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Dieses Überblickswerk über die Geschichte der von Kampers ausdrücklich als Wisigoten bezeichneten Westgoten ist in einen historisch-erzählenden Teil (I–IV) sowie eine strukturelle Analyse des Reiches von Toledo (V) unterteilt, dem Kampers u. a. deswegen besondere Aufmerksamkeit widmet, weil es "im Standardwerk über die Goten von Herwig Wolfram nicht mehr behandelt wird" (S. 15). ...
Wer den Ehrgeiz hat, sein Fach zu revolutionieren, der sollte sich zu seiner Liebe bekennen und keine Arbeitsvorhaben formulieren, schon gar nicht sollte er wie ein Kassenwart erst einmal "Bilanz ziehen". Fernand Braudel wusste das. "Ich habe das Mittelmeer leidenschaftlich geliebt", schrieb er 1946 im berühmten Vorwort zur ersten Auflage von "La Méditerranée et le monde méditerranéen à l’époque de Philippe II", "der beste Leser dieses Buches wird vielleicht der sein, der mit eigenen Erinnerungen, eigenen Bildern des Mittelmeeres an meinen Text herangeht, ihm eigene Farbe verleiht und mir dabei hilft, worum ich mich mit aller Kraft bemüht habe: die gewaltige Präsenz dieses Meeres erfahrbar zu machen". Aus dem missionarischen Eifer, anderen die narkotisch-erotische Ausstrahlung des mare nostrum zu vermitteln, der er selbst erlegen war, schöpfte er die Kraft für ein gewaltiges Œuvre, das in der Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts seinesgleichen sucht. ...
Die vormoderne "gute Policey" theoretisch zu durchdringen, die Vielfalt ihrer Normen zu systematisieren und die Policeypraxis zu analysieren – damit hatte bereits die vormoderne Policeywissenschaft Schwierigkeiten. Die neuere "Policeyforschung" hat dann auch meist exemplarische Fallstudien bevorzugt und einzelne Städte, Territorien und Regelungsbereiche untersucht oder die Policeydiskurse unter spezifischen Fragestellungen analysiert. Andrea Iseli will dagegen einen kompakten Überblick – "handbuchartig" (Umschlagtext) – über die gute Policey im vormodernen Europa geben. ...
Thomas Ott beschäftigt sich in seiner 2006 abgeschlossenen Dissertation mit dem albertinischen Sachsen und seinen politischen Wirkungskreisen im 16. Jahrhundert. Im Zentrum des Interesses steht die Frage, "was das albertinische Sachsen im Reich 'ausmachte', was es 'galt', wodurch seine Beziehungen zu anderen Ständen und zum Kaiser definiert waren" (6). Als zentrale Maßstäbe für die Einordnung Sachsens in das durch Kaiser und Reichsverband markierte Bezugsfeld werden in der Einleitung unter den Schlagworten "Präzedenz" und "Nachbarschaft" einerseits die Teilnahme an Reichsversammlungen und damit die Bedeutung von Session und Zeremoniell und andererseits das Erbeinungswesen herausgestellt. Bei Letzterem liegt der Fokus auf Erbeinungen zwischen Sachsen und Böhmen und der Frage, ob diese "langfristig für Einfluß bei Kaiser und Ständen sorgen konnten und wie sich dieser Einfluß bemaß" (27). ...
Von 9.–13. November 2009 kamen die 141 Vertragsstaaten der Anti-Korruptionskonvention der Vereinten Nationen in Doha (Katar) zusammen und nahmen die wichtigste Resolution seit Inkrafttreten der Konvention an. In Zukunft wird die Umsetzung der Konvention in jedem Vertragsstaat von jeweils zwei anderen Vertragsstaaten überprüft, die einen Bericht mit Empfehlungen abgeben. Dies soll nicht nur die Umsetzung des ersten globalen Abkommens gegen Korruption garantieren, sondern auch den internationalen Dialog und die Leistung technischer Hilfe fördern. Viele Delegierte wiesen darauf hin, dass Bestechung nur im Zusammenwirken von aktivem und passivem Part möglich sei und dass Korruption in ihren vielfältigen Formen nur in der geteilten Verantwortung von Industrie- und Entwicklungsländern effektiv bekämpft werden könne. Dies entspricht dem Geist der Konvention, die die internationale Zusammenarbeit erleichtert und durch umfassende Bestimmungen über die Strafbarkeit unter anderem von Bestechung gleiche Bedingungen unter den Staaten schafft. ...
Wer sich auf die Suche nach "starken Frauen" des Mittelalters begibt, wird sogleich auf die berühmteste von allen treffen, auf Eleonore, die schöne und selbstbewusste Erbtochter Herzog Wilhelms X. von Aquitanien, Gemahlin erst Ludwigs VII. von Frankreich, danach Heinrichs II. von England. Er wird ihre Gestalt freilich nur undeutlich wahrnehmen, verhüllt von einem dichten Schleier aus Legenden und konventionellen Urteilen, die Eleonore bis in die Gegenwart populär gemacht und sich erstaunlicherweise seit dem Mittelalter kaum geändert haben, immer noch persönliche Motive unterstellend, wo nach politischen Intentionen gefragt werden muss. Obwohl die Herzogin von Aquitanien ihren beiden Ehemännern das Fundament für erweiterte Herrschaft gelegt hatte, wurde ihr Anspruch auf Teilhabe mit diffamierenden Gerüchten abgewehrt, die noch immer reichlich Stoff für moderne psychohistorische Spekulationen liefern. Ein solcher Sumpf lässt sich nur mit Spezialkenntnissen trockenlegen, und diese vermittelt der Autor in seinem sympathisch klar geschriebenen Buch, fundiert durch souveräne Kenntnis der Quellen (darunter das Material für die in Cambridge vorbereitete Edition der Urkunden Eleonores) und der Forschung. ...
Da es bisher keine kritische Edition der Urkunden Philipps des Schönen gibt und in Frankeich auch keine den "Regesta Imperii" vergleichbare Institution, ist das hier zu besprechende Werk ein Meilenstein der Forschung, denn es erfüllt mehrere Aufgaben zugleich: Erschließung und Analyse eines gewaltigen Quellencorpus, Rekonstruktion des königlichen Itinerars und Auswertung der Befunde hinsichtlich Logistik, Reisetechnik, Gastungsrecht, Gefolge und Regierungspraxis des reisenden Hofes, schließlich eine Bewertung der Rolle von Paris als Hauptstadt und Behördensitz. ...
Völlig zu Recht ist diese bei Jean-Bernard Marquette an der Universität Bordeaux 3 gearbeitete Dissertation mit dem "Prix de la fondation Charles-Higounet" der Académie nationale des sciences, belles-lettres et arts de Bordeaux ausgezeichnet worden, steht sie doch würdig in der guten regionalgeschichtlichen Tradition dieses großen Gelehrten, dessen Arbeiten und Methoden sich immer wieder mit der deutschen landesgeschichtlichen Forschung auseinandergesetzt haben. ...
Bereits in der letzten Woche hat der rheinland-pfälzische Landtag den Gesetzentwurf zum "Vierzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge" (kurz: die landesrechtliche Umsetzung des JMStV) ratifiziert.
Und zwar mit den Stimmen von CDU und SPD. Die FDP hat sich enthalten. Die Entscheidung im Beck’schen Königreich kam nicht wirklich überraschend, schließlich wurde der Staatsvertrag federführend von der Mainzer Staatskanzlei vorangetrieben.
Deutlich überraschender ist da schon, dass der Unionspolitiker Dr. Peter Tauber (MdB und Enquete-Mitglied) ausgerechnet einem Piraten Platz in seinem Blog einräumt, um ihn in einem Gastbeitrag gegen den Staatsvertrag argumentieren zu lassen. ...
Die beiden untersuchten Texte, Sophokles' Antigone und Gorgias von Platon, wurden in dieser Arbeit als Momentaufnahmen für verschiedene Formen, Gerechtigkeit im 5. und 4. Jahrhundert v. u. Z. zu denken, interpretiert, um so einen möglichst authentischen Eindruck von Gerechtigkeit zu jener Zeit zu erhalten. Die Methode der Begriffsgeschichte hatte vorgegeben, dass beide Texte zunächst unabhängig von einander untersucht und die Ergebnisse anschließend zusammengeführt werden sollten. In der Analyse fächerten die Quellen zunächst jeweils in sich ein breites Spektrum unterschiedlicher Auffassungen von Gerechtigkeit auf, die Verbindung beider Betrachtungen machte darüber hinaus Strukturen von Ähnlichkeit und Differenz sichtbar. Daraus ergab sich ein Schema, das die sehr unterschiedlichen Aspekte als verschiedene Eckpunkte eines Prozesses verstehbar machte, der vor dem Hintergrund des in der Einleitung gegebenen historischen Kontextes interpretiert werden konnte. In der Einführung wurde bald deutlich, dass die verschiedenen Vorstellungen von Gerechtigkeit immer auch die Themenkomplexe von Ethik und Moral, von Wahrheit und Wirklichkeit mit einschließen mussten. Mit Victor Ehrenberg ließ sich die Überlegung zu Gerechtigkeit in dem größeren Kontext des Bedeutungswandels von Themis über Dike zu Nomos verstehen. Diese erste Begriffsgeschichte des Konzepts „Gerechtigkeit“ bereitete die Analyse von Gerechtigkeit in den Quellen vor. Das Untersuchungsfeld konnte damit für den Zeitraum der Quellen auf den Begriff des „Nomos“ eingrenzt werden. Dass das besondere Spannungsverhältnis von Nomos und Physis bis in die unterschiedlichen in den Quellen vertretenen Positionen der Gerechtigkeit hineinwirken musste, zeigte sich dann später in der Quellenanalyse. ...
apl. Prof. Dr. Jörg W. Busch (Goethe Uni Frankfurt) hat bisher 2 Vorträge in Trebur gehalten. Der erste am 14. Oktober 2004 mit dem Titel "Trebur ein Königshof am Mittelrhein" und am 6. Oktober 2005 mit dem Titel "Die Pfalz Trebur unter Heinrich IV. vom Schauplatz großer Politik zum gemiedenen Ort" ...
Der IT-Industrieverband Bitkom findet die Debatte um Netzneutralität nicht so gelungen und möchte lieber über etwas anderes reden: Deutsche IT-Branche ringt um Position zur Netzneutralität. Dass die Deutsche Telekom bei Bitkom eines der einflußreichsten Mitglieder ist, wenn nicht sogar das einflußreichste, dürfte damit sicher überhaupt nichts zu tun haben.
