ick uff de GRUNDschule schon hatte. Um die Differenzen, die sich zwischen den Verwendungen erkennen lassen, zu erfassen, kann eine standardgrammatische Beschreibung allenfalls als Ausgangsbasis dienen. Ein konstruktionsgrammatisches Vorgehen hingegen, bei dem alle linguistischen Ebenen der Sprachbeschreibung berücksichtigt werden, zeigt die Bandbreite von haben-Relativkonstruktionen auf. In Zusammenhang mit den Matrixstrukturen und unter Berücksichtigung der Diskurspragmatik (informationsstrukturelle und konversationelle Dimensionen) lassen sich vier verschiedene Konstruktionen mit haben-Relativsätzen konturieren: eine Präsentativkonstruktion, eine Topikkonstruktion, eine cleftartige Konstruktion und eine Konstruktion mit identifizierenden haben-Relativsätzen.
Schriftstellerberuf
(2007)
Journalistische Formate
(2007)
Kulturjournalismus
(2007)
Machen wir uns nichts vor. Auch wenn "Event" zum "PR-Wort der letzten Jahre" gekürt worden ist, wenn "Events auf die Besucher wie eine moderne Konsumdroge" wirken, wenn gar vom "Trend zum Event" gesprochen wird, von dem alle Bereiche der Gesellschaft längst so stark erfaßt sind, daß sich ihm nichts und niemand mehr entziehen kann – es bleibt dabei: Wann auch immer davon in Verbindung mit Kultur die Rede ist, da hat man es mit einem bösen Kampfbegriff zu tun. Mit "Eventisierung der Kultur" ist ihr steter Verfall gemeint. Und das Label "Eventkultur" gibt den Zustandsbegriff für eine Gesellschaft, die antrat, mit Kunst und Literatur die höchsten Höhen des Menschenmöglichen zu erreichen, und die nun ihr Bestes, Schönstes und Wahrstes bei einem Schaustellerwettbewerb auf dem Jahrmarkt verhökert. Event, das ist das "zur Sensation hoch inszenierte Nichtereignis, und die größte Kunst im Medienspiel ist das lauteste Krähen". Hier wird, so scheint es, "die Kunst zum bloßen Anlaß für den Konsum (...), zum Alibi", weil sie "in sonderbarer Perversion der alten Horazischen Ästhetik des 'utile cum dulci' und des 'prodesse et delectare', Zucker auf eine Sache streut, die sonst keinem mehr schmeckt." Und das passiert en masse: "Anschwellende Programmhefte, ausufernde Veranstaltungskalender, zunehmender Festivaltourismus, Boom der Multiplex-Kinos, Expo, Millenium Dome – was ist", so fragt sich da der kritische Betrachter mit Blick aufs Literarische, "was ist aus dem Erzählen geworden?" ...
Auf der Autobahn
(2006)
Die Erzählung vom Labyrinth präsentierte sich als eine lineare Verfallsgeschichte vom 'ursprünglich und eigentlich' einwegigen Labyrinth zum Irrgarten, wie sie Eco noch mit seiner dreistufigen Fortschrittsgeschichte bestätigt und fortschreibt. Die Lektüren in den [...] Abschnitten haben aber gezeigt, daß die erste oder 'eigentliche' Labyrinthform durchaus schon jenes Netz oder Rhizom gewesen ist, die Eco schließlich als dritte Stufe [...] anführt; das 'Rhizom-Labyrinth läßt vieldimensional vernetzt die Anordnung von Zentrum und Peripherie zurück; es hat keinen Ausgang.
"'Wenige wissen', [...] daß die Griechen, die ja viele Künste erfunden haben, auch die Erfinder einer Gedächtniskunst sind, die wie ihre anderen Künste an Rom weitergereicht wurde, von wo aus sie dann ihren Weg durch die europäische Geistesgeschichte nahm. In dieser Kunst soll mit Hilfe einer Technik, bei der dem Gedächtnis 'Orte' und 'Bilder' eingeprägt werden, memoriert werden. Sie ist gewöhnlich als Mnemotechnik eingestuft worden.' Wenn von mneme, memoria und deren téchne oder ars gehandelt wird, so gehören zum Kanon der zu lesenden Texte nicht nur Platons Theaitetos und Aristoteles' De Memoria et Reminiscentia, sondern auch die drei lateinischen Rhetoriken aus dem 1. vor- und dem 1. nachchristlichen Jahrhundert, die [...] die Mnemonik tradiert haben werden, die Rhetorica Ad C.Herrenium, Marcus Tullius Ciceros De oratore, Marcus Fabius Quintilians Institutio Oratoria. Diese Schriften überliefern die Mnemonik oder klassische Gedächtniskunst und gaben die Vorlagen für die neuen Ausprägungen der Gedächtniskunst in der Renaissance. [...] Die antike Kunst oder Kunstfertigkeit der memoria prägt ein Gedächtnis, das innen (wie) 'auswendig' ist. Technikgeschichte kommt als Geschichte der antiken techné nicht umhin, auch die der Rhetorik zu sein."