Dieser Sammelband widmet sich sehr verschiedenen Aspekten der Konzilien von Pisa, Konstanz und Basel und des Konziliarismus des 15. Jahrhunderts. In seiner Zusammenfassung am Ende muss Werner Maleczek gestehen, dass eine thematische Gliederung der Aufsätze kaum möglich ist. Der "vielgestaltige Reichtum" der Beiträge lässt diese Gliederung nicht zu. In ihrer thematischen Unterschiedlichkeit ist ihnen aber doch eine gemeinsame Spannung eigen. Es ist schon erstaunlich, einen Sammelband zu Themen zu erhalten, über die eine nahezu unüberschaubare Fülle an Literatur erschienen ist, und bei der Lektüre gewissermaßen den Eindruck zu gewinnen, dass es sich um ein neues Forschungsfeld handelt. Es wird immer wieder nach Grundsätzlichem gefragt. Fast könnte man sagen, dass die Fragen "Was ist ein Konzil?" und "Was ist Konziliarismus?" die Hauptthemen des Buches sind. Auf diese Weise enthält der Band, aus meiner Sicht, sehr viele Gedanken, die das Potential haben, die Forschung zu alten Themen zu erneuern. Auf diesen Aspekt möchte ich mich konzentrieren, auch, wenn das heißt, dass Einiges oder sogar Vieles Erwähnenswertes übergangen werden muss. ...
Eifrig, sorgfältig und beharrlich fügt Jacques Paviot mit seinen Publikationen seit Jahren Stein auf Stein, um so eines Tages das große Gebäude einer Darstellung französischer Kreuzzugspläne und -politik im späten Mittelalter vollenden zu können; wichtige Teile hierzu hat er bereits mit seinen Studien und Editionen zur croisade bourguignonne und da insbesondere zu den spektakulären Projekten und Unternehmen aus der Zeit Philipps d. Guten samt den über dessen Gattin Isabella laufenden Verbindungen mit Portugal geliefert (s. etwa Les ducs de Bourgogne, la croisade et l’Orient: fin XIV e –XV e siècle, 2003; vgl. Francia 32/1 (2005), 287–292 – La politique navale des ducs de Bourgogne 1384–1482, 1995; vgl. Francia 23/1 (1996), 335ff. – Portugal et Bourgogne 1384–1482, 1995; vgl. Zeitschrift für Historische Forschung 22, 1995, 544ff.). ...
Raoul Sage
(2010)
In der recht strikt reglementierten Wissenschafts- und Universitätslandschaft Frankreichs gibt es ein Refugium akademischer Freiheit und Exzellenz, eine Art Super-"Institute for Advanced Study" und dies mit einer bis zu Franz I. und Guillaume Budé in das Jahr 1530 reichenden Tradition: das bereits früh an heutiger Stätte im Pariser Quartier latin ansässige Collège de France. Dessen gegenwärtig etwas über 50 Professoren – am Anfang standen lediglich "lecteurs royaux" für die klassischen Sprachen – obliegt eine einzige Aufgabe, ob es sich nun um Mathematiker, Naturwissenschaftler, Informatiker, Philosophen, Soziologen, Historiker und Philologen, um Astrophysiker, Assyrologen oder Psychologen handelt: das Wissen, wie es entsteht, zu lehren ("enseigner le savoir en train de se faire"). Solche Lehre erfolgt gratis et publice, sie führt weder zu Prüfungen noch zu Abschlüssen; im Idealfall eint Lehrende und Lernende reiner amor scientiae. Entscheidend für eine Berufung sind Gewicht und Originalität der wissenschaftlichen Persönlichkeit; deshalb können bei Emeritierung, Weggang oder Tod freigewordene Lehrstühle auf Initiative der kooptierenden Professorenschaft dem Arbeitsgebiet der gewünschten Kandidaten entsprechend umgewidmet werden. ...
Die lutherische Reformation war nicht nur eine Reformation von Glauben und Leben, sondern auch eine solche von Tod und Sterben. Mit den Predigten Luthers bei den Begräbnisfeierlichkeiten für die sächsischen Kurfürsten Friedrich den Weisen (1525) und Johann den Beständigen (1532), der Predigt bei Luthers eigenem Begräbnis (1546) und den jeweils begleitenden biographischen orationes Philipp Melanchthons formte sich eine neue Gattung der Totenmemoria aus, die von den Wittenberger Theologiestudenten an ihre späteren Wirkungsorte getragen wurde. Sie selbst waren es dann, in ihrer Funktion als Prediger, die das neue Medium der Leichenpredigt zu ihrer eigenen Verortung in der frühneuzeitlichen Gesellschaft nutzten, indem sie die Gruppe der evangelischen Geistlichen, in der Gestalt des jeweils Verstorbenen, als nachahmenswertes Vorbild christlicher Tugend priesen und ihre Rolle für den gesellschaftlichen Zusammenhalt herausstellten. Das so gezeichnete Bild bringt nicht nur das Amtsverständnis zum Ausdruck, sondern wirft auch Licht auf die jeweiligen Zeitumstände, den Bildungsweg der Verstorbenen, ihre Berufung als Prediger, Heiratsstrategien, Kinder und deren Entwicklung, Zuständigkeitsverteilungen im Amt, gesundheitliche und andere Beschwerden, ihren seelsorgerlichen Einsatz, ihre konfessionelle Ausrichtung und schließlich das ritualisierte Sterben. Somit sind gedruckte Leichenpredigten eine vielseitig auswertbare Quelle zur frühneuzeitlichen Alltagskultur, insbesondere hinsichtlich der Bevölkerungsgruppe, die uns sowohl als deren Autoren, wie als Verstorbene gegenübertritt. Die lutherische Reichsstadt Frankfurt am Main, deren Geistliche sich zur gemeinsamen Beratung in einem „Predigerministerium“ zusammenfanden, bietet hier ein besonders lohnendes Untersuchungsfeld. Die gute Überlieferungslage, die Bedeutung Frankfurts im Alten Reich, wie auch das, gerade am Beginn der Reformationsepoche, spannungsreiche Miteinander von Rat und Predigern ermöglichen es, an ausgewählten Beispielen die Etablierung, das Selbstverständnis und die wechselnden theologischen Herausforderungen der mit der Reformation entstandenen neuen Sozialgruppe der evangelischen Geistlichkeit im Wandel dreier Jahrhunderte zu verfolgen.
Die vorliegende Arbeit ist die im Text leicht veränderte und in Teilen gestraffte Fassung meiner Dissertation, die im April 2001 vom Fachbereich 08 der Johann Wolfgang Goethe-Universität zu Frankfurt am Main angenommen wurde. Ziel der Arbeit ist es, einen leicht handhabbaren Katalog der frühkaiserzeitlichen Münzen mit Gegenstempeln aus dem Rheingebiet vorzulegen. Durch eine systematische Erfassung und Behandlung der Gegenstempel soll ein Zitierwerk geschaffen werden, das dazu beiträgt, den Münzumlauf im Rheingebiet diesbezüglich präziser zu erfassen als es bisher möglich war. Außer dem Textteil gehören folgende Datenbanken zur Arbeit: http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2009/6893/pdf/Werz_Gegenstempel_Einzelstuecknachweis_Datenbank.doc http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2009/6893/pdf/Werz_Gegenstempel_Einzelstuecknachweis_Datenbank.fp7 http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2009/6893/pdf/Werz_Gegenstempel_Einzelstuecknachweis_Datenbank.mdb http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2009/6893/pdf/Werz_Gegenstempel_Einzelstuecknachweis_Datenbank.xls http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2009/6893/pdf/Werz_Gegenstempel_Groesse_Datenbank.doc http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2009/6893/pdf/Werz_Gegenstempel_Groesse_Datenbank.fp7 http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2009/6893/pdf/Werz_Gegenstempel_Groesse_Datenbank.mdb http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2009/6893/pdf/Werz_Gegenstempel_Groesse_Datenbank.xls
Der Kopf des Magnus Maximus
(2009)
Nationales Stigma und persönliche Schuld : die Debatte über Kollektivschuld in der Nachkriegszeit
(2009)
Statt die Kollektivschulddebatte der Nachkriegszeit als Abwehr eines nicht erhobenen Vorwurfes zu verurteilen, wird hier vorgeschlagen, im von den Zeitgenossen als Kollektivschuld bezeichneten Phänomen ein nationales Stigma zu sehen. Darunter wird der Ehr- und Ansehensverlust verstanden, der aus den von Deutschen begangenen Verbrechen resultierte. Der mythologisch-archaische Begriff Stigma liefert zugleich einen Schlüssel zur Analyse der Reaktion auf deutscher Seite. Beobachtet wurden Leugnen und Beschweigen als Versuche der Abwehr des Stigmas, das ja durch das Aussprechen und Sichtbarmachen der Verbrechen entsteht. Diesem archaischen Verhaltensmuster wird ein christlich-psychoanalytisches gegenübergestellt, das umgekehrt im Benennen und Bekennen der Schuld den ersten Schritt zur Heilung bzw. Erlösung durch Vergebung sieht.
Ein in der europäischen Archäologie bislang wenig bekanntes Denkmal ist die Anlage der „gradina“. Dabei handelt es sich um ein monumentales Bauwerk auf Anhöhen mit einer oder mehreren Ringmauern aus großen Steinblöcken. Derartige Stätten erscheinen bereits sehr früh im Illyricum und können dem bisherigen Forschungsstand nach zu urteilen jeweils in Höhensiedlungen, Burgberge (Akropoleis), Wallburgen (Kastelle) sowie in „öffentliche Denkmäler“ oder Heiligtümer unterschieden werden. Das für den antiken Westbalkan charakteristische Bauwerk soll nun erstmals in seinen Grundzügen gebietsübergreifend vorgestellt werden. Zudem werden Beispiele aus den Bereichen Siedlungsstruktur und Urbanistik entnommen. In Hinblick auf eine über tausendjährige Kulturgeschichte der verschiedenen Landschaften entlang der Adria sowie des Dinarischen Hinterlandes aus vorrömischer Zeit wird zunächst ein zeitlicher Abriss zur historischen Entwicklung der Region gegeben.
Seit März 2006 ist die Zeitschrift „Frankfurter elektronische Rundschau zur Altertumskunde“ online unter www.fera-journal.eu abrufbar. Nach nunmehr gut vier Jahren und mit dem Erscheinen der zehnten Ausgabe sehen die Herausgeber die Möglichkeit gegeben, mit Blick auf das bisher Geleistete ein erstes Fazit zu ziehen und auf der Grundlage ihrer Erfahrungen die gegenwärtigen Rahmenbedingungen und Perspektiven des Publizierens elektronischer Zeitschriften in der Altertumskunde zu diskutieren.
Hypothese 1: Ein Verleger hat eine Idee. Es fehlt auf dem Markt ein handliches Buch über die antiken Theater, griechische wie römische. Ein älteres Buch mit dem Titel "Antike Theater in Attika und auf der Peloponnes" ist vergriffen, der Verlag des genannten Buchs hat seine Produktion eingestellt. Der Autor wird gefragt, ob er nicht sein Buch in erweiterter Form neu auflegen möchte. – Hypothese 2: Ein Autor hat ein Buch unter dem Titel "Antike Theater in Attika und auf der Peloponnes" 1996 beim tuduv-Verlag in München herausgegeben. Das Buch ist inzwischen vergriffen, der Verlag hat seine Produktion eingestellt. Der Autor fragt bei einem anderen Verlag an, ob Interesse an einer Neuauflage besteht. Er erhält eine positive Antwort, wird aber aufgefordert, den Inhalt des Buchs zu erweitern und Theater außerhalb der genannten Landschaften zusätzlich zu berücksichtigen.
Keine Hinweise erlauben es dem Rezensenten, sich für die Gültigkeit der einen oder der anderen der beiden Hypothesen zu entscheiden. ...
Ich werde allerdings noch zur Diskussionskultur in den USA gegen Ende meines Vortrages zu sprechen kommen. Heute möchte ich über meine aktuelle Studie zum Münzhandel in Nordamerika referieren. Obwohl ich mein Hauptaugenmerk auf die Situation in den USA lenke, sind selbstverständlich viele Aspekte auf Europa übertragbar. Zuerst möchte ich den Handel mit Neufunden darlegen. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass sich viele Händler und Sammler, besonders in den Vereinigten Staaten, darauf berufen, dass der Handel mit antiken Münzen in keinem Zusammenhang mit der Raubgräberei und dem Handel anderer antiker Objekte steht. Danach möchte ich den Umfang des Handels mit Neufunden besprechen und aufzeigen, wie Münzen aus Raubgrabungen über illegale Transaktionen und kriminelle Strukturen von der Ausgrabungsstätte über Schmuggler, Großhändler und spezialisierte Händler schließlich zu den Sammlern gelangen. Ich hoffe, wir stimmen alle dahingehend überein, dass die Probleme eines nicht-regulierten Handels sowohl für die Wissenschaft als auch für die Sammler verheerend sein können. Daher ist es im Interesse beider Seiten diesbezüglich zu kooperieren. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das Verhältnis von Sammlern, Händlern und Archäologen in Deutschland ebenso wie im gesamten Europa größere Möglichkeiten für einen ehrlichen Dialoge und positive Änderungen zulassen als in den USA, worauf ich ebenfalls eingehen möchte. ...
"Wenn irgend jemand für die Richtigkeit des Satzes einstehen kann, dass derjenige am weitesten kommt, der das Ziel des Weges nicht kennt, dann ist es Augustus." Mit diesen Worten ist die Dynamik der Lebensgeschichte des Augustus gut beschrieben. In welcher politischen Konstellation der an ihren inneren Widersprüchen zugrunde gehenden Römischen Republik der junge Gaius Octavius Erbe des Diktators Caesar wurde, wie er sich im riskanten Machtkampf gegen Marcus Antonius durchsetzte und schließlich den Prinzipat errichtete und gestaltete, wird in der jüngsten, von Klaus Bringmann verfassten Biographie des Kaisers in großen erzählerischen Linien und zugleich detailgenau dargestellt. Sein vom Umfang her knapp gehaltenes Werk konzentriert sich auf die Person und die Politik des ersten Prinzeps und lässt ihn in seinem zunächst rücksichtslosen Ringen um die Herrschaft, das dann durch eine in den Formen kompromissbereite und zugleich entschieden propagandistische Ausgestaltung der gewonnenen Macht abgelöst wurde, plastisch hervortreten. Dabei ist die Biographie immer quellennah geschrieben, besonders aber in den letzen Abschnitten, die anhand zahlreicher epigraphisch überlieferter Entscheidungen des Augustus zeigen, wie die Prinzipatsherrschaft in der Praxis funktionierte und warum das Wirken des Kaisers von den Reichsuntertanen als wohltätig und friedensstiftend erlebt wurde. ...
Philipp der Schöne drohte stets ein wenig unterzugehen zwischen dem Glanz seiner burgundischen Vorgänger von Philipp dem Kühnen bis Karl dem Kühnen, den Memorialleistungen seines Vaters Maximilian, des "letzten Ritters", und dem weltumspannenden Ausgreifen Kaiser Karls V. In den letzten Jahren aber wurde er zunehmend aus diesem Schattendasein befreit: Bereits 2003 erschien eine magistrale Biographie aus der Feder J.-M. Cauchies’, 2006 bot Philipps 500. Todestag den Anlass zu einer Ausstellung der Königlichen Bibliothek in Brüssel. Begleitet wurde dieses Projekt von dem hier vorzustellenden Katalogband, wobei der Rezensent die Ausstellung selbst bedauerlicherweise nicht besuchen konnte. ...
Wohl kaum ein anderes Falsifikat des Frühmittelalters, mit Ausnahme vielleicht der Falschen Dekretalen des sogenannten Pseudo-Isidor (Paschasius Radbertus), hat die Forschung derart intensiv in Atem gehalten wie das Constitutum Constantini . Seit Lorenzo Valla in seiner bahnbrechenden Studie aus dem Jahr 1440 ( De falso credita et ementita Constantini donatione ) das Dokument mit inhaltlichen Argumenten als apokryph erweisen konnte, hat die Frage nach Entstehungszeit und -ort Dutzende von Forschergenerationen beschäftigt. Da – angeblich – Konstantin der Große nach der Heilung vom Aussatz und anschließender Verlagerung seines Amtssitzes von Rom an den Bosporus die gesamte Westhälfte des Römischen Reiches dem Papst überlassen habe, damals Silvester I. (314–335), lag selbstredend die alte Frage nach dem Cui bono nahe: Aufgrund der Tatsache, dass der Apostolische Stuhl eindeutiger Nutznießer der Konstantinischen Schenkung ist, konnte folglich die Fiktion nur an einem Ort entstanden sein, nämlich in Rom. Diese Sicht der Dinge schien eindeutige Bestätigung zu erfahren durch die philologische, hier vor allem quellenkritische Analyse des Textes: Nicht wenige Passagen ähneln solchen Formulierungen, wie sie in der Korrespondenz der Päpste Paul I. (757–767) und Hadrian I. (772–795) anzutreffen sind, einer Briefsammlung, die gemeinhin unter dem Rubrum Codex Carolinus bekannt ist (Unikat: Cod. Wien lat. 449, saec. IX ca. med., nordalpine Schriftheimat, wohl direkte Kopie des Originals aus dem Jahr 791). So dominierte in der Forschung über Jahrhunderte die Position, das Constitutum Constantini sei ein Produkt der kurialen Kanzlei des späteren 8. Jahrhunderts. Nur vereinzelte Stimmen wurden laut, die fränkischen Ursprung und thematischen Zusammenhang mit dem pseudoisidorischen Fälschungskomplex postulierten, demnach eine Genese im mittleren 9. Jahrhundert favorisierten (in diesem Sinn dezidiert die wichtige Studie von Hermann Grauert, Historisches Jahrbuch 3–5, 1882–1884, dazu unten mehr). Letztere Position ließ sich vor allem deshalb nachdrücklich vertreten, weil erstens die frühesten Handschriften des Constitutum Constantini (geschrieben in den 850er/860er Jahren) gleichzeitig die ältesten Überlieferungsträger der pseudoisidorischen Dekretalen sind (u. a. Vatikan Ottobonianus latinus 93; Vatikan latinus 630; dann der noch nirgendwo gebührend beachtete Cod. Rennes 134, der keineswegs ins 11., sondern ins mittlere 9. Jahrhundert zu datieren ist (New Haven 442 enthält das CC erstaunlicherweise nicht) sowie die frühesten Zeugen der Version A2 wie etwa Aosta 102, Ivrea LXXXIII, Rom Vallicellianus D 38 und Sankt Gallen 670); und weil zweitens keinerlei zweifelsfreie Rezeption des Constitutum Constantin i vorliegt bis zu der Zeit, als es eben Eingang fand in die Sammlung falscher Papstbriefe, die ab den 830er Jahren im Kloster Corbie fabriziert wurden. Corbie, die abbaye royale an der Somme, ist demnach der überlieferungsgeschichtlich früheste Ausgangspunkt des Constitutum Constantini . Dazu gesellt sich die Abtei Saint-Denis, in deren Formelsammlung (Cod. Paris latinus 2777, der hier interessierende Teil geschrieben saec. IX 2 ) das Falsifikat ebenfalls enthalten ist. Der Version des Parisinus – dies haben eingehende Untersuchungen im Rahmen eines Oberseminars im Wintersemester 2008/09 klar bestätigt – kommt eine eindeutige textqualitative Präferenz zu gegenüber der pseudoisidorischen Traditionsform, die redigiert und sprachlich geglättet wurde. Das Constitutum Constantini , so wird man mit dem derzeit gültigen Forschungsstand (Horst Fuhrmann) festhalten können, ist kein Produkt der Fälscherwerkstatt in Corbie. Gleichwohl sollten überlieferungsgeschichtliche Spezifika (Corbie und Saint-Denis als herausragende geistige Zentren des Frankenreichs, demgegenüber aber keine frühe Präsenz des Constitutum Constantini in Rom) gebührende Beachtung finden.
An diesem Punkt setzt Johannes Fried an. ...
Wie kein anderes Unternehmen steht der frühere Flick-Konzern für die enge Verbindung zwischen Wirtschaft und nationalsozialistischem Regime. Sein Wachstum wurde im Dritten Reich von kaum einem Unternehmen übertroffen. Der Konzern profitierte im großem Ausmaß von "Arisierungen", war ein bedeutender Rüstungsproduzent und beschäftigte zehntausende von Zwangsarbeitern. Das alliierte Militärtribunal in Nürnberg zog die leitenden Direktoren zur Verantwortung und verurteilte führende Männer des Konzerns. Das genaue Ausmaß der Verstrickung des Unternehmens in die Verbrechen des Dritten Reiches entzog sich aber lange einer umfassenden Aufarbeitung und wurde durch den Umstand erschwert, dass es heute den Konzern nicht mehr gibt. Dabei ist das Unternehmen wie kein zweites durch seinen Namen mit Affären und Skandalen verbunden. Der Bogen reicht von der so genannten "Gelsenberg"-Affäre in der Weimarer Republik über den Parteispenden-Skandal der Bonner Republik bis zur Eröffnung der Berliner Flick-Kollektion im Jahr 2004. Aus diesem Grunde ist es nicht nur begrüßenswert, sondern auch überfällig, dass das Münchener Institut für Zeitgeschichte sich in einer breit aufgestellten Studie der Geschichte des Konzerns widmet. ...
Schon seit einiger Zeit hat das Thema Freundschaft unter Historikern Konjunktur. Da die Mediävistik hier eine Vorreiterrolle gespielt hat – man denke an die einflussreichen Anstöße von Gerd Althoff – ist es nur folgerichtig, dass ein von Klaus Oschema herausgegebener Sammelband einige dieser Ansätze zusammenfasst. Dabei weitet der Band den Blick in zweifacher Hinsicht über bisherige Perspektiven hinaus: Zum einen wird, wie der Titel schon anzeigt, ein Vergleich des deutschen und des französischen Sprachraums angestrebt (wobei Beiträge aus dem Bereich der alten Eidgenossenschaft einen wichtigen Platz einnehmen), zum anderen wird die Schwelle zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit überschritten. ...