Franz Grillparzer
(1992)
Bei Depressiven ist es, wie oben gezeigt, das private Selbst, das narzißtisch besetzt ist. Dies bedeutet aber nicht, daß sie sich darin geborgen fühlen. Vielmehr ist ihr Rückzug von der Welt mit Schuldgefühlen verbunden, die durch eine extreme Außenanpassung kompensiert werden. Grillparzer ist hierfür ein prägnantes Beispiel, wobei wir uns insbesondere auf das biographische Material von Scheit (1989) stützen, sowie auf Kürnberger (1872), Nadler (1948), Kleinschmidt (1967) und Frederiksen (1977). ...
Ein Plädoyer für das Stolpern, wie es der Titel dieses Beitrags ankündigt, ist prekär, da es die Gefahr des Stürzens in Kauf nimmt. Die schlimmeren Unfälle allerdings gehen oft auf das Fehlen von Grenzhindernissen zurück. Erinnert sei nur an den hinterlistigen Schwellenabbau, den der amerikanische Physiker Alan Sokal an der Demarkationslinie der two cultures betrieb – und damit die Herausgeber der bis dato hochangesehenen Zeitschrift Social Text tüchtig blamierte, die nicht bemerkten, daß der Artikel Transgressing the Boundaries voller Absurditäten steckte. Sokals offensive Beseitigung der Barrikaden zwischen Geistes- und Naturwissenschaften paßte so gut ins postmoderne editorische Konzept, daß man gar nicht mehr darauf reflektierte, ob die Transgressionen im Einzelnen Sinn machten – etwa die dekonstruktivistische Überwindung der Schwerkraft oder die feministische Liberalisierung der mathematischen Axiomatik. Die transliminalen Verheißungen klangen zu verführerisch, als daß man über sie gestolpert – und damit der kompromittierenden Falle entgangen – wäre. ...
Daß es nicht unbedingt die bewegten Bilder sind, die uns bewegen, sondern daß uns oft gerade das bewegt, was sich nicht bewegt, ist eigentlich eine triviale Alltagsbeobachtung. Sie bedürfte keiner weiteren Erörterung, wenn sie nicht in ein medienhistorisches Umfeld fiele, das alles daransetzt, sie zu falsifizieren. So stoßen wir heute häufig auf Bewegungsbilder, die unsere unwillkürliche Aufmerksamkeit affizieren und deshalb als Ursache für innere Bewegungen genommen werden, obwohl es nur Reaktionsmechanismen sind, die sich in der Habituation rasch abschleifen (D 00). ...
Im Jahr 1837 schreibt Gustave Flaubert – er ist sechzehn Jahre alt – die Erzählung Quidquid volueris, eine nahezu perfekte Schauergeschichte im Stil der gothic novel, ein goyaesker Alp "schlafloser Nächte", worin der Erzähler eingangs die Teufel seiner Einbildungskraft, die "Kinder meines Hirns" anruft wie Musen der Inspiration. Virtuos setzt der adoleszente Autor alle Stilmittel des langsam sich aufbauenden Grauens ein, das sich am Ende in einer entsetzlichen Tat entlädt. ...