Die Suche nach dem Selbst und nach der Wahrheit – ein solcher Titel weckt zweifellos hohe Erwartungen, spricht doch diese Frage in jüngster Zeit nicht nur esoterisch ausgerichtete Geister an. Vielmehr spielt sie im Rahmen aktueller Arbeiten zur Konstruktion und Wahrnehmung von Individualität sowie zur "Produktion von Wahrheit" durch Praktiken der Befragung oder der Verschriftlichung des Rechts eine zentrale Rolle. So ist den Herausgebern des vorl. Bandes zuzustimmen, wenn sie das Prozessverfahren der Inquisition oder die Aufnahme von Aussagen zu Besitz- und Lehnsverhältnissen nicht nur mit Blick auf die hierbei produzierten Informationen selbst analysieren möchten. Vielmehr unterstreichen sie die Fruchtbarkeit der Prozesssituation und ihres Umfelds für die Untersuchung der sich hier manifestierenden Machtverhältnisse, aber auch der sozialen Verflechtungen. Beide Aspekte spiegeln sich in den Techniken der Befragung, in der Zuweisung von (oder Forderung nach) Rederaum und in der schriftlichen Aufzeichnung der mündlich und performativ produzierten Äußerungen. Alleine, und soviel sei vorweggenommen, die in den bilanzierenden Einleitungen von Verdon (S. 9–16, 77–82) und Faggion (S. 17–26, 83–97) angedeuteten möglichen Wege der Forschung werden von den Beiträgen des Bandes leider nur auf Teilstücken begangen. ...
Nicht das Phänomen ist außergewöhnlich, das Thévénaz Modestin in ihrer Studie detailliert analysiert, sondern vielmehr die Tatsache, dass sie es trotz mancher Verluste im Original aufgrund einer glücklichen Quellenlage so präzise nachvollziehen kann: Es handelt sich um die Vereinigung der beiden Teile einer Doppelstadt, hier der bischöflichen Cité und der bürgerlichen Ville inférieure , die in Lausanne bis 1481 zwei in ihrer Verfassung getrennte Gemeinschaften bildeten. Doppelstädte dieser Art, die sich häufig durch die Gründung einer Neustadt neben einer bereits vorhandenen Anlage bildeten, sind weithin bekannt. Nur zu häufig wird man aber die Umstände der Vereinigung, die nach unterschiedlicher Dauer der Koexistenz und zum Teil auch Rivalität durchgeführt werden konnte, lediglich summarisch erhellen können, so dass mancher Aspekt der Prozesse im Dunkeln bleibt, die mit der Zusammenlegung zweier Rechtseinheiten verbunden waren. ...
Dass die Rache kalt zu genießen sei, gehört zu den in ganz Europa verbreiteten Spruchweisheiten. Angesichts dieser Gleichförmigkeit hält der vorl. Band einige Überraschungen bereit, da er nicht nur Divergenzen in der diachronen Entwicklung der Rachepraxis von der Spätantike bis zum Ende des Hochmittelalters vorführt, sondern auch national unterschiedliche Ausprägungen. Während etwa Stephen D. White in seinem Beitrag zum »Imaginaire faidal« in ausgewählten »Chansons de Geste« (S. 175–198) und Bruno Lemesle für den »Comte d’Anjou face aux rébellions« (S. 199–236) die Bedeutung der Fehde als Mittel adliger Politik in einem feudal zersplitterten Frankreich aufzeigen, ist andernorts Gegenläufiges zu beobachten. So kann John Hudson (S. 341–382) darauf hinweisen, dass sich im normannisch beherrschten England Konflikte aufgrund der Durchsetzungsfähigkeit des Königtums üblicherweise in einem weniger gewalttätigen Rahmen abspielten (S. 375–377). ...
Während des Ersten Weltkriegs sollen allein in Deutschland 28 Milliarden Feldpostbriefe zwischen Front und Heimat gewechselt worden sein. Erhalten und für die historische Forschung zugänglich ist jedoch nur ein Bruchteil dieser riesigen Menge an Ego-Dokumenten, die Aufschluss über Mentalitäten und deren Wandel in Zeiten des Krieges geben können. Einem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, dass Historiker nun 1800 Briefe, die das Hamburger Ärzteehepaar Anna und Lorenz Treplin von 1914 bis 1918 schrieb, umfassend analysieren und somit einen Beitrag zur bürgerlichen Briefkultur leisten konnten.
Der durch sein Buch zur Regierung und Verwaltungsorganisation der frühen Capetinger als Kenner dieser Epoche ausgewiesene Autor legt eine umfassende Biographie Ludwigs VI. vor, die eine empfindliche Lücke jedenfalls zu großen Teilen schließt, denn eine zusammenfassende monographische Darstellung der Zeit und Wirksamkeit dieses Königs (1108–1137) fehlt seit langem. ...
Andreas Fahrmeirs These lautet, dass die Entwicklung der modernen Form der Staatsbürgerschaft "von einer spezifischen Erfahrung zwischenstaatlichen Wettbewerbs vorangetrieben wurde" (231). Dass alle oder fast alle erwachsenen Männer nach den Prinzipien der Aufklärung und des Liberalismus Rechte besaßen oder wenigstens fähig waren, zur politischen Mündigkeit erzogen zu werden, hat sicherlich auch zur Erweiterung der Rechte und der Zahl der Staatsbürger in vielfältiger Weise beigetragen. Nach Fahrmeir waren aber "Blut und Eisen" wichtiger für die Entwicklung von Staatsbürgerrechten als der Einfluss Lockes und Kants. Krieg oder die Vorbereitung auf einen Krieg haben Staaten angetrieben, eine "homogene, gesunde und produktive Bevölkerung" zu schaffen, um Stabilität und ökonomische Effizienz herzustellen (230). Und hauptsächlich deshalb wurden weitere zivile, politische und soziale Rechte breiteren Gruppen von Einwohnern gewährt und Grenzen zwischen Staatsbürgern und Ausländern schärfer gezogen. Dieser Hypothese folgend, kommt Fahrmeir zum Schluss, dass, da westliche Regierungen seit den 1970er Jahren zunehmend auf die Wehrpflicht verzichten und sich vielmehr auf den wirtschaftlichen Erfolg im Kontext einer globalisierten Ökonomie konzentrieren, sie sich fortan auch weniger um die Opferbereitschaft und um die Rechte ihrer Einwohner kümmern. Deren ökonomische Nutzbarkeit steht im Vordergrund (231 f.). ...
Der von Jo Reichertz und Manfred Schneider herausgegebene Band enthält Beiträge, die in dem Forschungsprojekt "Geständnismotivierung. Zur Wirksamkeit des Geständnispositivs seit 1780" entstanden sind. Bei den Autoren handelt es sich um Kommunikationswissenschaftler, Soziologen und Germanisten, die mit den methodischen Mitteln ihrer Disziplinen, der Diskursanalyse Foucaults und der hermeneutischen Wissenssoziologie in einzelnen Fallstudien den "Wandel der Geständniskultur" seit dem späten 18. Jahrhundert thematisieren, um in einem "historischen Längsschnitt" nichts weniger als "die Entwicklung und den sich verändernden Stellenwert des Geständnisses in unserer Kultur" nachzuzeichnen (9). ...
Zu den dunkelsten Kapiteln deutscher Rechtsgeschichte zählt die zivile Besatzungsjustiz Nazideutschlands in Osteuropa. "Dunkel" ist hier in zweifacher Hinsicht zu verstehen: Zum einen war die Justiz durch die Involvierung in die Besatzungspolitik an der Unterdrückung und Ausplünderung der besetzten Gebiete und ihrer Bevölkerung beteiligt und trug durch die Verfolgung des Widerstandes und der "normalen" (Kriegs-)Kriminalität maßgeblich zur Stabilisierung der deutschen Herrschaft bei. Zum anderen ist dieser Aspekt nationalsozialistischer Rechtsund Justizgeschichte in der deutschen Forschung bislang wenig beachtet worden, was vor allem den Sprachbarrieren, den lange Zeit nur schwer zugänglichen osteuropäischen Archiven und ideologischen Hemmnissen in der Zeit des Kalten Krieges geschuldet ist. ...
Aus Anlass der achthundertsten Jahrestage des Todes Eleonores von Aquitanien und des Verlusts der Normandie durch Johann Ohneland fand im Mai 2004 eine gemeinsame Tagung der Forschungszentren CESCM (Poitiers) und HIRES (Angers) statt, deren Vorträge nun im Druck vorgelegt werden. Die magistrale Einleitung von Martin Aurell (Introduction. Pourquoi la débâcle de 1204?, S. 3–14) betont zwar die Schlüsselrolle Eleonores, deren Ehe mit Heinrich II. jenes angevinische Reich entstehen ließ, das im Jahr ihres Todes zusammenbrach, hebt aber stärker auf die Zurücksetzung der Normandie gegenüber den englischen Eliten seit 1154 ab, auf geradezu xenophobische Züge in der wechselseitigen Einschätzung des Adels diesseits und jenseits des Kanals. Große der Normandie hatten kein materielles Interesse mehr daran, sich für einen König zu schlagen, der die Gewinne seinem insularen Entourage würde zukommen lassen; die Lehnsabhängigkeit der angevinischen Könige von den Kapetingern hielt diese in der Position der Herren gegenüber ungetreuen Vasallen, deren gesamter Kontinentalbesitz französisches Krongut blieb. Der kontinentale Adel nutzte das nach Kräften, Insistieren auf karolingische Tradition stützte die Unabhängigkeit der Kirchen und Klöster vom englischen König und seinen Beauftragten, während der intellektuelle Hofklerus Heinrichs II. und seiner Söhne verstört am Becket-Mord litt und seinem alten Studienort Paris nostalgische Sympathie entgegenbrachte. Unter solchen Voraussetzungen lag es nicht nur an der militärischen und politischen Unfähigkeit Johanns, wenn die französische Position der Plantagenêt in der Krise des Krieges schnell dahinschmolz. ...
Muss man eine Geschichte der Ritterschaft bei den Germanen des Tacitus beginnen? Man muss, wenn man wie Dominique Barthélemy davon überzeugt ist, dass die gegenwärtig noch herrschende Theorie von der "Erfindung der Ritterschaft" ("l’invention de la chevalerie") um 1100 in Frankreich allzu sehr von Nationalstolz und ideologischen Interessen genährt worden sei, um als historische Wahrheit akzeptiert zu werden. ...
Solche Bücher gab es vor dem Ersten Weltkrieg in Deutschland auch: Prachtwerke zur nationalen Erbauung eines seiner selbst nicht mehr ganz sicheren Publikums, das ein unüberhörbares Mahlen des Zahns der Zeit doch tapfer ignorieren wollte. Wer den Band aufschlägt und in der vorangestellten "Liste d’honneur des souscripteurs" als erläuterndes Prädikat hinter einem Namen "catholique et royaliste" liest, hat rasch Gewissheit: Mit Wissenschaft hat das teure Produkt nichts zu tun, viel dagegen mit Fragen wie der, "que notre Louis IX est bien nommé saint Louis, et non Saint Louis selon une mode universitaire qui se répand depuis quelques années" […]. J’écris donc comme dans les livres de ma religion, […]. De même, pour le héros de ce livre, et suivant la mode des anciens, j’écris Roi avec majuscule quand je parle de lui, car c’est le Roi par excellence, […]« (S. 14). In diesem Stil sprechen vier umfangreiche Kapitel über den König, königliche Symbolik, seine Umgebung und die Heraldik der Kapetinger; opulent illustriert mit Reproduktionen aus Handschriften des 13.–16. Jahrhunderts (darunter aus dem um 1250 entstandenen Krönungsordo BnF lat. 1246), schönen Faksimiles der Bulle Papst Gregors IX. für Ludwig IX. von 1239, der Gründungsurkunde der Sainte-Chapelle (1246), einer zur Unlesbarkeit verkleinerten Frankreichkarte aus dem 19. Jahrhundert, Photos der Sainte-Chapelle, Beispielen der Chartreser Glasfenster, Siegeln (u. a. des Königs, seiner Mutter, Margarethes von Provence, Peters II. von Courtenay, Rudolfs II. von Vermandois, Odos III. von Burgund, des Reimser Domkapitels), Münzen, der sog. "Cassette de St-Louis" (um 1236), Fotos erhaltener Teile des Krönungsornats (Sporen, Schwert Karls des Großen), Reproduktionen verlorener Stücke nach der "Collection Gaignières" und anderer gelehrter Werke des 17. und 18. Jahrhunderts (u. a. Félibien), Historiengemälden des 17. und 18. Jahrhunderts, nicht zuletzt zahlreichen Malereien von Claude de Gallo in der Art von Kinderbuchillustrationen (Ludwig IX. im Krönungsornat und zu Pferd, Blanche von Kastilien und Margarethe von Provence, Robert I. von Artois, Karl von Anjou und viele mehr) und einer bonbonfarbenen "Reconstitution de la sainte couronne ou couronne de S. Louis" von Jörg Mauriange. ...
Die vorliegende Arbeit untersucht das nationale Selbstverständnis der gesamten Konföderation und behandelt insbesondere Aspekte der Innenpolitik sowie bestimmte soziokulturelle und sozioökonomische Charakteristika, aus denen sich die nationalistische Ideologie der Konföderierten konstituierte. Es bleibt zu betonen, dass sich der Fokus der hiesigen Untersuchungen auf innerstaatliche Ereignisse und Phänomene während des Bürgerkrieges richtet und somit vom großen Feld der konföderierten Außenpolitik beinahe vollständig absieht. Die Außenpolitik bildet zweifelsohne ein ebenso spannendes Forschungsgebiet, sie wird hier aber zu Gunsten einer expliziteren Betrachtung des innerstaatlichen Kontexts außen vor gelassen, da die inneren Umstände für die Genese des konföderierten Nationalismus unmittelbarer und somit von größerer Tragweite waren.
Die folgende Arbeit thematisiert die Übungsstätten – Palaistren und Gymnasien – der archaischen und frühklassischen Zeit in Griechenland. Dabei soll untersucht werden, auf welche Weise und vor allem in welchem örtlichen und architektonischen Rahmen das sportliche Training in der Antike vor sich gegangen sein könnte. An dieser Stelle steht der Versuch, einen Beitrag zu der Diskussion über den Beginn von Palaistra und Gymnasion als architektonisch definierte Bereiche zu erbringen. Die Frage nach den Anfängen der griechischen Sportanlagen als baulich fassbare Einrichtungen ist in der Forschung umstritten und noch nicht eindeutig geklärt. Allgemein wird angenommen, dass zumindest noch zur Zeit Homers keine Gebäude für sportliche Betätigungen existierten. Es wird vermutet, dass in archaischer und auch noch in frühklassischer Zeit ein freies Areal ausreichte, um sich im sportlichen Wettkampf miteinander zu messen. Wann nun das Bedürfnis nach fest begrenzten und somit architektonisch definierten Bereichen für Sport und vor allem das Training aufkamen bzw. wann diese entstanden sind, konnte aufgrund einer Diskrepanz in der Quellenlage bisher nicht eindeutig geklärt werden. So stammen die frühesten Baubefunde der Sportplätze einerseits und deren früheste Erwähnungen in den Schriftquellen andererseits nicht aus der gleichen Zeit. Während die älteste, im archäologischen Befund greifbare und mit großer Zuverlässigkeit datierbare Palaistra durch die Anlage in Delphi in das 3. Viertel des 4. Jhs. v. Chr. eingeordnet werden kann, gehen die frühesten schriftlichen Überlieferungen solcher Einrichtungen bis ins 6. Jh. v. Chr. zurück.
Die Dissertation befasste sich mit der endsteinzeitlichen und früheisenzeitlichen Besiedlungsgeschichte des südwestlichen Tschadbeckens (NO-Nigerias) mit einem Schwerpunkt auf dem Übergang zwischen beiden Perioden. Neben einer Ãœbersicht über die geborgenen Funde und die dokumentierten Befunde aus Grabungsarbeiten an sieben Fundstellen wurde eine Sequenz der Keramikmerkmale vorgelegt. Unter anderem verdeutlichte sie die Gegensätze der endsteinzeitlichen und füheisenzeitlichen Keramiktraditionen im Arbeitsgebiet. Der Schwerpunkt der Studien lag auf der Präsentation von Ergebnissen archäologischer und geophysikalischer Untersuchungen des Fundplatzes Zilum, datiert in die Mitte des ersten Jahrtausends BC. Zilum ist wegen seines Alters, seiner Dimension und seiner strukturellen Komplexität von zentraler Bedeutung für die Archäologie der Region um den Tschadsee und für Afrika südlich der Sahara im Allgemeinen. Zusammen mit jenen Siedlungen, die nach dieser entstanden, bietet der Fundplatz einen guten Ansatz zur Beantwortung der Frage, wie sich der Übergang von der Steinzeit zur Eisenzeit im Untersuchungsraum vollzog. Er gibt zudem einen Einblick in die Entstehung früher, strukturell und sozioökonomisch komplexerer Siedlungsformen in Afrika südlich der Sahara, und so wird seine Bedeutung für die Archäologie und Geschichte eingehender diskutiert. Aus der Kombination vorhandener und neu gesammelter Informationen zur Siedlungs- und Wirtschaftsweise mit bereits verfügbaren Daten zur Entwicklung von Klima und Umwelt im Tschadbecken wurde ein Abriss der endsteinzeitlichen und früheisenzeitlichen Besiedlungsgeschichte im Untersuchungsraum erarbeitet.
In der Forschung zum 18. und 19. Jahrhundert gelten Vereine - zumal in Deutschland - meist immer noch als zentrale Bereiche einer im Prinzip liberalen und zukunftweisenden "Zivilgesellschaft", in der frei von repressivem staatlichem Einfluss und fern von überlebten korporativen Traditionen politische Aushandlungsprozesse im Rahmen einer liberalen Bürgergesellschaft erprobt werden konnten. Das Bild hat freilich einige Risse bekommen [1], die aber bislang eher als ehrwürdige Patina zu fungieren scheinen denn als Anzeichen für grundlegenden Restaurierungsbedarf. Die Arbeit von Stefanie Harrecker lenkt den Blick nun auf eine andere Art Verein, der in vielem wirkungsmächtiger war als die intensiv untersuchten stadtzentrierten liberalen Assoziationen. Der Landwirtschaftliche Verein in Bayern, der 1810 seine Tätigkeit aufnahm, war zwar formal ein privater Verein, wies aber von Anfang an enge personelle und finanzielle Beziehungen zum Staat auf, die sich im Laufe der Zeit eher intensivierten als abschwächten. Ziel des Vereins war einerseits die Produktionssteigerung der Landwirtschaft, etwa durch die Popularisierung neuer Anbaumethoden; andererseits verstand sich der Verein auch als Lobby der Landwirtschaft gegenüber der Regierung, und zwar sowohl im Parlament als auch im öffentlichen Raum, in dem er mit unterschiedlichen Publikationen präsent war. Der Verein hatte regionale Zweigstellen, engagierte sich im Bereich der landwirtschaftlichen Ausbildung, und richtete Feste und Feierlichkeiten aus (darunter das Oktoberfest), in deren Rahmen beispielsweise Vieh gezeigt und prämiert wurde. Angesichts der spannungsreichen Beziehungen zwischen Regierung und Parlament, Staat und Öffentlichkeit im Bayern des 19. Jahrhunderts war klar, dass auch der Landwirtschaftliche Verein keinen ganz stabilen Platz in der informellen Landesverfassung haben konnte. Anfang des 19. Jahrhunderts dominierte die Autonomie, die moderate oppositionelle Tendenzen (die freilich zum guten Teil aus der Verwaltung kamen) einschließen konnte. Das galt vor allem im Rahmen der Diskussion über die Abschaffung des 'Feudalsystems', also die Veränderung der Besitz- und Abhängigkeitsverhältnisse in ländlichen Regionen. Nach intensiver Verwicklung in die politischen Intrigen der frühen 1830er Jahre geriet der Verein, der damals unter Mitgliederschwund litt, unter stärkere staatliche Aufsicht. Diese trug mit dazu bei, dass der Verein 1848/49 die Chance verpasste, zum Sprachrohr der Veränderung zu werden; stattdessen fügte er sich in das Programm der Stärkung eines partikularen Profils Bayerns, das Maximilian II. verfolgte. Selbst Ludwig II. interessierte sich noch hinreichend für den Verein und seine öffentliche Wirkung, so dass er sich für eine Präsentation von preisgekrönten Tieren vor allen Festbesuchern, nicht nur vor den Fachleuten, einsetzte. Die Reichsgründung von 1870 bedeutete zwar nicht das Ende des Landwirtschaftlichen Vereins, wohl aber das seiner herausragenden Bedeutung; die Integration in ein deutsches Netzwerk landwirtschaftlicher Vereine endete mit weitgehendem Relevanzverlust. Die Frage, ob der Verein seinen selbst gesteckten hohen Zielen gerecht wurde, ist nicht ganz leicht zu beantworten. Die Publikationen, die populär waren, waren selten die innovativsten. Überhaupt gab es immer wieder Gelegenheit, über Sinn und Aufgaben des Vereins zu streiten, etwa wenn es darum ging, die Rolle von Festen und Fachmessen abzuwägen. Manche spektakuläre Aktionen (so der Plan, Seidenraupen in Bayern anzusiedeln) gehörten in ihrer praktischen Wirkung nicht gerade zu den Sternstunden der Agrarökonomie. Dagegen spielte der Verein eine erhebliche Rolle bei der Etablierung landwirtschaftlicher Forschungs- und Lehreinrichtungen und bei der Mobilisierung staatlicher Zuschüsse für solche Zwecke. Er engagierte sich für die Belange der bäuerlichen Bevölkerung und bemühte sich - trotz einer erkennbaren München-Fixierung - um eine flächendeckende Versorgung des Landes mit Bibliotheken und lokalen Vereinen. Stefanie Harreckers Buch liefert einen mustergültig recherchierten, abgewogenen Einblick in das Leben eines nicht ganz dem konventionellen Bild entsprechenden Vereins, der zwischen privatem Klub, wissenschaftlicher Gesellschaft und Lobby angesiedelt war. Dabei kommen sowohl die kleinen Vereinsquerelen zur Sprache als auch die Rolle des Vereins im Kontext der landwirtschaftlichen Entwicklung - insofern handelt es sich bei diesem sehr lesenswerten Buch um einen herausragenden Beitrag zur Vernetzung der allgemeinen mit der viel zu stark vernachlässigten Agrargeschichte. Anmerkung: [1] Etwa durch Eckhart Trox: Militärischer Konservativismus. Kriegervereine und "Militärpartei" in Preußen zwischen 1815 und 1848/49, Stuttgart 1990. Redaktionelle Betreuung: Peter Helmberger
Stéphane Dufoix schreibt im Vorwort, das vorliegende Buch (das in etwas kürzerer Fassung 2003 auf französisch in der Reihe "Que sais je" erschien) habe "a somewhat schizophrenic character". Es handele von "Diaspora", sei aber von einem Autor verfasst, der an die Nützlichkeit von Diaspora als Forschungsbegriff nicht glaube. Nach der Lektüre von rund 100 Seiten luzidem und konzisem Text weiß man garantiert etwas über Diaspora, was man vorher nicht gewusst hat, und man wird vermutlich die Skepsis des Autors im doppelten Sinne teilen: gegenüber der Nützlichkeit des Begriffs als analytischem Instrument, und gegenüber der Annahme, dass der Begriff bald durch andere ersetzt werden wird. ...