Sie werden, meine Damen und Herren, diese Bilder "2001 – A Space Odyssey" von Stanley Kubrick erinnern. Dieser Film, 1968 gedreht, also noch vor der ersten bemannten Mondlandung und noch vor dem takeoff des Computerzeitalters – dieser Film ist nicht nur eine Inkunabel eines ganzen Filmgenres, sondern er hat unsere Bilder von Weltraum und Computer maßgeblich geprägt. Er vermochte dies auch deswegen, weil Kubrick hier technische Phantasien und religiöse Motive, psychodelische Zeitreisen und metaphysische Sinnsuche, Urgeschichte und Endgeschichte, Angst vor der Technik und Sehnsüchte nach einer Entgrenzung jenseits von Zeit und Raum in maßstabsetzende Bilder brachte, verbunden mit einem niemals zuvor derart ungeheuren Einsatz von Musik und einer so noch niemals zuvor gesehenen Herabsetzung des Mediums, das seit alters her als die Sphäre des Menschlichen überhaupt angesehen wurde, nämlich die Sprache. Von 141 Minuten Film sind nur 40 Minuten von Dialogen begleitet. Kubrick erweist den Film als dasjenige Medium, in welchem die visuellen Mythen unserer Zeit kreiert werden. ...
Aus den Elementen schuf die Göttin der Liebe, Aphrodite, unsere "unermüdlichen Augen", lehrt Empedokles. Und "das das Herz umströmende Blut ist dem Menschen die Denkkraft". Wie der Körper beschaffen ist, so wächst dem Menschen das Denken. Aristoteles berichtet, daß die alten Philosophen, ausdrücklich Empedokles, Denken und Wahrnehmen für dasselbe gehalten hätten. Aus Elementen sind wir gemischt wie die Dinge, und so nehmen wir die Dinge wahr im Maß, wie sie auf Verwandtes in uns treffen. Im Inneren des Auges ist Feuer, umgeben von Wasser, Erde, Luft. Aus dem Auge wird das Feuer als Sehstrahl auf die Dinge entsandt, und so entsteht das Sehen. Umgekehrt fließen von den Dingen feine Abdrücke ab: wenn sie auf die Poren der Sinnesorgane passen, so werden sie wahrgenommen; passen sie nicht, wird nichts wahrgenommen. So fließt zwischen Leib und Dingen nach der Passung der Poren ein ständiger Strom des Gleichen zum Gleichen. "Denn mit der Erde (in uns) sehen wir die Erde, mit dem Wasser das Wasser, mit der Luft die göttliche Luft, aber mit dem Feuer das vernichtende Feuer, mit der Liebe die Liebe, den Streit mit dem traurigen Streite." (Capelle, 236) Einem solchen Denken ist Personalität, Identität des Subjekts fremd. Zwischen Natur und Mensch besteht kein Bruch, sondern ein Strömen des Gleichen und Verwandten. Kein qualitativer Sprung zwischen Leib und Geist. "Denn wisse nur: alles hat Vernunft und Anteil am Denken" (Capelle, 239) - denn zwischen Göttern, Menschen und den "vernunftlosen" Tieren besteht eine "Gemeinschaft des Lebens und der gleichen Elemente", Verwandtschaft folglich durch jenen umfassend einzigen "Lebenshauch, der die ganze Welt durchdringe". ...
Wir alle kennen den Bestand der Szene: "ein schöner Augusttag des Jahres 1913", meteorologisch bestimmt; eine Stadt in der Physiognomie futuristischer und kubistischer Bilder; ein dynamisches Feld aus Geräuschen, Bewegungen, optischen Zeichen, Rhythmen, Verdichtungen, Bündelungen, Auflösungen, Serien und Sprüngen, Leerstellen und Häufungspunkten, Energieflüssen und Statiken; und darin plötzlich "eine quer schlagende Bewegung", der berühmte Unfall, eine Synkope in der diffusen Ordnung der Dinge, ein "Loch" ins Bodenlose oder ein aufflackernder Irrsinn; dann die Entsorgung des "verunfallten" Verkehrsteilnehmers durch die "Rettungsgesellschaft", die Schließung der Lücke, das Weiterfließen der augenblickslang unterbrochenen Energieströme. Und die Menschen? "Fußgängerdunkelheit bildete wolkige Schnüre", ein Kraftfahrer "grau wie Packpapier", ein "Mann, der wie tot dalag", ein flanierendes Paar, dessen Identifizierung als Personen versucht und sogleich storniert wird, ein Paar, gesichtslos wie Figuren auf Bildern August Mackes, Skizzen aus sozialen und sprachlichen Stereotypen; selbst die "feinen Unterschiede" (Bourdieu) sind differentielle Effekte des Feldes, nicht der Inkommensurabilität von Personen. Es scheint, "daß sich ein gesetzliches und ordnungsmäßiges Ereignis vollzogen habe". Es scheint so. ...