Die Suche nach der Frau, ihrem Ort, ihrer Rolle sowie ihren Handlungsbereichen und Tätigkeitsfeldern im Dritten Reich markieren verschiedene Stationen der historischen Frauenforschung zum Nationalsozialismus der letzten dreißig Jahre. Während sie in den 1970er-Jahren Frauen im privaten Bereich des NS-Systems verortete, betonten Untersuchungen der 1990er-Jahre die ambivalente Stellung der Frau im nationalsozialistischen Staat. Wenngleich die NS-Rhetorik sowie die sozialpolitischen Maßnahmen des Regimes auf eine Stärkung patriarchaler Strukturen zielten, erweiterten sich dennoch im Dritten Reich die Tätigkeitsfelder und Handlungsmöglichkeiten von Frauen. Trotzdem gilt der nationalsozialistische Staat nach wie vor in der historischen Forschung als eine "Männergesellschaft". ...
Der Merkantilismus, ein Hauptgegenstand der älteren dogmenhistorischen Literatur, lässt sich inhaltlich nur schwer definieren. Der Begriff bezeichnet weder ein historisches Wirtschaftssystem, noch eine einheitliche zeitgenössische Wirtschaftstheorie. Es handelt sich vielmehr um ein retrospektives Konstrukt der ökonomischen Dogmengeschichtsschreibung, die ihren Ausgangspunkt in der Kritik Adam Smiths am "mercantile system" seiner Zeit fand. Merkantilismus ist zunächst eine Sammelbezeichnung für die ökonomischen Ideen und Vorstellungen des 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Allerdings zeichnet sich das ökonomische Denken dieser Zeit durch eine außerordentliche Vielfalt und Unterschiedlichkeit aus. Auch entstanden unterscheidbare nationale "Schulen", die, selbst wiederum uneinheitlich, starken Veränderungen unterlagen. Zu Recht wurden den spezifischen nationalen Ausprägungen sogar unterschiedliche Bezeichnungen verliehen. ...
Die folgenden Überlegungen gelten dem Zusammenwachsen von räumlichen und rechtlichen Vorstellungen im frühmittelalterlichen Sachsen. Es soll dabei weniger um die Übertragung fränkischer Konzeptionen gehen als darum, wie die Sachsen selbst als Folge ihrer Integration in das christliche Reich eine Vorstellung entwickelten, den ihnen eigenen Raum mit einem Recht zu verbinden, das selbst Ergebnis dieser Niederlage war. Um diesen Prozess zu verfolgen, ist es nötig, auf die wichtigsten Interpretationen der Unterwerfung Sachsens durch die Historiographie des 9. Jahrhunderts zu schauen. ...
Der Wandel von Perspektiven, Deutungen, Methoden und Themen bestimmt den wissenschaftlichen Fortschritt. Deshalb zerbricht die Vorstellung sicheren Wissens über die Generationen hinweg, so dass sich die Vergangenheit in den historisch arbeitenden Kulturwissenschaften in immer neuen Methodenwenden verändert. Der moderne Mut, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aktiv in die Subjektivität ihrer Perspektivierungen einzubauen, bringt die steuernde Macht des Erkenntnisinteresses und seiner Veränderungen vermehrt zur Geltung. Dabei geraten selbst traditionelle Kontrollinstanzen der historisch-kritischen Hermeneutik in die Debatte. Während heute die einen das Vetorecht der Quellen beschwören, stellen andere die beständig verformende Kraft des Gedächtnisses und damit die Relativität punktueller schriftlicher Fixierungen heraus. ...
Die gesammelten Briefe des Peter von Blois waren ein außerordentlich erfolgreiches Werk, in mehr als zweihundert Handschriften bis ins 15. Jh. weit verbreitet, 1519, 1600, 1667 gedruckt und in dieser letzten Fassung Vorlage für die bis heute einzige Gesamtausgabe im 207. Band von Mignes Patrologia latina . Diesem Briefwerk verdankt Peter seinen Ruf, und trotz moderner Kritik am unvollkommen und unsystematisch gebildeten, zum Plagiat neigenden Urheber sind sie doch eine erstrangige, äußerst vielseitige Quelle für die westeuropäische Geschichte der zweiten Hälfte des 12. Jhs., bieten nicht nur Material für die Bildungs- und Kulturgeschichte, für das Studium höfischen Lebens, für die Charakteristik der Monarchie Heinrichs II., sondern reflektieren eine ganze Welt mit ihren Veränderungen in den persönlichen Erfahrungen einer ehrgeizigen, an vielen Machtzentren mit Großen der Zeit verbundenen Hochbegabung, die in ihren Erwartungen jedoch oft enttäuscht worden ist. Peter von Blois war gewiss kein origineller Kopf, aber ein großer Vermittler der Wissenschaft seiner Zeit an die Höfe der Bischöfe und an alle, die lateinischen Ausdruck auf hohem Niveau beherrschen wollten, ein intellektueller Repräsentant seiner Epoche, dem wir das beste zeitgenössische Porträt König Heinrichs II. verdanken und die kulturgeschichtlich überaus wertvolle Hofkritik (hier Nr. 49). ...
Diese monumentale Darstellung des Lebens und der Wirksamkeit Adelas von Blois will das gesamte historische Umfeld der Protagonistin mit deren Augen sehen und bewerten anstatt sie konventionell-allgemeinen Fragestellung wie etwa der nach der Rolle adliger Frauen in ihrer Zeit und Gesellschaft auszusetzen. Als Grundlage dient eine möglichst vollständige Rekonstruktion ihrer Lebensgeschichte und der politischen Aktivitäten, aus der sich dann die Biographie einer französischen Fürstin in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts ergeben soll. ...
In ihrer klar und konsequent gegliederten Studie nimmt sich Th. Brero des zeremoniellen Ablaufs fürstlicher Tauffeiern am herzoglichen Hof von Savoyen im 15. und 16. Jh. an. Sie kann damit zum Versuch beitragen, eine Lücke in der existierenden Forschungsliteratur zu schließen, deren Existenz erstaunen muss, angesichts des regen Interesses, das den rituellen und zeremoniellen Aspekten der spätmittelalterlichen Adelskultur in den letzten Jahren entgegengebracht wird. Trotz der im Titel anklingenden vergleichenden Perspektive, die in allen Teilkapiteln immer wieder aufscheint, bilden das eigentliche Zentrum der Studie die Feierlichkeiten zu den Taufen Adrians, Emmanuel-Philiberts und Charles-Emmanuels I. von Savoyen in den Jahren 1522, 1528 und 1567. Die hierzu vorliegenden Texte, vor allem die von Antonino Dal Pozzo stammende Beschreibung der Taufe Adrians ( Adrianeo ), deren erstes Buch die Autorin im Anhang mitsamt einer Übersetzung in das moderne Französisch wiedergibt, sowie die Beschreibung der Taufe Emmanuel-Philiberts durch den Herold "Bonnes Nouvelles", die ebenfalls im Anhang ediert ist, bieten eine außergewöhnliche Basis: von keiner der früheren Taufen im savoyischen Umfeld sind derart reichhaltige Berichte überliefert, im deutschen Raum scheinen entsprechende Beispiele gänzlich zu fehlen. Auf dieser Grundlage und unter Beiziehung weiterer Texte aus dem französischen, burgundischen und englischen Milieu, unter denen die "Honneurs de la Cour" Éléonores von Poitiers, einer Hofdame der burgundischen Herzogin Isabella von Portugal, die prominenteste Stellung einnehmen, verfolgt Brero detailliert die einzelnen Etappen und Aspekte fürstlicher Tauffeiern. Ausgehend von den Umständen der Geburt und deren ritueller Rahmung, greift sie die Frage der Einrichtung des Zimmers der Mutter und des Kindes auf, der materiellen Vorbereitung der Taufprozessionen, der Anlage und Teilnehmerschaft der Prozessionen selbst, des Taufrituals sowie der abschließenden Feierlichkeiten. Abgerundet wird der sorgfältig ausgearbeitete Band von den erwähnten Texteditionen, einigen analytischen Tafeln zu den untersuchten Prozessionen und einem ausführlichen biographischen Katalog der erwähnten Personen, der vor allem einem in der savoyischen Geschichte weniger bewanderten Publikum den Zugang zur Thematik erleichtern dürfte. Ein Personen- und Ortsregister schließt den Band ab. ...
Trotz des enggefassten Titels bietet die vorl. Arbeit mehr als nur eine Untersuchung der angesprochenen "Waldenserprozesse", die in den Jahren 1459–60 die Einwohner von Arras und über die Stadt hinaus auch die umgebenden Territorien erschütterten. In einem breiten Panorama versucht der Autor eine Neudeutung der Häretiker- und Hexenprozesse, die über eine rein ideologiekritische Analyse materieller Interessen der Verfolger hinausgeht. In drei großen Abschnitten zum "Trugbild der Verfolgung", zum "Weg der burgundischen Herzöge zur Souveränität" und zur "Logik der Inquisition" werden Ablauf und Umfeld der Prozesse entwickelt, in denen 34 Personen verschiedenster sozialer Situierung eines Paktes mit dem Teufel beschuldigt und als Ketzer verurteilt wurden. Von besonderem Interesse mag hier die über weite Gebiete ausgreifende Entwicklung des Imaginaire eines "Hexensabbats" sein, welche den behandelten artesischen Raum mit den Randgebieten Savoyens verbindet, wo ebenfalls die Figur des magischen Flugs auf einem Stock und des Bündnisses mit dem Teufel früh präsent wird. Grundlage der Ausführungen zu Arras sind u. a. der jüngst neu edierte "Waldensertraktat" des Johannes Tinctorius sowie die bereits von Hansen publizierte Recollectio casus, status et condicionis Valdensium eines anonymen Autors, der Mitglied des Inquisitionstribunals war und vielleicht mit Jacques du Bois identifiziert werden kann, dem Dekan des Domkapitels von Arras. Wie aber lässt sich die frenetische Verfolgung von randständigen Personen ebenso wie von städtischen Honoratioren erklären, die der Stadt als ganzer massive Nachteile brachte, da die unsichere Situation ihren Ruf soweit schädigte, dass auswärtige Händler den Kontakt vermieden? Folgt man Mercier, so stand mehr im Hintergrund als eine spontane Aufwallung religiösen Fanatismus’ oder der Versuch, sich einzelner Personen unter einem unangreifbaren Vorwand zu entledigen. Detailliert geht er dem Prozessverlauf nach (soweit dies angesichts der großen Brandverluste des lokalen Archivs möglich ist), über weite Passagen anhand der chronikalischen Überlieferung Jacques du Clercqs. Diese Quelle zeigt in Verbindung mit der anonymen Recollectio den Weg zu einem geradezu entgrenzten juristischen Verfahren auf, in dessen Verlauf das Wort der Angeklagten immer mehr an Zeugniswert verlor und lediglich das gesuchte Eingeständnis der dämonischen Verbindung als vollwertige und wahrheitsgemäße Aussage akzeptiert wurde. Wenn hier die üblichen Schranken und Vorsichtsmaßnahmen beim Einsatz der Folter fallen, so ist dies in erster Linie mit dem Stellenwert zu erklären, den die Vorstellung der Majestätsbeleidigung, der "lèse-majesté", erhält. ...
Schillernde und problematische Gestalten stehen im Mittelpunkt dieser Publikation, mit der G. Lecuppre eine gekürzte Fassung seiner 2002 in Poitiers verteidigten Dissertation vorlegt. Die "falschen Fürsten" des Mittelalters haben schon mehrfach die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich gezogen, wenngleich aus unterschiedlichen Perspektiven: Während Tilman Struve die "falschen Friedriche" unter dem Paradigma der Fälschung anging, untersuchte Rainer C. Schwinges die "falschen Herrscher" des Spätmittelalters als Indikatoren einer durch Krisen geprägten Mentalität. Trotz solcher Einzelfallstudien fehlte bislang aber eine monographische Darstellung des Phämomens in breiterer und vergleichender Anlage. Lecuppres Arbeit befriedigt daher zweifellos ein Desiderat der Forschung. Ausgehend vom derzeit wieder stärker in den Vordergrund tretenden Problemfeld der Identität und der Identifikation, bemüht sich der Autor anhand von Beispielen des 12. bis 15. Jhs. um eine Typologie des politischen Hochstaplers und dessen Umfeld. Die Auswahl der exemplarischen Fälle konzentriert sich dabei auf Fürstenfiguren, so dass etwa die "falschen Jeanne d’Arcs" nur kurz in den Blick geraten (über das Register aber erschließbar sind). In vier Abschnitten widmet sich Lecuppre den kulturellen Parametern der Vorspiegelung falscher Herrscheridentitäten (Kap. 1–3), den Etappen und Praktiken des Verlaufs einer solchen Hochstapelei (Kap. 4–6), den gesellschaftlichen Hintergründen und den Reaktionen der in Frage gestellten Herrscher (Kap. 7–8) sowie der Verbindung der politischen Hochstapelei mit dem Phänomen des Messianismus (Kap. 9–10). Die strukturell orientierte Analyse zergliedert die jeweiligen Einzelfälle recht stark, so dass dem Leser nicht immer sofort ein eingehender Überblick gelingt: Das Exempel dient als Ansichtsmaterial für systematisierende Erwägungen. Zahlreiche Sprünge über Zeit und Raum hinweg, vom "falschen Balduin IX." in Flandern über den "falschen Waldemar II." von Brandenburg oder Giannino Baglione, den "falschen Johann I. von Frankreich", zu Perkin Warbeck, dem "falschen Richard von York" in England machen daher den Nachvollzug der einzelnen Geschichten im Detail nicht immer einfach. ...
Fachspezifischer Anhang zur SPoL (Teil III): Studienfach Geschichte in den Studiengängen L2 und L5
(2008)
Der byzantinische Bilderstreit des 8. und 9. Jahrhunderts ist ein unerschöpfliches Thema, das alljährlich mehrere Bücher und noch mehr Aufsätze generiert. Und gelegentlich schafft er es sogar – wenn auch nur en passant –, in den Feuilletons der großen Tageszeitungen Erwähnung zu finden. So etwa Anfang 2006, als (rechtslastige) Journalisten in Dänemark meinten, Muslime mit Muhammadkarikaturen provozieren zu müssen – was ihnen bekanntlich ja auch gelang. Allerdings diente der mittelalterliche Streit über die Berechtigung der Verehrung heiliger Bilder lediglich als pseudogelehrtes Ornament der geführten Debatte. Ob dies dazu führte, dass irgendjemand zu dem kurz zuvor erschienenen Band von Thümmel über die Synoden zur Bilderfrage im 7. und 8. Jh. griff, um sich weiter über diesen Themenkomplex zu informieren, vermag der Rezensent natürlich nicht zu sagen. Auszuschließen ist es nicht. Und sicher hätte man genügend Informationen gefunden, um sich ein Bild vom Bilderstreit zu machen. Man hätte erfahren können, dass dieser byzantinische Gelehrtenstreit – um einen solchen handelt es sich in erster Linie – nichts mit dem islamischen Bilderverbot zu tun hatte, wie man früher oft meinte. ...
Im Jahr 1921 kam ein 16-jähriger, ursprünglich aus der Ölstadt Baku stammender jüdischer Reisender namens Lev Nussimbaum in Konstantinopel an. Lev wurde 1905 als Sohn eines Ölunternehmers und einer Mutter mit bolschewistischen Neigungen geboren. 1917 ergriffen Lev und sein Vater – die Mutter war um 1911 gestorben, möglicherweise durch Selbstmord – die Flucht. Ihre Reise führte über Turkmenistan und Persien zunächst in die Türkei, dann nach Frankreich, schließlich in das Deutschland der Weimarer Republik. Dort entdeckte der fast mittellose Student einen Markt für Artikel und (ab 1929) Bücher über den Orient, den er als ›echter‹ Araber bediente. »Essad Bey«, wie er sich seit etwa 1924 nannte, erlangte mit einer Fülle von Publikationen, darunter Biographien Mohammeds und Stalins, internationale Bekanntheit, bis die Machtergreifung der Nationalsozialisten seine Lage prekär machte. Denn die falsche Familiengeschichte des Konstrukts Essad Bey, dessen Vater angeblich Mohammedaner und dessen Mutter angeblich eine christliche Adelige waren, wurde nun durch missgünstige Konkurrenten genau untersucht und drohte als Fälschung entlarvt zu werden. Während Nussimbaums jüdische Ehefrau nach Amerika auswanderte und sich dort scheiden ließ, ging er selbst zunächst nach Wien, wo er 1937 als »Kurban Said« das später in Aserbeidschan als Nationaldichtung betrachtete Buch »Ali und Nino« verfasste, dann nach Italien, wo er 1941 an einer Wundinfektion starb. ...
Die Dogon sind eine kleine, akephale, in Dorfgemeinschaften und Großfamilien unterteilte Gesellschaft von ca. 300.000 Mitgliedern, die am südlichen Rande des Sahel ganz im Osten Zentralmalis siedelt. Die Großfamilie ist patrilinear sowie patrilokal organisiert und in acht Altersklassen gegliedert. Der Dorfalltag wird von einer strikten Trennung der Geschlechter bestimmt. Anfangs angelockt durch ethnographische Berichte der französischen Ethnologen um Marcel Griaule, später durch Filme und Reportagen, besuchen jedes Jahr Zehntausende von reisehungrigen Alternativ- und Bildungstouristen das Land der Dogon. Es empfängt sie eine pittoreske Felslandschaft voll exotischer, kultureller Vielfalt und geheimnisvoller Authentizität, die von der UNESCO 1989 in das Verzeichnis des Weltkulturerbes und Weltnaturerbes aufgenommen wird. In Folge des anwachsenden Tourismus hat sich im Laufe der letzten vier Jahrzehnte ein neuer Berufstand herausgebildet, die Touristenführer. Im Rahmen der Lehrforschung Mali des Instituts für Historische Ethnologie der Johann Wolfgang von Goethe Universität Frankfurt werden während zweier Forschungsaufenthalte im Sommer 2006 und im Oktober 2007 in verschiedenen Dörfern an der Falaise von Bandiagara Touristenführer und Dorfbewohner mehrerer Generationen interviewt. So werden Guides befragt, die ihren Beruf bereits seit Beginn des Tourismus in den 1960ern ausüben – bzw. ausgeübt haben. Damals besuchen nur einige Hundert, meist ethnologisch interessierte Touristen das Pays Dogon. Die Mehrzahl der Gesprächspartner beginnt in den 80er und 90er Jahren des vorherigen Jahrhunderts mit der guidage der ausländischen Gäste. Ebenfalls interviewt werden junge Guides, die erst seit wenigen Jahren Touristenführer sind. Aus den Interwiews ergibt sich ein vielfältiges Spektrum von Aussagen und Erzählungen über die Berufsfindung, den Umgang mit den fremden Besuchern, den Status eines Touristenführers bei der Dorfbevölkerung. Zentrales Element im Austausch mit den internationalen Gästen ist die eigene Kultur, die die Dogon mit Selbstbewusstsein vorzeigen und gegen das Geld der Touristen eintauschen. Und sind es normalerweise die Alten, die für die Jüngeren im Dorf und in den Familien Kultur und Tradition interpretieren, sind es im Tourismus nun die Jungen, die den fremden Gästen die eigene Gesellschaft präsentieren. Der Tourismus eröffnet der bäuerisch geprägten Dogongesellschaft einträgliche Nebentätigkeiten und –geschäfte und trägt, trotz seiner saisonalen und regionalen Begrenztheit, wesentlich zur Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen im Pays Dogon bei. Die Einkünfte der so genannten Antiquitätenhändler, der Träger, Maskentänzer, Köche, Holzschnitzer und nicht zuletzt die der Guides werden von ihren Familien dringend benötigt. Deshalb zeigen sich die Dogon dem Tourismus meist recht positiv gegenüber und verfolgen mit großem Stolz das wachsende Interesse an ihrer Kultur. Mit den Associations des Guides haben sich erste Strukturen der Selbstorganisation etabliert, Beratungsgremien, die repräsentative Aufgaben, aber auch Kontrollfunktion haben und bei schlechter guidage sogar Sanktionen gegen ihre Mitglieder veranlassen können. Der Tourismus im Pays Dogon hat zu einem positiven Trend geführt. So konnte beispielsweise die Landflucht der jungen Leute vermindert, die Infrastrunktur verbessert und die Ausbildung – insbesondere auch die der Touristenführer – intensiviert werden.
Rezension zu: Klaus Bringmann – Dirk Wiegandt, Augustus, Schriften, Reden und Aussprüche (2008)
(2008)
Nachdem aus der Feder von KLAUS BRINGMANN in der Reihe „Gestalten der Antike“ bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft eine neue Augustus-Biographie erst kürzlich (2007) erschienen ist, legt er nun zusammen mit DIRK WIEGANDT eine Neubearbeitung von HENRICA MALCOVATIs 1969 in fünfter Auflage erschienenen Sammlung „Imperatoris Caesaris Augusti operum fragmenta“ vor. Das Ziel der Autoren ist neben der neuerlichen Präsentation der bereits von MALCOVATI berücksichtigten Schriften, Reden und Aussprüche des Augustus die Erweiterung der Sammlung durch die seit 1969 publizierten Neufunde bzw. von MALCOVATI übersehenen Zeugnisse. In der Anordnung der Sammlung folgt die Ausgabe MALCOVATIs Einteilung in 15 Kapitel, auch wenn diese, wie BRINGMANN/WIEGANDT in ihrer ‚Einführung‘ zu Recht anmerken (21), nicht in jeder Hinsicht nachvollziehbar ist. Die schon von jener Forscherin einbezogenen Urkunden werden in jedem Abschnitt zuerst aufgeführt; angehängt sind alle weiteren neuen oder unbeachtet gebliebenen Zeugnisse. Neben der Hinzufügung neuer Texte haben BRINGMANN/WIEGANDT diejenigen, die ihrer Ansicht nach zu Unrecht von MALCOVATI aufgenommen worden sind, mit einem Stern versehen. Der jeweilige Kommentar erläutert ihre Bedenken. ...
Die Folgen der französischen Vorherrschaft in Westdeutschland um 1800 sind ganz unterschiedlich bewertet worden. Manchmal schien der Verlust ‚nationaler‘ Selbstbestimmung entscheidend, so dass sie als düstere Jahre der Unterdrückung beschrieben wurden; manchmal stand der Aufbruch im Vordergrund, den die Modernisierung von Recht, Verwaltung und Wirtschaft, das Ende korporativer Autonomien und der Zuwachs an individuellen Mobilitätschancen zu ermöglichen schien. Auch im Bildungsbereich tritt beides vor Augen. Der Ersatz der ‚alten‘ Universitäten auf dem linken Rheinufer in Mainz und Köln durch neue Schultypen, zunächst Zentralschule und, in Köln, Sekundärschule, später durch preußische Gymnasien, ging mit zukunftsweisenden Reformen des Lehrplans und dem partiellen Abbau von Standesschranken einher. Zudem verzichteten die französischen Behörden auf die Verstaatlichung des bislang für die Bildung vorgesehenen Vermögens, und ermöglichten somit die Konsolidierung einer in Köln bis heute selbständigen Stiftung. Diese Neuordnung war aber zugleich Teil einer besatzungsähnlichen Politik, welche die in mancherlei Hinsicht erreichte Öffnung des höheren Schulwesens wieder einschränkte. Sie führte in beiden Städten zu vielen Jahren, in denen die Bürgerschaft auf den Komfort und das Prestige einer eigenen Universität verzichten musste: in Köln war das bis nach dem Ersten, in Mainz bis nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall. ...
Hans von Hentig war ein impulsiver Abenteurer mit wenig Respekt vor Autorität. Und er war ein extrem schreibfreudiger Wissenschaftler, der zu den Begründern einer modernen, durch die Verbindung juristischer und medizinisch-psychologischer Kenntnisse und Zugänge bestimmten Kriminologie gehörte. Hans von Hentig wurde 1887 als Sohn des Rechtsanwalts Otto Hentig geboren. Dieser hatte zunächst in Berlin praktiziert, bevor er als Spezialist für Wirtschaftsrecht 1893 zum Verwalter der Güter Karl Egon IV. zu Fürstenberg und 1900 zum Staatsminister des Herzogtums Sachsen Coburg und Gotha wurde; letzteres Amt brachte der Familie die Nobilitierung ein. ...
In der Geschichtswissenschaft gilt der Erste Weltkrieg als die "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" (Kennan). Er stand am Anfang einer Epoche gewaltiger Umwälzungen, die erst am Ende des 20. Jahrhunderts einer neuen Weltordnung Platz machen sollte, die allerdings noch immer instabil ist. Er bewirkte die Aufweichung der überkommenen bürgerlichen Sozialordnung Europas, beschleunigte den Niedergang des Bürgertums als führende gesellschaftliche Schicht, setzte neue politische Kräfte frei "einerseits faschistische Bewegungen, andererseits das sowjetische Experiment" die Europa und die Welt bis zur Unkenntlichkeit veränderten. Obgleich der Erste Weltkrieg der Höhepunkt der westlich-imperialen Herrschaft über ganze Regionen der Erde war, wurden währenddessen schon Ansätze für die weltweite Dekolonialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt. ... Die vorliegende Arbeit möchte diesem Forschungszweig eine weitere Fallstudie über das Kriegserleben einer Hamburger Bürgerfamilie hinzufügen. Die Treplins, ein junges Ehepaar mit drei kleinen Kindern, waren von 1914 bis 1917 über drei Jahre hinweg getrennt, während der Ehemann als Stabsarzt an der Front eingesetzt wurde. Ziel ist es, eine Alltagsgeschichte dieser Familie während dieser drei Jahre der Trennung zu schreiben, aus der hervorgeht, wie sich das Leben des Ehepaares und ihrer Kinder gestaltete und wie sie mit der Kriegs- und Trennungssituation umgingen. Quelle dieser Arbeit bildet der vollständig erhaltene Feldpostbriefwechsel des Paares. ....
Während die Charakterisierung des Verhältnisses zwischen Christentum und Naturwissenschaft als konkurrierend oder feindselig vor allem mit den ältesten Auseinandersetzungen der Frühen Neuzeit assoziiert wird – die Verurteilung Galileo Galileis durch die römische Inquisition (1633) fungiert gleichsam als Symbol des kirchlich-wissenschaftlichen Gegensatzes –, scheinen die jüngsten schulpolitischen Gefechte in den USA eine ungebrochene Aktualität des Konflikts bis in die Gegenwart säkularisierter Gesellschaften zu belegen. Nachdem elf Familien gegen den Beschluss der Schulbehörde von Dover (Pennsylvania) geklagt hatten, im Biologieunterricht neben der darwinschen Evolutionstheorie die Idee des "Intelligent Design" (ID) als gleichberechtigtes Alternativmodell zu präsentieren, fällte der zuständige Bezirksrichter John Jones am 20. Dezember 2005 ein Urteil, welches "Intelligent Design" als religiöse Weltanschauung klassifiziert, dessen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit zurückweist und unter Berufung auf die verfassungsmäßige Verankerung der Trennung von Kirche und Staat, welche den Religionsunterricht an staatlichen Schulen verbietet, aus dem Lehrplan verbannt. Seit Januar 2005 waren Biologielehrer der dortigen Highschool zur Verlesung einer Erklärung am Beginn der neunten Klasse verpflichtet, welche die Lückenhaftigkeit der Evolutionslehre betont, "Intelligent Design" als alternative Erklärung über den Ursprung des Lebens vorstellt und schließlich dazu motiviert, sich mit Hilfe der Schulbibliothek über dessen Konzept zu informieren. ...
Die Tagung "Die Rückkehr der deutschen Geschichtswissenschaft in die 'Ökumene der Historiker' nach 1945 – Ein wissenschaftsgeschichtlicher Ansatz" fand am 5./6. Juli 2007 in den Räumen des Deutsches Historischen Instituts Paris statt. In drei Sektionen diskutierten die Teilnehmer Fragen nach der Beharrung und Wandlung in der deutschen Geschichtswissenschaft nach 1945 (I.), der Reinstitutionalisierung und Neuorientierung der bundesdeutschen Geschichtswissenschaft (II.) und dem Historiker als transnationaler Akteur (III.). Zu analysieren galt es, welche inhaltlichen, personellen, methodologischen und epistemologischen Brüche und Kontinuitäten sich bei der Rückkehr der deutschen Geschichtswissenschaft in die Ökumene der Historiker feststellen lassen.
Nach der Begrüßung durch den Direktor des Instituts, Herrn Werner Paravicini, begann die Tagung mit zwei einführenden Vorträgen. Zunächst gab Christoph CORNELISSEN (Kiel) einen Überblick über die deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945. ...
Zeit ist einer jener Begriffe, für die man die Augustinische Charakterisierung gelten lassen wollte, es sei klar, was sie bedeuten, solange nicht danach gefragt werde (Augustinus Confessiones Lib. XI, 17). Die Frage aber nach dem, was "Zeit" eigentlich ist, erscheint umso berechtigter, als es insbesondere die Naturwissenschaften sind, die für sich in Anspruch nehmen, hier Antworten geben zu können. Die zu erwartenden Antworten wären danach wesentlich empirischer Natur – also direkt oder indirekt experimentell gestützt und mithin Ergebnis dieser Forschung. ...
Wir wissen nicht, was König Adolf von Schweden in seiner Satteltasche trug, als er im 30jährigen Krieg hoch zu Ross in die Schlacht zog. Angeblich soll es ein Exemplar des Buches "De iure belli ac pacis" gewesen sein, des völkerrechtlichen Hauptwerks von Hugo Grotius. Spätestens seit Louis Aubéry du Mauriers "Memoires pour servir a l’histoire de Hollande et des autres Provinces-unies" (1688) gehört diese Anekdote zum festen Bestandteil des Grotius- Mythos. Erzählt wird sie meist dann, wenn es um die Frage nach dem Verhältnis von Theorie und Praxis im Völkerrecht und ihrer Geschichte geht. Umdiese Frage dreht es sich auch in dermit Spannung erwarteten Arbeit von Martine Julia van Ittersum über die Verstrickungen des jungen Grotius in die Überseepolitik des ebenfalls noch jungen niederländischen Staates. ...